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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960210015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896021001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896021001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe ohne Seitenzählung
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-10
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Größere Schriften laut unserem Prn<- verzeichniß. Tabellarisch» und Atfferniad nach höherem Tarif. Ertr«-Notlage« (gefalzt), nur mit der Morgen«Au-gabe, ohne Postbeförderung VO —, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittags 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Für die Montag-Morgrn-Au-gabe: Sonnabend Mittag. Lei den Filialen und Annahmestellen je »in, halb« Stunde früher. Angetgen sind stets an die Expedition zu richte«. Druck und Verlag von S. Pol, in Leipzig 72. Montag den 10. Februar 1896. Amtlicher Theil. Vrennschette, Nutz- und Brennholz-Auction. Dienstag, den 11. Februar I8S6, sollen von Vormittags 9 Uhr an im Forstreviere Eonnrmttz auf dem Mittelwald, schlage in der Probstet_(Abth. 29) 17 Rm. Eichen-Rutzschette, 107 - Eichen-Vreunschette, ISO chansrn Abraum-Volz und 83 Haufen Schlagreisig (Langholz) unter den im Termine au-hängenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung an den Meistbietende» an Ort und Stelle verlaust werden. Zusammenkunft: an der schwarzen Brücke in der alten Linie. Leipzig, am 30. Januar 1896. Des Raths Forstdepntation. Nutz- und Brennholzauction. Donnerstag, den 13. Februar 1896, sollen von vormittags 9 Uhr an im Rosenthal - Forstrevier auf dem Mittelw.Ud- schlage, dicht an der Elster und der so,lenan..teu Umkehr, sowie an verschiedenen Wegen ra. 1b'/, Rmtr. Eichen-Nutzschette I. und II. El., - IbO - Eicheu- - IS - vucheu- - 16 « Rüstern - 3 - Liuden- gegen sofortige Bezahlung und unter den im Termine aus« hängenden Bedingungen an Ort und Stelle meistbietend verlaust werden. Zusammenkunft: vormittags 9 Uhr an der Leibnizbrücke am Rosenthal. Leipzig, am 6. Februar 1896. Des Raths AorstSepntatiou. Für da- EtatSjahr 1896 97 soll verdungen werden die Lieferung von ungesähr: 23000 kx Roggenbrod, 7000 k? Semmel, 4800 k? trockenen Gemüsen, 400 kx Roggenmehl, 2000 k? Speise- salz, 1300 kx Butter, 2000 I Kuhmilch, 280 Schock Eier, 1b 000 k? Kartoffeln, 3000 k? Mohrrüben, 14 460 k? Fleijchwaaren, 22 000 1 Braunbier und 5000 Fl. Lagerbier. Die von jedem Bieter vor Abgabe seine- Angebots zu unter- schreibenden Bedingungen liegen h-er, Geschäftszimmer Nr. 44, aus. Verschlossene, mit der Aufschrift: „Raturalieulieferunb-Ver- dtngung betreffend" versehene Angebote sind bis zum Eröffnungs termine, Sen «0. SsS. MtS., vormittags 19 Uhr, portofrei hierher einzusenden. Leipzig, den 8. Februar 1896. Königliches Varnisoulazareth Richard von Meerheimb — ein Held des Schwertes und der Feder. Von E. Schurig. „In seine» Kriegern ehrt sich da« Vaterland." «. v. M. Stumm schläft nunmehr der edle Sänger, der für König, Vaterland und Soldatenebre sein höchstes Können begeistert einsetzende »Dichter im Waffenrock", der sächsische Tyrtäus und sange-gewaltige Barde der vaterländischen Armee, draußen auf jenem Dresden-Neustädter inneren Friedhöfe, der schon Hunderten braver Officiere und Soldaten zum ewigen Ruhe platz wurde — Richard von Meerheimb — ein Held des SckwerteS und der Feder zugleich, wie den Reihen des sächsischen HeereS kein andrer, weder vor, noch nach ihm, entstammte. Nicht trauerten an seiner Babrc Gattin und Kinder, nicht Brüder und Schwestern, Wohl aber in ebenso tiefem und auf richtigem Schmerze eine tausendköpsige Soldatensamilie, für deren Wohl und Interessen der gottbegnadete Verklärte ein Menschenalter lang seinem Wablspruch getreu: „II walior pLssavuut!" — „Den Besten vorauf!" geschaffen und gesungen hat. Er hat einmal von sich mit Lord Byron's Worten gesagt: „Ich stand und steh' allein!" In der Tbat — daS Ebe- und Familienglück blieb ihm, der trotzdem „DaS hohe Lied vom deutschen Weibe" gesungen, versagt, nur die Poesie und die Wissenschaft waren ihm angetraut; aber dennoch hat er sich in den Herzen seiner Soldaten, der Veteranen und Invaliden eine Heimstätte gegründet, die semem Andenken erhalten bleiben wird, so lange noch Dankbarkeit im Sachsen- lande eine Wohnung hat und die große Schaar seiner geistigen Kinder zumal auf militairischem Gebiete ist dazu veranlagt, seinen Namen und sein Bild auch den fernsten Geschlechtern zu überliefern. Wenn einmal, wie zu erhoffen ist, Richard von Mccr- beimb'S Grabhügel ein Denkmal, ein eherner „Invaliden dank" zu seinem Andenken schmückt, dann dürfte eS keine passendere Inschrift geben, als Goethe's Wort: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!" Der verewigte Oberst ver einigte diese Eigenschaften im vollendetsten Sinne des Wortes. Dafür spricht u. a., daß er einen erheblichen Theil der Er trägnisse seiner reichen schriftstellerischen, schon als junger Officier begonnenen Tbätigkeit dem Besten hilfsbedürftiger Soldaten und deren Hinterlassenen gewidmet bat. Das Heldenlied „Die Sachsen an der Moskwa" (Dresden 1853) war eine der ersten größeren militair- geschichtlich-poetiscken Veröffentlichungen Meerhcimb's. An geregt durch die Erzählungen seines Balers, der selbst als Premierlieutenant der Zastrowkürassiere in der Schlackt mit gefochten, schildert er hier in prächtigen Versen die Be- theiligung der sächsischen Reilerbrigade an den schweren Kämpfen an der Moskwa am 7. September 1812, die selbst Napoleon I. „d»e schönste, aber schrecklichste seiner Schlachten" genannt bat. Die sächsischen Zastrowkürassiere und Garde du Corps stürmten — unerhört in der Kriegsgeschichte! — unter ungeheuren Verlusten eine große, verzweifelt ver- theidigte Schanze: „Was nimmer noch Reiter vermochten, das haben hier Sachsen gethan I Deß geben Zeugniß die Marken der blutigen Siegcsbahn." Da« Werk erschien 1860 in einer zweiten Auflage, und im Anschluß daran gab Meerheimb aus dem Nachlasse seines Vaters eine umfassende Prosadarstellung jener gewaltigen Kämpfe heraus: „Erlebnisse eines Veteranen der großen Armee während des Feldzuges in Rußland l8l2" (Dresden 1860). Der Ertrag beider Werke lieferte den Grundstock zur Moskwa-Stiftung. Im Jahre 1857 erschien die „Soldaten-W elt", eine Gedichtsammlung zur Verherrlichung militairischer Thatcn aller Nationen und von so hervorragendem Werthe, daß sie zu dem Besten zählt, was auf diesem Gebiete je geschaffen wurde. Ein Stück militairischer Weltgeschichte zieht in diesen von trefflichstem soldatischen Geiste erfüllten Poesien an unS vorüber; aber nicht nur die gekrönten Feldherren, nicht nur die berühmt gewordenen Heerführer werden hier besungen, auch die kühne Tbat des gemeinen ManneS und so mancher Zug aus dem Kleinleben des Soldatenstande- in Krieg und Frieden findet hier plastische Gestaltung durch den Geist- und Formenreichthum der Meerheimb'schen Muse. Besonders einige der Gedichte wurden ob ihres volkstümlichen Inhaltes weit bekannt. ES sind dieS: „Vom schmauchenden Fähnbrich", „Gideon", „Deckt Euch!", „Die Schwadron Herzvgeudorff", „Der Düppler Signalist" und „DaS treue Gretel". Einzel thalen aus der sächsischen Armeegeschichle hat natürlich der königS- und vaierlandstreue Dichter mit augenfälliger Be geisterung und Liebenswürdigkeit besungen. Da hören wir vom Sacksen-Roland Albrecht dem Beherzten, der in des Kaisers Namen in der Friefenburg Franecker residirte; vom tapferen Kurfürst Moritz, von dessen Siegerende die Haide bei SicverShausen flüstert: „WaS Schönes auch da? Leben bot, Sein Schönstes bleibt der Heldentod." Von dem braven Kürassierlieutenant von Stieglitz, der am 23. April 1793 bei Lautern am Nbein, überdrüssig des rühmlosen OrdonnanzendiensteS, sich ohne Befehl mit seinen Reitern in daS Kampfgetümmel stürzt und dann zu seinem General zurückkehrt: „Herr General, ich melde mich Lom Siege eingetrosfen. Für meine Braven bitr ich um » Ertheilung der Medaille: 7 Für mich — um gnädigen Arrest Am Ende der Bataille." Vom kühnen Probestück des FälmvrickS von Egidy im selben Feldzuge, der mit dem gutgezielten Feuer seiner Leute den Franzosen bart zusetzte und die Unterstützung der Oesterreicher höflich zurückwieS: Schön Dank, Herr Kamerad, Laßt mich allein versuchen die erste Probethat k Und heiß und heißer klinget des Fähnrich» Probestück; Und fliehend, weit und wen» der Franze sucht sein Glück. Doch droben in der Sckanze, vom Pulverdampf geschwärzt, D:e Braven mit dem Fähadrich, so treu und so beherzt, Sie nehmen sich am Arme und tanzen jubelnd drein: Das Probestück soll leben und hoch der deutsche RheinI" Weiter von dem todcsverachtenden Lieutenant von Salza bei Auerstädt und von dem unerschütterlichen Grenadier bataillon „Winkel", welches bei Jena den preußischen General Fürsten Hohenlohe in seinen Reihen ausnabm und rettete; von dem „schmauchenden Fälmdrich" (später Generallieutenant und Cvmmandant der Festung Königstein), der sich ebenfalls bei Jena mitten im Granatenhagel sein Bivouakspfeifchen anzündete, so daß fein Nebenmann, ein alter Grenadier,.,.. „wohl war dem Weinen nah; Doch al- er klar und Helle DrS FähadrichS Auge iah: Ta denkt er: nu, der Teufel Kann doch so nah nicht sein, SV. Jahrgang. Halb lachend, halb km Zweifel Schlägt er den Feuerstein. Da läßt sich Frohsinn »ieder In die zerschoss'nen Reih'a — Und trotzig stehn die Glied», Wie Stamm' im Eichenhain." Ferner von' dem wackeren Hauptmann Geibler genannt Gideon des Prinz-Anton-Regiments, der in der Schlacht bei Friedland zur Aufmunterung seiner Getreuen „Lüftet seine Biwakflasche, Löst den Kork in kurzem Rua, Und mit langgedehntem Halse Schlürft er einen langen Schluck. Schwingt die Flasche in den Lüsten, Singt ein Liebel srohgernuth: Heute schmeckt der Branntwein, Branntwein, Heute schmeckt der Branntwein gutl Lacht der Mannschaft hell in- Antlitz Trog Granat' und blauer Bohn' — Und ein aucgelassner Jubel Lohnt den tapfern Gideon. Aus dem Ange flieht die Throne, Auf die Wange kehrt das Roth, Unbeweglich schau'n die Braven Ins Gesicht dem heißen Tod. Und, je mehr die Kugeln rasseln, Um so lauter lacht der Muth: Heute schmeckt der Branntwein, Branntwein, Heute schmeckt der Branntwein gut!" Hierauf singt Meerheimb den „König-Kürassieren" (den heutigen Gardercitern) für ihre Bravour bei Friedland unk ihrem tapferen Oberstlieutenant von Petrikvwsky ein hehres Lied des Ruhmes, preist die mutbige Husarenschwadron des Rittmeisters von Lindenau in der Schlacht bei Wagram und gedenkt eben dort des unerschrockenen, erst 16 Iabre alten Cadetten Verlohren, der die Wankenden aufhält, indem er ihnen zurief: Brüder, macht Ihr Kehrt — Roch hat mir's, Eurem Fäbnrich, kein Cvmmandant gelehrt. Wer seine Fahn' verloren, verliert an sich auch nichts — Drum rettet sie Verlohren, und bricht das Herz — so bricht's! Wohl wird mein Bart nicht brennen, weil ich noch keinen bad', Dein Zunder rneiner Fahne doch folg' ich nach ins Grab!" — Der lustige Lieutenant von Germar der leichten Infanterie nebst seinem glücklichen Kriegsbumor bei Kalisch 1813 ist der nächste Held im Reigen der Meerheimb'schen Sachsenhelden; ihm folgt der brave Premierlieutenant von Zychlinski von der leichten Infanterie in dem Gefecht bei Biala 1812 und ein ungenannter Musketier, der aus zwanzig Wunden blutend bei Kobryn im selben Jahre siel. Ferner gedenkt unser Dichter deS graubärtigen Ulanen Schulze, der in der selben letztgenannten Schlacht seinen treuen Braunen ver liert; des braven 70 jährigen Husarenobersten von Engel, der — ein Lieblingswort von ihm — „in alle Fälle" attakiren wollte und im Gefecht bei Wolkowysk am 15. November 1812 zusammen mit seinem im Regiment dienenden Sohn gegen die Russen stürmte. Feuilleton. Ein ungehobelter Mensch. Bon Sidonte Weck. Nachdruck d«rb»tr«. „Guten Abend, Kleine!" „Aber, Rudolf, Du schlägst ja die Tbür wieder so furcht bar zu — ich bin balbtodt erschrocken und, Rudolf, eS ist doch entsetzlich ungebildet!" „Ja, weiß der Himmel, die fällt auch immer so von selber zu!" „Wenn Du die Klinke in der Hand behalten hättest, so konnte sie nicht Herumfallen!" „Ach, Unsinn — gieb mir einen Kuß und sei stille, Mau«!" „Du könntest Dir'- doch abgrwöhnen, Rudolf — ich bat Dich schon so Hundert Mal, und Papa thut eS nie!" ,^Oder auch Du könntest Dich daran gewöhnen, da ich eS nun einmal thue — daS wäre auch eine Lösung!" Und wahrscheinlich, um einen Anfang zu machen mit der „Gewöhnung", schmetterte er jetzt die Thur seine- Zimmers, in da- er sich von der grollenden Gattin zurückzog, kräftig inS Schloß. Ilse warf die Arbeit fort, schlug die Hände vorS Gesicht und weinte zum Herzzerbrechen. So machte er'S nun — er lief weg und tbat ruhig weiter, WaS sie ärgerte. Ach, wir schrecklich — ach, nie — nie hätte der Papa so etwa» gethan! — Und die ritterliche Gestalt de- Vater- trat vor ihr Auge und sein chevalere-ke- Benehmen gegen die Mama, in der er stet- neben der ge liebten Frau auch dir Dame sah. Ja, so war Rudolf nicht — gar nicht! Als der Professor Rudolf Weigand damals die reizende Ilse umwarb, sagte der Vater, rin höherer Beamter ohne Vermögen, eS sei da- Beste, sie nehme ihn. Aber die Mama hatte allerhand Einwendungen. „Erst siebzehn! Oltomar, bedenke doch — eS können noch Andere kommen —" „Wer soll kommen, mein Herr? Ein Osficier braucht Vermögen, da- haben wir nicht, also —" „ES könnte doch aber einer kommen, Ottomar, der selbst genug bat!" „Aber, meine kluge Amanda, ich begreife Dich nickt! Die wollen dann sicherlich noch drei Mal so viel, als sie selber baben, das sind die Schlimmsten! Zudem — dieser Trost bleibt unS ja immer noch für Hildegard, Nelly und Hedwig — Ilse hat mit siebzehn Jahren einen ernsthaften Bewerber, daS will viel sagen! Nehmen wir ihn ernst, mein Kind — reden wir der Kleinen zu!" Und Frau Amanda redete ibr zu; nicht als ob die kleine niedliche Ilse eine Abneigung gegen den großen, breitschultrigen, etwas uneleganten Mann gehabt bätte, aber in ihrem Köpfchen, so klein und zierlich eS war, batten doch neben der vielen, vielen Weisheit, die di« Töchterschule dahinein gepflanzt hatte, noch eine große Menge romanhafter Ideen Platz, von schlanken Lieutenants, von Ballabenden, von Fenstervromenaden, von schmachtenden Blicken und allerband ähnlichen Dingen — sind wir doch Alle einmal siebzehn Jahr gewesen! Mit diesem Chaos in dem allerliebsten Köpfchen des Töchterchens räumte Frau Amanda etwa- auf und placirte dafür einige gesunde Begriffe, wie „gute Partie", „solider Mann", „auskömmliche Existenz" und Aebnlickes hinein. Der Erfolg war, daß der Doctor bei seinem nächsten Be suche schon mit andern Augen angesehen wurde. Der „Elephant, der sich Heimtrollen sollte in seine Dschungeln, statt arme Mägdlein durch verliebte Augen zu erschrecken", war jetzt ein „blonder deutscher Bär mit einem ehrlichen Gesicht" — ein ungeheurer Fortschritt, wie Jedermann ein sehen muß. Auch war seine an Anbetung grenzende Ver- ebrung wirklich wohltbuend; so etwas bebt daS Selbstgefübl merkwürdig. Zwar Mimi Dalberg hatte anch einen ernst haften Anbeter, noch dazu einen Lieutenant, aber man wußte doch allgemein, daß er noch „schwanke" zwischen ibr und einer sehr niedlichen und vielleicht doch noch reicheren Guis- besitzerStochter in der Umgegend. — Jlse'S Verehrer schwankte nicht, daS war sicher! Seine Liebe strahlte ihr auf zehn Schritte von seinem hübschen gutmüthigen Gesicht entgegen, und wenn er sich auch nicht in viele Redensarten ein- ließ in dem richtigen Gefühl, daß Alle- etwa« täppisch heranSkommen würde, so sprachen seine Blicke eine ganz ausreichende Sprache. Es dauert- keine vier Wochen mebr, da war Ilse „vollend« vernünftig geworden", und gold- geränderte Karten benachrichtigten oll« Freunde von diesem erfreulichen Ereigniß. Während des nicht allzu langen Brautstandes nahm sich der „Bär" seiner zarten kleinen Braut zur Liebe sehr zu- sammen, erduldete viele Qualen durch zu enge Stiefeln, zu bohr Stehkragen und «inen stet- zugeknöpften Rock; ja, er klemmt« sogar ein Pincenez auf seine Nase, die bi- dahin eine unschuldige, stet« schief sitzende Brille auf ihrem Rücken getragen. Alle Welt fand, er sehe ordentlich „schneidig" au- ünd f«n schönster Lobn war Ilsens verwunderter Au-spruch, daß sie ibn früher nicht halb so nett aussebend gefunden habe. Nun aber war der Brautstand zu Enke, eine fröh liche Hochzeit wurde gefeiert und der Professor entfaltete seine Liebenswürdigkeit demnächst im eigenen Heim. Da war nun doch Manche- ander-, als Ilse gedacht. Schon beim ersten Mittagessen, wie sie fick „gesegnete Mabl- ,eit" wünschten, meinte die kleine Frau: „Rudolf, Papa küßt stets nach dem Essen Mama die Hand!" „Ach wa«, Kleine", versetzte er mit einem herzhaften Kuß, „der Mund ist mir lieber!" „Schön gesagt, Herr Doctor, aber Sie hätten doch dem niedlichen Frauchen den Spaß machen können!" Dann fand eS sich auch, daß die schiefe Brille noch eristirte und sogar den ganzen Tag seine Nase zierte; der Kneifer kam nur beim AuSgehen an die Reihe — und ebenso wie die eleganten Stiefeln, die kleidsamen Kragen und der gutsitzende knappe Rock. Auch trug Rudolf zu Ilsens Er staunen einen Schlafrock, der ihm zwar nicht schlecht stand, den aber der Papa nie gehabt batte. Und WaS schlimmer war — er krachte mit den Tbüren, warf die Cigarrenasche auf den Teppich, kam mit den Straßenstiefeln in ihr zier liches sauberes Stübchen, schlürfte die Suppe, und — küßte ihr tbatsächlich nie die Hand, eine Reibe von Untbaten, die ihr eheliches Glück wesentlich trübten. Er war eben ein un gehobelter Mensch. Bisher batte sie auch Alle- still ertragen, nur mitunter gegen da- unerhörte Zuschlägen der Tbüren sanft remonstrirt — natürlich ohne jeden Erfolg; jetzt aber halte sie beschlossen, ihren Mann „zu erziehen", was augenscheinlich von den weiblichen Wesen, die ihm früher, al- er noch in einem bildungsfähigeren Alter, nabe gestanden, nicht besorgt worden war wie Ilse sich auSdrückte: „seine Mutter batte ihn zu wenig gewickst!" — Also nun würde die Erziehung nachgeholt werden, nahm sie sich vor; so wie sie ihre Macht über den verliebten Mann kannte, blieb gar kein Zweifel, daß er in kürzester Zeit ein Muster von einem Salonmenschen werdrn müßte. Heute war nun der Anfang gemacht worden und — es war ein Mißerfolg, wie sie sich nicht verhehlen konnte. Noch schlimmer: eS war da- erste Mal, daß ihr guter, ergebener, zärtlicher Gatte im Bösen von ihr gegangen war. Und sie hatte doch die besten Absichten gehabt. Ach, eS war zum Verzweifeln! — Nun ging er drüben in seiner Stube mit mächtigen Schritten auf und ab — in den großen, plumpen Stiefeln natürlich! und sie, seine kleine, l»tr, dübsch« Frau, dir er doch durchaus batte haben wollen, t« saß hier allein und weinte bittere Tbränen! — Sie fühlte ich unbeschreiblich unglücklich. Eine öde Zukunft, in der sie immer allein hier an ihrem Nähtisch sitzen und weinen und in die nur ganz von fern das entsetzliche Getöse zugekrackter Tbüren als einzige Abwechslung bineinsckauen würde, stand vor ihrem geistigen Auge — oh, wie schrecklich! Da hielt drüben der feste Schritt inne; jetzt begann er wieder, er hielt wieder inne, offenbar in der Nähe der Thür — er entfernte sich nochmals aber als er zum dritten Male anbielt, öffnete sich — mit kräftigem Geräusch selbst verständlich! — die Thür und er trat herein mit einem ganz bekümmerten Au-druck auf seinem freundlichen Gesicht. „Kleine Frau", sagte er und schlang den Arm um ibre zierliche Gestalt, „nun wollen wir uns aber wieder vertragen! Wegen solcher Dummbeilen unS zu zanken — sind wir nickt tböricht, wie die Kinder? Komm', Frauchen, weine nickt mehr — bist ja doch mein allerliebster Herzensschatz!" Nun, ein Weilchen ließ sie sich noch bitten, natürlich, aber dann war sie wirklich wieder gut für die« Mal, nahm sick indessen innerlich fest vor, nicht nachzulaffen in ihren civili sirendrn Betrebungen, Die nächste Gelegenheit zur Ausführung dieses lobens- wertben Entschlusses bot sich, al« bald darauf Mimi mit ihrem schwankenden Lieutenant, der sie doch schließlich nock genommen hatte, zum Thee kam. Rudolf batte fick zwar gesträubt gegen diese Einladung und vorgeschlagcn, es sollte eine „CafSfete" gegeben und er „ungeschoren" Helaffen werden, aber Ilse blieb fest aus den verschiedensten Gründen. Erstens war es viel feiner so, zweitens sah ihr Zimmer wesentlich vortheilhafter au- bei Lampenlicht, drittens hatte sie ein ent zückendes Cabaret für kalten Aufschnitt zur Hochzeit bekommen und viertens eine wunderhübsche Nickel-Theemaschine. Auch war e- Rudolf nur zuträglich, wenn er sich wieder mal in Gesellschaft bewegte; seine Speculation ging einfach dahin, während der „Cafüfete" irgend wobin auf die Kegelbahn zu gehen und dann Abends, niit Schlafrock und Pantoffeln angetban, alle die Reste aufzuessen — oh, sie durchschaute ibn. Ohne etwa- von all' diesen schwarzen Hintergedanken ;n ahnen, fügte sich der gute Doctor schließlich, schmückte sich sogar seinen Gästen zu Ehren aufs Feinste, stellte, um ein Uedrige- zu lbun, eine viel bessere Eigarrensorte auf, die er sonst nur still für sich rauchte und hatte folglich ein ganz vorzügliches Gewissen. Ilse aber batte großartige Vorbereitungen getroffen, um Mimi und deren Gatten zu imponire«. Nicht etwa mit kost licken und vielen Gerichten — Gott bewahre, das wäre schrecklich unelegant gewesen bei so wenigen Gästen, wir sie ihren Mann, der lüstern Lachs und Wildschweinskopf vor geschlagen hatte, sehr von oben herab belehrte» n«in, nur der ganze äußere Apparat war auf da« Erlesenste eingerichtet Den Thee macht« sie selbst auf eckt russische Art, indem sie zuerst den Extract bereitete, und ibr Mädchen batte stunden lang das Präsentiren einüben müssen, so daß sie nun ent schieden durch keinen Zwischenfall mehr über „Recht-" und „Links" zu beirren war. „Ein eleganter Hau-Halt — ein
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