Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.01.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970115014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897011501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897011501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-15
- Monat1897-01
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezrrgS-Prei- E» der Hauptexpedittvn oder den im Stadt, beekrk «rd dm Borortru errichtet« >u»- -abeffAlea,»geholt: Vl»r1»ljahrltch^!4.d0. bet Dwednaltger täglicher Anstellung «» Hau» SAL Durch di» Post de^gu» für Duutschlaud uud Oesterreich: viertel . Direkt» tägliche AreujbaudI tu» Au»laud: monatlich >1 ?.bO. Morgen-Ausgabe ung Di» Morgen-Ausgabe erscheint um Uhr. N» Abenb-Ansgabr Wochentag- um b Uhr. Ne-utio» ««- Lrpe-ition: JohanaeSgaffe 8. DieSrpedttton ist Wochentag» ununterbrochen geüsfnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filiale«: Dtt» Nie««'» Gorli«. (Alfred Hahn), Uuiversitätästrahe 8 (Paulinum), e,«t» Lösche. «athartueustr. 14, Part, uud Köaig«platz 7. eiprigerTagtlilall Anzeiger. Ämlsölatt -es Königliche» Land- «nd Ämlsgerichtes Leipzig, -es Nathes «nd Nolizei-Ämtes -er Sla-t Leipzig. 2S. Freitag den 15. Januar 1897. Anzeigen Prei- die 6 gespaltene Petitzeile ItO Ps^. Reciamea unter dem Redactionssttich (4 g». spalten! LOH, vor den gamiliennachrichten (S gespalten) 40^. Ärohett Schriften laut uitsrrem Preie- vrrzeichniß Tabellarischer und gifferkilag nach höherem Tarif Ext»«-Beilagen (gefalzt-, nur mit d.r Morgen-Ausgabe, ohae Postbrsördrruna 60mit Postbesörderung ö« 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen «nd Annahmestellen je eine halbe Stund» frühe». Anzeigen sind stet- an dir Expedition zu richten. Druck uud Verlag von E. Potz in Leipzig. S1. Jahrgang. Volkshochschulen, VmverMs-Äusdehnungs- Veroegung und verwandle Vestrebungen. ii. 2. Betrachten wir jetzt die Entwickelung der Duiverbltv Lrlvvsion. Ihr Ursprung liegt in England. Da» OouneÜ tor krowoüng tste Ulgner Lcluoatlou vk vVomvu war in den 60er Jahren im nördlichen England der Träger einer Strömung, die nach höherer Fraurnbildung verlangte. E» war dir Zeit, als durch die Einführung von öffentlichen Prüfungen die öffentliche Meinung einen Umschwung erhielt. E» war die Epoche der Prüfungen, in der alles Weiterkommen von den Prüfung« - Ergebnissen abhängig gemacht wurde. Zum ersten Mal machten jetzt auch die Universitäten bei den Prüfungen keine Unterschiede mehr bezüglich de» Geschlecht». Zu den örtlichen Prüfungen von Cambridge wurden Mädchen zuerst im Jahre 1867 zugelassen und zu denen in Oxford 1870. Zu dieser Zeit war eS auch, wie Russell ausführt, daß der obengenannte Frauenverein den damaligen Lector, späteren Professor der Mechanik in Cambridge, JameS Stuart, aufforderte, ihm einen Vor trag über die Kunst de- Lehrens zu halten. Stuart gab zu bedenken, ob e» nicht bester sein möchte, die Kunst selbst zu üben, al» über sie zu theoretisiren, da eine Sache oft am besten dadurch beschrieben werde, daß man ein Stück von ihr aufzeiae. Er hielt also einen CursuS von 8 Vor lesungen über Astronomie in LeedS, Sheffield, Manchester und Liverpool. Zwei Monate lang machte er die Runde durch diese vier Städte und las jede Woche vor etwas mehr al- 800 Zuhörern. Seine Methode war eine Neuerung. „Zuerst lehnte er es ab, eine einzelne Vorlesung oder auch eine Reihe solcher über beliebige, nickt mit einander in Verbindung stehende Gegenstände zu halten. Es störte ihn und erschien ihm al» ungenügend, daß nur einzelne Vor lesungen gehalten wurden, ein System, bas hier in Verbindung mit Handwerker-Vereinen und literarischen Gesellschaften vorherrschend war. Die Befriedigung einer vagen Neugier in Bezug auf einen populären Gegen stand war in seinen Augen ein zu niedrige- Ziel; seine An strengungen wollte er darauf richten, «was Ordentliche- zn Stande zu bringen. Zn diesem Zwecke ersann er eine Methode, um seine Hörer im Nachschreiben von Notizen zu unterstützen; bei jeder Vorlesung gab er seinen Schülern Leit sätze („szlladu»") in die Hand, die für die Notizen, die sie sich machen sollten, als ein Beispiel gedacht waren, dessen Gerippe sie nachträglich ausfüllen könnten, um sich den Faden des Vortrags wieder zu vergegenwärtigen . . . Auch arbeitete er gedruckte Fragen auS, die zu Hause schriftlich beantwortet werden mußten. Diese Antworten wurden mit der Post an Mr. Stuart geschickt und zwar so zeitig, daß er sie. mit den nöthigen Verbesserungen und Erläuterungen versehen, bei der nächsten Vorlesung wieder zurückgeben tonnte." (Russell.) Noch mit seinen Vorträgen be schäftigt, wurde Mr. Stuart von einem der Beamten der Crewer Eisenbahnstätten gebeten, seinen Arbeitern eine einzelne Vorlesung zu geben. Die Zahl der Zuhörer war groß, Stuart sprach über die Meteore; der Erfolg war, daß im folgenden Gommer ein CursuS von 6 Vorlesungen über Astronomie gehalten wurde, der von der bekannten Cooperativgenofsenschaft von Arbeitern, die sich die „Billig denkenden Pioniere von Rochdale" nannten, wiederholt wurde. Freunde Dtuart'S folgten seinem Beispiele. Viele Vereine unternahmen es, für da- Zustandekommen der Curse zu sorgen, nicht nur Bildung-Vereine, sondern auch gerade Gewervevereine, Genossenschaften rc., und als Stuart im Jahre 1871 seiner Universität Cambridge eine Denkschrift einreichte mit dem Vorschlag, die Abhaltung von volks- thümlichen Vortragscursen in ihren Lehrplan aufzunehmen und als eine ihrer wesentlichen Aufgaben anzuerkennen, war er der Unterstützung der weitesten VolkSclassen sicher. Die Universität faßte den Entschluß, zunächst probeweise Stuart's Vorschläge durchzuführen. Bald wurde die Einrichtung ständig, 1875 folgte die Universität London, 187? Oxford, bald wurden „Classen" eingerichtet, deren Zweck eingehende Rücksprache der Zuhörer und Lehrer über den bebanbelten Gegenstand ist. Oxford führte die sog. Wandernde Bibliothek ein, eine kleine wissenschaftliche Büchersammlung, die während der Curse, die in allen größeren Städten stattfanden, den Theilnehmern zur Verfügung stand, und ebenso die Sommer schulen (8ummer Llestings), die seit dem Jahre 1888 be ständig wicderdolt wurden. Die Eintrittskarlen kosten in Oxford 30 für dir ganze So»ii»erschule, die im vorigen Sommer in zwei Abtheilungrn zerfiel, oder 20 für jeden Theil. Für besondere Curse und Laboratorien wird besonders bezahlt. 1894 betheiligten sich 1000 Personen an den kürzeren, 600 an den längeren Lehrgängen in Oxford. Der Lehrplan der Vorlesungen ist einfach der der Uni versitäten, wobei nur die juristischen Fächer rurücktretrn. DaS Hauptinteresse nehmen Naturwissenschaften, Nationalökonomie und Geschichte ein. Im Jahre 1895 wurden 700 solcher Lehrgänge in England veranstaltet, die Gesammtzahl der Hörer belief sich auf etwa 37 000. Zwei Jahre vorher betrug die Gesammtzahl der Lehrgänge 660 mit einem Aufwand von rund 600 000 ^ Eine staatlich« Unterstützung ist nur in einigen vereinzelten Fällen in Anspruch genommen worden. Da» Princip der Dnivorslt/ Lxtoneion ist also der erschöpfend e Eursu», die möglichst gründlich- Ausbildung größerer VolkSkreise in einzelnen wissenschaftlichen Fächern, während dienordischen Volkshochschulen wirkliche Schulen zur Er höhung der Gesammtbildung dieser Kreise sind. Der Einzelvortrag und die Aneinanderreihung von Einzelvortragen ohne inneren Zusammenhang entspricht also weder dem Princip der Dntversity Lxtsnslou, noch dem der nordischen Volk-Hochschule. Die Ausbreitung der Universitäts - Ausdehnungs- Bewegung*) ging sehr schnell von statten. Wir wollen kurz die wichtigsten Notizen hierüber geben. Schottland. Von der Universität Glasgow wurden schon im Anfang der 70er Jahre kurze Vortragsreihen für *) Näheres siehe bei Schnitze, dem wir auch in der Reihenfolge hier folgen. Frauen veranstaltet. 1884 wurde die Duivsisitv Lxtvnzicm ringeführt, indem 5 hervorragende Gelehrte Vorlesungen für Jedermann hielten. Ein Hinderniß bildet daS weitverstreute Wohnen der Bevölkerung. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Hier bat die Duivei-sit; Lxtsusiou einen bisher nirgends erreichten Um fang angenommen. Dir erste Sommerschule wurde 1873 ein gerichtet. ES finden jetzt in Chautauqua von Anfang Juli bis Mitte August UnterrichtScurse in allen Wissenschaften statt, die ungeheuren Zulauf haben. Der eine Hörsaal faßt allein 8000 Menschen. Die eigentliche Duiv6ij.it)' Dxtonsiou wurde 1890 von Philadelphia eingerichtet. Im November richtete man 40 Cnrse ein, an denen 50 000 Hörer tbeilnahmen. So gleich bildete sich die „Amerikanische Gesellschaft für Aus breitung deS akademischen Unterricht-", die im Jahre 1892 ein eigenes Seminar für Dniverglt) Lxtensiou-Lehrer ein- richtete. Fast alle Hochschulen stehen mitten in der Be wegung. Canada. 1891 entstand dir „Gesellschaft für Aus breitung de- akademischen Unterrichts" nach dem Muster von Philadelphia, doch bat ihr Wirken mit demjenigen an anderen Orten nicht Schritt gehalten. Australien. Die Universität Sydney begann schon 1887 mit der Einführung der Vuivvlsit.v Lxleusiou, die sich stetig entwickelt. Die Regierung unterstützt die Bewegung. Melbourne richtete 1890 populäre Vorlesungen ein und in Neu-Süd-Wales ist eine eigene Behörde mit der Arbeit be auftragt. Schweden, Norwegen, Finnland. 1893 richtete Upsala eine von 400 Personen besuchte Sommerschule ein, eS folgten Christiania, Lund und HelflngforS. Dänemark. 1895 hat die Universität Kopenhagen zuerst sogenannte unentgeltliche Septrmbercursr eingerichtet für Volk« Hochschullehrer. „DaS Hauptergebniß der Be wegung im Norden scheint zu sein, daß nun die Volks hochschulen dauernd mit den Universitäten in Verbindung er halten werden." Belgien. Im Herbst 1892 hielten die Genier Pro fessoren FrSdericq und Bercouillic dir ersten VolkS- vorlesungrn in einem Hörsaal der Universität Uber nieder ländische deutsche und englische Literatur. Die Vorlesungen waren unentgeltlich und dienten zur Ausbreitung der vlämischen Bewegung. In Brüssel nahm sich die „Freie Universität" der Sache an «nd hielt sich genau an daS englische Muster, nur daß keine schriftlichen Arbeiten gegeben wurden. In Lüttich gehen Hand in Hand damit besondere Vorträge für Schullehrer und Frauen. In Brügge bildete sich 1894 ein Ausschuß, der Vortrag-cyklen veranstaltet. Holland. Prof. Oort von der Universität Leyden trat mit geringem Erfolg für Ausbreitung deS UniversitätS- unterrichts ein. Rußland. Die „Gesellschaft der Naturforscher" er- ösfnete 1895 an der neurussischrn Universität zu Odessa volkSthümliche Curse, die hier — zweijährig — Abend» von 7—9 Udr oder Sonntags von 1—3 und von 7—9 Uhr ge halten werden. Im Ganzen nahmen 1900 Personen Theil, darunter zweibrittel Frauen. DaS Honorar für sämmtliche Vorlesungen eint« Semester- (8—9) betrug 20, für den einzelnen Gegenstand 3 Rubel. Die einfache Anzeige der Mittellosigkeit befreit gänzlich von Zahlung. Jedermann ist zugelassen, sogar ohne Altersbeschränkung. Bon den Urber fchüssen der Einnahmen werden 20 Proc. zum Grundcapital abgestoßen, der Rest zu gleichen Theilen unter die Vortragenden vertheilt. Im vorigen Semester erhielt jeder Vortragende ca. 15 Rubel. Auch in Kiew, Charkow, Kasan und Moskau cxistiren ähnliche, doch nicht so systematisch organisirte Vorträge. Afrika. Am Cap wurde die Dniverlzlt.v Lxtsuslou durch Mr. Benslcy, einen Docenten der Cambridger Dniversit) b)xt,-u->iou, mit Erfolg eingeführt. Indien. Die Universität Madras veranstaltet gleich falls populäre Vorlesungen. In den Ländern deutscher Zunge fand die Univer- sltätS-AuSdeh»>iligSbewegung zuerst Eingang in Oesterreich und zwar i» Wien. Der berühmte Volksbildung-Verein in Wien hatte mit vielem Erfolg Abendvorträae (Einzelvvrträge) veranstaltet, von denen 22 Procent von Universitätslehrern gehalten wurden. Auf Antrag des Privatdocenlen Or. L. M. Hartman» wurde beschlossen, Vortragscyklen narb Art der b ulversitv b)xt«.'N3ivu-Borträge einzurichten. Das geschah. Die Kosten wurden durch Subscription aufgebracht. Das ging aber ans die Dauer nicht. Da wurde gelegentlich einer Petition der Privatdoceiiten um Verbesserung ihrer Stellung im Feuilleton der „Presse" vom 29. August 1890 daraus hingewiesen, daß man diese Verbesserung wohl am wirksamsten herbeiführen könnte, wenn man die Dniveivit)- Lxtonsiou aus österreichischen Boden ver pflanzte und so zwei Fliegen mit einer Klappe schlüge. Eine Eingabe an den Landtag nm Bewilligung von 150o Gulden zum Zweck der Veranstaltung volksthümlicher Curse wurde abgeschlagen. Nun überreichten am 16. December 1893 53 Docenten der Universität, darunter 37 ordentliche Pro fessoren aller Facultäten, dem akademischen Senat eine Ein gabe, in der sie die Bitte stellten: 1) Eine Commission »iederzusetzen zur Ausarbeitung eines Statuts über die Organisation volksthümlicher Lchrcurse durch die Universität mit besonderer Rücksicht auf die Heranziehung der Privat docenten und Assistenten al- Lehrkräfte. 2) Beim hohen Ministerin", stlr C„k»»s »nd Unterricht «in eine jährliche Subvention von etwa 6000 st. zum Zwecke der Ausführung der vorgeschlageiie» Organisation aufzukonimen. — 1895 stand zum ersten Mal ein Posten von 6000 fl. „als Beitrag rum Zwecke der Abhaltung von volkstümlichen Universität- Lehrcursen in Wien" im österreichischen Ausgabebudget. Im ersten Jahre wurden 58 Curse gehalten (jeder CursuS um faßte sechs Abende rl 1i/„ Stunde) in drei Serien, die zu sammen 6172 Zuhörer fanden. Die Durchschnittsfrequenz betrug für die medicinischen Curse 157, für die literar- und kunstbistorischen 103, für die historischen 76 und für die juristischen 46. In Graz ist man mit den vorbereitenden Schritten beschäftigt, in Prag sind die Professoren der deutschen Universität und der deutschen technischen Hochschule vereint thätig, die schon vor einem Jahre von dem natur wissenschaftlich medicinischen Verein „Lotos" und dem „Deutschen Verein für Altertumskunde" veranstalteten Neue Dramen. i. Die Buchdramatik treibt bei un» zahlreiche Blüten, welche nie von unseren Bühnenleitungen dem Publicum dar geboten werden; sieht man genauer hin, so sind eS nur roenige Dramatiker, die vou den Theatern ernst genommen werden und die Repertoire beherrschen. Und zwar sind eS fast immer dieselben; e« ist ein Ereigniß, wenn ein Neuling in ihren Kreis dringt! Die Werke eine» solchen müssen erst geprüft werden: das hat man aber nicht nötbig, wenn Wildenbruch und Sudermann, oder Lindau, Blumenthal, Sckönthan mit einem neuen Werke auftrrten. Wie die Stücke auch sein mögen, der Name der Autoren genügt, um Anziehungskraft auf da» Publicum auSzuüben. Und überdies kommen von Berlin alle guten und alle vollkommenen Gaben, und der Ring der Berliner Direktoren, Agenten, Kritiker sorgt dafür, daß sie in ganz Deutschland am höchsten be wertet bleiben, daß keinerlei Preisdruck ausgeübt und jeder unlautere Wettbewerb ausgeschlossen wird. Doch dir anderen Dramatiker lassen sich dadurch nicht ab- ballen, Stücke zu schreiben, dir wenigsten» im Buchverlag erscheinen und vielleicht ausnahmsweise hier und dort einmal auf eia« Bühne dringen, dir, von Berlin unabhängig, den M«th der Initiative hat, wenngleich da» Publicum dieser anderen Theater von dem Standpunkte der Reichshauptstadt au» nur al» «ine kleine „Srparatifttvgrnirinve" betrachtet wird. Namentlich ist bei den Buchdramatiken» da» historische Drama beliebt, daS bei den Bühnendirreivren sehr unbelievt ist, wenngleich in neuester Zeit Wilvrnbruch dasstlbe auf den Theatern wieder zu Ehren gebracht hat, mit Erfolgen, die er seinem Namen und seinem großen theatralischen Geschick verdankt. In Wien ist rin Drama „Die Athenen»" von Leo Ebermann aegebrn worden, da» jetzt auch im Verlag der I. G. EottaJchen Buchbandluna in Stuttgart (l8S7) er schienen ist und schon in zweiter Auflage vorlirgt. Die Wiener Kritiker haben den Verfasser al» einen lungen Halm und Grill parzer gefriert und zwar gerade die bissigsten Kritiker, welche der norddeutschen Melpomene am meiste« in die Wade» fahren. Darum ist eS erfreulich, daß die unbefangene Kritik jetzt da» im Buchhandel erschienene Werk vor sich steht und frei von allen Parteirücksichten, von irgend welcher landschaftlicher Voreingenommenheit, frei vo» den bestechenden Wirkungen irgend eine» Bühnenerfolge» den Werth desselben prüfen kann. In dem österreichischen Dichterwalde ist e» etwa» still ge worden; zwar regen einige Jüngsten, den Berlinern nach- »iferod, ihr« Schwingen, doch wie weit ihr Flug reichen wird, ob zu den Höhen von Grillparzer^ Halm, Hamerling oder auch nur Mosenthal und Weilen, ist abzuwarten. Immerhin werden wir un» auch auswärts über jede in Wien neu auftauchend« Dichterkraft freuen. Leo Ebermann zeigt in seiner „Athenrrin", daß er dir Bühnentechnik seiner Vor gänger, wa» den Zusammenhalt der einzelnen Acte, correcten Ausbau und scenische Gliederung brtriffk, gut studirt hat «nd daß er die Fähigkeit besitzt, ihnen hierin nachzueifern. DaS Historische dabei ist nebensächlich; eS giebt nur einen Namen, eine Gestalt, einen Hintergrund. Die Heldin ist Pbryne, jene berühmte Buhlerin, deren Reize von Praxiteles verewigt wor den sind und die Richter von Athen so bestocken haben, daß sie ein freisprechendes Urtheil über die deS Atheismus Angeklagte fällten. Sie gekört mehr der Anekdote als der Geschichte an. Der Verfasser sagt in der Vorrede: „WaS im Klange Phryne lag, wollte ich in einem Drama umschreiben und wenn sonst Frauen ähnlichen Wandels in der Poesie verherrlicht oder verdammt werden, drängte es mich, ein schönes Fragezeichen zu dichten, das nur insoweit häßlich, als eS jede Frage ist, auf die keine Antwort kommt. Ich schuf mir ein Pvantastebild, daS ich dann wieder in« alte Athen zurückversetzte, ihm nur jene geringe historische Färbung gebend, deren «ine typische Figur bedarf, um individuell wirken zu können. Auf ähnliche Weise habe ich auch den EpikuroS zu zeichnen versucht. Die Gestalten unsere» modernen Lebens baden kleine verschwommene Züge. Um diese Züge zu verbessern, um sie groß und sichtbar hervortrrten zu lassen, bin ich nach Hella- gegangen. Wer so nach Hella» geht, nimmt von dort nur, wa» er braucht: Töne und Farben. Die Chronologie war mir sehr gleichailtig." Dir Handlung selbst ist frei erfunden und knüpft nicht einmal an die bekannten Anekdoten an, deren Heldin Phryne ist. Phryne ist die Geliebte eine» reichen Athener», zu dessen Gästen eiaiae atheniensische Arckonten, Hetären und der Philosoph EpikuroS geboren. Phryne ist nicht sehr erbaut von diesem Symposion; Gluth und Kälte, Ekel und Lust sind ihr gleichgiltig: h aber möchte, ach, ich möcht' erleben, n Andere», ein völlig Andere» I !ch Hab' bi» heut' geseufzt nur, nur gelüchelt, koch einem Aufschrei sehnt die Seele sichl Ein Andere», »in völlig Andere»! Da» liegt in der Luft de» Drama»; man weiß, daß die» Andere kommen wiro. Zwei spartanische Gesandt« kommen, darunter Ag>», ein echter Spartaner, rin Mann von Kopf zu Fuß. Sie protestirrn dagegen, daß Athen eine Mauer zu bauen beabsichtigt; Sparta ist offen, so sei eS auch Athen. Die Athener zögern mit der Entscheidung. Inzwischen hat Pbryne, entzückt von der männlichen Schönheit deS Agi», ihm Blumen aerricht, die er entrüstet zurückwie«, doch ihren anderen Verftkhr«ng«künftrn vermag er nicht zu widerstehen N Schon ist er in ihrem Bann, er bleibt, um die Antwort ab- zuwarteu. Und in der Tbat, er bleibt, auch als Terpander zurückkebrt. Dieser beschimpft ibn al» den Freund einer Phryne. Agis ist bei ihr, er glaubt, in ihrem prächtig auSgestatkelen Heim zu sein; da erfahrt er, daß es daS Hau» des TbrasylloS ist, daß Phryne, di« von dieser Liebe al» von etwas Vergangenem sprach, noch immer deS reichen Mannes Dirne ist. Der Spartaner grräth darüber außer sich und beruhigt sich erst, als Pbryne mit ihm flieht. Beide be wohnen nun eine ärmliche Fisckcrhütte. Der brave Spar taner» der doch einige Reue darüber fühlt, daß er dem Waffendienst untreu geworden, will seinen süßen Müßig- zang wenigstens noch sürS Vaterland verwertben, indem er sich zu einem unwürdigen Spionendienst drängt und den Athenern ablauscht, wie sie ihre Festungswerke aufbauen wollen. Der spartanische TapS, der durch diese Spionirerei alle Sympathien verscherzt hat, weiht seine Phryne in seine Absichten und Entdeckungen ein. Nun aber kommt der Trumpf, der die Bubldirnen aller Zeiten an den Pranger stellt. Für ein prächtiges Armband, daS ThrasylloS ihr bietet, verräth sie die Geheimnisse ihres spartanischen Freundes. Dieser soll vor Gericht geschleppt werden, doch er durchbohrt sich zuvor mit dem Dolche. Phryne aber wandert nach Sicilien, um ihrem Schmerz zu leben. Den TiberiuStragüdien von Ferdinand GrrgoroviuS, Julius Groß», Wilhelm Henzen schließt sich «in neue» Drama: .Tideriu» auf Capri" von Ernst Wechler (Verlag, Hans Lüstenvder) an. Während indeß jene Stücke eine stilvolle dichterische Haltung wahren, ist diese neue Tragödie in einer Prosa geschrieben, welche stark« naturalistische Anwandlungen zeigt. Da fehlt e» nicht an Kraftphrasen, wie wenn Liberins am Schluß sagt: „Blut, Blutl Ich will meinen Jammer in Blut ersäufen und das Menschengeschlecht soll daS Trauer geheul dazu anstimmen." Daß durch diese Prosa aber dinundwirder die Eharakterzeichnung markige Striche erhält, soll nicht in Abrede gestellt werden. Schlimmer ist die Zer fahrenheit der zwischen Rom und Capri hin und her schwankenden Handlung und daß Tiberiu» nur durch Befehle und Briefe in dieselbe eingreift, niemal« seinen Gegnern persönlich gegrnüdertritt mit der Energie de» dramatischen Helden, daS ist für einen Protagonisten der Handlung sehr unvortheilbaft und lähmt die Therlnahme an demselben. Die» liegt aller dings zum Theil an dem geschichtlich überlieferten Stoff und wenn Juliu» Große diesen Mangel so lebhaft empfand, daß er durch eine kühne poetische Licenz den Tiberiu« selbst im Senat erscheinen ließ, um den hochverrätherischen Sejan zu verhaften, so gewann sein Drama zwar dadurch einen dramatisch wirksamen Schlußact. aber die Versündigung gegen feststehende Tbatsachen der Geschichte ist hier kaum zu recht fertigen; denn man kann den greisen Einsiedler nicht von Capri plötzlich nach Rom verpflanzen, ohne sein g^chichtlich,» Bild zu entstellen. So ist durch den historischen Stoff auch die scenische Zersplitterung mitgegeben; aus eine Hand voll Verwandlungen kommt e» dem Dichter nicht an. Wenn man wie Mommsen sich nicht scheuen wollte, Lr römische Zustände moderne Ausdrücke zu gebrauchen, so önnte man sagen, die Handlung wird nur durch Adjutanten ritte fortgeführt; cS fehlen überhaupt die starken Impulse und der sefte Zusammenhalt, der Tbeilnahme erweckt. Sejan, der im ersten Act dem TiberiuS auf Capri das Leben rettet, der später die Verschwörer, welche die Kinder deS Germanicus auf den Thron zu bringen suchen, entlarvt und zur Ver antwortung zieht, der aber mit Livilla, der von ihm geliebte» Schwiegertochter des Kaisers, dessen Sohn DrusuS vergiftet hat, und auch wieder mit der Tochter der Livilla Julia ein ebebreckcrischcS Berhältniß hat, Sejan, der Allgewaltige, tritt mehr in den Vordergrund als Tiberiu- selbst, der sich erst nach überzeugenden Beweisen von seiner Schuld ihn zu türzen entschließt. Und dieser Sturz de- Sejan, der an den neunten Thermidor erinnert, an den Sturz des allmächtigen Nobcspierre im Convent, wie er in vielen Nobespierredramen dargestellt wird, ist nicht mit künstlerischer Steigerung vorbereitet und Sejau, der sich mit einigen Interjektionen und Schimpfreden vom dramatischen Schaupla^ zurückzieht, entbehrt zu sehr der tragischen Größe. Einig Nebenfiguren, der närrische Ealiaula, der Judenfresse Apion, der dienstbereite Polizriprafrct Macro, sind gui gezeichnet, aber die Nebenpersonen treten oft zur Unzeit in den Vordergrund. Möchten die jungen Dichter dock an dem vielgeschmäbten Schiller lerne», wie man einen sich steigernden Antheil an der Handlung weckt, indem man die Träger der Handlung auch gleichmäßig in den Vordergrund rückt und nicht durch episodische Figuren überwuchern läßt und indem man überdies durch den vollen Erguß der Leidenschaft und schöner Berrdtsamkrit an der geeigneten Stelle die Leser und Hörer mit sortrrißt, wo die gestotterte Phrase der Unkunst nur lähmend wirken kann. DaS neue Drama von Adolf Wildrandt: „Die Eid genossen" (Stuttgart, I. G. Cotta'S Nachfolger) behandelt den Kampf der Schweizer mit Karl dem Kühnen von Burgund, einer Kampf, der in erster Linie einen epischen Grundzug hat und dieser verleugnet sich auch in dem Drama nicht. Tie Hauptgestalt, die am meisten hrrvortritt, ist der Burgunder- Herzog, streng, energisch, gewaltthätig und tapfer; hochmüthig verletzt er den leichtlebigen Herzog von Lothringen Renatus und den deutschen Ritter Ulrich von Falkrnstein, den er mir gezogenem Schwert zu züchtigen droht. In den ersten Acten, die in Straßbnrg spielen, beschweren sich bei ihm die Ge sandten der Eidgenossen über den burgundischen Vogt von Hagenbach; sie werden abaewiesen, verschaffen sich aber selbst ihr Reckt, indem sie den Vogt vor Gericht ziehen «ad bin- richten lassen. Hier in Srraßburg treten nach di« teidea
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite