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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961111016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896111101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896111101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
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Die Morgen-D-Sgabe erscheint »m '/,? Uhr, Abnnb-Ln-pob« Wochen»«-« »* t Uh», Bezugs-Preis h< der Hanplex»,ditto» «her de« kn Stad» d*ttrk »nh de» Vororten errichteien An«- oebestellenphgetzot,. »t»rt»tjK»rtich^l4.»<h ^ei twr,m«Iiaer täglicher Zustellung in« b«« «4 - Sü. Durch die Post bezöge» für »rntschlond und Lesterretch: vierreliäorlich G.«-. Direew täglich« Krrnzdnndirnönltß tu» «uäluud: konatltch ^l 7^0. Ne-arlion »aß Lrveßttto»» Jotzn»ne»«nss« 8. Dir Exproktton ist Wochrnrng« nnnnterbrvchev »<it»et von ftklb S bi« Abend« 7 Uhr. /Mttieu: ktt« Memm « Gortim. «Akkre» Gntzax Universilät-siraße S (Pauliaum), r-ui« rsschr, kkatbannenstr. 14. von. und Könlgsplntz 2- 571. Morgen-AusgaVe. MpMrr TaMM Anzeiger. Amtskkalt des Ä'önigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Mittwoch den 11. November 1896. Nnzetgen-PrelS die S gespaltene Petitzeile ro Pf-. Veelumea untre dem U»doctt»n«ftrich (4^> spattrm üv^j, vor »en Faii.lliennachrrchi«, (Lgeipattru) 40 Größer, Schrijtrn laut nnierem Prelö- verzeichniß. Tabellarncher uu» Aisjernjatz »a«v höherem Tarif. Rrtrn-Beilagen (gesalzt), ,ur mit de« Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuirg SO.—, Mlt Postbesörberuag ^l 70.—. JinnahmtschluK für Anzeigen: Adend-Au-gab«: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4 Uhr, Bei den Filialen und Annahmestelle» j« ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Lelvjig SO. Jahrgang. Eine japanische Ansicht über China. <> Die japamschrZ-ltung„Nizi-Nizi" veröffentlichte einen Artikel: „China nach dem Kriege", worin sie den Gedanken durch führt, daß nur rin Bund mit Japan China regcneriren und vor dem Zerfall bewahre» könne. Der letzte Krieg habe gezeigt, wie hilflos China sei und die gegenwärtigen Wirre» und Aufstände bewiesen, wie wenig Macht auch seine Re- >i«rung hab«, China sei in der Zersetzung begriffen. Es ei daher eine außerordentliche Energie, Valrrlank-tiebe, r- »i Geist, Kenntniß der wirklichen Behältnisse und ein sckars gezeichnete« Programm für die Zutuns! erforderlich, um das himmlische Reich in seinen Grenzen zu erhalten, oder r« gar wieder zu einem mächtigen Reich zu machen. Als ersten Punkt des Programms stellt die Zeitung auf: eine Einigung, ein Bündniß unter den Völkern der gelben Rasse. In letzter Zeil balle sich da« Gerücht, Cbina wolle in ein Dündniß mit Rußland treten. „Die Idee eines solchen Bündnisses ist un« vollkommen unverständlich" , fährt die Zeitung fort, „weil di« einzige zweckmäßige Politik China« darin besteht, daS fesizuhalten, was eS besitzt, Rußland aber trotz seiner Größe noch weit davon entfernt ist, sich in seine jetzigen Grenzen «inzuschtießen. Sonach sind die Interessen beider Staaten einander diametral ent gegengesetzt. Aber wir glauben an ein solche« Bündniß nicht, weil man in Rußland die Wortbrüchigkeit der chinesischen Staatsmänner sehr wobt kennen muß." C>n Bund mit Japan verspreche China unzählbare Vor- theilr. Di« Welle der westlichen Civilisation, die Japan erneuert hab«, müsse auch China ergreifen, ohne .Rücklicht daraus, ob die« seine Staatsmänner wollten oder uichl. Aber eine klug« Politik erfordere freilich, daß au der Spitze dieser Bewegung Chinesen als Leiter stehen. Sir müssen in« Land erneuernde Grundsätze tragen. Aber woher soll man sie nehmen, als aus Japan? Die von Japan übernommen« westliche Civilisation sei von ihm sozusagen uaiuraUsirt und in ,olcher Gestalt sie zu übernehmen sei für China am zweckmäßigsten. Die gewaltige Arbeit der chinesischen Staatsmänner werde sich sonach sehr vereinfachen: alle in Japan eingefübrten Reformen brauchten nur auf den Boden China« verpflanzt zu werden, wo sie sich um so leichter acclimatisiren würden, als der allgemeine Typ»- beS Lebens beider Völker viel Verwandte» habe. DaS Zweite, was in China sofort geschehen müsse, sei der Bau von C>> en bahnen. Keine Unternehmungen, keine Reformen seien möglich bei dem Mangel an guten und lchnetten Cvniniuiil- cation»wegen, die nicht nur zur Kräftigung der Staatsmacht im Innern beizutragen, sondern anch in beträchtlichem Grade den ökonomischen Wohlstand der Vvlksmassen zu heben hätten. „Viele behaupten bei uns", fährt die japanische Zeitung fort, «dir Regirrnng in Peking habe beichlossen, e« der enguichen und russtichen Regierung zu überlassen, Eisenbahnen in Coina zu bauen, und daß sowohl England al- Rußland di« Absicht baden, schon io nachher Zeit zur Entwickelung ihrer bir manischen und sibirilchen Eisenbahnnetze auf Territorien zu schreiten, di« zu China gehören. Wenn das Gerücht wahr ist, wir viel Uebereilung würde in einem solche» Beschluß liegen! China muß sein« Eisenbahnen selbst bauen. Ta« ist «irie Wahrheit» die sich kaum bestreiten läßt. Aber in einem solchen Fall« kann man fragen: woher soll China Ingenieure und di« nölhigen Materialien nehme»? Die 'Antwort könnt« ohne Weitere« da« japanijch« Volk geben, da« gern bereit wäre, China alle« das billiger und besser zu über lassen al« die Europäer uno die Amerikaner. Schienen habe» wir zwar nicht. Aber «in Walzwerk für Schienen zu baue», dauert nicht lange, Capitalien werden sich sinken, uns rann besteht kein Zweifel, daß wir di» Schienen billiger Herstellen würden, al- di« Europäer. Ja, wir sind lief davon überzeugt, daß China weder Eisenbahnen bauen noch belreiben darf unter Mitwirkung fremder Arbeit und fremden Capital«. Tie Devise itiner Staatsmänner sollte sein: nickt- Fremdes beim Bau der Eisenbahnen im Reich, nur Eigenes ober Japanische-! klebrigen« sind wir beim AuSiprrchen dieser Ideen weit «nt- sern», Rußland oder England irgendwelche Eroberungs tendenzen aufzudrängen: die Staaten müssen Verkehr unter einander haben und früher oder später wird sich da« chinesisch» Eisenbahnnetz an da« russische und chinesische Netz anschließen .... Aber daß bas ein chinesisches Eisen bahnnetz sei — darin bestehl unsere ganz uneigennützig« Für sorge um unseren Nachbar." lieber die Uneigennützigkeit dieser japanischen Fürsorge wird man sich in Peking keiner Täuschung bingeben und da für zu folgen trachten, daß dir japanischen Bäume in China nicht in den Himmel wachsen. Sebr beacklensw.rth aber ist der vorstehende Artikel für den europäischen Export nach China. Tie Industrie und der Handel deS Westens können daraus entnehmen, daß sie ganz außerordentliche Anstrengungen werden machen müssen, um von der japanischen Concurrenz nicht völlig ans dem Felde geschlagen zu werden. Japan liegt vor den Thoren China«, Europa »st weit. Nationallibtrale Kilndstelmngen für -en Fürsten Lismarck. ^s. Stuttgart, S. November. Dir am gestrigen Sonntag in Freudenstadt abgebalt-ne Wan derversamm lu ng der Drutschen Partei Württemberg« war gut be sucht; der Partribezirk Stuttgart hatte sich besonders zahl reich beiheiligt. Nach der Begrüßungsrede des Lanbtag«- abgeordneten Hartranft-Freudenstadt kielt Rechtsanwalt l)r. Sckall von hier einen ringehenden Vortrag über die Grundsätze und Ziele der Deutschen Partei aus Grund der Beschlüsse de« allgemeinen Delegirtentage« der nationalliberalen Partei in Berlin. Er legte zunächst dar, daß di« nationalen Aufgabe» noch jetzt ebenso sortbesleben, wie sie einst zur Gründung der Partei gefübrt haben, dabei gewisse panicularistische Bestrebungen beleuchtend und dann die neueste Bismarckheye kritisirend. Mil Bezug auf di« „Enthüllungen" führte Redner aus: „Worin hat denn Bismarck'« „Vrrrath" bestanden? Der Alt reichskanzler hat in dem Augenblick, al« der Zar von den Festen aus Frankreich »ach Deutschland zuriickkaiil, in den überschäumenden Kelch der Freude »inen Tropfen bittere» Wermuth gethan, indem er den Finger darauf «.legt hat, daß dies« ganz« Freundichaft nur »in Fehler der deutschen Politik gewesen, kein Herzru-bündniß, sondern nur «in« Zwangslage Rußlands. Ld nicht auch di« Absicht dabei gewesen, ein lauies Warnungszeichen aufzustrcken für eine allzu große Annäherung an England, darüber können ferner Stehende noch nicht urtheilea. Daß diele« Dcfensivbündniß zwischen Deulsch- land und Rußland bestand, darüber waren die besrrundrten Mächte in Wien und Rom unterrichtet. Die Miitheilung, daß der Vertrag 1890 nicht wieder erneuert worden, kann Viemarck nicht amilich erfahren haben, da er damals nicht mehr im Amte war. Vielleicht Hal er e« von russischer Seite erfahren. Was hat ihn denn dazu verpflichte» können, tarüber in alle Zeit z» schweigen? (Sehr richtig!) Seil BlSmarck jür das Reich arbeitete, hat es ihm kein Anderer an glühender Vaterlandsliebe gleich gethan; er ist niemals iähig, einen Verrath am Vaterland» zu begehen, (Stürmischer Bel- fall.) Er Hal nur den »inen Gedanken, seinem Vaterland« ehrlich und ohne Rückhalt zu dienen. In un« Allen bäumt sich bei national» Stolz auf, wenn wir sehen, wir ViSmarck nun wieder zum Gegenstand der schnödesten Verunglimpfung geworden ist. (Leb- hast« Zustimmung.) Redner kam kann auf die liberalen Aufgaben und Ziele der Partei zu sprechen, streifte Vie Frage deS Allgemeinen Wahlrechts, daS nicht angelastet werden dürfe, wies bin aus rie änzustrebenve einheitliche und liberale Regelung deS Ver eins- und VersammlungSrechtS, das jetzt noch in verschievenen Staaten ein reactivnaire« sei und zu den unglaublichsten Umgehungen ost geradezu heranSfordere, und beleuchtete vaiin die wichtigsten Puucle der speciell württemberaischen Politik (Berfassungsrevision, Steuerreform u. s. w ). Redner schloß seine Ausführungen mit dem Ausdruck der Zuversicht, daß die Tage wieder kommen werden, wo das deutsche Volk in den verworrenen Kämpfen die nationalliberale Partei wieder schätzen lernen wird. Der nächst« Redner Prof. Hauber-Sluttgart sprach über „die Mittet zur Verbreitung unserer Parteigrunv- sätze". Er wie« aus verschiedene OraanisatwnSmängei hin und forderte zur Unterstützung der Parleivereme und des Parteiorgans auf. Den dritten Vortrag hielt Rechtsanwalt Vr. Milczewskv-Slullgart, der die Parteitage derNalional- liberalen, Socialvemotiaien und Demokraten in Berlin, Siebleben und Ulm in Vergleich zog und nachwics, daß die Nationalliberalen mit dem Verlauf des Berliner Parteitages durchaus zusrieden sein dürfen. Mil Jubel wurde von der Versammlung die Mmbeilung ausge nommen, daß RcichSgerichlsralh a. D. r. Geß, der Fübrer der Fraclwn der Teulschen Partei in der Abgeordneten kammer, die ihm angetrageue Candidatur für den 13. Reichs tagswabtkreis (Aalen - Ellwangm) angenommen habe. Auf Antrag von mebreren Seiten wurde von der Versammlung an Bismarck folgendes Telegramm abgesandl: „S. Durchlaucht dem Fürsten Bismarck in Friedrichsruh sendet die Wanderverjaininlung der Deutschen Partei aus Freudenstadt da- Geiödniß unerschütterlichen Vertrauen- und unwandelbarer Dankbarkeit. I. A. Karl Schmid." Zum Schluß nahm die Versammlung aus Antrag von Redakteur K. Eibe»-Stuttgart einstimmig eine Resolution an, in welcher sür dringend erforderlich erklärt wird, bei der Reform im M ili ta i rst rasversahren rie Grundsätze der Släntigkrit und Selbstständigkeit der Gerichte, sowie der Oeffenllichteit und Mündlichkeit d«S Hauptverfahren«, wie sie sich in Bayern bewährt haben, zur Geltung zu bringen. Karlsruhe, 7. November. Gestern Abend hielt der hiesige nationalliberale Verein seine erste Winter-Versaminlung in diesem Jahre ab. Aus der Tagesordnung stand die Bericht- erstaltung über den Berliner Delegirtentag. Nach alter Erfahrung glaubte man sich von diesem Thema eines bloßen Referates keiner besonder- starken Anziehungskraft versehen zu dürfen. Aber die gegnerischen Blätter, ultramontane und demokratische, wie üblich in edlem Vereine, halten dafür gesorgt, daß es ander- ausfiel. Höhnisch fragten sie, als dir Ver- saminlung ausgeschrieben war, ob man eS wagen würde, auch diese- Mal ein Wort zu Gunsten des Fürsten Bismarck zu sprechen. Sie konnten ja in ihrem Sinne mit einem gewissen Behagen aus dir beklagenswertbe Haltung der osficiösen „Karlsruher Zeitung" Hinweisen. So war man in nalionalgrsinnten Kreisen aufmerksam geworden und der Besuch wurde ungewöhnlich zahlreich. Die ganze Versammlung veronsioltrte eine imposante Kundgebung sür den Fürsten. Der Berichterstatter über den rein politischen Theil, Prof. Goldschmidt, nahm Veranlassung, im geeigneten Zusammen hang« unter einmüthigem Beifall der Versammlung zu erklären: „Wie wendrn un« mit Abscheu von der Preßfehdr ab, di« jetzt gegen Bismarck getrieben wird, nicht nur wie sie von unseren politischen Gegnern, sondern auch von Lolchen ausgeh«, di« sich sonst zu unseren Freunden zählen. Wir wollen uns durch dieselbe nicht irre machen lasten, woher sie auch stamme, und nach wie vor im allen Berlrauen und unwandelbarer Treue zum Fürsten Bis mcrck stehen." Aber auch der Vorsitzende des Vereins, der Führer der ganzen Partei, Landgerichtsdirecior Fieser erklärte: „Wir bedauern daß die Richtung unserer auswärtigen Politik nicht dieselbe geblieben ist, wie sie unter Bismarck bis zum Jabre 1890 bestand, und sind fest entschlossen, allezeit einzutrelen sür daS Lob seiner unverqleich lichen Sloatskunst. Wir erklären aber auch zugleich, daß wir die osficwse Preßsehde, wir sie in der „Karlsruher Zeitung" und in ter „WeimorrrZeitulig" gegen den Fürsten inscrnirt wurde, auf das Eulschiedensle zurückweisen". Lebhafter Beifall wurde den Rednern zu Theil. Damit ist nach allen Seiten unzweideutig kund gegeben, daß die osficiösen Artikel in der nationalliberalen Partei keine Siütze finden. Die Gegner werden sich wohl beruhigen, denn in dieser Frage steht die Mehrheit de« badischen Bolle- aus unserer Seite. (Hambg. Nachr.) 3. Heidelberg, 9. November. Wie im Karlsruher national- liberalen Verein Herr Fieser, so ist in dem nationalliberalen Verein zu Heidelberg vor sehr zahlreicher Zuhörerschaft der Reichsiags- und Laiidtagsabgeordnete Weber, «in Sohn des verstorbenen Historikers, den gegen den Fürsten Bismarck erhobenen Anklagen und Vorwürfen aus das Entschiedenste entgegengetreten. Die wüste Agitation gegen den Fürsten, jo äußerte sich der Redner unter lautem Beifall der Versammelten, sei einfach schimpflich, leider habe sich auch die „Karlsruher Zeitung" eines solchen Gebührens chuldig gemacht. Man hält« aus alle Fäll« abwarten sollen, bis sich ergebe, aus welchem Grunde dir Veröffentlichung in dem Hamburger Blatte ersolgt sei. Ja man hätte in Erinnerung an die Vergangenheit sagen sollen, wenn Bismarck das thut, so Hal er gewiß einen guten Grund Lazu. Professor Egenolff regle eine Kundgebung an den Fürsten Bismarck an; die Versammlung brachte darauf dem Altreichskanzler ein dreifaches Hoch Lar und ließ durch Herrn Weber ei» Huldigungstelcgramm nach Friedrichsruh senden. Noch an demselben Abend sprach Fürst Bismarck aus tele graphischem Wege seinen Tank dajür aus. Deutsches Reich. * Leipzig, 1V. November. Zu dem Delegirtentage der Deulschconservativen Partei hatte das sächsiichc „Vaterland" bemerkt: „Nach den von unS eingezogenen Erkundigungen war vom Wadlverein der Deutschen Eomervaliven beabsichtigt, unmittelbar nach Zusammentritt Les preußischen Landtags einen conjervativen Telegirientag in Dresden abzuralten und mit diesem eine össent- tiche Versammlung zu verbinden, in der hervorragende Parlamentarier die Slellung unserer Partei zu den brennenden Zeitsragen (Handwerter-, landwirthjchastliche und WährungSsroge) und ihre Auichauungen über die innerpolitische Lage entwickeln lollien Hiervon wurde schließlich, wie wir Mit Bedauern conslaliren, Abstand genommen und ein Leiegirteniag nach Berlin einberusen, an dem nur die Rechsiagsiiiilglieder, die Vorstände der konservativen Landtag-sractlvnen, die Herren des bOer Ausschusses und deren Llillvenreter theilnehmen werden. Die Vorstände konservativer Organijalionen können schon mit Rücksicht aus daS bestehende Vereinsgesetz nicht geladen werden. Wie man sieht, handelt es sich somit in der Hauptsache um eine parlamentarische Zusammenkunft, nicht aber, wir vielfach angenommen wurde, um einen allgemeinen conjervanven Parieitaa." Die „ Conservative Correfpondenz " anlwortet darauf: „Ta- Organ LeS Landrsvereins der Conseivativen im Königreich Sacbien hat sich leider entweder an der un rechten Stelle erkundigt, ober eS hat die ihm gewordenen Ausschlüsse mißverstanden. Die Zusammensetzung deS Tele- airtentage« stand von jeher statutenmäßig fest, sie wäre in Dresden genau dieselbe gewesen, wir sie es in Berlin sein wird. Bo» der Wahl der sächsischen KönigSstabl als Zu Feriillrtsn. Vas Martlnsftft (11. November). „Fröhlich und guter Dinge sein", schreibt Agricola „Wohl leben, herrlich essen und trinken ist löblich, wen» eS aber täglich geschieht, so ist »S sträflich. Wir Deutschen halten Fastnacht, St. Burkhardt (>4. Oktober) und St. Martin, Pfingsten und Ostern für die Zeit, da man soll für ankere Gezeiten im Jahr fröhlich sein und schlemmen; Burkhardt'« Abend, um deS neuen Mastes willen, St. Martin vielleicht nm de« neuen Wei»« willen, da brat man friste Gän« und freuet sich alle Welt. Zu Ostern bäckt man Fladen, zu Pfingsten macht man Lauberhillten in Dachsen und Thüringen und man trinkt Psingstbier wohl acht Tag». In Sachsen hält man auch PaNtalern (27. Juli) mit Schinken, Speck Knackwurst und Knohlanch. Zu den Kirckmrssrn oder Kirch weihen gehen dir Deutschen vier, fünf Dorsscbaften zusammen, es geschieht aber de« Jahre« nur einmal, darum ist »« löblich und ehrlich, sintemalen die Leute dazu geschaffen sevn, daß sie freundlich und ehrlich unter einander leben sollen. An vielen Orten Dentichland« finden am Martinötage Schwans« statt, deren Mittelpunkt di« Martinögan« bildet, dazu wird tüchtig getrunken, ursprünglich au« Martin-Hörnern, die sich dann in ein Gebäck verwandelten. Frühzeitig kamen die Mar«in«geschenke auf, Aepsel, Nüsse, Spielsachen u. a. m. Eine Gan« au« Silber schenkt« Ulrich ron Schwabenberg de, Abtei Corvey, und ta« Kloster Eilenorstors erhielt von >353 an jährlich eine Meng« Wein, den der Convent „io VzzlII» 3«inotl blnrtini" trinken sollte. In Hanau wird (murre?) nach einem Vermächtnisse de« Grasen Richard H. von Hanau- Miinsterbrrg jährlich am Martin«»,gr unter di« Bürger dir Altstadt der sogenannte Martin«w»i» au-geldrilt. Am Rhein wurden am Marlin«ab,nd aus den Bergen Feuer «ngeründet, in Herford aß man am Martin«tagr braunen Kohl zu Mitiag Ten Franzosen gilt der heilige Marlin al« Schutzpatron der Trinker, daher beißt Mal d« St. Martin Trunkenheit. Auch der Adrud vor dem Martia«lage wurde schon -eseiert. Im Tagebuche Caspar'« von Fürstraderg (herauSqegeben von Vieler, Pavrrdorn 1373) beißt e« »»ter dem lü. November l608: „Wir halten S. Martinsabendt. Mein Sohn Bernvart von Heiken kumbt ahn und ist lustig mit." Am Martini abend gingen im Schaumdurglscheu Kinder armer Leu» vor di« Hauser und sangen: Meckt, meckt der gant Mann, Der »« wohl »ergellen kann. Appel und d« Beeren, NSi« (Ni,sie) gat wohl weh». Gaul Fcau, gebt u« wakl Lat n« nnv tau lang» »ahn. Wie »Nöten noch nach EöUen gahvk Höllen I« ,n Mieter Weg. Himmelrlck i« upe ihanl Da iiiölen wl» all» Hlneingohu Nick allen unfern Gästen. Gaber i« de beste Ick HS,' »e SchlStel (Schlüssel) Nluge«, Gl» wird u« wohl wat bringen; Pi« gabt up de Kammer, Guck« wa« taniowen. Bei «inen, del zweien, bei dreien, D» veirte kann wohl mehr goha. Ptteksellgen, Znvpenkrnt Eteht in uns,en Gahren (Garten). Die Jungfer N. iö ene Brut, -« wir» »,ch lang» wahren, Wenn s>» nach der Kirken geiht, Un» der Rock in -aalen schwill Simrllna, Simellng, Ranienblatt, Schöne Gtod«, schön, Jungfer, gebt u« wotl Merkten di« Kinder, daß sie etuea« bekommen sollten, so fuhren st« fort: Appel >p dem Vohine, Uv« Iah» en jung», Sohn«. Geeren im Pati«, Up« Jahr ,n, jung« Tochter. M-kten« Abend kommt heran. D,tilget' an der Vösten (VuchH! Alle Maicken» (Mädchen) treipl «a Mann, Wl« möchten gah'n und küssen. Haber und dat Linnsaat (Leinsamen) Js de Fra ehr liebst Husgeraih. SimeliNa, Simeling, Rausen Blatt, Schien Tiadt, schien Jungfer, gebt u« 'wat. Schenkte man ihnen nicht«, so sangen sie: tzlichen in der Duten, Jungfer N. hot »n» schwarze Schnute» (Mund). Alchen in der Taichrn, Di« Iungsrr N. kann gant nasche«, Mcckr den Märien Trullulut, Up dem Tiillulut. Seit uralten Zeilen schickle zum Martin-fest, die Reichs stadt Lübeck dein Herzog von Mecklenburg-Schwerin durch den „MartenSiiiaiin" ein Okm Nheinweiumost, seit lkOl) Nbrlnwein al- Geschenk de- Magistrat-. Alle« bis auf die geringsten Kleinigkeiten herunter, dir Färb, der Pferde, ihr Geschirr, das Aussehen der Kutsche, die einzuschlagenden Wege, di« Nachtquartiere, die Kleidung, die Ceremouirn bei der llebergabe re- WcinS, bei Tafel, beim Trinken au» deu sogenannten „Fleuten", trichterförmigen Gläsern obne Fuß, Alle« war auf da- Genaueste vorgesckrirben. Fand der herzogliche Pförtner beim Besichtigen de« Wagen- und der Pferde auch nur den geringsten Mangel, den kleinsten Fehler, so wurde BeireS, wie die- 1870, 1706, »7l2 und 1755 wirklich geschah, für den herzoglichen Marstall mit Beschlag belegt. In dem Städtchen Rhena wurde der Marten-manu von der Jugend mit den Zurufen: „Hai Marten I Schön MartenI Nußmarten! MußmartenI" empfangen» wofür er Aepfel, Nüsse, Semmeln und kleine Münzen auStbeilte. Dieser Brauch dauerte bi« 1806, wo ibm die Schlacht bei Lübeck rin Ende machte. In einigen Gegenden der Altmark zogen am Martin-abenv die Kinder von Hau- zu Hau- und sangen: Märten«, MärtenS Vögelke«, Klovvrn, kloppen Ringelken, Mit dien vergütdien Flögelken, Hier stehn vor «rme Kinnerken, Fleea so wiel, bet an br Liet, Gest (gebt) I« 'wot un lot s, gohn, Do kämm d» groote Märtin, Dat se Hilt' noch Mieter kohm Tchtoch«' 'n gri ot, fett Lchwteo, Del vör Nobers (Nachbar«) Dör, D» k»m»l d, oroot« Jotob, Nober« D-r t« «ich wut, FrnU (fraß) oll »t« 'n m»t np Aepnel un Vör» st, all riep, D« Röt (Nüsse), d« mag ich gära. In Bobinen feiert man den Martins- oder „Gekwis"-Tag durch einen Schmau« und trinkt sich dabei auf Schönheit und Stärke zu. Im Jabre 1291 gründete Erzbischof Gerbard und im Jabre 1497 erneuerte Erzbischof Berthold von Mainz den Orden der Ritter von St. Martin. Da- Mainzer Dom capitel ließ einfache und doppelte Goldgulden mit dem Bilde deS heiligen Martin prägen. Die seit j.367 bestebenvc Akel- gesellschaft der Echlegeler nannte sich, weil sie am l l. No veiuber ihre Zusammenkünfte abbiell, auch die der Martins vögel. Alles die- gebt zurück auf St. Martin. Den 11. No vember bestimmte als seinen angeblichen Geburtstag Papst Martin l. im Jahre 650 zum MartinSfest. Daß bei diesen, die Gänse eine so jzroße Noll« spielen, geht auf zwei Sagen zurück. Als Martin erfuhr, daß man ,bn zum Bischof ge wählt habe und ibm dies frierlichst mittbeilen wollte, ver steckte er sich au« übertriebener Bescheidenheit. Aber in seiner Nabe befindliche Gänse verrietben durch ihr Schnallern seinen Aufcntbalt-srt. Deshalb soll Martin einen außer ordentlichen Haß aus ihr Geschlecht geworfen baden. Nach einem anderen Berichte unterbrachen Gänse durch ihr Ge schrei den heiligen Martin mitten in einer Predigt, so das: er abbrach und unwillig davonging, seine Zubörer aber de schlossen, alle idre Ganse zu schlachten und auszuessen. Tas Poculiren am MartinStaa bat Martin selbst verlangt. Er erschien nämlich dem Christ gewordenen König Olaf von Schweden im Traume und sprach: „Es ist Sitte in Deinem Land«, di« Trinkböruer zu Thor«, Odin« und anderer Götzen Ehren zu leeren. Da Du nun ein Christ bist, so ändere diesen Brauch und sübr« «in, daß binsort zu meiner Ehre getrunken werde." Di« Trinkhörner machten ander« ge formten Trinkgefäßen Platz, aber heute noch backen die Bäcker Martin-Hörnchen. L-».
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