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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980803025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898080302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898080302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-08
- Tag1898-08-03
- Monat1898-08
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Die Morgenausgabe «scheint mn '/,? Mr» di« Abend-Ausgabe Wochentag» nm 5 Uhr. Redacilon «nd ErpedMo«: JohanneSgafse 8. Die Erpkditio» ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uh». DezugS-PreiS W d« Hauptexpedttioa ober de, i« GkLt» bezirt und den Bororte» errichteten Aos- aobestellen ab geholt: vterteljährltch^l4^0, bet zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» SÄ. Durch die Post bezogen für Deutschland and Oesterreich: vierteyäbrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsrodung in» Au»land: monatlich 7.SO. Filialen: vtts klemm'» kortim. (Alfred Hahn), UnlversitätSstraßr 3 (Paulinu»), Loni» Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Wend-Ausgabe. w» —— " ripMer. TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des Äömglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Attzeigen-Prei- die bgefpaltme Petitzeile KO Pfg? Meclameu unter demRedaction-strich (4«o- spalten) SO^, vor den Familiranachrichtra (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Peri»- dtrzeichaiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarts, «rtra-Veilaae» (gesalzt), «u« mit -er Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuag ^l 60.—, mit Postbesörderuag 70.—. Annahmeschluß fir Anzei-e«: Ab end-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Worgeu-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» au di« Er-edttto» zu richte». Druck «nd Berlag von E. Dolz in Leipzig. 38S. Mittwoch den 3. August 1898. 92. Jahrgang. Än -er Lahre Lismarck's. ^Vornehm wirkt die dem verschiedenen StaatSmanne von seinen konservativen Gegnern gewidmete Würdigung", also schreibt nach dem Tode Gladstone'» in seiner Nummer vom 22. Mai 1898 der — „Vorwärts". Und man kann dem socialdemokratischen Blatte in diesem Falle nur Recht geben. Denn waS trug sich nach dem Tode des eng lischen Staatsmannes zu? Nicht seine Anhänger, son dern seine politischen Gegner stellten im Unterhause wie im Oberhause den Antrag, daß seine Beerdigung auf Staatskosten erfolgen solle; die Anhänger stimmten natürlich zu, und so war die Angelegenheit in wenigen Minuten in der würdigsten und vornehmsten Weise erledigt. Ebenso vornehm wie die beiden Häuser der Volksvertretung war die Haltung der englischen Presse ohne jeden Unterschied der Partei. Man muß, wenn man gerecht sein will, anerkennen, daß dieser politische Tact, dieser Respect vor der Majestät deS Todes bei der englischen Presse auch über die Grenzen Englands hinausgeht. Fürst BiSmarck war den Engländern nicht sehr hold und bei seinen Lebzeiten hat die englische Presse seine Abneigung reichlich vergolten; jetzt aber gelegentlich seines HinscheidenS ist das Verhalten der englischen Blätter durchgängig an ständig und würdig. Einige Blätter machen bei der Wür digung des Fürsten einige Einschränkungen, aber auch diese Einschränkungen sind zwar nicht dem Inhalte, wohl aber der Form nach unanfechtbar. Wie steht es nun in Deutschland? Der Widerhall, den die Trauerkunde von dem Hinscheiden deS Fürsten Bismarck überall gefunden, wo Deutsche wohnen, hat gezeigt, daß das deutsche Volk seiner Werth war. Wenige hat eS danach gelüstet, daß auf sie die streng und un parteiisch richtende Nachwelt die Fabel von dem tobten Löwen und seinen Lästerern in Anwendung bringe. Mit besonderer Genugthuung stellen wir fest, daß es die Stimmen deS nationalgesinnten, liberalen Bürgerthums waren, die unbefangen dem Führer der deutschen Nation ge geben, was seiner Heroengröße angesichts des Todes geschuldet wurde. Bis heute früh sind nun auch die Organe aller übrigen Parteien an die Bahre getreten, so daß man sie jetzt Revue passiren lassen kann. Um mit der äußersten Rechten anzufangen: Die „Kreuz-Ztg.", die vor seiner Größe sich unbedingt beugt, nennt den Culturkampf als den einzigen, wirklichen Mißerfolg seines Systems; der „Reichs bote" vergrößert die Liste; er rechnet die Einführung der liberalen Aera mit ihrem demokratischen Wahl gesetz, ihrer verfehlten Wirthschaftsgesetzgebung noch dazu. Das „Volk" deS Herrn Stöcker kann sich nicht ab finden mit seinem „Bunde mit dem Liberalismus", seiner „Stellung des Reiches auf breite demokratische Basis, seinem Kulturkampf unter Hilfe der Kirchenfeindschast, seinem Wider stand gegen starke Socialreform". Aber wie gesagt, eS sind wörtlich angeführt die einzigen Ausstellungen in spaltenlangen Artikeln, welche der Größe BiSmarck'S huldigen. Mit der „Post", welche als führende» Organ der Freiconservativen bedingungslos sich vor dem großen Tobten neigt, hört die Zahl der Organe auf, die ihren Empfindungen dadurch offen Ausdruck geben, daß sie sie mit den Zeichen der Trauer um schließen. Auf der anderen Seite stehen zunächst die CentrumS- organe, die Spalten darauf verwenden, um sich vor ihren Lesern zu rechtfertigen, warum sie bekennen, was ihnen die Gewalt der Persönlichkeit deS Altreichskanzler» abgezwungen hat. Und je weiter von der Reichscentrale, um so unabhängiger und unbefangener da» Urtheil: so finden wir gerade in süddeutsche» CentrumSorganen Auslassungen, die „dem Andenken des ersten Kanzlers d«S neuen Deutschen Reiches gewidmet" sind,ihn zu „den hervorragendsten Heroengestalten rechnen," die „gern darüber als Nichtpreußen hinwegsehen wollen, daß von Deutschlands Macht und Größe „Preußen", das er vor Allem im Auge gehabt, vor Allen prositirt habe". Offene, herzliche An erkennung des Giganten spricht auch aus den freisinnigen Blättern, und selbst die linksstehenden und demokratischen Organe, sie glauben zu längerer Motivirung verpflichtet zu sein, wenn sie sich schließlich dahin äußern, daß er ein wahr haft großer Deutscher war. Selbst die welfisch en Organe halten ihre Feindseligkeit, wenn auch nur mühsam, zurück. ES müßte aber seltsam zugeben, wenn in Deutschland in diesem ernsten Augenblick der Thersites fehlte. Uebergehen wir den Or. Sigl, dessen clownhafte Sinnesrichtung auch den Sprung ins Rohe nicht gescheut hat. Sehen wir, wie die Partei sich verhält, die die „makellose Tugend" in Erbpacht genommen zu haben wähnt. Derselbe „Vorwärts", der bei dem Tode deS englischen Staatsmannes die Vornehmheit der politischen Gegner dieses Mannes rühmte, hält es nicht für uöthig, von dieser Vor nehmheit bei dem Tode eines deutschen Gegners Gebrauch zu machen. Mit einem „Vorwärts" und Seinesgleichen über unseren Bismarck zu streiten, kann unsNiemand zumuthen. Wir wollen hier nur die Form brandmarken, in der er sich über den Verstorbenen ergeht. Da heißt eS u. A.: Bismarck hat Europa in die „Barbarei des Militarismus" gestürzt; es gab für ihn „ebensowenig moralische und culturelle Factoren, wie moralische und culturelleIdeale". Er hat mit „würdeloser Klein lichkeit" jeden Gegnerüberdas GrabhinauS verfolgt und mit der selben „würdelosen Kleinlichkeit" hat er sich 1890 an sein Amt angeklammert; „er hat nicht verstanden, zu rechter Zeit zu sterben"; er bat „seine ohnmächtige Rachsucht" an seinen persönlichen Feinden zu stillen gesucht: er hat zur „niedersten Wauwau-Politik, zu den Eircuspraktiken deS ManipulirenS seine Zuflucht genommen"; er hat den „Augiasstall finan zieller und politischer Corruption bergehoch mit Schmutz an gehäuft". Daö ist so eine kleine Blütheulese aus dem Nekro log, den der „Vorwärts" seinem großen Gegner widmet, und mit dem er und Seinesgleichen nur bewiesen hat, daß die Socialdemokratie nur in Einem groß ist — in der Niedrig keit der Gesinnung. Ihre Presse bat den Trauerzug, der dem alten Kaiser auf seinem letzten Gange folgte, nach geschmäht: es konnte also jetzt auch nicht ausbleiben. DaS deutsche Volk aber wird nicht einen Blick seitwärts nach den Gesellen wenden, die mit frecher Miene am Straßenrand stehen, aber es ihnen in das Kerbholz schneiden zu dem Uebrigen und still seinem Tobten zur Statte ewigen Friedens folgen. Man hätte wohl, wenn Fürst Bismarck nicht selbst über seine Grabstätte verfügt hätte, dem Gedanken eines natio nalen Grabmales näher treten können, wie ja auch Gladstone ein nationales Grabmal erhalten hat. Der An trag auf die Beerdigung Gladstone'S in der Westminsterabtei wurde einstimmig angenommen. Würde ein ähnlicher Antrag im deutschen Reichstage eine eben so günstige Aufnahme gefunden haben? Nach dem „berühmten" Vorgänge vom 23. März 1895 ist eS vielleicht ganz gut, daß die Probe auf das Exempel nicht ge macht wird; die geordnete Vertretung des deutschen Volke» hätte sonst vielleicht da» Ansehen deS deutschen Reichs vor dem Auslande herabgedrückt. ES genügt ja schon, daß ein Theil der deutschen Presse daS Geschäft der Herab- Würdigung des deutschen Ansehens bei dieser Gelegenheit mit vielem Eifer übernimmt. Der Tod des größten deutschen Staatsmannes wäre Wohl eine passende Gelegenheit gewesen, zu zeigen, daß es doch Momente giebt, wo alle Elemente einer Nation die Gewaltig keit eines ungeheuren Ereignisses ehrfurchtsvoll zu würdigen wissen; der Moment ist ungenutzt vorübergegangen. Und so wenig wir sonst zu den Bewunderern der Vettern jenseits des Canals gehören, so müssen wir doch tiefbeschämt zugesteben, daß sie an nationaler und politischer Erziehung uns unendlich voraus sind. So wird daö Ercigniß, das zur inneren Erhebung des deutschen Volkes hätte dienen können, zu einem Momente der Beschämung. ES liegen heute folgende Meldungen vor, die auf Bismarck Bezug haben: Der Kaiser hat folgende Kundgebung erlassen: * Berlin, 3. August. (Telegramm.) Eine Sonder ausgabe des „Reichsanzeigers" schreibt: „FriedrichSruh. Mit Meinen hohen Verbündeten und mit dem ganzen deutschen Volke stehe Ich trauernd an der Bahre des ersten Kanzlers deS Deutschen Reiches, des Fürsten Otto von Bismarck, Herzogs von Lauenburg. Wir, die wir Zeugen seines herrlichen Wirkens waren, die wir an ihm als dem Meister der Staatskunst, als dem furchtlosen Kämpen im Kriege wie im Frieden, als dem hingehendsten Sohne seines Vaterlandes und dem treuesten Diener seines Kaisers und Königs bewundernd aufblickten, sind tief er schüttert von dem Heimgange des Mannes, in dem Gott der Herr das Werkzeug geschaffen, den unsterblichen Ge danken an Deutschlands Einheit und Größe zu verwirk lichen. Nicht ziemt eS in diesem Augenblicke, alle Thaten, hie der große Entschlafene vollbracht, alle Sorgen, die er für Kaiser und Reich getragen, alle. Erfolge, die er errungen, aufzuzählen. Sie sind zu gewaltig und mannig faltig, und nur die Geschichte kann und wird sie allein in ihre eherene Tafeln eingraben; Mick aber drängt es, vor der Welt der einmüthigen Trauer und der dankbaren Bewunderung Ausdruck zu geben, von der die ganze Nation heute erfüllt ist, und im Namen der Nation das Gelübde abzulegen, das, was er, der große Kanzler, unter Kaiser Wilhelm dem Großen geschaffen hat, zu erhalten und auszubauen und, wenn es noth thut, mit Gut und Blut zu vertheidigen. Dazu helfe uns Gott der Herr! Ich beauftrage Sie, diesen Meinen Erlaß zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Wilhelm I. R." An den Reichskanzler. * FriedrichSruh, 2. August. Bei der Trauerfcier nahm die Kaiserin auf einem Sessel Platz, während der Kaiser stand. Nach einem Gemeindegcsange sprach Pastor Westphal über 1. Corinther 15, Vers 53—57: „Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg." Nach der Einsegnung reichte der Kaiser dem Pastor und dem alten Kammerdiener des Fürsten, Pinnow, die Hand. Abermaliger Gesang be schloß die Feier, an der etwa 30 Personen Theil nahmen. Um 8 Uhr erhielt die Presse Zutritt zum Sterbezimmer. Der große, schwarzpolirte Sarg ist an der Stelle, wo das Bett stand, aufgebahrt, zur Seite standen zwei Candelaber, zwei Forstbeamte hielten die Ehrenwache. In zwei Zimmern, sowie ans dem Nasenplatze vor dem Schlöffe liegen massen hafte Kranzspenden, weitere treffen fortwährend ein. * FriedrichSruh, 2. August. Ueber den Aufenthalt deS KaiscrpaareS im Trauerhause berichtet noch das „Berl.Tagebl.": Der Kaiser besprach hier den MausoleumSplan. Als sein nochmaliges Anerbieten vom Fürsten Herbert Bismarck abgelehnt wurde, erklärte er, er werde eS sich aber nicht nehmen lassen, im Berliner Tom einen Sarkophag mit dem lebensgroßen Bilde deS Entschlafenen darauf zu errichten. Dann ließ sich der Kaiser BiSmarck'S treuen Kammerdiener Piunow vorstellen, dem er herzlich die Hand schüttelte und für die treue Pflege dankte. Nachdem der Kaiser noch alle Familienmitglieder einzeln gesprochen, traten die Majestäten um 6 Uhr 35 Minuten den Rückweg zum Bahnsteig an. Der Kaiser küßte dort weinend den Fürsten Herbert Bismarck, dem Thränen über die Backen liefen. Der Zug setzte sich sodann langsam in Bewegung. DaS Kaiserpaar grüßte noch lange durch die Fenster heraus. Das Publicum schwenkte schweigend die Hüte und Tücher. * FriedrichSruh, 2. August. Im Gegensatz zu den ossi- ciellen Telegrammen wird bestimmt versichert, BiSmarck'S Sarg sei gestern Abend eine Viertelstunde vor dem Ein treffen Hohcnlohe's verlöthet worden, so daß der Reichs kanzler die Leiche nickt mehr gesehen habe; das Kinn wurde mit einer Binde umwunden. Man sagt hier, Hamburger Freunde des großen Todten machten sich eine Ehre daraus, die 300 000 betragenden Kosten des Mausoleums in FriedrichSruh aufzubringen. Angeblich soll die Beisetzung in diesem Mausoleum im Laufe des Septembers erfolgen. (K. Z.) * Berlin, 2. August. Das „Militair-Wvchenblatt" veröffentlicht folgenden Nachruf: „Fürst Bismarck fi. Gott hat den Mann abberufea, der als Erster unter unserem großen Kaiser dazu ausersehen war, daS seit Jahrhunderten zerrissene deutsche Reich wieder zu einigen. Ganz Deutschland, ja die ganze civilisirte Welt durchzittert bei der Nach richt vom Tode des gewaltigen Mannes ein ehrfurchtsvoller Schauer, und Jeder, ob Freund oder Feind, beugt sich unwillkürlich vor der Geistesgröße des Heimgegangenen. Das Heer war Las vornehmste Werkzeug zur Durchführung der weitausschauenden, kühnen Pläne Fürst Bismarck's, das Schwert, mit dem er den gordischen Knoten durchhaute und die Deutsche Frage löste. Trauernd steht daS Volk in Waffen mit dem übrigen Deutschland an seiner Bahre, und die angstvolle Frage will sich in unserem Herzen nicht unterdrücken lassen: Wird Deutschland auch in Zukunft so wie in den Tagen Bismarck's seine Stellung unter den Völkern behaupten können? Wird es nicht heißen: „Müssen uns drücken von Ort zu Ort, der alte Respect ist eben fort"? Aber wahrlich, wir wären des großen Kaisers und seiner Paladine nicht wrrth, wenn die Trauer unsere Herzen jetzt kleinmüthig machen würde. Die junge Generation wird zeigen, welche Erziehung sie in großer Zeit genoffen hat; wie ein Phönix auS der Asche, so erhebt sich bereits die patriotische Gluth an allen Orten bei der TrauerkunLe vom Tode Bismarck's. „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt", das ist das vornehmste Erbtheil, das unser eiserner Reichskanzler seinem Volke, das er mit ganzer Feuilleton- Vergeltung. 7j Erzählung von Wilki« Collin». r,«chdnick vcrtotm. „In vierzehn Tagen habe ich an Bulgit «ine Schuld von dierzigtausend Pfund zu zahlen, Herr Schwiegervater, und ich besitze keinen Pfennig eigenes Vermögen. Zahlen Sie für mich oder Sie werden den Namen Ihres Schwiegersohnes in der Liste der Bankbrüchigen lesen." Um seiner Tochter willen würde der Baron da» Geld zweifel los herausrücken. Die Heirath mußte nur zur rechten Zeit voll zogen werden. Wenn der Baron durch Zufall oder infolge von Verrath sich dazu bewegen ließ, die Hochzeit auch nur um vier zehn Tage zu verschieben, war die Firma Pizzituti, Ever» und Branca zu Grunde gerichtet. „Roland!" „Herr Evers!" Er fuhr zusammen und rafft« sich auf, d«n gegenwärtigen Vorgängen seine Aufmerksamkeit zu schenken. Der Baron und der Rechtsanwalt, dir ihn mit erstaunten Blicken ansghen, hatten ihn gleichzeitig angerufen. „Roland", wiederholte der Baron, „ich habe auch mein Testament aufgesetzt und wünsche, daß es gleichzeitig mit dem Ehevrrtrag vollzogen wrrde." vr. Dirks verlas da» Testament, dessen Bestimmungen im Wesentlichen darauf hinausliefen, daß Valeska da» Gesammt- vermögen ihre» Vater» erben sollte. „Sie haben jetzt nur noch die Personen zu bezeichnen, die Sie zu Ihren Testamentsvollstreckern und zu Verwaltern Ihrer Hinterlassenschaft zu ernennen wünschen, Herr Baron", schloß der Anwalt. Der Baron erhob sich, offenbar um Dem, was er zu sagen beabsichtigte, größeren Nachdruck zu geben. „Ich «rnenne", sagte er mit großer Feierlichkeit, „zum alleinigen Testamentsvollstrecker und zum Verwalter meiner Hinterlassenschaft Roland Eder»." ES war nicht leicht, vr. Dirks in Erstaunen zu sehen, aber bei des Barons Worten verlor er alle Fassung. „Sind Sie wahnsinnig?" rief er. „Ich war nie vollständiger im Besitz meiner Geisteskräfte, al» in diesem Augenblick." „Wissen Sie, wa» Sie thun?" beharrte der Anwalt, „wenn Sie Herrn Evers so große Macht in dir Hände legen? Sie setzen Ihren Schwiegersohn in den Stand, nach Ihrem Tode daS Geld Ihrer Tochter bis auf den letzten Heller zu ver brauchen." Evers hatte bis jetzt auS Höflichkeit mit scheinbarem Inter esse zugchört. Für ihn war die Zukunft auf den Tag begrenzt, an dem Bankier Bulgit das Recht hatte, die Rückzahlung seines Darlehns zu empfangen. Im Vergleich zu dem viel höheren Interesse, das die Heirath für ihn besaß, war das Testament ein für ihn verhältnißmäßig gleichgiltiaer Gegenstand. Erst als der Anwalt seine Aufmerksamkeit auf das Testament lenkte, begriff er, von welcher Bedeutung die Bestimmungen des Barons für ihn werden konnten. Sein Gesicht röthete sich und er zeigte dem Anwalt, daß seine mißtrauischen Aeußerungen ihn . auf das Tiefste beleidigt hatten. „Kein Wort, Roland", beruhigte ihn der Baron. „Ge statte mir, sowohl für Dich wie für mich zu reden. Seit sieben Jahren habe ich mich gewöhnt, daS unbegrenzte Vertrauen in Herrn Evers zu setzen. Seinem uneigennützigen Rath habe ich es zu verdanken, daß sich mein Einkommen beträchtlich er höhte, öhne daß ick nöthig hatte, mein Capital zu gefährden. Mehr al» einmal hab« ich ihn gebeten, sich meines Gelder in seinem Geschäft zu bedienen; er hat fick beharrlich geweigert, es zu thun. Selbst sein« bittersten Feinde waren genöthigt, anzuerkennen, daß er meine Interessen immer aufs Veste wahrte. Soll ich jetzt, wo ich im Begriff stehe, ihm die Hand meiner Tochter zu geben, anfangen, ihm zu mißtrauen? Ich kann die Verwaltung de» Vermögen», das mein Kind von mir erbe« wird, keinen zuverlässigeren Händen andertrauen, al» de« Händen ihre» künftigen Gatten. Ich halte meine Bestimmun aufrecht, Herr Doctor, und Übertrage die ganze Verantwortlich, keit für dce Au»führung meine» Testament» meinem Schwieger» sohn." Ever» sowohl wie der Anwalt versuchten zu sprechen, der Baron aber lehnte jeden Einwand mit einer gewissen tinfachrn Würde ab, di« ihre Wirkung auf Beide nicht verfehlte. „Rein, Roland, so lange ich lebe. Ist da» meine Sache, nicht die Ihrige. Nein, Herr Anwalt! Ich begreife recht gut, daß Ihr Beruf Ihnen die Verpflichtung auferlegt, gegen meine« Entschluß Einspruch zu erheben. Schreiben Sie gefälligst de« Namen nieder, den ich Ihnen nannte." Dem Anwalt bliev nichts Anderes übrig, al» sich dem un abänderlichen Willen seines Clienten zu fügen und sich zu ver abschieden. Der Baron -ad ihm da» Geleite bi» an die Thür de» Vorzimmer». Kaum zurückgekehrt, fühlte er sich von Evers' starker Hand am Anne gepackt und ohne alle Umstände an das Fenster gezerrt. „Was soll das heißen, Roland?" rief der Baron ärgerlich. „Sehen Sie dort hinüber", erwiderte Evers mit dröhnender Stimme, „wer ist der Mensch, der drüben den Baumweg ent lang geht?" Der Baron kam zu spät, um die entschwindende Gestalt noch zu erkennen. „Es ist Fritz Bambert", flüsterte Evers ihm wüthend ins Ohr. Der Baron versicherte, der Mann könne unmöglich Bambert gewesen sein. Evers' argwöhnische Eifersucht war nicht so leicht zu beschwichtigen. Er erkundigte sich bedeutungsvoll nach Vally, und hörte, sie gehe im Garten spazieren. „Ich wußte es wohl", zischte er und eilte in den Garten, sich mit eigenen Augen von der Wahrheit zu überzeugen. Es verstrich eine Weile, ehe er wieder ins Haus zurückkehrte. Er hatte Valeska allein gefunden, von Bambert war keine Spur zu entdecken gewesen. Zum hundertsten Male hatte er Valeska in der empörendsten Weise beleidigt; zum hundertsten Male war er genöthigt, ihren Vater und ihre Tante um Nachsicht zu bitten. „ES wird nicht wieder Vorkommen", versicherte er. „Ihr werdet einen ganz anderen Menschen in mir finden, wenn ich Euch Alle erst in meinem Landhause haben werde." Ein ver stohlener Blick, in dem sich grimmige» Mißtrauen gegen Valeska und dir Ihrigen verrirth, streifte den alten Herrn und seine Schwester. „Vergeßt nicht, daß ich Euch nächsten Montag in Eomersrtshir« erwarte." Herr v. KoSlyn erwiderte kurz und trocken, der Besuch wäre ihm bereits zugesagt. Evers schickte sich an, da» Zimmer zu verlaffen, kehrte aber plötzlich wieder um. „Sie wissen, daß wir den 7. Januar zur Feier unserer Hochzeit bestimmt haben", wendete er sich an Lavinia, „keinen Tag später!" „Natürlich, keinen Tag später", wiederholte Lavinia. Ein« halbe Stunde später kam Valeska auS dem Garten zurück. „Ist er fort, Tante?" fragte sie leise. Ueber diesen Punkt beruhigt, begab sich ValeSka unverzüg lich in do» Arbeitszimmer ihre» Vater», einen Roum, den sie selten oder nie betrot. Lavinia folgte ihr, neugierig, zu sehe«, wa» ihr« Nicht« dort wolle. Valeska eilte an» Fenster und weht« mit ihrem Taschentuch, offenbar ein Zeichen für Jemand, der flH draußen befand. Lavinia nähert« sich ihr und nahm hastig rhre Hand. „Ist es möglich, Vally?" rief sie entrüstet. „Ist Fritz ohne Deines Vaters oder mein Wissen hier gewesen?" „Was könntest Du Böses darin finden, wenn er wirklich hier gewesen wäre?" entgegnet« Vally erregt. „Soll ich meinen Vetter nie Wiedersehen, well es Evers beliebt, eifersüchtig auf ihn zu sein?" Das Gesicht in Gluth getaucht, wendete sie sich ab und brach in Thränen aus. Durch dieses Zeichen aufrichtiger Reue be sänftigt, unterließ die alte Dame, ihrer Nichte die verdienten Vorwürfe zu machen, entschlossen, das Geschehene zu verschwei gen und das Gcheimniß des jungen Mädchens zu bewahren. Sie würden Alle in Somersetshirr'sein, bemerkte sie, ehe solche Ungebührlichkeiten wieder vorkommen könnten. Zum Glück hatte Evers nichts entdeckt. Lavinia würde die Dinge vielleicht in weniger hoffnungs vollem Lichte angesehen haben, wenn sie gewußt hätte, daß einer der Diener in Holderwell in Evers' Solde stand, und dieser Diener Bambert's Anwesenheit im Garten und sein späteres Entschwinden durch die Hinterpsorte "beobachtet hatte. 9. Capitel. „Sidorrie!" «Sage doch etwa-I" „Fordere ihn auf, sich zu setzen.' So miteinander flüsternd, standen die drei Stieftöchter Lady Winword's in ihrem Zimmer einem Gaste gegenüber, der vor ihnen im Thürrahmen erschien. Das war Nachmittags, am dreiuntHwanzigsten December. Die Schwestern waren eben aus einer Versammlung der Ge sellschaft für geistliche Eoncerte zurückgekehrt, und der Gast, den sie zu begrüßen hatte, war Evers. „Ich bin diesen Morgen von Somersetshire gekommen", sagte er, befremdet über den seltsamen Empfang, den er fand. „Eine Geschäftsangelegenhrit nöthtgte mich, meine Gäste auf meinem Gute allein zu lassen, aber ick kehre schon morgen zu Ihnen zurück. Baron von KoSlyn, seine Schwester und seine Tochter weilen zu Besuch bei mir? Die Schwestern warfen einander bedeutsame Blicke zu. Eders fing an, die Geduld zu verlieren. „Möchten St« nicht die Güte habe«, mir zu sagen, flras das Alle« bedeutet?" fragte er in etwas scharfem Tone. „Als Tante Lavinia hört«, daß ich nach der Stadt fahr«, bot st« mich, bei Ihnen vochusorechen, um ihr den Schnitt zu einem Kleid« zu bringe«, den Str mir geben würde«. Sie müsse« trqivtschm ein Telegramm mit genaueren Mittheilunae« erholt«« hab,«. Sollt« I es noch nicht in ihre Hände -«langt sein?"
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