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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950803025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895080302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895080302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-08
- Tag1895-08-03
- Monat1895-08
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M- ' ' ^ ^ BezugS.PreiS der tzan-texpeditto» oder de« i« Stadt, bezirk and den Vororten errichteten Au«- -«erstell«, -d,»t» t, »ierteljkhrltch^!4.äÜ. bei »wetmaliger täglicher Lustelll»,- sti« Hau« » L.Ä. Durch die Post dezouen ,ur Deutschland nnd Orsterrrtch: pierteliahrlich » 6.—. Direkte »gliche -rtuibaadlradung in« Au«land: monatlich » 7.K0. Die VtorgeN'Vnkgabe erscheint »glich mit Ans» »ahm, nach San», und Festtagen '/,7 Uhr. dt« >bend»P»«gabe Wochentag« b Uhr. LeLarHon «n- ErpeLitiour Satzannesgiss, 8. Ditchrpeditien ist Wochentag« nnunterbroche, -»öffnet »on früh 8 bi« Abend« ? Udr- Filialen: ktta «e»m - Gartim. (Alfred datznt, UntversitStSstraße 1. Laut« Lösche. Katharsnenstr. 14. pari, und Kitnigtplatz 7. Mbend-Ansgave. npMtr und T Mtbl alt Anzeiger. Drgan fSr Politik, Localgeschichte^Kandels-undGeschäftsverkehr. Mnzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklame» unter demRedactionSstrich (4av> spalten) vor den Famtliennachrichtea («gespalten) 40^- «rtiher, Schrtsten laut unserem Preis- »erzetchniß. Tabellarischer und gisfernsa- »ach höherem Tarif. Ertra-Veilagen (gefalzt), nur ml» der Morgen-Auegabe, ohne Postbeförderima » 60,—, mit Pvstbesörderung » Iinnahmeschlnß fSr Anzeigen: (nur Wochentag«) Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. B«i den Filialen und Annahmestellen je rin, halb« Stunde früh«. Anzet,,» sind st»t« an dt, Ettedikton zu richten. Druck and Verlag von L. Polz in Leipzig. ^373. Vonnahend den 3. August 1895. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * vetprig. 3 August. Es ist ein« Erscheinung, dir man jährlich beobachten kann, daß während der parlamentarischen Ferien in solchen Blättern, die beständig mit den stärksten Farben auszutragen pflegen, um die Nerven ihrer Leser zu kitzeln, mit wahrem Raffinement die geringfügigsten politischen Ereignisse zu Tra- gvdien aufgebauscht werden und überhaupt die Weltlage so auSgemalt wird, als ob in jeder Minute gewitterschwangere Wolken verderbenbringend sich entladen könnten. Aber noch in keinem Sommer ist di« tzaltttsche Lchwarzsiirbrret so eifrig betrieben worden, wie in diesem- Wenn dieser Gewerbe betrieb sich darauf beschränkt«, unsere inneren Zustände und Berhältnisse als besorgnißerregend zu schildern, sy wäre da« zu entschuldigen. Die Zerfahrenheit unseres Partei- wesenS, das von so großem Einfluß auf den Gang der Gesetz gebung ist, ist kaum jemals größer gewesen und, vergebens wartet man auf «ine kräftige Initiativ, der leitenden Kreise. Aber di« Schwarzfärber begnügen sich nicht mit düsteren Schilderungen der Zerfahrenheit und mit dunkler Weis sagung über di« Zustände, denen wir entaegengehen, wenn nicht ein reinigender Lustzug auS höheren Regionen Wandel schafft. Sie üben ihre schwarze Kunst mit Vorliebe an der „Stagnation der äußeren Politik" und gefallen sich oder suchen vielmehr ihren Lesern zu gefallen durch Aus führungen au« denen geschlossen werden muß, Deutschland gehe durch die Unfähigkeit seiner Diplomatie per vollständigen Bedeutungslosigkeit entgegen, wenn es zu dieser nicht bereits herabgesunken sei. Und an solcher pessimistischen DarstellungS- art betheiligen sich nicht nur die Leiter notorischer Sen- sationSblätter, sondern auch Männer, von deren Namen und Stellung man strenge Gewissenhaftigkeit erwarten dürfte. Zu diesen Männern gehört auch der jetzige Leiter der „Preußischen Jahrbücher" Prof. Delbrück, der, wie e« scheint, seiner Verehrung für den Fürsten Bismarck nicht in überzeugenderer und für da« Baterland ersprießlicherer Weise an den Tag legen zu können glaubt, als indem er sammt der inneren auch die äußere Politik des jetzigen Reichs kanzler« al« keine Politik bezeichnet. So erklärt er in seinem jüngsten Artikel, den, Kieler Canalkeste habe nicht der Hintergrund der Erfolge entsprochen. Nichts sei unberech tigter, i« gefiihrlicher at« «in Fest ohne »inen solchen Hinter «rund, da- am Ende über den Mangel an wirklichen Er folgen hinwrgtauschen soll«. Deutschland treibe weder gegen üder den Vorgängen in Ostasien, noch in Bulgarien, noch auf colonialem Gebiet «in, activ« Weltmacht«-Politik. Der Artikel schließt wie folgt: ,,Go Ist di» deutsche Politik nach allen Seiten gebunden und ist eS schwer sftr Deutschland, unter den Mächten auch nur ein« Stellung zu behaupten, die nicht geradezu demüthigend ist. LS giebt solche Seiten in der geschichtlichen Entwickelung, wo keine ander» Politik übrig bleibt, al« hie der „meisterhaften Unthättakett". Man wnh> darüber hinweg kommen und man kann e« am Besten in starken Monarchien, wo man auf unzufrieden, Stimmungen tm Volke nicht gar zu ängstlich Acht zu geben hat. Aber schön wäre »« doch, wenn einmal bald da- Mittel gesunden würde, aus dieser Lage herauszukommen." Wir glauben wohl, daß bei den Kieler Festen, wenn Herr Delbrück da« Programm sestzustellen gehabt hätte, da« äußere Gepräug» geringer gewesen wäre. Einen Hintergrund größerer Erfolge abe, würde auch er nicht haben schaffen können. Bon Er folgen wird man überhaupt erst sprechen dürfen, wenn noch weit mehr Wasser durch den Canal grsioffen sei» wird. Internationale Berhältnisse ändern sich so rasch nicht, wie die Hörerzahl eine« akademischen Lehrer« von einem Semester zum andern. Und waS die deutsche Politik in Ostasien und Bulgarien betrifft, so ist die erstere activer gewesen, als gar manche Kenner der japanischen Verhältnisse für wünschens- wcrth erachten, während die andere mit der vom Fürsten Bismarck empfohlenen sich vollständig zu decken scheint. Wir sagen mit Vorbedacht „scheint". Welche Schritte tat sächlich geschehen sind und noch geschehen, entzieht sich unserer Kenntniß genau so, wie der des Herausgebers der „Preuß. Jahrbücher", der aus der Zeit der aintlichei, Thätig- keit BiSmarck'S recht gut wissen könnte, daß die bessere und ersolareichere Politik keineswegs immer die vordringliche und ihre Thatcn auf offenem Markte auSlrähende ist. Hat sich Fürst Hohenlohe seinem Kritiker in den „Preuß. Jahrbüchern" nicht anvertraut, so sollte der letztere wenigstens so bescheiden sein, vom „Schein" zu reden, nickt aber vom Sein. Gerade an der deutschen Colonialpolitik sehen wir, daß die Dinge seit dem Rücktritt des Grasen Caprivi besser geworden sind. Es ist also, wenn es wirklich den Anschein haben sollte, als ob auf anderen Gebieten der auswärtigen Politik Deutschlands eine Stagnation eingetrrte» wäre, anzunehmen.daß dieserSchein trügt und daß eine Thätigkeit entfaltet wird, die nur den Politikern der Schreibstube unbekannt ist. Ein richtige« Urtbeil ist erst möglich, bevor der Erfolg zu Tage tritt, und das kann bei den eigenthümlichen Verhältnissen auf der Balkanhalbinsel sowohl, wie in Asien noch eine Weile dauern. Das sehen sogar unsere grimmigste» Gegner ein; ernsthaften französischen Blättern ist cS noch nicht eingefallen, au« der scheinbaren Zurückhaltung der deutschen Diplomatie bei auswärtigen Ver wicklungen den Schluß zu ziehen, die deutsche Politik habe sich so fest gefahren und gebunden, daß sie brr Demüthigung kaum entgehen könne. Auf diesen Gedanken werden unsere franzö sischen Nachbarn erst kommen, wenn sie sehen, daß die „Preuß. Jahrbücher" ihn offen auSsprcchen. Da« ist zweifellos nicht die Absicht des Herrn Prof. Delbrück, aber eine unausbleib liche Folge, die er hätte voraussehen können. Auf den 14. August ist die schweizerische Bundes versammlung zu einer außerordentlichen Sitzung nach Bern einberufen worden, um zunächst über da« zwischen der Schweiz und Frankreich zu Stande gekommene Handels übereinkommen zu berschen. Nachdem die französischen Kammern dasselbe sozusagen einstimmig angenommen naben, unterliegt eS wohl keinem Zweifel, daß die Schweiz dasselbe thun Wird, obwohl sich eigentlich Niemand so recht über dieses Adbommen freut. Thatsäcklich sind die Bortheile, die dir Schweiz an« demselben ziehen wird, sehr gering, während Frankreich für eine Reih» von Erzeugnissen, deren Einfubr in die Schweiz unmöglich gemacht worden war, di« Thore wieder geöffnet worden sind, wie z. v. dem Wein, der Confection u. dergl. Auch der Umstand, daß durch dieses Uebereinkommen «ine Bresche in die französische Schutzzollpolitik geschlagen wurde, wird sehr kühl beurtheilt, und es bleibt erst abzuwarten, welche Wirkung diese Thatsache ans die Handelsbeziehungen des eigenen Landes, sowie auch für die übrigen Staaten, welche Handels verträge mit Frankreich abgeschlossen haben, ausüben wird. Aber wie schon oben bemerkt, wird zweifelsohne auch dir schweizerische Bundesversammlung das Uebereinkommen gut- heißen, um nickt das Odium auf sich zu laden, die dargeboteue Friedenshand schroff zurückgewiesen zu haben. Die Schweiz hätte füglich noch zuwarten können, bis Frankreich ein weiter- gehendes Entgegenkommen gezeigt hätte. Nicht nur hat sie für ihre eigenen Erzeugnisse anderweitige Absatzgebiet, ge sunden, sondern sie hat auch ihren Bedarf, den sie seit I Jahrzehnten ans Frankreich bezogen hat, aus anderen »Staaten zu gleich günstigen Bedingungen, wie früher, Di- '°mi. dl, Awch wäA'd,U Z-M-i-S-« ,.m Grund g-w-I'U, bedeutend, und die elbe wäre icocn,n ^ie zu bad,n wird ist s'IM, BundeSratb an Stelle des aut w y , ^ dem Lebe» geschiedenen Herrn ^i, Bern, folger gilt der Nationalrath oberst Müller ist schon lange als begabter und energischer .^D itair hervor- Mitglied des Nationalrathes und auch « S s y , ragend. Er ist gegenwärtig Commandant der III. Dw.f.on. Der koeialistischen Bewegung in -takte» haben die deutschen Genossen" von jeher das lebbastefte Interesse en - acricktet. da« durch Maßlosigkeit der Sprache sich auS- reichnet: „Ick habe mit lebhaftestem Anlhe'l die trau rigen Henkerstbaten verfolgt, deren Bühne Eure schone Insel Sicilien war, diese Insel, die r>nst die Korn kammer Italiens gewesen ist und die heute schaft einer raubgierig wilden und feilen Bourgeoisie da». Land der NnnqerSi otb und des Elends geworden. Ich bringe üu« di. l"Tn Wiini-I,. d-r d-u.,»-» Briid-, i-uu b-l -n Gelingen Eures Unternehmens. Die deutfche» Arbeiter tragen Eure Kämpfe wie Eure Leiden um die Einsame Sack- tief im Herzen u- s. w." — Sämmtliche sociastst'fchen Führer, Friedrich Engels. InleS Guesde, Lafargue. IglenaS (Madrid). Bandcrvelbe (Brüssel), haben BcarüßungStelegramme nach Palermo geschickt, und es scheint also, als wenn unter Mit hilfe der gesammten internalionalen Socigldcinokratie die socialistische Bewegung auf Sicilien zu neuem Leben angesacht werden solle. In dem mehrfach erwähnten Schreiben Lco'S XIII an den bklgtschen Episcopat über die sociale Frage erblicken vatikaniscke Kreise eine klare tznd deutliche Kund gebung gegen die Ausartungen der christlich- socialen Bewegung, welche nicht nur in Belgien, sondern auch in anderen Staaten eine Form angenommen bat. die vom Papste in hem erwähnten Schreiben aus daS Entschiedenste mißbilligt worden ist. Die päpstliche Sncyclika stellt 1>ch, wie die „Pol. Corr." mittbeilt, als Srgebniß langer Verhandlungen dar, welche über diesen Gegenstand zwischen der belgische» Regierung und dem heiligen Stuhle stattaefunden haben. Nickt nur daS Brüsseler Cabinct, sondern König Leopold II. selbst hatte Veranlassung genommen, den Papst auf die Ge fahren der von den Christlich-Socialen begünstigten Tendenzen für die Ruhe und Ordnung im Staate aufmerksam zu machen. Wie erinnerlich, hat der Papst infolge dieser Schritte zunächst einige Führer der christlich-socialen Bewegung in Belgien, wie den Abbö DaenS. nach Rom citirt und demselben eme Ver warnung ertheilt. Sodann hat er sein Schreiben an den belgischen Episcopat erlaffen, welches sich wohl direct nur mit den betreffenden Zuständen in Belgien befaßt, aber gleichzeitig auch als rin Echo jener Ermahnungen aufgefaßt werden darf, welche der Papst seinerzeit an die Christlich-Socialen in Oesterreich gelangen ließ. Die ganze Tendenz de« päpst- lichen Schreibens zielt darauf hin, einerseits die christlich sociale Bewegung von dem revolutionären Sociali-m»s loö- zutrennen, dessen Ziel der Umsturz der gegenwärtigen Staats ordnung ist, und andererseits die Autorität der Bischöfe über die niedere Geistlichkeit, in welcher Richtung vielfache Ursacke zur Klage vorhanden war, zu stärken. Daher fordert der Papst alle Katboliken zur Einigkeit auf unv ermahnt die niedere Geistlichkeit, ihr Ohr gegen die neuen Theorien des SocialiSmu« zu verschließen. Des Weiteren wird den belgischen Katholiken nahe gelegt, zur Beruhigung der Geitter auf dem socialen Gebiete beizutragen, wozu eS nöthig sei, daß sich dieselben jeder mündlichen oder schriftlichen Propa ganda der „neuen socialen Theorien" enthalten. Der Bischoss- congreß, welcher ans Wunsch de« Papste« demnächst zusanimen- treten soll, wird sich gleichfalls mit allen den berührten Fragen beschäftigen und dieselben im Sinne des päpstlichen Schreibens einer Erörterung unterziehen. — Was werden unsere deutschen Katholiken zu dieser Haltung des Papste« sagen'? Wird ihr kirchliches Gewissen ihnen auch jetzt noch gestatten, leichten Herzens Wahlbündnisse mit der Social demokratie einzugehen? In der englischen Presse wird dermalen ein Streit ge führt, der auch für andere Länder mit konstitutioneller Ver fassung von Interesse ist. Es bandelt sich um die Frage, was von den in den Wahlkampf gezogenen Parteien ver- sprachen worden ist. In der That verursacht e« jedesmal einige Mühe, das genauer festzustellen. Die Bureaukraten der dritten Republik in Frankreich hatten im vorigen Jahrzehnt einmal den Bersuch unternommen, dieWahlversprechungcn der Candi baten im Wege der amtlichen Feststellung von Kreis zu Kreis zu ermitteln. Da« war zu der Zeit, als man das Abenteuer der Boulange für eine ernste Gefahr nehmen mußte- Wie eS scheint, sollten die Präsecten für den Fall eines durchschlagenden Wahlerfolge« der Boulangisten das Material gesammelt haben, damit die republikanischen Bureaukraten und Doctrinaire, denen um ihr bisheriges Dasein ernstlich bange geworden war, für sich wenigsten« den Trost gehabt hätten, nur einer ungeheuerlichen Lüge unter legen zu sein. Allerdings batten ja die Boulangisten damals dem Lande eine Aera deS Ruhmes nicht nur, sondern auch der absoluten Wohlfahrt versprochen, wie es ähnlich nur von den Welfen in der Provinz Hannover beliebt wird. Aber die dritte Republik hielt noch einmal Stand und befestigte sich sogar, nachdem der Abenteuerer Boulanaer sein klägliches Ende gefunden hatte. Die Regierenden in Frankreich vielten es deshalb wohl für mehr angebracht, das von den Präsecten aufgesammelte Material im Staube der Archive ruhen zu lassen; zum Mindesten ist nicht- mehr darüber vernommen worden. Möglich auch, daß das Crgebniß nicht darnach war, um sich öffentlich verwerthen ru lassen, denn — Feststellungen in dieser Hinsicht sind eben eine äußerst schwierige Aufgabe. E>as erfährt man jetzt aus England; wir wissen es aber schon vom Schauplatz unserer eigenen Wahlkämpfe. Beispielsweise sind wir sicher, schon aus harten Widerspruch zu stoßen, wenn wir, wie eS vorhin geschehen, den Welfen nachsagen, daß sie ihren engeren Landsleuten in der Provinz Hannover als Folge der Wiedrraufrichtuna des welfischen Thrones eine Aera der absoluten Wohlfahrt versprochen haben und immer noch aufs Neue versprechen. Das pflegt ja nicht in der Weise ansgesprochen zu werden, daß es der Landrath zu Protokoll zu nehmen braucht. Aber wie anders ist die Gesammlwirkung der welfischen Wahlmache zu ver stehen? Dem Handwerker und dem Kleingewerbetreibenden, 171 Faerillrtoir. Das verlorene Paradies. Roma» von Anton Freiherr »on Verfall. »iachdru«! verboten. (Fortsetzung.) Arabella machte schon damals im Gasthof diese Andeutung. Sie war damals empört darüber. Aber es bestand ja gar keine Kluft zwischen ihr und Paul. Sie stimmte za vollkommen überein mit ihm, eben lauschte sie begeistert seinen Worten Uber die Kunst. Wie nüchtern, verständig klang die Erwiderung Prechting'«, jede« hohen Schwunges bar, gerade wi» damals in Schwarzacker die Antwort auf ihr« leidenschaftliche Hingabe — und doch fühlte sie die unerbittlich« Wahrheit heran«, argen die alle« Sträuben, alle schönen Worte nicht- halfen. Der Wahnsinn lauert in den Regionen, in welchen ihr Gatte wandelt, das Land der Phantasie, da« Paradir«, nach dem er sich sehnt, kann nie eine Heimath werden. Di« Dämmerung schlich in alle Winkel. Sie blickte jetzt mit Grauen auf da« Bild. Die weit« Ebene zerfloß in da« Unendliche, in ein Farbenchao«, die zwei Figuren im Vorder gründe wuchsen zu riesigen, gespenstigen Schatten. Di« Gäste entfernten sich, nachdem st« dem Bilde noch einmal wie einem bereit« vollendeten Meisterwerke ihre Be wunderung gezollt, riesige Preise bestimmt, einen phänome nalen Erfolg geweissagt. Franz wollte heut« noch den glücklichen Ausgang keiner Sendung melden. Dieselbe wurde allerdings im letzten Augenblicke durch die Erklärung Paul'« abgrschwächt, nicht eh«r nach Vals kommen zu können, bi« sein verlorenes Paradie« wenigsten« dem Entwurf nach feststände, jede Ab lenkung und seelisch« Erregung sei in diesem Stadium geradezu da« Verderben de« Ganzen. Uebriaeq« liege seiner Frau picht« im Wege, früher stach Val« ziz gehen, am Ende bandle e« sich doch mehr um fi, al« um ihn, und der Graf könne seinen Anblick gewiß leichter verschmerzen. Kitty empfand da« bitterste Weh Uber diesen Vorschlag, er ließ ,hr keinen Zweifel mehr über ihre Stellung zu Paul. Er bedurfte ihrer nicht einmal in dieser wichtige» Zeit, ja, sie war ihm wohl nur »ine Last, «in Hinderniß, nnd die Ge- lrgenheit, sie zu entferne«, kam ihm ganz gelegen. Jetzt galt > , ,, >>, e« ihr Höchste«! — Entweder in Wirklichkeit daS jammer volle Weib dort auf dem Bilde oder sein guter Genius. Sir wie« den Vorschlag mit einer leidenschaftlichen Entrüstung zurück, daß Franz nichts zu entgegnen wagte in der Be- sorgniß, Alles zu verderben. Makowsky hoffte, in vierzehn Tagen bereit zu sein, so lang« war ja daS Fest hinauszuschieben, wenn auch in Franz der Unniuty giihrte, ein so wichtige« Ereigniß dem Eigensinn dieses Mannes unterworfen zu sehen, ein Umstand, der ihm wenig Hoffnung gab für die Zukunft Kitty's. ES lag darin für ihn, den praktischen Arbeitsmcnschen, einerseits eine groß artige Ueberhebung, anderseits eine völlige Verkennung der Werthe. Kitty ließ ihn leichten Herzens ziehen. Die Freude, die sie eben noch empfunden über ihre bevorstehende Rückkehr nach Vals, zum Vater, war einem andern Gefühl gewichen. Es gab keine Brücke von dieser in jene Welt, die An schauungen sind zu verschieden, jede Verbindung konnte mir eine äußerliche sein. Vor Allem gehörte sie an dir Seite ihre« Gatten. Makowsky war fest entschlossen, BalS nur im Vor gefühl seine« sicheren Sieges »u betreten. Die Unterredung mit Franz hinterließ eine lebhafte Bennrnbigung in ihm, er konnte sich dem Wahren nicht verschließen, da« in seinem Worte lag. und es verdroß ihn, daß der Laie, dessen Urtheil er für nicht« achtete, sein« Schwäche durchschaute, eine über- schaumende Phantasie, der die Kraft der Verwirklichung ge brach. Er mußte ihn widerlegen, ihn und Alle, die so von ihm denken, denn aus sich heraus hatte der Junker das nicht geschöpft, er batte eS irgendwo aufgeschnappt. In der ganzen Stadt urtheilt man wohl so über ,hn l Da kam daS Bild gerade recht, um diesen Pöbel zu widerlegen. E« ergriff ihn ein drängendes Fieber, er konnte da« Bild nicht verlassen, obwohl die Dunkelheit schon angebrochen war. Kitty mußte Licht machen, dann stieg er auf die Staffelei und legte große Flächen an. Kitty wagte kein störende« Wort. Sie blickte, in dem selben Winkel gekauert, in welchem sie bei ihrem ersten Atelierbesuch so glücklich geträumt von seligen abendlichen Stunden mit ihm, auf den Schatten ihre« Gatten, der in grotesken hastigen Bewegungen über die riesige Leinwand huschte wie ein Nachtgespenst. Drei Wochen waren verflossen seit dem Besuche Prechting'«, drei Wochen saß Kittv >n dem Winkel und blickte auf die gewaltige Leinwand, die unter Makowsky'« unermüdlichem Pinsel den verschiedenartigsten Anblick bot. * Eine giftige Farbenluft erfüllte den Raum, welche der riesigen, feuchten Fläche anSströmte. Ihre Augen schmerzten von dem ständigen scharfen Sehen, ihr Kopf von dem ständigen ängstlichen Be mühen, die Farbenräthsel zu lösen, welche Makowsky täglich neu erfand. Goldene Flüsse mit bunten Fabelwesen darauf, die sich durch violette, mit grellfarbigen Puncten besäte Massen schlängeln, durch die Weiden des Paradieses Abenteuerliche Lichtspiele eines ephemeren Gestirns, in den Lüsten glitzernde Strahlenbomben. Aber trotzdem war sie glücklich wte noch nie. Er verlangte jetzt selbst ihre ständige Gegenwart, befragte sie um die Wirkung, um Ansicht und Rath, ja, er stellte ihr listige Fallen, um ihre Ehrlichkeit zu erproben. Er frohlockte, wenn sie seine Intention errieth, er verzweifelte, wenn sie fehlgriff. Und sie lernte mit der unendlichen Kraft der Liebe, die ihr jetzt erst vollends berangereift schien, wo ihr Traum sich erfüllte — seine Farbensprache zu verstehen, vom leisesten Stammeln bis zum »rausenden Hymnus. Ja, sie war zuletzt selbst entzückt davon, einzig Wahre zu halten, und freute ich tm Innern über die Kurzsichtigkeit der Collegen sie oft rathloS in sichtlicher Verlegenheit vor dem Bilde tanden, wie damals Franz. Nur Eine» sorgte sie: er über arbeitete sich. Verderbliches Fieber wüthete in seinem Körper; daß es auch sie bereits ergriffen, auch ihre Wangen bereits gebleicht, daran dachte sie ja nicht. Die Stunden der Ver- zagniß völliger Entmuthigung mehrten sich. Dann floh er förmlich, von einer inneren Angst getrieben, zu ihr, wie um an einer frischen Quelle seine versengten Lippen zu kühlen. Franz drängte, er durfte ja dem Grafen den wahren Sachverhalt nicht mittheilen. Der Vollendung eines BilpeS halber hielt ,hm dieser Mensch sein Kind vor! Das hätte er nlmnier verziehen, ihm nicht und Kitty nicht. Franz mußte alle erdenklichen Ausflüchte und Listen ersinnen, da« Fest zu verzögern, aber in die Länge ging es nicht mehr. mcht, Paul dgvon Mittheilung zu machen. Sie sah jetzt selbst ein, daß eine Störung bei diesem Schaffen qualvoll sein müßte, so heilsam auch eine Erholungszeit in »»>"«-» W°-r-i»°» von der Arbeit, seine Unsicherheit abm bedenklich zu, er vernichtete oft in einer Minute die ,befriedigte ihn mehr, all,« erschien idm farblos. Die Tiefe der weiten Ebene wollte hm nicht mehr gelingen, da« Unbegrenzt», in der Ferne Zerfließende — dieser Baron Prechting sollte also recht behalten. — Seine Kraft der Darstellung stand in keinem Berhältniß zu seiner Phantasie. Dann war er ein armseliger Träumer. WaS kümmerten sie sich darum, daß er titanenhaft rang mit dem alten Fluche der neidischen Götter. Eines Abends — Kitty hatte sich den Nachmittag über, an heftigem Kopfschmerz leidend, auf ihr Zimmer zurück gezogen — holte er sie mit triumphirender Miene. Sie eychrak über sein Aussehen. Er glich einem Irren. Wortlos führte er sie vor das Bild. Im ersten Augenblick fuhr sie entsetzt zurück. Sie kannte es kaum mehr. Ein wilder Brand loderte am Horizont des Paradieses, jede Contur verzehrend. Seine Reflexe waren über das ganze Bild zerstreut, sie spielten auf dem Saume der Wälder, in den Seen und Flüssen, auf den Figuren der beiden Vertriebenen. Er hatte die ganze Luft ergriffen und schlug gleichsam auS dem Bilde selbst dem Beschauer glühend heiß in das Angesicht. Makowsky deutete ihr entsetztes Staunen falsch. „Nun, was sagst Du jetzt? Ist daS Handwerk jetzt auch noch Herr über mich? Ist daS Unterfangen immer noch vergeblich, die Schranken der Kunst in das Unendliche zu verschieben?" — Der volle Sieg leuchtete aus seinem bleichen Angesicht und noch etwas — der Wahnsinn, von dem Franz sprach. Ein Gedanke erfüllte sie blitzartig: er muß fort nach Vals! — „Großartig! Gewaltig!" sagte sie dann und die Thränen höchster Begeisterung, wie er glaubte, liefen über ihre Wangen. Makowsky lachte verschmitzt. „Kommst Du denn nickt darauf? Es ist ja nur eine Kriegslist. Ich habe sie einfach verbrannt, die verhaßten Schranken, die ich nicht beben kann! Jetzt sollen sie nur suchen darnach — die Tröpfe! O, das ist ja nur die Idee, das soll noch ganz anders kommen! Jetzt weiß ich einmal, wa« ich will." Kitty ergriff ein Schwindel, daS ganze Farbenmeer vor ihr wogte durcheinander. Sie eilte davon und telrgraphirte Franz: „Erwarte Dich sicher mit Frühzug". AIS sic Morgen« nach eister unruhigen Nacht erwachte, war Paul'« Laaer schon leer — sie wußte, wo er war — im Atelier. Sie kleidet« sich rasch an. Wenn er die Arbeit ven Neuem begann, war Alle« verlorenl Al- sie di« Stiege hinabeilte, kam ihr Franz entgegen. Er erschrak über ihr verstörtes Aussehen. „WaS ist geschehen, Kitth?" — Der Ton, in dem ei fragte, die Erwartung in seinem Antlitz erzeugten eine grauen hafte Vorstellung in ,tzp. er
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