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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.09.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950917024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895091702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895091702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-17
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Der Herzog von Gramont antwortete darauf irn Ighre ,872 durch sein Buch „üm trauen et In ?rn->86 gvunt In gnknn". In dieser Schrift suchte der ehemglige Minister des Auswärtigen sich möglichst von der Schuld am Ausbruch des Krieges rein zuwaschen. Das ging nur, indem er diese Schuld Anderen aushalste. So streute er Verdächtigungen nach allen Seite» aus, belastete Bismarck, belastete seine» eigenen Kaiser, be lastete vor Allem seinen ehemaligen Botschafter. Der Graf Benedetti verfaßte als Erwiderung auf dies« Angriffe sofort eine Rechtfertigungssckrist. Im Jahre 1873 war der Band, der unter dem Titel „K88ai8 ckipIomnttqu68" erscheinen sollte, druckfertig ausgearbeitet. Während Graf Benedetti die Ver öffentlichung seines Buches vorbereitete, starb der Herzog von Gramont. Der Graf Benedetti hielt es für un würdig, gegen einen Tobten zu polemisiren. Er verschloß die „L88gi8 ckiplomatmues" in seinem Pult, und er hat die Ueberwindung besessen, gegenüber allen Angriffen, allen Streitigkeiten fast 25 Jahre lang zu schweige». Erst jetzt, wo durch die deutsche Iubiläums-Feier die Polemik über den Ausbruch des Krieges neu belebt worden ist, erachtet er den Zeitpunct für gekommen, um seine im Jahre 1873 verfaßte Rechtfertigungsschrift zu veröffentlichen. Die „L88ai3 äip>omntic,u68" werden, wie gesagt, demnächst erscheinen. Einstweilen legt die „lisvus ck«z Unris" dem Publicum einen Abschnitt daraus vor, den Benedetti „Lta mi38ioit ä Lm8" betitelt. Diese klar«, maßvolle Dar stellung der diplomatischen Verhandlungen über die Hohen- zollern'sche Thron-Candidatur bildet ein neues, höchst inter essantes Dokument zur Vorgeschichte des Krieges und vor Allem zur Klärung der Frage, wie die Verantwortlichkeit au dem Volker-Ringen zwischen den maßgebenden Persönlichkeiten beider Länder zu vertheilen sei. Benedetti zögert freilich nicht, die moralische Verantwortung am Ausbruche des Krieges dem Fürsten Bismarck zuzu schieben. Einen Beweis dafür bleibt er, wenigstens in dem vorliegenden Capikel, schuldig. Er sagt nur: „Der Kanzler hielt den Krieg mit Frankreich für unvermeidlich; er wollte diesen Krieg; er hielt seit mehr als einem Jahre die Angelegenheit der Hohenzollern'schen Thron-Eandidatur in Reserve, mit der Ab sicht, daraus Capital gegen uns zu schlagen. Aus diesem Grunde ist und bleibt er der hauptsächliche und verantwortliche Urheber des Krieges. Aber er hätte sich diesen Krieg nicht verschaffen können ohne die unglückseligen Anträge, die Gramont am 13. Juli an den König von Preußen stellen ließ." Daß Bismarck mit der HohenzoUern'scheii Throncandidatur der französischen Regierung eine Falle gestellt habe, ist eine jener Legenden, die sich in Frankreich festgesetzt haben und auf deren Ausrottung man wird verzichten müssen. Aber abgesehen von dieser völlig grundlosen schweren Beschuldigung, geht aus der Darstellung Benedetti's zur Evidenz hervor, daß der unmittelbare Urheber des Krieges der Herzog von Gramont ist. Diese Auffassung stimmt vollständig überein mit den Ergebnissen der deutschen Geschichtsforschung, die Herr v. Sy bei erst kurz vor seinem Tode festgestellt hat. Der deutsche Historiker suchte den Kaiser Napoleon und die Kaiserin Eugenie gegenüber den Beschuldigungen, daß sie zum Kriege gedrängt hätten, zu rechtfertigen und ließ das ganze Schwergewicht der Anklage auf das Haupt des gewissen losen und verlogene,« Herzogs von Gramont piederfgllen. Benedetti's Schrift liest sich, als sei sie persaßt, nn, ejnei, lange,, li„d bis ins Einzelne gehenden Beweis für Sybel's Behaupt,,pa zu erbringen. Sie stellt den Minister des Aus wärtige» Napoleon'« ,N seiner ganzen Doppelzüngigkeit dar; sie enthält implicite die Beschuldigung gegen >dn, dqß er im gefährlichsten Moment der Kampier entscheidende diplo matische Aufschlüsse unterschlagen habe. Sie legt aus der ante,u Seite das durchaus loyale, vo,i ehrlichster Friedens liebe beseelte Verhalten des Königs von Preuße» während der Einser Verhandlungen klar, der mit den, »ach der Darstellung Be>,edetli's nickt minder loyalen französischen Botschafter Alles lhat, was er thun konnte, »m den Krieg zu verhindern. Benedetti weist »ach, daß er seine Mission in Ems vpll ständig erfüllt halte, daß er Alles erreicht hatte, was die französische Regierung ihn zu erreichen befohlen hatte, und daß eine z»m Kriege führende Verwickelung nur entstand, weil der Herzog von Gramont in letzter Stund« durch den preußische» Gesandten in Paris eine neue, Garantien für die Zukunft heischende Forderung stellen ließ, obwohl ex durch Benedetti bereits wußte, daß der König von Preußen eine Erklärung abgeben wsirde, die einer Garantie für die Zukunft gleichkam. Weniger gut kommt wieder Bismarck in Benedetti's Aufzeichnungen weg. Nach den, ehemalige» Botschafter ist cs Bismarck gewesen, der in letzter Stunde in dje bisher zwischen dem König und dem Botschafter allein geführten Unterhandlungen eiiiasgriffefl n»d den König vo» weiter«,: Nachgiebigkeit abgehalten habe. Aber zwischen den Zeilen kann man lesen, daß Benedetti begreift, gegenüber der neuen Garantie- forderung Gramont's, die Benedetti selbst „verhängnißvoll" nennt, sei keine weitere Nachgiebigkeit mehr möglich gewesen. Ja Benedetti beweist, daß dieses den Krieg entscheidende Eingreifen Bismarck's nur durch Gramont's Verhalte» ermöglicht wurde. Er sagt es ausdrücklich: „Nur die in letzter Stunde erfolgenden französischen lGarantie-sForderungen haben es Herrn von Bismarck erlaubt, die französische Regierung vor die Alternative zu stellen: entweder die grausamste Be leidigung (?) zu dulden oder de» Degen zu ziehen." Benedetti glaubt also zwar, daß Bismarck den Krieg gewollt habe, aber er weist nach, daß Bismarck erst in letzter Stunde die zum Abbruch der Verhandlungen führenden Schritte thun konnte, nachdem Gramont vorher Alles getban, um diese Ver handlungen zum Scheitern zu bringen. Selbst die bekannt- „Travestirnng" der Einser Depesche — daS Wort„Travestiru»g" ist vo» Benedetti — erscheint also i» der Darstellung des ehemaligen Botschafters nur als das letzte Glied in einer Kette von Ursachen, die von Gramont ausgeht. Man kan» Benedetti's Auffassung in de» Worten ausdrücken: Bismarck hat den Krieg im entscheidenden Moment veranlaßt; Derjenige aber, welcher diesen entscheidenden Moment herbeigesührt hat, der eigentliche Urheber des Krieges also, ist der Herzog von Gramont gewesen. Die französische Presse hat in letzter Zeit die Vorgeschichte des Krieges stets so dargestellt, als habe Bismarck mitten im tiefsten Frieden das widerstrebende Frankreich durch Fälschung der Einser Depesche plötzlich znm Kriege gezwungen. Diese Darstellung wird durch Benedetti's Angaben schlagend widerlegt — was aber gewisse Pariser Blätter wahrscheinlich nicht bindern wird, sie ihren Lesern auck noch in Zukunft aufzutischen. Die Abhandlung Benedetti's ist leider zu lang, als daß man sie hier reproducircn könnte. In Kürze möge nur folgende Gegenüberstellung daraus entnommen werden: Am 13. Juli erhielt Benedetti ein Telegramm vo» Gramont, worin dieser das bisherige Resultat der Verhandlungen billigte und dem Könige von Preußen eine eintägige Frist zur Abgabe der definitiven Entscheidung zugestand. Djese Depesche jwgr um 12 Ukr 45 Minute» von Paris abgegangen. Um l Uhr 40 Minuten sandte ihp Granion, eine andere nach, welche folgendermaßen lautete: „Sehr vertraulich. Wenden Sje Ihre ganze Geschicklichkeit ans, um z» constatircn, daß die Throiicntsagnng des Prinzen von Hoheiizollern Ihnen durch de» Köllig von Preuße» g » gek n >, d i g t, mitget heilt oder übermittelt (nnnouevo, nnminniiigULo «>u tt'iuu-nnsb) worden ist. Das ist sür uns von der höchsten Wichtigkeit. Die Theiliiabnie des KönjgS (gi> derThroiienlsagnng) muß von ihm uni jede» Preis zngestande» werden oder in greifbarer Weise ans de» Lhatsachcn herpo» gehen" Am 43. Juli konnte Benedetti an Gramont tclegrapbiren: „Der König Kat die Antwort des Prinzen vo» Hohenzotlern empfangen. Cie rührt vom Fürsten Anton her und zeigt dem König an, daß der Prinz Leopold, der Sohn des Fürsten, von seiner Candidatnr ans die Krone Spaniens Abstand genommen hat. Der König ermächtigt mich, der kaiserliche» Regierung niitzntheilen, daß er diesen Entschluß billigt" rc. Benedetti bemerkt hierzu: „Diese Erklärung des Königs erfüllte das Programm, welches Gra mont am Tage vorher ausgestellt hatte. Denn welches waren die Bedingungen dieses Programms? Die Frist für die Ant wort des Königs dürfe einen Tag nicht überschreiten; der Prii,z von Hvhenzollern müsse znrücktreteii; der König müsse mir selbst diese Thronentsagung niiithcile»; die Theilnahme des Königs müsse um jeden Preis von ihm zugestaiidc,, werden oder aus den Thalsachen in greifbarer Weise hcrvorgehe». Nun habe ich die Erklärung des Königs in der ansbedungenen eintägigen Frist erhalten; sie besagte, daß der Prinz Leopold ans die Krone Spaniens verzichtet habe; sie erlaubte mir, meiner Regierung anzuzcigen, daß der König die Thron entsagung billigte. So war mir also die Thronentsagnng vom König zu gleicher Zeit angekündigt, mit gelbe ilt und übermittelt worden, und die Theilnahme des Königs an derselben war so offenbar, so greifbar, als Herr de Gramont dies nur wünschen tonnte." Leider kam, wie bekannt, Benedetti's Antwort vom 13. Juli z» spät. Am Nachmittag des 12. Ipli war das Unbeil be reits geschehen. Obwohl Gpamont wußte, daß eine Antwort des Königs bevorstanp, obwohl ep selbst seinem Botschafter den Sinn angegeben hatte, ii, welchem sie abgefaßt sein sollte, obwohl er eine eintägige Frist sür die Antwort be willigt batte, vergaß er das Alles im Augenblick, als ihm der spanische Gesandte ein Telegramm vorlegle, in welchem der Fürst Anton von Hoheiizollern dem Gesandten dse Thron entsagung seines Sohnes mittheilte, ein Telegramm, worin natürlich nicht vom Könige von Preußen die Rede sein konnte, da es fick an den Vertreter Spaniens richtete. Statt also dieses, gar nicht an ihn abressirte Telegramm zu iguoriren und die Antwort aus Ems zu erwarte», die, wie er wußte, am nächsten Tage komme» mußte, stellte Gramont sofort durch den preußischen Gesandten neue Garantie-Forderungen und gab am selben Nachmittag vor der erregten Kammer chauvinistisch aufreizende Erklärungen ab, indem er ihr ganz einfach den augenblickliche» Stand der Verhandlungen mit Preußen und die für den nächsten Tag angekündigte Antwort des Königs verschwieg. „Nehmen wir nun einen Augenblick an" — schreibt Benedetti —, „daß Gramont sich am 13. Juli an jene Instructionen gehalten hätte, die er mir durch die Depesche von 12 Ubr 45 Minuten übersandt hatte; daß man, wie es der Kaiser gewollt, die vom Fürsten Anton an den spanischen Gesandten gerichtete Depesche ignorirt hätte; daß man keinerlei neue Forderungen gestellt hätte; daß man im Gegentheil, gemäß der übernommenen Verpflichtung, das Ende der vom König geforderten und von uns bewilligten Frist ab gewartet hätte; — was hätte sick unter diesen Umstände» er eignet? Am 13 Juli, am festgesetzten Tage, ließ mir der König seine Erklärung zukommen. und ich übermittelte sie nach Paris. Welches wäre ihre Wirkung auf die Kammer und die öffentliche Meinung des Landes gewesen? Die Thron entsagung wurde durch die Erklärung der französischen Re gierung direct notificirt und zwar seitens des Königs von Preußen, den wir darüber interpellirt batten und der unter Beifügung seiner Billigung die Berechtigung unserer Forde rung, somit auch unseres Eingreifens anerkannte. Hätten wir eine vollkommenere Gennglhuung wünschen können und hätte sie nicht die allgemeine Zustimmung des Landes und seiner Vertreter erlangt? Wenn man also die Zwischenfälle des 12. und l3- Juli wegdenkt, so bleibt das übrig, was Gramont mit aller Gewalt abgeleugnet hat: daß ich nämlich die mir anvertrante Mission mit vollem Erfolge erfüllt hatte." Man muß anerkennen, daß die Darstellung Benedetti's, soweit sie das Verhalten des Herzogs von Gramont betrifft, dem wirkliche» Gang der Ereignisse, wie er durch urkundliche Pnblicationen längst bekannt geworden ist, durchaus entspricht und die Nichtigkeit der Letzteren voll bestätigt. Auch die Mit- theilnngei, über die von Benedetti selbst in Ems gespielte Rolle machen den Eindruck, als ob sie von einem nur um die Feststellung der geschichtlichen Wahrheit besorgten Manne geschrieben seien. Allerdings ist das Auftreten Benedetti's dem König von Preußen gegenüber nach Darstellungen von maßgebender deutscher Seile ein dem Verhalten Gramont's entsprechendes, zudringliches, herausforderndes und beleidigendes gewesen, und man wird sicherlich nicht lange auf eine völlige Klar stellung jener welthistorischen Vorgänge in Ems durch den großen Zeugen zu warten brauchen, der allein noch ans un mittelbarer Theilnabme a» den entscheidenden zum Kriege führenden Ereignissen zu sprechen im Stande ist. lieber die gegen den Fürsten Bismarck erhobenen Beschuldigungen ist die Geschichte bepeirs zur Tagesordnung übergcgangen. Politische Lagesschau. * Leipzig, 17. September. Die Herren v. Hammer stein und Stöcker haben während ihrep ganze» langjährigen und unsere gesamntten innerpoli- tischen Verhältnisse beeinflussenden Tbätigkeit niemals so viel von sich reden gemacht, wie jetzt, da der Erftere aus dem politischen Leben ausgeschieden und von dem Comitö der ,,Krenzzeitnna" dem Staatsanwalte überantwortet worden ist, während über dem Haupte des Zweiten ein Unwetter sich zusammenzieht, das er vergebens mit seiner ehernen Stimme zu zerstreuen sucht. Alles wiederzngeven, was über Herrn v. Hammcrsteiii in der Presse jetzt laut wird, ist unmöglich; es genügt, eine Zusammenstellung der „Köln. Ztg." über die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen abzudrncken. Sie lautet: „Erstens ist da der Peiisionsfonds der „Kreuzzeitung". über den nur mit Eimvillignng der Anspruchsberecbligte» versagt weiden durste und der die Höhe von, wie es hschl, mehr als 200 000 .Ä hatte, seinen, Zwecke entfremdet worden, wie Hammer- slei>> sagt, zum Ankäufe des „Deutschen Tageblattes". Zu dieser Finanzoperation hatte Haninierstein kein Recht, und er halte cs auch dann picht, wenn es wahr sein sollte, daß, wie er be hauptet, der — selb st ver st ändtich — verstorbene Herr v. Kleist-Retzow ihm die Äcnehmiaung dazu gegeben haben sollte. Ware indessen die Haimnerstein'sche Darlegung richtig, so wurde cs sich hier um Untreue Handel», wahrend iin anderen Falle, wenn er den Fonds ganz oder lheitweise direct sür sich verbraucht hat, Unterschlagung vorliegt. Zweitens: der Fall Gjithlein; nachdem Hainmerslei» die Be hauptung von der Lurch Gnthiein begangenen Un'.i schlagung auf- gestellt, soll die Quittung des Herrn von Haininersicin sich genoiden l aben. Darnach würde in diesem Falle Unterschlagung Vor lagen, verbunden mit der verleumderischen Beleidigung d s Fenilletsn. Schwere Kämpfe- Roman ans -em grotzen Erlege. 14j Von Carl Tanera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Die Bewachungsmannschaft war nicht wenig stolz und er widerte die luftigen Bemerkungen der Jäger ebenso lustig- Auf die Frage eines Unterofficiers: „Hat's Euch denn nit g'raust, solche dreckete Kerls z' fange?" meinte ein 10. Jäger, ein echter Pfälzer: „Wir hawwe se ach nit angrihrt. Wir hawwe se mit die G'wehrkolbe doher dirigirt." Lachend zog das Bataillon vorüber. Nach kurzer Zeit begann an der Spitze wieder ein laute« Jubeln und Schreien. Dazu wurden Helme hoch gehalten, mit einem Male spielte die Musik einen flotten Marsch und die 1. Compagnie rief ein dreimaliges donnerndes Hurrah. „Was gibt's, was gibt'«, was ist ko«?" Der von seinem Pferd au« über die Compagnie wegsehende Hauptmann erkannte zuerst die Ursache und rief sie zurück: „Jäger, wir kommen über die französische Grenze. Im Tritt marschieren! Da stehen die blauweißrothen Grenzpfähle; wir wollen sie auf gut deutsch begrüßen. Hurrah!" In größter Begeisterung rief die ganze Compagnie nach: „Hurrah, hurrah, hurrah!" und stimmte dann „Die Wacht am Rhein" an. DaS packte auch den Oberlieutenant Horn. Er wäre ja gar kein Officier gewesen, wenn ibn nicht die beute schon erlebten Bilder mitgerissen, seine Pulse lebhafter schlagen gemacht hätten. Seine Stimmung schien überhaupt eine andere zu werden. Er hatte heute noch gar nicht einmal an Renate gedacht. Je mehr man sich dem Schlachtfeld näherte, desto mehr wurde in thm der echte Soldat, der Berufssoldat wach. Mit größter Aufmerksamkeit, sogar noch genauer als seine weniger theoretisch geschulten Kameraden betrachtete er da« Gelände und malte ich im Geiste auS, wo und wie die verschiedenen Angriffscolonnen vorgegangen seien, wo die Franzosen gestanden haben mußten rc. Der Anblick der gefangenen Tuvkos interefsirt« ibn zwar auch, aber doch nicht so sehs wir die jüngeren Officiere und die Jäger. Das Ueberschreiten der feindlichen Grenze ergriff ihn aber sehr. Für ihn war es nicht allein der feierliche Moment, für ihn, wie für viele der älteren Herren galt cS als der unumstößliche Beweis, daß man höheren Orts gesonnen sei, den Krieg von Beginn an angrisfsweise zu führen. Darin lag nicht nur ein Gefühl der eigenen Kraft, darin lag sckon der Keim des Sieges. Ja, unter solcher Führung mußte Alles gut enden I „Nun sind wir in Frankreich! Was wird uns die nächste Zeit bringen? Wie boffnungsfreudig die Leute sind! Wer von ihnen wird das Vaterland Wiedersehen? Ick nicht. — Ich werde ja im Feindeslande die letzte Ruhe finden." Das klang aber gar nicht so unbedingt überzeugt, wie er es noch vor wenigen Tagen geäußert hatte. Es klang mehr wie eine schüchterne Entschuldigung vor sich selbst, daß er sein eigentliches Ziel doch sehr aus dem Auge verloren, daß er heute weder an Renate noch an seinen bevorstehenden Tod auf dem Schlachtfeld gedacht hatte. Nun wollte er sich zwinge», sich dies Alles vor Augen zu führen; es ging aber nicht. Die Musik spielte so heitere, fröhliche Märsche, die Leute jubelten, und zudem kam inan jetzt nack dem fran zösischen Dorfe Altenstatt, und hier gab es alles nur Mögliche zu seyen. In den meisten Häusern lagen Verwundete. Preußische Militairärzte und Lazarethgehilfen gingen aus und ein, Burschen suchten Erleichterungen für ihre zerschossenen Herren zu schaffen, Einwohner liefen rath- und thailos hin und her, preußische Posten standen vor einzelnen Gebäuden, Wache- ablösiinaen marschirten so stramm wie im tiefsten Frieden mitten durch; überall zeigten sich die wechselnden Bilder, die jede auf einem Schlachtfelde oder in der Nähe desselben ge legene Ortschaft nach dem Kampfe bietet. Das fesselte die Aufmerksamkeit so, daß Horn trotz seiner lebhaften Absicht dazu doch nicht düsteren Gedanken nachhänaen konnte. Kaum aber hatte man das Dorf verlassen, so bot sich ejn tieftrauriger, im Nu alle heitere Stimmung verscheuchender Anblick. Man sah die ersten Opfer deS gestrigen Kampfes, die ersten Todten. Es waren preußische 47er, die man hier zusammengetragen, weil man noch keine Zeit gefunden hatte, sie zu bestatten. Einen Gestorbenen zu sehen, ist immer e>n düsteres Bild. Wenn der Gestorbene aber mitten i» dsr Vollkraft de« Lebens gewaltsam vom Tode erfaßt wurde, wenn er in den schaurigsten Stellungen, zerrissen, zerfetzt, zerschmettert daliegt, wenn er in der heftigsten Bewegung plötzlich erstarrt ist, dann wirkt sein Anblick erschütternd auf Jeden, der nicht durch Pie Gewohnheit splcher Bilder ab gehärtet und uneinpsindsani geworden ist. Hier richtete,, sich noch Pie Augen Einzelner wie gebannt in die Höhe; bei Anderen schienen die geballten Fäuste gewaltsam den fürchter lichen, in der durchschossenen Brust wühlenden Schmerz zurück- drängen zu wollen. Einem fehlte der halbe Schädel. Eine Granate hatte ihn weggcrissen. Den schaurigsten Eindruck bewirkte aber der Anblick eines Gefreiten, dem ein Geschoß den Kopf von der Seite her durchschlagen und beide Augen aus den Höhlungen getrieben hatte. Das waren grausige Bilder, und mancher der gewiß im Gefecht vorzüglich tapferen Jäger verrichtet im Stillen das Gebet: „Lieber Gott, bewahr mi, vor ein'n solch'» End!" Horn blieb einen Augenblick vor den Gefallenen stehen. Er wollte an sich selbst erproben, welchen Eindruck diese Todssmahnung ans ihn machte. Er war mit sich selbst unznsrieden. Sie erweckten in ikm Grausen und Entsetzen und durchaus nicht das erhoffte Sehnen nach der Ruhe, di? sie erlangt hatte». Es ist eben zweierlei, ob man den Tod in grausiger, fürchterlicher Natürlichkeit oder idealisirt und verschönert durch Kunst und Poesie vor sich sieht. Da, ein malerisches einsames Grab im Wald, daraus ein epkeubewachsenes Kreuz und an diesem die Inschrift: „Hier liegt ein tapferer Soldat, der Lieutenant N. N , gefallen in der Schlacht bei T. füz- seinen König und sein Vaterland am so und svvielten." — Das begeistert und entflammt. Das kann das Sehnen Hervorrufen; „So möchte ich auch begraben sein!" Die nackte Wahrbeit des frischen Schlachtfeldes aber ernüchtert und erweckt kein Sehnen »ach gleichem Ende, sondern nur den innigsten Wunsch: „Möge mir ein solches Geschick erspart bleiben!" Dies sich einzugestehen, wagte Horn nicht. Aber er machte sich in seinem Innern, während er wieder »eben seinem Zuge herschritt, doch Concesfionen. „Hoffentlich bleibe ich nicht, wie diese armen Keris, noch so lange nach der Schlacht unbeerdigt liege». Das giebt es auch bei einem Officiere gar nicht. Gefallene Officiere werde» ja sofort ausgesucht und an etwas günstig gelegenen Orten begraben! Freilich, wie diese bedauernSwerthen Musketiere »och am nächsten Tage genau so liegen zu »Men, wie man vom Schlachten golt niedergcmäht wurde, das ist nicht schön. Davor wöge mich der Himmel bewahren. Ach, so wird cS auch Nichtsein; meine eigenen Jäger werde» wich witnehwen, wenn ich vor ihrer Front den Heldentod erleide." Er wnsde in weiteren Betrachtungen gestört, indem ein ffnterpsfikier ihn aus eine seitwärts reitende Abltzcilung a»f- „lerksaw wachte und ihn fragte, was das wohl für »ine Truppe sein könne. Es waren preußische Husaren, die in der Richtung ans den großen Hagenauer Wald vortrabten. Der Ober lieutenant zeigte sie seinen Jägern und erklärte ibne», daß cs wabrscheinlich eine zur Herstellung der Verbindung mit den südlich vorgehenden Badenern entsendete Abtheilnng sei. Plötzlich wurde gehalten. Man vernalnn die Stiwme des Batailloiiöcomniandeurs: „Die Compagnien setzen die Ge wehre zusammen, bleiben aber in der Marschformatio». Es wird hier anderthalb Stunden gerastet. Bei jeder Compagnie bleibt ein Lieutenant zurück. Herr Hanptmann von Paper übernimmt vas Cvmmando des Bataillons, bis ich wieber- komme. Die übrigen Herren ladet der Herr General ein, mit ihm den Gaisberg zu ersteigen. Ein preußischer Kamerad wird uns Alles erklären." Der jüngste Lieutenant mußte bei der Compagnie bleiben, der Hauptmann und die übrigen Offieiere verfügten sick znm Bataillonscomniandeur, der sie znm Brigadegencral führt-. Da an sämmtliche sieben Bataillone der Brigade die gleicke Aufforderung gerichtet war, so sammelten sich an 80 Lssiciere und erstiegen den Berg unter der Führung eines preußischen Majors. Letzterer gehörte zu den Königsgrcnadiere», die den Hauptstoß bei der Erstürmung des Gaisberges und seines Schlosses geführt batten. Ex mußte jetzt d«e Ausräumung des Schlachtfeldes überwachen. ^ „Dort unten, meine Herren", erläuterte der Preuße, „sehen Sie den Bahnhof von Weißenburg und rechts davon den Südausgang von Altcnstatt. Zwischen beiden sind wir vor- gebroche,,. Aus der kalben Höhe, etwa 300 Schritte Hinter nn«, fingen wir trm>t>our8 dirttnnw den eigentlichen Sturm an. Hier hinter jenen Hecken und Büschen, dann in den Hopfengärten, in Schützengräben lagen die Franzosen. Unsere Verluste waren gleich von Anfang an sehr schwer. Bis hierher hatten 58er, 59er, 47cr und 5. Jäger die Höbe bereits erobert. Dort rubt der gefallene Major von Winter feld von den 47ern. Nun galt es das Schloß selbst zu nehmen. Da kamen wir aber an! Wo wir jetzt geben, stürmte Major von Kaisenberg mjt seinem Bataillon vor. Ich mit dem meinigen blieb links davon. I„r Laufschritt waren wir bis hierher aekommen. Da konnten unsere braven Kerls nicht mehr. KaiMberg und ich ließen Tornister und Mäntel ablegen. Nun gingS mit neuer Kraft drauf. Das französische Chasscpot- und Mitrailleusenfeuer wetterte un unterbrochen in unsere Glieder. Hier fiel Hauptmann Bätsch, dort Lieutenant Scholtz. Nichts hielt unS aber auf. Meine -LambourS schlugen trotz Hitze und Ermüdung wie
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