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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189810021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18981002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18981002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-02
- Monat1898-10
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.10.1898
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/.? Uhr. di« Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhu Le-action und Expedition: JohanneSgaffe 8. Di« Expedition ist Wochentags unnnterbrochra geöffnet von srüh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: Dtt» Klnnm'S Lortim. (Alfred Hahn), UniversitätSstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Latharinenstr. 14, Part. und König-Platz 7. VezugsPreis At der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich ^4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbcmdiendung t»S Ausland: monatlich 7.50. Wprigcr Tagtblall Anzeiger. Ätttlsvkatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes nnd Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) bO^Z, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne PostbesSrdrrung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Jinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 5V«. " Sonntag den ?. October 1898. 92. Jahrgang. Aus -er Woche. Der Zionismus könnte fast als der charakteristische Zug der deutschen Gegenwart angesehen werden. Der Fahrt des Kaisers nach Jerusalem scheint eine Wichtigkeit beigelcgt zu werden, die sie hoffentlich nie erlangen wird. Freilich, nach der negativen Seite bekommen wir ihre Bedeutung schon zu verspüren. Da Kleinasien Trumpf geworden, so ist Afrika Hekuba. Der neue Colonialdirector I)r. Buchka hat nach einer von Anfang an glaubwürdigen und nun nicht mehr zu bezweifelnden Meldung das Gefühl des äösintörssgement vorläufig auf Transvaal beschränkt, aber das genügt auch. Denn die neueste „Politik" versperrt Deutschland zweifellos für ewige Zeiten Südafrika und damit die Möglichleit, einmal, wenn nicht der Herrscher, so doch der Maßgebende in weiten Gebieten zu werden, wo deutsche Bauern zu Millionen und aber Millionen sich hätten niederlassen und gedeihen können. Für diesen Verlust gäbe es keine Entschädigungen, selbst wenn das Haus Hannover gesonnen wäre, unseren Regierenden die Gebefreude durch Gegengeschenke von wirk lichem Werthe zu verderben. So ist es aber nicht gesonnen, obwohl man in Berlin ganze Arbeit macht. Für daS Tele gramm an Krüger wird dort gründlich Buße gethan. Gestern meldeten die „Daily News" aus dein Haag, wo sich zur Zeit der Gesandte Transvaals, vr. LeydS, aushält: dieser habe Berlin verlassen, ohne den Kaiser gesprochen zu haben. Er habe sich mit dem Versprechen begnügen müssen, der Kaiser werde ihn ein anderes Mal empfangen. In Ab wesenheit des Staatssekretärs von Bülow sei Leyds vom Wirklichen Geheimrath von Derenthall empfangen worden und zwar mit folgenden Worten: „Namens Seiner Majestät habe ich Ihnen den dringlichen Wunsch des Kaisers auszudrücken, daß Sie und Ihre Regierung zum Mindesten aufhören sollten, in deutschen Zeitungen gegen das anglo- deutsche Abkommen zu agitiren." Leyds habe Verwahrung gegen diesen Vorwurf eingelegt, aber Derenthall habe die Achseln gezuckt und kühl geant wortet, er habe sich seines Auftrages entledigt und könne weiter nichts thun. Man w.ürde diese Meldung bezweifeln müssen, wenn man nicht unter dem neuen Curse lebte UebrigenS, auch Herr Eugen Richter glaubt in der Hauptsache an die Richtigkeit dieser Erzählung, und es ist diesem grimmigen Colonialfeinde anscheinend nicht wohl dabei. Er fühlt wohl heraus, daß eS sich bei der neuesten Ver brüderung mit England noch um andere Dinge handelt, als um afrikanische Lumpereien. Was werden nun die Officiöscn und die Blätter sagen — leider sind es zumeist national liberale —, die jede Aeußerung der Besorgniß wegen dcS deutsch-englischen Abkommens als einen ungehörigen Ausdruck unbilligen Mißtrauens gegen die deutsche Diplomatie „gerügt" haben? Nun, sie werden erst recht toben und erst recht laut schreien, die Buren, Transvaal und der Oranjestaat gingen Deutsch land nicht mehr an, als die Feuerlandsinseln und Zanzibar. Bei aller Gläubigkeit dort, wo von einer der BiSmarckschen entgegengesetzten Berliner Politik erzählt wird, wollen wir übrigens doch noch nicht annebmen, daß Herr von Derenthall die deutschen Zeitungen, die nickt in Vertrauensseligkeit erstorben sind und für die deutschen Interessen in Afrika ihre Stimmen erhoben haben, als von dem Gesandten eines fremden Staates inspirirt und aufgereizt hingestellt habe. Bestätigte sich auch dies, so würde darüber noch geredet werden müssen. Zu ändern freilich ist nichts mehr, und wir begreifen die „Deutsche Tagesztg." nicht, die die Ansprache bei der Eröffnung der Stettiner Hafenanlagen aufgeregt hat. Niemand sorgt eifriger dafür, daß unsere Zukunft nicht auf daS Wasser gelegt wird, als die deutsche Regierung. Der Auf enthalt auf dem Wasser ist für Handel und Industrie doch nicht Selbstzweck. Man fährt, um zu landen. Und der Zugang zum besten und wcrlhvollsten Lande, das für uns in Betracht kam, wird in der Delagoabai den Engländern ausgeliefert. Bei solcher Praxis kann daS Stettiner Wort die deutsche Landwirthsckaft nicht in Besorgniß versetzen. Unsere vor einigen Tagen gegebene Darstellung deS Ver hältnisse? zwischen Nationalliberalen und Conservativen in der preußischen Wahlbewegung wird sckeinbar altcrirt durch Meldungen über weitere national liberal-freisinnige Bündnisse. Aber eben nur scheinbar. Von Apenrade abgesehen, wo die Conservativen bei den RcichStags- wahlen den verdienten Jebsen verdrängt haben, dürfte kaum ein anderes als daS schon erwähnte Königsberger Abkommen Bedeutung gewinnen. Wahlkreise, in denen bei den Landtags wahlen die Nationalliberalen und die Freisinnigen zusammen gingen, hat eS immer gegeben. Aber bisher waren derartige Ber einigungen fast immer Verbindungen zur Erduldung einer gemein samen Niederlage, und hierin dürfte sich nicht viel ändern. In Breslau, wo ein Tbeil der Nationalliberalen freisinnig wählen wird, ist diese Haltung ebenfalls ohne praktische Bedeutung, denn diese Stadt ist jetzt freisinnig vertreten und wird eS unter allen Umständen bleiben. Der Breslauer nationalliberale Beschluß ist übrigens mit „Hängen und Würgen" zu Stande gebracht worden, und ähnlich dürfte es sich in Bielefeld-Herford verhalten, wo die Nationalliberalen in Herrn Fischbeck einen der Ergebensten der Ergebenen Richter'S wählen — sollen. Charakteristisch für die Auffassung solcher Bündnisse im national liberalen Lager ist der Umstand, daß der z. Z. über die Conser vativen selbst reckt ungehaltene „Hann.Cour." derZweckmäßiakeit deS Königsberger Abkommen- skeptisch Hegenübersteht. Man kann dabei nicht einmal sagen, daß die Conservativen und Agrarier den Nationalliberalen ein vereinzelte- Zusammen gehen mit den Freisinnigen erschweren. Sie führen den Kampf zum Thri! recht ungeschickt und herausfordernd. Der Bund der Landwirthe hat etwa» wie ein Pro gramm für die nächste Legislaturperiode veröffentlicht, in dem auch die Forderung einer Organisation deS Kleinhandel gegenüber der Handel-kammergesetzgebung, welche einseitig den Großhandel begünstige, sigurirt. Natürlich erinnert sich angesicht- diese« Satzes der Bauer, daß die Landwirthschast-- kammergesetzgebung hinsichtlich deS Wahlrecht- den großenGrnnd- befitz in ungeheuerlichster Weise zu Unyunsten der kleineren und kleinen Besitzer bevorzugt. Auch die „Kreuzztg." hätte im Augenblick etwa- Klügere- thun können, al- «inen Kampf g«g«n di« „Grwerbefreiheit" schlechthin zu proclamiren. Deutsches Reich. s. Riesa, 1. Oktober. Die Nationalliberalen unseres Wahlkreises haben nunmehr den gelegentlich einer Versammlung in Meißen gefaßten Beschluß, sich eine O c- ganisation zu geben, ausgeführt und einen „National liberalen Verein im 7. sächsischen Reichstagswahlkreise" ge gründet. Zweck des Vereins, der auf dem Boden der deutschen nationalliberalen Partei steht, ist es, die Grundsätze der Partei innerhalb des 7. sächsischen Wahlkreises bei den Wahlen für Reichstag und Landtag zur Geltung zu bringen. Der Verein hat seinen Sitz zur Zeit in Riesa, sein derzeitiger Vorstand be steht aus den Herren Apotheker E. Kunstmann und Kaufmann Heinrich Schippe! in Meißen, Fabrikbesitzer Jäger in Zscheila, Kaufmann und Fabrikant Otto Barth und dem Vorsitzenden Rechtsanwalt Fischer in Riesa. Mitglied des Vereins kann jeder Reichstagswähler werden, der sich zu den Grundsätzen der deutschen nationalliberalen Partei bekennt. Anmeldungen zur Mitgliedschaft nehmen die Mitglieder des Vorstandes entgegen. Der Mitgliedsbeitrag beträgt mindestens 1 jährlich. Berlin, 1. October. (Schwabenstreicke.) Der Stuttgarter „Beobackter", „ein Volksblatt aus Schwaben", hat daS abgelaufene Vierteljahr nickt zu Ende gehen lassen, ohne seinem Untertitel ganz besonders Ehre zu machen. Das Organ der württembergischen Demokratie beginnt heute unter der Ueberschrift „Bismarck und Cavour" eine kritische Betrachtung über den Fürsten Bismarck. Ihr ungenannter Verfasser senkt zwar gern vor der Größe des Staatsmannes nnd Diplomaten die Fabne, aber er kann nicht dazu schweigen, daß die staatsmännische Bedeutung Bismarck's in den letzten Wochen von aller Welt überschätzt worden ist, er muß sie auf das seiner Ansicht nach richtige Maß zurückfübren. Die erste Handhabe bietet ihm hierfür die unleugbare Thatsache, daß Bismarck bis zum Anfang der 50er Jahre konservativer preu ßischer Junker war. Von diesem Standpuncte aus müßte der „Beobachter" es Bismarck doppelt hoch anrechnen, daß er lernte und aus einem Parteimanne ein Staatsmann wurde. Aber weit gefehlt! DaS Verdienst hierfür liegt, nach dem „Beobachter", nicht im Mindesten bei Bismarck selbst, sondern bei — Oesterreich; dessen Feindseligkeit und Rücksick tülosigkei'' habe Bismarck „geradezu gezwungen, einen anderen Ideen gang einzuschlagen". Welche Schwierigkeiten Bismarck zu überwinden hatte, ehe er Viesen „anderen" Ideen bei den Trägern der Krone, bei der öffentlichen Meinung und bei seinen nächsten politischen Freunden Eingang verschaffte, daran denkt der „Beobachter" nicht, ihm zufolge hätte sich jeder beliebige preußische Bundestagsgesandte von Oesterreich auf den „anderen Jdeengang" zwingen lassen müssen. Aber es kommt noch weit besser. „Als er endlich", fährt der „Beobachter" fort, „die politische Führung Preußens über nahm, hatte ihm die freilich noch unvollständige Einigung Italiens bereits den Weg vorgezeichnet, den er zu gehen hatte." Ja, ist er den Weg gegangen? Ist er mit den deutschen Mittel- und Kleinstaaten so umgesprunHen, wie das Haus Savoyen mit den verrotteten italienischen Staatswesen? Hat er Deutschland unter dem Protectorat Napoleon'S III. ge einigt? Hat er zum Dank einen Fuß breit deutscher Erde abgetreten, wie Italien Savoyen und Nizza opferte? Solche Fragen, denen noch wer weiß wieviel ähnliche sich anreihen ließen, beantworten sich selbst. Der Versuchung, weitere Finten deS „Beobachters" zur Verkleinerung Bismarck's zu beleuchten, widerstehen wir um so lieber, je greller die mit- getheilten Proben die confuse Beschränktheit und die mangelnden Kenntnisse deS demokratischen Blattes offen bart haben. 6. 8. Berlin, 1. Oktober. Aus dem anarchistischer. Heerlager sind nicht unwichtige Dinge mitzutheilen. Die radikale Richtung der deutschen Anarchisten, welche sich um Pawlowitsch („Juden-Paul") und Dempwolff schaart, hat einen Correspondenten nach Genf entsandt, der allerlei Bemerkens- werkhes aus dem dortigen Heerlager ausplaudert. Der Ge währsmann dieser radikalen Gruppe (wahrscheinlich Dempwolff) berichtet u. A. an das „Neue Leben": Lu ccheni hat massen haft Glückwünsche, selbst Geld und Blumen erhalten, aber auch insultirende Sendungen. Es wurde ihm gestattet, während des Spazierganges zu rauchen, auf das Gehetz der Schmutzprcsse hin wurde ihm jedoch diese Vergünstigung entzogen. Er ist un gebeugt und benimmt sich ungezwungen. Ein Graphologe, der allerdings Luccheni's Leben und sein Benehmen kennt, beurtheilt ihn nach seiner Handschrift also: „Luccheni ist weder hochmüthig noch eitel. Er hat den „Ruhm" der großen Verbrecher nicht gesucht. Seine Schrift verrieth keinerlei Wunsch, von sich sprechen zu machen. Vielleicht hat er kleine Ansprüche an Eleganz, Erfolg bei Frauen, Unabhängigkeit, aber wer hat sie nicht? Ganz gewiß ist er weniger hochmüthig als Durchschnitts menschen. Er ist kein Faullenzer, Faulheit kann zum Menschen haß führen, aber Luccheni ist arbeitsam. Er ist auch kein Wilder, kein Menschenfeind, kein Weiberhasser. Dieser Feind der Gesellschaft ist durchaus gesellig." So der Graphologe, der also Luccheni für das Musterexemplar eines Menschen ausgiebt. Natürlich kann sich in den Augen solcher Beurtheiler die Kaiserin Elisabeth mit Luccheni nicht messen; sie hat gerufen: „Der Mensch hat meine Uhr stehlen wollen, man soll ihn verhaften!" und das läßt, wie der anarchistische Berichterstatter aus Genf schreibt und in Deutschland drucken läßt, „nicht gerade auf große Selbstbeherrschung oder Edelmuth schließen". Weiter theilt der anarchistische Vertrauensmann mit, daß das Agitationsblatt der Anarchisten, „L'Agitatore", in Neuenburg weiter erscheint. Drucker und Re dacteure — sechs Italiener — sind zwar verhaftet, aber der von Anderen bereitete entsetzliche Giftstoff darf ruhig in der Schweiz weiter verbreitet werden. Die Sprache der anarchistischen Blätter in Deutschland ist so zügellos wie möglich. „Das Neue Leben" schreibt z. B.: „Die heutige Ge sellschaft geht ihrem Untergang entgegen, sie kann sich nicht mehr lange halten, denn sie ist faul. Durch und durch ist sie zerfault, vom Scheitel bis zur Sohle. Darum halten wir die Augen offen und wir werden dann freudig rufen: Hoch lebe die Anarchie!" Der „Arme Conrad" schreibt: „Heuchler sind die, welche uns als Bluthunde schildern wollen. Sie selbst sind eS, d«nn sie sind durch ihre Trägheit oder Gewissenlosigkeit mit ¬ schuldig an den Morden." Der „Socialist" ist selbstverständlich derselben Ansicht. Für die aus Pest ausgewiesenen Anarchisten soll unter den deutschen Anarchisten gesammelt werden. „Genosse" Grunau ist bereit, Gelder zu befördern. Der schon oben genannte anarchistische Agitator Dempwolff wird am 10. October in Magdeburg eine anarchistische Zu sammenkunft leiten. Man sieht, die Anarchisten sind wieder so frech und herausfordernd wie vor der entsetzlichen Blutthat in Genf. * Berlin, 1. October. Eine Denkschrift über die Bekämpfung der Schwindsucht hat die Central commission der Krankencassen Berlins und der Um gegend beim Nei chsversiche rungsamte eingereicht. Die Sterblichkeit innerhalb der erwerbsthätigen Bevölkerung in Folge der Schwindsucht ist bekanntlich eine große; im Be sonderen sind die Krankenkassen durch die Ausgaben sür Schwindsuchtskranke stark belastet. Der Procentsatz der an Schwindsucht leidenden kranken Mitglieder der Orts- krankencassen schwankt um einen Durchschnitt von 33; bei den Maurern in Berlin betrug er 35, bei Gold schmieden und Handlungsgehilfen 50, bei den Tapezierern 65 und bei den Vergoldern sogar 85. Die kleine Casse der Goldschmiede mußte bei 1761 Mitgliedern in der kurzen Zeit von ein paar Jahren 27 000 sür 26 Schwindsüchtige zahlen. Auch die Krankcncassen haben daher, wie die Ver sicherungsanstalten, ein starkes Interesse an der Bekämpfung der Schwindsucht. In Berlin stehen Krankcncassen und Ver- sicherkkngsanstalt zu diesem Zwecke bereits in Verbindung mit einander; die Versicherungsanstalt trägt die sämmtlichen Kosten des Heilverfahrens,dieKrankencasse zahlt das sämmtlicheKranken- geld an die Familie der Kranken, welche von derAnstalt meist nach den Heilstätten in Grabowsee und Görbersdorf gesandt werden. Die Denkschrift stellt nun die Forderung auf, daß jeder der versicherungspflichtigen Bevölkerung Angehörige daS Recht auf Heilstättenbehandlung in den dazu geeigneten Fällen haben soll, und zwar soll dieses Reckt gesetzlich festgelegt werden durch eine andere schärfere Fassung des ß 12 deS JnvaliditätS- gesetzeS. Die nächstliegende praktische Forderung würde sich auf eine bedeutende Vermehrung der Heilstätten beziehen —. die zwar langsam von*HD8Äwr sich geht, aber die Be schleunigung, welche in der lvemschrift in Aussicht genommen ist, wohl vertragen würde. (D Berlin, 1. October. (Telegramm.) Pri»; Heinrich von Preußen ist gestern an Bord des Kreuzers „Deutschland" in Kiautschau eingetroffen. (D Berlin, 1. Oktober. (Telegramm.) Der deutsche Botschafter in Paris Gras Münster ist hier eingetroffen. (-) Berlin, 1. October. (Telegramm.) Der „Reichs- Anzeiger" schreibt: Der Cultusminister beabsichtigt zur Wiederbelebung der früher verbreiteten Familiensitte und zur Förderung der vaterländischen Medaillenkunst eine Tauf medaille oder Plakette ausführen zu lassen, und schreibt einen Wettbewerb sür preußische und andere, in Preußen lebende deutsche Künstler aus. Für den besten Entwurf sind 2000 ausgesetzt. Ferner sind dem Preisgerichte noch 3000 zur Verfügung gestellt worden, um weitere Preise zu vertheilen. 8. Berlin, 1. October. (Privattelegramm.) Inder gestrigen Sitzung des Aufsichtsrathes der Deutschen Eolonial- Gcsellschaft für Südwcst - Afrika wurde Fürst Kraft zu Hohenlohe-Oehringen in Slawentzitz zum Mitglieds des Aufsicktsraths für den verstorbenen Herzog von Ujest gewählt. An der der Anfsichtsrathssitzung folgenden General versammlung nahm auch der Generalbevollmächtigte der Gesellschaft, Assessor Rohde, welcher nach einigen Wochen nach Südwest-Afrika zurückkehren wird, Theil. Derselbe machte eingehende und höchst interessante Mittheilungen über die Entwickelung des Schutzgebietes. Erfreulicherweise konnte er bestätigen, daß die Lungenseuche unter den Vieh herden keine so großen Verheerungen angerichtet hat, als man bei dem Auftreten derselben befürchtete. Insbesondere haben sich die Verluste in der der Gesellschaft gehörigen Herden in mäßigen Grenzen gehalten. Herr Rohde legte großen Werth aus die Vermehrung und Zuckt der Angoraziegen, deren Woll- baare aus den europäischen Märkten einen guten Preis bringen. Er sprach die Ueberzeugung aus, daß sich ein großer Theil des südwestafrikaniscken Schutzgebietes für die Zucht der Angoraziegen besonders eigne. Den Gang der kaufmännischen Geschäfte bezeichnete er als sehr befriedigend. L. Berlin, 1. October. (Privattelegramm.) Ucber die Bestätigung der Wahl des Bürgermeisters Kirschner zum Oberbürgermeister von Berlin wird von hier der „BreSl. Ztg." geschrieben: Wie wir zuverlässig erfahren, stehen die Verzögerung der Bestätigung deS Herrn Kirschner als Oberbürgermeister von Berlin und das Ausbleiben der Bauerlaubniß zu einer an gemessenen Herstellung deS Friedhofs der März- gefallenen in einem ursächlichen Zusammenhang« mit einander. Die Bestätigung deS Herrn Kirschner ist nämlich von maß gebender Stelle an allerlei Bedingungen geknüpft worden, die sich auf das politische Wohlverhalten des Herrn Kirschner für die Zukunft beziehen. Unter den Anforderungen, die man an ihn in einer Art von Wahlcapitulation gestellt hat, befindet sich u. A. auch die, daß Herr Kirschner sich verpflichtet, als Chef der Berliner Communalverwaltung gegen jede Ehrung der Märzgefallenen aus zutreten. Von sehr hoher Stelle soll die Aeußerung gefallen sein, daß die Abgabe einer solchen Versicherung unter allen Umständen die conäitio »ins gu» non der Bestätigung für Herrn Kirschner sein müsse. Die „Nat.-Ztg." kann dieser Mittheilung gegenüber ver sichern, daß an Herrn Kirschner bis zu dieser Stunde irgend welche Anforderung, von deren Erfüllung die Bestätigung der Wahl abhängig gemacht werden sollte, nicht gestellt worden ist, und zwar von keiner Stelle aus; eS fehle auch jedes Anzeichen dafür, daß die Absicht bestände, solche An forderungen zu stellen. — Die Novelle jzum Schutze der persönlichen Freiheit wird, wie die „Schles. Ztg." erfährt, nicht bloS schärfere Strafbestimmungen gegen StreikterroriSmuS, sondern auch gegen unrechtmäßige Einwirkung auf einzelne Unter nehmer behufs Erzwingung ihres Beitritts zu sogenannten Syndicaten, Carteleu, Ringen und dergl. enthalten. — Gegen die zunehmende Verwelschung Luxem burgs richtet die „Deutsche Zeitung" kräftige Worte: „Luxemburg war bekanntlich nicht uur früher ein Bestand- theil des politischen Deutschlands, es gekört auch heute noch zum Zollverein. Die Wilhelms-Eisenbahn des Großherzog- thums untersteht der kaiserlichen Geueraldirection der elsaß- lothringischen Eisenbahnen; der Luxemburger Handel wird fast nur mit Deutschland geführt; die Deutschen sind die Abnehmer fast der ganzen großen Eisenproduction deS Landes und doch wollen die Herren im Gespräche nichts von uns wissen, schimpfen wie die ungezogenen Schulknaben auf Preußen und Bismarck, denen sie fast Alles verdanken, was sie geworden sind. „Preiß' — Buckel voll Läus'", ist eines ihrer geschmackvollsten Sprich wörter. Mit wahrer Affenliebe hängt Luxemburg an Frank reich. Schon 1870/71 konnte man das schmähliche Benehmen der Luxemburger beobachten: den Franzosen wurden Wagen voll von Vorräthen und Verbandszeug hioüberzeschickt, während die deutschen Stammesbrüder leer auSgingen. In zwischen ist die gehässige Stimmung Deutschland gegenüber fast nur schlimmer geworden — vor Allem dank der famosen Erziehung, rie der Luxemburger Jugend auf ihrem Gym nasium zu Theil wird. Gegen zweihundert der da« „College" in Luxemburg selbst besuchenden Schüler sind zugleich Interne in dem von Jesuiten geleiteten „Cvnvict". Die Um gangssprache ist ebenio, wie die Unterrichtssprache (außer für Religion und Deutsch), das Französische; jeden Morgen eine heilige Messe, im Lesezimmer ultramontane Zeitungen reinsten WasserS; in der Bibliothek nur Bücher christlich-katholischer ultramontaner Färbung, — wo soll da Liebe oder auch nur Verständniß sür deutsches Wesen Herkommen? Der letzte Stoß wird dem Deutschthum gerade jetzt versetzt. Bekannt lich haben die Luxemburger keine eigene Universität. Das Land begnügt sich damit, die Prüfungen durch eine eigene Regierungscommission vornehmen zu lassen, überläßt eS aber den Studirenden, die Kenntnisse sich aus beliebigen ausländischen Universitäten zu erwerben, so daß gerade bei Juristen trotz ,der groH?» sjix Paris der Besuch deutscher Hoch schulen KWZ-Mrnen deutscher Verhältnisse -nicht imgcwoWrm Ivar. Nachdem Deutschland aber das Bürgerliche Gesetzbuch angenommen hat, wird der juristische Unterricht an unseren Universitäten derart umgestaltet, daß es den Luxemburgern unmöglich wird, sich in Deutschland zu ihrer Luxemburger Prüfung vorzubereiten. Frankreich und Belgien werden nun also bei den Gebildeten die Erziehung vollenden, die von den Jesuiten so vorzüglich begonnen wurde!" * Ans Thüringen, 30. September. In den drei ersten Tagen künftiger Woche werden die Vertreter der thüringischen Staaten in Jena Berathung darüber pflegen, welche Aende- rungen in der Landesgesetzgebung sich infolge der Ein führung des Bürgerlichen Gesetzbuches erforderlich machen werden. Voraussichtlich dürfte auch eine Einigung über die Grundzüge derjenigen gesetzlichen Vorschriften statt finden, die von der Neichsgesetzgebung unberührt bleiben, und deren Erlaß nach dem Emsührungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch den einzelnen Staaten noch obliegt. * Aus dem Kreise ReMinghansen, 30. September. Kürzlich schrieb Vie „Köln. Ztg.", das Vorhandensein einer „pol nischen Frage" in Westfalen könne nicht mehr in Abrede gestellt werden. Jetzt schreibt man dem rheinischen Blatte: Wie richtig dieser Satz ist, mag u. A. auch aus fol genden Thatsachen entnommen werden. Die Zahl der im Kreise Recklinghausen vorhandenen Polen betrug nach der Aufnahme zu Anfang vorigen Monats 28 516, also ein Fünftel der gesummten Kreisbevölkerung. Die polnische Be wegung nn Kreise, d. h. der Zusammenschluß der Polen in Vereinen, das Abhalten von Polendersammlungen, die Ver breitung der polnischen Presse und das Auftreten des polnischen Elements in den bergmännischen Vereinigungen zeigt namentlich seit dem letzten halben Jahre Erscheinungen, die man noch bis vor Kurzem kaum für möglich gehalten hatte. So verlangten z. B. die Polen in Bottrop, daß von den sechs zu wählenden Knappschaftsältesten zwei Polen seien. Mit ähnlichen An sprüchen sind die Polen in dem Gewerkverein hervorgetreten. Auch eigene Reichstagscandidaten hatten sie bekanntlich auf stellen wollen, haben aber in letzter Stunde das Vorhaben aus gegeben. An Polenvereinen bestehen im Kreise Recklinghausen allein 14 mit 1750 bis 1800 Mitgliedern; allein im letzten Halb jahr ist die Mitgliederzahl um 300 gestiegen. Bereits planen dir Polen, in die Kirchengemeindedertretungen einzudringen. Die Zeit wird nicht mehr fern sein, da sie auch auf die politischen Gemeindevertretungen ihr Auge werfen werden. Besonders streben die Polen aber an, ihre eigenen Geistlichen, d. h. polnis ch-n ationale, nicht blos polnisch redende katholische Geistliche zu erhalten. Dies Letztere ist der hauptsächlichste und gefährlichste Punkt ihres Strebens. Sollten sie darin ihren Willen durchsetzen, so wäre ihre geschloffene Organisation dauernd gesichert und für absehbare Zeit ein Staat im Staate geschaffen. Es muß rückhaltlos anerkannt werden, daß die Haltung der bischöflichen Behörde diesem Wunsche der Polen gegenüber bisher durchaus correct war. Dieselbe wird mit Bitten um katholische polnische Geistliche geradezu bestürmt, wobei auch Drohungen in die Bitten einfließen. Die Antwort hat bisher immer gelautet, polnisch redende deutsche Geistliche ständen gern zur Verfügung, da dem religiösen Bedürfnisse der Polen durchaus genügt werden solle. Damit ist den Polen aber nicht gedient; polnisch redende Patres, die ihnen geschickt waren, haben keinen Zuspruch gefunden. National polnische Geistliche, die lediglich die politische Führerschaft über nehmen sollen, sind aber stets verweigert worden. Es ist zu hoffen, daß die Kirchenbehörde auf diesem korrekten Standpunkt bestehen bleiben wird. * Köln, 29. September. Der Einladung deS Verein- der Industriellen de- Regierungs-Bezirkes Köln zur Theilnabme an einer gemeinschaftlichen Versammlung behufs Be schränkung der öffentlichen Lustbarkeiten sind seit Versendung der Einladung vom 21. September außer den drei namhaft gemachten Handel-körpersckaften noch mehrere Handelskammern und wirtbschaftliche Vereine gefolgt, darunter die Handelskammer Wesel. Diese legt Werth darauf, daß ihre Zustimmung zu den einschlägigen Bestrebungen
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