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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970218029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897021802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897021802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-18
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung ./L 60.—, mit Postbeförderung -/L 70.—. Aunahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei deu Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^ 89. Donnerstag den 18. Februar 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Februar. Im Reichstage, der gestern endlich die zweite Lesung des Militär et als beendet hat, wird in nächster Zeit die zweite Lesung des MarinectatS beginnen und dabei die Frage der Vermehrung der deutschen Flotte erörtert werden, materiell zunächst nur hinsichtlich der für dieses Jahr ge stellten Forderungen, theoretisch aber hinsichtlich einer Er weiterung der deutschen Flotte überhaupt. Man tritt dem Admiral Hollmann wohl nicht zu nabe, wenn man annimmt, daß ihm trotz seiner sonstigen Menschenfreundlichkeit die gegenwärtige, den Frieden bedrohende Lage in Osteuropa recht gelegen kommt. Eine deutliche Illustration für den unzureichenden Bestand der deutschen Flotte ist die Thatsache, daß Deutschland, das politisch-diplomatisch bei der Zuspitzung des Conflictes zwischen Griechenland und der Türkei die Initiative zu einem einmülhigen Vorgehen der Mächte ergriffen hat und das dafür von allen Seiten wohl verdientes Lob einheimst, mit seinen militairischen Maß nahmen hinter den anderen Großmächten Zurückbleiben mußte. Das deutsche Kriegsschiff wird frühestens drei Tage später in Action treten können, als die Schiffe der anderen Mächte es gethan haben. Und wenn dann die „Kaiserin Augusta" vor Kanea anlangt, so wird eben nur ein deutsches Schiff in den kretischen Gewässern vorhanden sein, während schon jetzt dreiundzwanzig Schiffe anderer Mächte anwesend sind und noch weitere fremdstaatliche Kriegsschiffe folgen werden. Es ist nicht das erste Mal, daß Deutschland ungenügend vertreten ist. Man denke z. B. daran, wie lange es dauerte und wie schwer es sich ermöglichen^ließ, bis bei den chilenischen Unruhen ein deutsches Kriegsschiff zur Stelle war; man erinnere sich weiter daran» wie dürftig Deutschland bei den Flotten- demonstratioiien, die zur Feier der 400jährigen Wiederkehr der Entdeckung Amerikas veranstaltet wurden, vertreten war. Es wird nun von den Gegnern jeder Flottenver mehrung darauf hingewiesen, daß auch schon bei dem der zeitigen Flottenbestandc cS ein Leichtes sein müßte, eine größere Anzahl von Schiffen verfügbar zu machen, da ja bei der Eröffnungsfeier des Nordostseecanals und bei der An wesenheit des Zaren in Kiel eine große Zahl deutscher Kriegsschiffe zur Verfügung gestanden hätten. Man vergißt dabei aber, daß einmal bei einer Parade in den heimischen Gewässern Schiffe figuriren können, die zwar noch recht nett aussehcn, aber zu einer Verwendung in fernen Gewässern und besonders bei der Möglichkeit einer ernsthaften Aktion nicht geeignet sind, und daß zweitens eine Anzahl von Schiffen wohl in Kiel versammelt sein kann, wo sie die Ostsee unmittelbar beschützen und in kürzesterFrist iu dieNordsee gelangen können, daß sie aber nicht in die weite Welt hinausgesandt werden dürfen, weil sonst für den Schutz der deutschen Küsten nicht mehr eine genügende Zahl von Kriegsschiffen vorhanden wäre. Von den auf auswärtigen Stationen befindlichen Schiffen lönnen aber nur schwer Schiffe anderswohin entsandt werben, weil diese Stationen ohnehin dürftiger besetzt sind, als es den deutschen Interessen entspricht. Abgesehen aber von den direkten eigenen Interessen, ist eine Vermehrung der deutschen Flotte wünschenswerth, um ein maritimes Gleichgewich t berzustellen. Gegenwärtig ist die englische Präpotenz zur See eine so bedeutende, daß, wie letzthin schon erwähnt, ein hoher russischer Diplomat in einem Briefe an den „Figaro" mit Recht hervorhob, Rußland und Frankreich seien in ihrer Actionssähigkeit England gegenüber behindert, weil die Flotten beider Staaten der englischen Flotte noch nicht einmal ge wachsen seien. Wie England diese Präpotenz ausnützt, sieht man an seinem Vorgehen in Egypten und an der Anmaßung gegenüber Deutschland. Es erscheint gar nicht ausgeschlossen, daß einmal Deutschland mit Rußland und Frankreich Zu sammengehen wird und wird zusammengehen müssen, um sich gegenüber dem Uebermuth nnd der Herrschsucht der Engländer wehren zu können. Dann aber muß Deutschland auch in Bezug auf seine Marine bündnißsähig sein. Der als Nachspiel zu dem Proceß Leckert-Lützow zu be trachtende Proceß gegen das Organ des Bundes der Landwirthe, die „Deutsche Tageszeitung", hat bekanntlich mit der Verurteilung des verantwortlichen Redacteurs dieses Blattes zu zwei Monaten Gefängniß wegen Beleidigung des Staatssecretairs Frhru. v. Marschall geendet. Wer nicht durch die trübe Brille der Voreingenommenbeit den Verlauf des Processes betrachtet, wird aus ihm mit Befriedigung ent nehmen, baß in absolut grundloser Weise gegen bas Auswärtige Amt von einer sensationslüsternen und gewissenlosen Clique gehetzt und die Person des Fürsten Bismarck sammt seiner Familie mit dieser gemeinen Intrigue in Verbindung gebracht worden ist. In dieser Hinsicht hat der Proceß klärend gewirkt und ist daher rückhaltlos zu begrüßen. Das Schlaglicht, Las er auf einen Theil unserer Presse wirst, ist freilich ein beschämendes. Gewerbsmäßige Preß- speculanten, die aus der Popularität des Altreichskanzlers Nutzen für sich und ihre Blätter zu ziehen suchten, hatten die Nachricht verbreitet, der Zar habe dem Altreichskanzler einen Besuch abftalteu wollen, diese Ansicht sei aber von Berlin aus hinterlrieben worden und aus Aerger darüber habe Fürst Bismarck die bekannten Enthüllungen der „Hamb. Nachr." veranlaßt. Wer eigentlich die Fabel von dem beabsichtigten Zarcnbcsuche erfunden und dadurch Veranlassung zu dem ganzen weiteren ekelhaften Verleumdungsklatsch gegeben hat, ist leider nicht festgestellt worden; vielleicht gelingt es nackträg- lich noch, diesen Biedermann anfzufinven. Auf seine Fabel gründete der Redacteur der „Bank- und HandelSzeitnng" sie Sensationsgeschichte von der Verstimmung des Fürsten Bismarck und stutzte sie so zu, als ob der Fürst sein Gewährs mann sei. Und wieder mit der Miene des von Friedrichs ruh aus Eingeweihten dementirte die „Deutsche Tageszeitung" den Klatsch der „Bank- und HandelSzeitnng", wagte es aber, an dieses Dementi die Verdächtigung zu knüpfen, Beamte des Auswärtigen Amtes stäken hinter der Preßintrigue. Und dann, als die Leitung dieser Behörde sich diese Berleumdung nicht gefallen ließ, setzte sich das Blatt noch aufs hohe Pferd. In Friedrichsruh ist der Artikel der „Bank- und Handels zeitung" als „Heller Unsinn" gekennzeichnet worden, und der Oberstaatsanwalt hat das Verhalten der „Deutschen Tages zeitung" eine Infamie genannt. Beide Bezeichnungen sind zutreffend. Die letztere um so mehr, als das Organ des Bundes der Landwirthe sich mit dem Nimbus der Verbindung mit einem Manne umgab, dessen Name jedem Deutschen heilig sein sollte. Leider muß man der „Post" beipflichten, wenn sie aus dem Processe folgendes Facit für die betheiligte Presse zieht: „Wie in dem Processe Leckert-Lützow die Schäden deutlich hervoclraten, welche das Ueberhandnehmen der lediglich von Er- werbsinteressen beherrschten und demzufolge vorwiegend auf die Scandal- und Sensationsneigungen des großen Publicums jpeculirenden Presse zur Folge hat, so zeigt der vor liegende Proceß eine besondere Specialitüt dieser Presse in scharfem Lichte: Es ist diejenige, welche mit der Popularität des Alt reichskanzlers in weiten Kreisen der Bevölkerung zu ihrem eigenen Nutzen arbeitet. Hier liegt, in Verbindung mit der Speculativn ans das Sensationsbedürfniß des großen Publicums, die Triebfeder für die Lancirnng der frei er- fundenen Ente von der angeblichen Absicht des Kaisers von Ruß land, in Friedrichsruh vorzuspreche», und zugleich die Quelle der mancherlei Verhetzungen, zu welchen jener Artikel der „Bank- und Haiidclszcitung" Anlaß gegeben hat. Die völlige Aufdeckung dieses gemeinjchädlichen Treibens hat offenbar im öffentlichen Interesse gelegen, und Freiherrn von Marschall wird man die Anerkennung Lasur nicht versage», daß er durch die Anklage gegen die „Deutsche Tageszeitung" dieses Ergebnis) herbeigeführt hat. Ob mit der Auf deckung des Nebels auch die Beseitigung desselben bereits er reicht ist, steht freilich sehr dahin." Aus Kreta ist die Lage noch unverändert: auf der einen Seite der Protest der Mächte, auf der andern das Losstürmen Griechenlands ans das Ziel der Annectirung Kretas. Die Truppennachschübe nach Kreta dauern fort, Prinz Nicolaus hat bei Sitia vier Bataillone und zwei Batterien gelandet, und auch an anderenPunclen sollen griechische Truppen an Land gegangen sein, so daß die Zahl der im griechischen Lager von Platania befindlichen Aufständischen bereits 6000 betragt und in zwei Tagen sich auf 20 000 erhöben dürfte. Wie man uns aus Alben telegraphisch meldet, sind mehrere Officiere von dort nach Kreta gesandt, um freiwillige Compagnien zu bilden, und ein weiteres Bataillon erhielt Befehl, dorthin abzugehen. Die kretischen Christen jubeln natürlich allerorts den „Befreiern" entgegen, und im District Retimo haben Privatmeldungen zufolge die Bewohner die Loslösung Kretas von der Türkei und die Vereinigung mit Griechenland proclamirt. Die Christen halten die Stadt Retimo eingeschlossen, und man wird abwarten müssen, ob es dort zu einem Zusammenstoß kommt. Kanea anzugreifen haben die Griechen anscheinend aufgegeben. Man meldet uns darüber: * Kanea, 18. Februar. (Telegramm.) Oberst Bassos hat seit der Besetzung Kaneas Lurch die Truppen der vereinigten Mächte aus den Plan, diesen Ort anzugreifen, verzichtet und sein Hauptquartier bei Goma aufgescblagen. Die türkischen Truppen führen um Kanea herum Befestigungen auf. Officiere der Mächte haben in Begleitung eines türkischen Obersten die Festungen inspicirt. Das wäre der erste Erfolg des Vorgehens der Mächte. Nun wird uns weiter berichtet: * Athen, 18. Februar. (Telegramm.) Meldung der„Age»ce Havas". Admiral Canevaro hat dem griechischen Consul aus Kreta die Mittheilung zugehen lassen, daß die Mächte beschlossen haben, die vier Puncte Kanea, Retimo, Kandia und Sitia zu besetzen und keinerlei Action gegen diese Puncte zu gestatten. Die griechische Armee müsse auch an anderen Puncten von einer Action absehen. * Konstantinopcls» 18. Februar. (Telegramm.) Meldung des „Wiener k. k. Tel. Corr.-Bur." Die fremden Kriegs schiffe haben Besehl, außer vor Kanea, Kandia, Retimo und Sitia auch in Kissamo zu ankern und gegebenenfalls gleichwie in Kanea dort Mannschaften zu landen. Nach der Haltung des Oberst Bassos zu schließen, dürfte denn auch ein griechischer Angriff auf die genannten Plätze (zumal da bereits gemischte Truppenabtheilungen dort gelandet sind) auf sich warten lassen. Allerdings muß man immer mit der Even tualität rechnen, daß der Zuzug weiterer griechischer Truppen das Bild wieder ändert. Wir glauben zwar nicht, daß ein griechischer Osficier sich zu einem Angriff auf grvßmächtliche Soldaten Hinreißen lassen wird, anders aber ist es mit den verwegenen Banden der Aufständischen. Käme es zu einem derartigen Zusammenstoß, so würden die Mächte nicht umhin können, die Pacificirung der Insel unverzüglich selbst in die Hand zu nehmen. Dies zu verhindern, liegt aber im Interesse Griechenlands, und so wird Oberst Bassos selbst ein allzu dreistes Vorgehen der Kreter zu verhindern sich angelegen sein lassen. Ohnehin geht der griechische Actionsplan offenbar dabin, die aesammte Insel mit Ausnahme der genannten Küsten- plätze in Besitz zu nehmen, sich einzunisten und nur der Ge walt zu weichen. Dabei rechnet die griechische Regierung und vielleicht nicht mit Unrecht darauf, daß, wenn Kreta einmal thatsächlich in griechischen Händen ist, die Mächte schwerlich dazu schreiten werden, es auf einen Kampf der gemischten Detachements mit Griechen und Kretern im Bereich der ganzen Insel ankommen zu kaffen. Mit den türkischen Truppen aber, die unterwegs sind, hofft mau leicht fertig zu werden. Darin könnte man sich nun doch verrechnen, denn man holt in Konstantinopel zu einem wuchtigen Schlage aus. Wir erhalten darüber folgende Nachrichten: * Konstantinopel» 18.Februar. (Tel.) Die gemeldete Mobilisi- rungsordre umfaßt alle 64 Redis-Baiaillone, ferner beide Grenz- Linien-Divisionen Nr. 6 und 17 des 3. Corps, zusammen insgesammi 98 Bataillone mit rund 80,000 Mann. Marschall Ed Hein-Pascha, welcher im vorigen Jahre bei Zeitun commandirte, ist zum Ober- commandanten und Oberst Seyfullah, bisher Militairattachs in Athen, zum Chef des Generalstabs ernannt. Der Divisionsgeneral Omer Neschad übernimmt das unmittelbare Grenzcommando in Elassona. " London, 18.Februar. (Tel.) Wie dem „Reuter'schen Bureau" aus Konstantinopel über die Mobilisirungspläne der Pforte betreffs der Marine gemeldet wird, ist angeblich befohlen worden, 2 Ge schwader auszurüsten, wovon das erste binnen vier Tagen nach Kreta abgehen soll. Der neue Militaircommandant von Kreta, Saad Adin Pascha, ist mit 3 Bataillonen nach der Insel abgegangen. Allerdings muß ein Theil der türkischen Truppen nach Makedonien dirigirt werden; denn es sieht zu erwarten, daß, falls die Großmächte oder die Pforte die Occupirung Kretas hindern, Griechenland den Krieg in Thessalien organisiren wird, um sich an Makedonien schadlos zu halten. Alle Vorbereitungen deuten ja daraus hin. Die Türkei hätle dann nach zwei Seiten zu kämpfen, Griechenland aber gleichfalls, und dieses hätte außerdem noch mit einer neuen Action der Mächte zu rechnen. Es wird uns eine Meldung der „Agence HavaS" telegraphisch über mittelt, wonach der Minister des Aeußern in Athen, Skuzes, die Vorstellung der Gesandten Frankreichs, Rußlands und Italiens dahin beantwortet habe, daß die griechische Regierung es ablehne, die Torpedoboot-Flottille und die Truppen in Kreta zurückzuberufen, daß vielmehr die denselben ertheilten Befehle aufrecht erhalten würden. Das war anscheinend der letzte Versuch der Mächte, auf diplomatischem Wege zu erreichen, was man nur ungern mit Gewalt erzwingen möchte. Auch er ist gescheitert. Nun wird nach Meldungen, die uns aus Berlin und Wien vorliegen, bestätigt, daß Deutsch land thatsächlich den Vorschlag einer Blockade des Piräus gemacht hat, daß die meisten Mächte einem der artigen Vorgehen bereits zustimmen, daß gegenwärtig Verhandlungen nicht nur über eine strenge Blockade der griechischen Häsen, sondern auch über eine weitere Flotten- Fenilletsir In der Irre. Novelle von M. v. Oertzen. Nachdruck verboten. Da sprang er empor. „Doch und doch!" rief er. „Ich habe Dick geliebt — wenn auch anders, als Du cs begreifst — aber Du hast meine Liebe nicht Werth gehalten! Du hast sie fortwährend auf die härtesten Proben gestellt — mit Kleinlichkeiten hast Du sie erstickt — zum Sclaven wolltest Du mich erniedrigen — ich habe mich gehaßt, mich geschämt — und das verzeiht kein Mann dem Weibe, das so weit ibn gebracht. Trotzdem will ich Dir sein, was ich vor Gott ge lobt — was verlangst Tu mehr?" „Ich wäre eifersüchtig, wenn ich Dein laues Tempera ment nicht kennte", antwortete sie. „Doch Du bist gut aus Mangel an Gelegenheit — minder gut zu sein." „May!" donnerte er. „Du beleidigst mich . . . .?" „Oh bewahre", sagte sie. „Hast Du auch meine Liebe mit Fußen getreten — sie verschmäht — ich will Dich nicht beleidigen. Wozu auch ? Die Zeiten der süßen Versöhnungen sind vorüber —" „Oh May, May", sagte Julia». „Bist Du das? Ist es möglich? Läßt sich denn gar nichts mehr heilen zwischen uns ? Zerreißt Du auch den letzten Faden? Komm — um vergangener Zeiten willen — Frieden! Vergebung!" Er breitete die Arme aus. Eine edle Großmuth erfüllte sein Herz. Sie gehörten nun einmal zusammen! Er wurde weich. „Laß nur", wehrte sie kalt ab. „Ich muß mich erst er holen von den furchtbaren Stunde», die ich in letzter Zeit verlebt ... Du siehst ein, daß hier alles dazu angethan ist, mein Gemütb immer mehr zu vergiften." Julian horchte aus. „— Und ich frage Dich daher, ob Du etwas dagegen hast, wenn ich die Einladung meines Vaters nach London für die nächsten Wochen endlich annehme?" „Seit wann fragst Du mich?" „Hast Du etwas dagegen?" erwiderte sie kalt. „Nein." May erbleichte, ais der Würfel fiel. Nun sank ihr eine Last vom Herzen — sie hätte jubeln mögen und doch im Grimm Jenen an den Schultern packen und ihm schreckliche, wilde Kränkungen ins Antlitz schleudern. Denn kleine Naturen sind furchtbar im Zorn. Julian wollte das Zimmer verlassen. „Ich reise übermorgen", rief May ihm nach. Dann wurde Stille. Allein! Allein! War dies ganze dunkle Jahr nur ein Traum gewesen? Würde er wieder zu neuem Leben erwachen? Nein, cS war Vernichtung — innere Zerstörung — Der Tag von May'S Abreise brach an. Im Morgen grauen klopfte sie an Iulian'S Thür, ihm Lebewohl zu sagen. Er reichte ihr einen Rosenstrauß, den er beim Gärtner be stellt, und die beiden Gatten blickten einander in die Angen. Sie bewegte die Lippe». „Adieu!" sagte sie dann. „Adieu!" Er küßte ihre Hand, die schon von dem schwedischen Handschuh bedeckt war, und die Frau verließ ihren Mann. Julian sah sich im Zimmer um — und athmete auf — Das Leben ging seinen ruhigen Gang. Lautlos — fast schien es, als wolle es einen Kranken pflegen, den eS selbst wund geschlagen. XVI. Camill ließ sich bei Julian melden. Er brachte Grüße von Burg Horst, die er gestern früh verlassen, und beeilte sich nun, seines Auftrages sich zu entledigen. Die grünen Läden waren geschlossen, und eine tiefe Ruhe beherrschte das HauS, sowohl von außen, als auch von innen; man hörte im Flur die Fliegen summen und daS Tropfen des schmelzenden Eises im Eiskasten. Die Tbür zu Iulian'S Zimmer sprang lautlos aus unter der Decke schwebte eine feine, duftige Rauchwolke, in dämmerndem, grünem Schein verschwommen alle Gegenstände. Julian öffnete weit die Augen, um den Eintretenden besser zu erkennen. Eine leere Kaffeetasse stand auf dem Fenster sims, daneben lag die Zeitung. „Sie sind'S, Adalhart", sagte er müde. Er rückte einen Stuhl herbei und setzte sich selbst auf die Lehne des Sophas. „Ich bringe Ihnen Grüße von Burg Horst", sprach Camill im Flüstertöne. „O, danke sehr." Eine Minute Schweigen. „Darf ich Ihnen nicht irgend etwas anbieten? Wein oder eine Tasse Thee?" „Wenn Ihre Frau Gemahlin mir eine Taffe Thee credenze» «In will, so nehme ich es dankbar an", sagte Camill heiter, der Hitze zieht es nichts Kühlenderss." „Meine Frau Ihnen credenzen? Das hätte seine Schwierigkeit", sprach Julian, aufspringend und im Zimmer auf- und abgehend. Camill betrachtete ihn mit Kvpfschütteln. „Wie so denn?" fragte er. „Sintemalen sie in London ist!" sagte Julian und begann leise eine Walrermelodie zu pfeifen. „May in London — seil wann?" rief Camill, seinerseits aufspringend. „Davon haben Sie uns ja kein Wort geschrieben ?" „Warum auch? Sie ist eben fort — vor vierzehn Tagen erklärte sie, ihre Sehnsucht nach den Eltern und nach London nicht länger bezwingen zu können — und, wie Sie sehen, be kommt mir ihre Reise nicht schlecht. . Er sprach in einem bitteren Ton — er wollte leichtfertig scherzen — und dock hatten seine Worte etwas Herzzerreißendes. „Er war früher der Frohsinn selber", hatte Frau v. Willow gesagt. Ein tiefes Mitleid ergriff Camill. „Sie hätten dennoch schreiben sollen. Oder kommen — es wird Nesa weh thun —" er schwieg, als habe er sckon zu viel gesagt. „Resa . . . .?" „Ja, Resa, Sie haben gute Freunde, Julian! Bessere, als Sie denken!" Julian hielt in seiner rastlosen Wanderung inne. Er trat dicht vor Camill hin und legte eine Hand aus seine Schulter. „Sie sind ein Glücklicher! Glückliche verstehen daS Unglück Anderer — und, Camill — ick, ein Mann, ich bin unglücklich durch — eine Frau! Meine Frau!" Da war es. Camill faßte seinen Muth zusammen. „Ich wußte cs." „Nicht wahr? Es war nicht schwer zu errathen — und doch, alles Vergangene, was bedeutet eS gegen daS, was ist?" Er zog die Gardine auseinander, daß der volle Tag ins Zimmer schien unv wandte sein Gesicht Camill zu. „Sehen Sie mich an — lesen Sie in mir — ich brauche einen Menschen, der in mir liest und der mich kennt — wollen Sie der Mensch sein? Grade Sic vor allen anderen?" „Grade ich?" dachte Camill. Er sah mit Schrecken die mageren grauen Züge, das unsichere Auge, da« tief in seine Höhlen gesunken — er las, daß nicht um May allein diese Furchen in ein junges Gesicht gegraben. „Kann ich Ihnen Helsen?" fragte er einfach. „Helsen kann Niemand als ich selbst. Meine Frau hat > mir geschrieben, daß sie in London glücklich ist und ein Leben hier nicht mehr ertragen könne — und — sie schlägt mir nochmals vor, kurzweg meinen Abschied zu nehmen, um in London mich mit meinem Schwiegervater in irgend einem Geschäft für Gentlemen, Officiere a. D. und so weiter zu associiren!" „Oh!" Camill fuhr empor. „Nicht wahr? Ein schönes Anerbieten für einen Premier Lieutenant der Dragoner und einen Willow?" „Es kann ihr Ernst nicht sein." „Völliger Ernst. Ich habe ihr geantwortet: Nein! Das ist Alles." „Und nun?" „Nun nagt eS an mir, daß meine Frau mir dies zumuthcn konnte — ja, Adalhart — verschweigen Sie Resa und ihren Eltern, daß May mich verlassen hat. Verschweigen Sie Alles — ich werde wieder ein Mensch werden, wenn es durch gekämpft ist —" Und Julian sank auf einen Stuhl und brach jäh ab. Camill sckloß die Augen. Das Bild eines Mädchens, das um dieses Mannes Schicksal weinte, trat ihm so greifbar deutlich vor das Gemüth. „Ich bin Soldat mit Leib und Seele", fuhr Julian fort. „Ich habe sonst gar nichts — und will auch nichts haben. Wer einmal sein Glück verspielt — was man so Glück nennt —, der soll nicht darauf zurückschielen. Kommen Sie! Wir wollen auf den Wall gehen." Camill ergriff seinen Hut. Er wäre gern allein gewesen, aber er wagte nicht, Julian zu widersprechen. Julian war verstört. Ueber den Weinbergen zitterte staubiger Sonnendunsi nnd die beiden Männer gingen dahin, als wollten sie die Meilen ausmesse». Keiner sprach etwas, der Staub wirbelte unter ikrcn Füßen empor und senkte sich auf das niüde Gras am Rain — der Hochsommer küßte glühend das Land. Endlich blieb Julian sieben und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ich banke Ihnen; Sie waren mir ein großer Trost und ich wollte Ihnen zn Dank verpflichtet sein." „Sie wollten . . .?" „Ja. Es ist am besten so." Er schüttelte Camill die Hand und machte kurz Kebrt. Der andere gab eS auf, ihm zu folgen. Aber von dieser Stunde an ließ es ihm keine Ruhe mehr, und er sorgte sich um den Vetter seiner Braut, wie um einen Bruder. Regelmäßig um sieben Uhr AbendS klingelte er an Iulian'S
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