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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.10.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981003018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898100301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898100301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-03
- Monat1898-10
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Di» Morgen-AuSgab« erscheint um V»? Uh^ -ie Abeud-AuSgabe Wochentags um b Uhr, Redaciion und Expedition: JohanneSgasse 8. Di« Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: Dtts Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), UniversitätSskraße 3 (Paulinuss'), , , Loui« Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7, BezngS'PE Hauptrxpedition oder den im ötM» und den Vororten errichteten AoS- «bestellen abgeholt: vierteljährlich4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung tn« HanS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteuährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung iuS Ausland: monatlich 7L0. ^2 5V1. Morgen-Ausgabe. MpMr TagMatt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Aathes und Polizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. Montag den 3. Oktober 1898. Attteigett-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. Reclamen unter dem Rrdactionsstrich («ge spalten) 50/H, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40/iL. Größere Schriften laut unserem Preis- ve^eichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. bxtra-Beilagen (gefalzt), uur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. >nnahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dr« Erpeditis» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. S2. Jahrgang. Amtlicher THE Brennholzauction. Mittwoch, den 5. Oktober 1888, sollen von Nachmittags 3 Uhr an im Forstreviere Connewitz auf dem Mittelwaldschlage in Abth. 41 nnd 42 im Nonnenholz ca. 78 Hausen trockenes, klar gemachtes Stockholm unter den im Termine öffentlich aushüngendrn Bedingungen und der üblichen Anzahlung meistbietend verkauft werden. Zusammenkunft: An der nassen Wiese im Nonnenholz, "kitzlig, am 30. September 1898. Des Natbs Forstdetzutation. Zwangsversteigerung. Das im Grundbuche auf den Namen des Restaurateurs Gustav Adoltzh Haase in Leipzig eingetragene, daselbst Schenkendorsstraße Nr. 22 gelegene Eckbausgrundstück Nr. 180 des Brandeatasters, Abtheilung I), Nr. 2524 x des Flurbuchs und Folium 163 des Grundbuchs für Leipzig-Brandvorwerk, geschätzt auf 115 808 soll an hiesiger Amtsgerichtsstelle, Zimmer 114, zwangsweise ver steigert werden, und es ist der 7. Oktober 1888, Vormittags 11 Uhr, als VcrstcigerungStermin, sowie der 21. Oktober 1888, Vormittags 11 Uhr, als Termin zu Verkündung des VcrtheilungStzlanS onberaumt worden. Eine Uebersicht der aus dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangverhaltnisses kann in der Gerichtsschreiberei des unter zeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Leipzig, den 18. Juli 1898. Königliches Amtsgericht, Abth. H Scheid Hauer. Zwangsversteigerung. Das im Grundbuche auf den Namen des Privatmanns Heinrich Crnst Tammenhain in Leipzig eingetragene, daselbst im Naun dörfchen Nr. 9 gelegene, zum Betriebe einer Badeanstalt eingerichtete und als solche benutzte Grundstück Nr. 2I6l des Flurbuchs, Nr. 1562 und 1586, Abtheilung des Brandcatastrrs und Folium 1347 des Grundbuchs für die Stadt Leipzig sammt sämmtlichen, darin vor- handenen, dem Betriebe jener Anstalt dienenden Gegenständen, zu sammen geschätzt auf 182 880 ./L — /H, soll an hiesiger Amtsgrrichtsstelle, Zimmer 114, zwangsweise ver steigert werden, und es ist der 8. Oktober 1888, Vormittags 11 Uhr, als Versteigerungstermin, sowie der 22. Oktober 1888, Vormittags 11 Ubr, als Termin zu Verkündung des VcrtheilungStzlanS anbcraumt worden. Eine Uebersicht der auf dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisses kann in der Gerichtsschreiberei des unterzeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Leipzig, den 15. Juli 1898. Königliches Amtsgericht, Abth. IIL?. Scheidhauer. LesüLi ksverein I^6ip2i^-8ta6t. vlenstax, äen 4. Oktober 1888, ^bencks ti Ubr im Lauls äer ersten Lür^ersebuie. laxesorcknunx: Vorberatbunx äer tdr äie Versammlung äes ärrtlieken Xreis- versinsaussehusses am 18. Oetober e. tvstgestellten Dagesoränung (ok. Linlackungskartö). Lan.-Katü vr. Üvlnre. Lachfische Pilgerfahrten nach Jerusalem. Nachdruck verboten. Motto: Ich möcht selbs solche Reise gern thun, und nu ich nicht mehr kann, höre und lese ich doch gern davon. O. Martin Luther 1530. Ein deutscher Kaiser sich rüstend zur Fahrt nach dem heiligen Lande! Wer kann's leugnen? Das hat.zunächst den Schein des Mittelalterlichen an sich. Und doch welch' ein gewaltiger Unter schied! Dort zieht ein Heer deutscher Ritter und Kriegsknechte mit: sie wollen das Land, dessen Boden des Heilands Fuß ge weiht, befreien aus den Händen der Feinde des christlichen Glaubens. Dort eine Schaar von Pilgern, Fürsten und Fürsten söhne darunter: Alle in langwallendem Bart, über der Stirne den breitkrämpigen Hut, auf der grauen Kutte das rothe Kreuz, an der Linken Sack und Flasche, in der Rechten den Pilgerstab, so ziehen sie dahin, und von ihren Lippen klingt's: In Gottes Namen fahren wir, Seiner Gnad' begehren wir. Nun Helf uns die Gotteskvast Und das heilige Grab, Da Gott selber inne lag! tkyrieleis. Eine merkwürdige Gesellschaft! Den Einen treibt es, ge heime Schuld auf dem Gewissen, sich den Ablaß zu erwerben, den die Kirche dem Pilger verheißt. Ein Anderer gehorcht dem Gebot des Priesters, der ihm eine Wallfahrt nach dem heiligen Lande zur Buße aufgelegt. Der Dritte möchte an der Stelle selbst, da das Kreuz gestanden, Gott für reiche Gnade danken, oder ihm «in besonderes Anliegen Vorbringen. Der Vierte freut sich der Abenteuer und trachtet darnach, am heiligen Grabe zum Ritter geschlagen zu werden. Den trieb der Wunsch der Gelieb ten in die weite Ferne. Jener hofft zugleich der Wissenschaft dienen zu können. Ein Anderer verbindet mit seiner Pilgerreise kaufmännische Zwecke. Aber über allen Sonderinteressen steht das Eine: nach der Verheißung der Kirche seines Heiles am sichersten zu werden auf der geheiligten Stätte des Erdkreises! Wie anders heut«! Ein evangelischer Kaiser, nicht im Pilgergewand, sondern umgeben von dem majestätischen Glanze der Krone, nicht mit einem Heere von Rittern und Kriegsleuten, sondern die Vertreter der evangelischen Christenheit im Gefolge, nicht in der Absicht, aus der Verheißung des Papstes an heiliger Stätte Ablaß und Seligkeitsgewißheit zu erwerben, sondern eine evangelische deutsche Kirche weihen zu sehen — das ist das Bild, das heute sich uns bietet, wahrlich ein schönes, erhabenes Bild, dessen sich jeder evangelische Christ von ganzem Herzen freuen darf und soll. Auch die Reformatoren hat es nach dem heiligen Lande ge zogen. Ritter Hans von Sternberg hatte Luther Mancherlei von seiner Pilgerreise erzählt. Im Gedanken daran schrieb ihm Luther: „Ich möcht selbs solche Reise gern thun". Melanch- thon theiltc Luther's Wunsch. Wie reiche Förderung versprach er sich für die Wissenschaft von einer Reise nach Palästina! Aber „es gehöret viel gelbes uü louxiuguus xrotoctioues", setzt er klagend hinzu. Auch aus unserem Sachsenlande hat sich mancher Pilgerzug nach Palästina aufgemacht, und sicherlich ist es gerade jetzt von hohem Interesse, einmal jener alten Pilgerfahrten zu gedenken. Es liegt nahe, daß wir dabei diejenigen besonders ins Auge fassen, an denen sich auch Leipziger betheiligten. Wenig Bestimmtes wissen wir von der Pilgerfahrt, die Con rad von Einsiedel auf Gnandstein im Jahre 1427 unternahm, wie die Sage erzählt: „zum Dank für seine Rettung aus den Händen der Hussiten". Im heiligen Lande soll er in Gefangenschaft gerathen sein, aus der ihn erst der Sieg Johann Hunyady's im Jahre 1455 befreit habe. Mit einem Gefolge von fast hundert Mann zog 1461 Herzog Wilhelm von Thüringen und Sachsen nach Pa lästina. Ueber Nürnberg, München und den Brenner ging die Reise nach Venedig. Am 14. Juni landete man glücklich in Jaffa. Nachdem man Jerusalem besucht, segelte man am 2. Juli wieder ab. Am 8. October langte der Herzog wieder in Wei mar an. Eine ausführliche Schilderung besitzen wir von der Pilger fahrt, die 1476 Herzog Albrecht von Sachsen unter nahm, und weil an derselben sich auch eine Anzahl Leipziger betheiligten, darf auch hier etwas näher auf dieselbe eingegangen werden. Die drei Leipziger hießen übrigens Lamprecht von Kronenberg, „den man nent Lemiche", Peter Fola und der Dolmetscher Nikolaus Untervoigt. Es war am 5. März 1476, als sich der aus 120 Personen bestehende Zug von Dresden aus auf den Weg machte. Ueber Meißen, Celle und Rochlitz kam man am 8. März nach Alten burg, wo sich der Herzog von seiner Mutter verabschiedete. Dann ging es über Zeitz und Naumburg nach Weimar. Hier wurde Rasttag gehalten. Der Herzog und Herzog Wilhelm nahmen von einander Abschied „mit geschlossenen Armen auf dem Felde, und auf den Pferden ganz lieblich und mit Vergießung ihrer Zäh ren, sehr erbärmlich anzusehen". Am 16. März erreichte man über Saalfeld und Coburg Bamberg, wo man seitens des Bischofs freundliche Aufnahme fand. Ein Besuch des Domes und Besichtigung der dort zahlreich vorhandenen Reliquien ver stand sich von selbst. Auf der Weiterreise wurden Nürnberg, Eichstädt, Ingolstadt, Pfaffhofen berührt. Am Sonntag Lätare, den 24. März, traf man in München ein. Der Herzog war Gast des Herzogs Albrecht und blieb bis Dienstag hier. „So behielt ihn", schreibt unser Berichterstatter, „Herzog Albrecht mit großer Bitte da und beweist? meinem gnädigen Herren viel Ehren mit Spielleuten, nämlich mit guten Singern, mit guten Organisten, Lauten, Harfen und Pfeifen, alles aufs Weste. Er hat auch auf dem Schlosse eine schöne kleine Kirche mit Singern und Organisten gar wol bestellet, und ist sonsten meinem gnädigen Herrn und alle den Seinen von allen Amtleuten nach seiner Gnaden Befehl gar willige und volle Ausrichtung geschehen. — So ist auch München die Stadt vor andern Städten zu loben." Herzog Albrecht gab den Pilgern bis zum Augustiner Kloster Heiligenberg, „allda mancherlei Heiligthums ist gezeigt worden nach ihrem Brauch und Aberglauben" das Geleite. Ueber Murnau und Mittenwald gelangte man am 29. März nach Innsbruck, über Stertzing, Klaußen, Botzen, Heumarkt am 4. April nach Trient. Auf dem W«ge von Trient nach Verona hatten sich die Pilger über ein schlechtes Nachtquartier — wie es noch öfters Vorkommen sollte — zu beklagen: '„da nahm der Wirth viel Geldes und gab uns böse Essen und bösen Wein und hochmüthige Betten". Um so bessere Aufnahme sand man in Verona, wo man „mit vielen Pferden" und „köstlich mit Tru- meten und Pauken" eingeholt wurde. Auch schenkte „der Stadt obriste dem Herzog etliche Flaschen mit süßem Weine und etliche Kerzen und Lichter aus schönem, weißem Wachs." Auch in Mantua durfte man sich herzlicher Aufnahme er freuen, da die Markgräfin eine Verwandte des Herzogs war. „Auf gar bösen tiefen Wegen" zog man weiter nach Florenz, wo man am Sonnabend vor Ostern eintraf. Hier brachte man das Osterfest zu, besuchte den Dom, das große Spital — das ungefähr dreißig Jahre später auch Luther kennen lernte und nicht genug zu rühmen wußte — und andere Sehenswürdig keiten. Am 15. April kam man nach Siena: „Das ist eine große, lustige Stadt mit guter Luft und lustigem Lager, darinnen die schönsten Frauen und Jungfrauen sind, als ich in Welschland ge sehen habe. So ist auch eine Universität da und ein schöner Dom mit eitel Marmelsteinen erbaut, mit allerlei Zierheit, als ich nie gesehen habe, hat auch allda einen reichen Spital, mit Reichthum und andern, viel köstlicher und herrlicher, denn das in Florenz." Einen Conflict mit den heißblütigen Italienern gab es in Viterbo. „Allda erhob sich ein Geschrei von etlichen Knechten und einem Wirth, daß ein Auflauf ward. Hätte mein gnädiger Herr solches nicht gütlich untergangen, so wäre bös Ding draus worden; denn die Walen thaten nach ihrer Art und schonten meines gnädigen Herrn nicht, ließen zwei Knechte gefangen nehmen, gaben sie aber denselben Abend alsbald wieder heraus." An den Papst Sixtus IV. war Herzog Albrecht von Sachsen durch einen Brief Kais er Friedrich's besonders warm empfohlen. Das kurze Schreiben, dessenConccptsichimHaup t- staatsarchiv zu Dresden befindet, ist inter essant genug, um mitgetheilt zu werden: „Allerheiliqster Vater, Ehrwürdigster Herr! Wir haben verstanden, daß der erlauchte Albrecht Herzog zu Sachsen, unser Fürst und liebster Ohm, zur Verbringung seiner Innigkeit gegen Gott und Euer Heiligkeit sich vorgenommen hat St. Peters und St. Pauls heilige Stätte zu besuchen. Demselbigen Fürsten sind wir um des Bandes der nahen Verwantschaft und Freundschaft Willen in sonderlicher Gutwilligkeit und Gunst geneigt. Wir bitten Euer Heiligkeit mit Fleiß, daß Ihr Euch denselbigen unfern Ohm in seinen Geschäften, die e^vor Euer Heiligkeit Vor bringen und in solcher vorgenommener Reise sein Begier voll enden und solche unsere Empfehlung ihm genossen, ersprießlich erkennen möge, glltiglich befohlen zu sein lassen geruhe. Darinn erzeigt uns Euer Heiligkeit gar Dank und Gefallen, das wir wiederum gegen Euer Heiligkeit zu verdienen geflissen sind, die der Allerhöchste zu seliger Regierung seiner heiligen Kirche lange Zeit gesund geruhe zu erhalten. Friedrich von göttlicher Gütigkeit Römischer Kaiser." Dem kaiserlichen Empfehlungsbrief entsprich die Aufnahme des Pilgerzuges in Rom. 34 Bischöfe „oder mehr" mit 500 Berittenen holten ihn ein, und der Papst schickte ins „Deutsche Haus", wo die Pilger Herberge genommen hatten, „durch seinen Hausvoigt etliche Geschenke, als Wein, etliche lebendige Thiere, Confect und andere Dinge." Ganz besonders mag den Deutschen Fsiiillrton. Eine Falle. Bon Otto Schmelzer. NaLdruck vnioten. Der neuernaünte Minister des Innern, Perowsky, war eben don seiner ersten Audienz beim Zaren Nikolaus I. zurückgekommen und saß nun nachdenklich in seinem Arbeitszimmer, über sein Gespräch mit dem Zaren hin und her grübelnd. Das Eine wußte er sicher: es war nicht ganz leicht, unter Nikolaus Minister zu sein, und wenn er daran dachte, daß er mindestens zweimal in der Woche zum Vortrag im Winterpalaste erscheinen mußte, so überkam ihn ein gelindes Gruseln. Der Zar hatte in alle Ver hältnisse hineingespäht und es befriedigte ihn nichts. „Da mutz schleunigst Wandel geschaffen werden, Perowsky... die Sache mutzt Du mir gleich gründlich anfassen ... nur nicht aufschieben, Perowsky . . mach's nur nicht wie Dein Vor gänger, der ein halbes Jahr lang Pläne schmiedete und das andere halbe Jahr dazu brauchte, sie wieder aufzugeben. Und daß Du mir vor allen Dingen Ordnung in die Polizei bringst. Ganz Petersburg weiß es, datz da die grössten Spitzbuben sitzen! Zum Teufel, — mach' kein so langes Gesicht! Es ist so, und Du weitzt das selber, also verschaff' Dir Beweise Und jage das ganze Gesindel weg! Wie kann man mit einer solchen Gesellschaft arbeiten? — Hier sollst Du zeigen, daß Du'» verstehst . . . Nun geh' ans Werk und bah mich bald was hören!" Der Minister seufzte tief auf. Natürlich wusste eS jedes Kind, daß die Polizei bestechlich war, daß die Officiere so gut und so schlecht Geld nahmen wie die Unterbeamten, und datz dadurch eine fürchterliche Mißwirthschvft herrschte. Aber würbe man sich jetzt nicht vorsehcn unter dem neuen Minister? Bei ihren alten Streichen konnte er sie doch nicht mehr abfassen, und daß sie MN gleich in den ersten Tagen wieder neue begehen würben, dazu waren sie doch zu schlau und zu gewitzigt. Und wie sollte er das überhaupt gleich herausbekommen? Er mußte sich doch erst Leute schaffen, die er selbst genau kannte, die ihn nicht etwa aufs Glatteis führten und mit Jenen unter einer Decke steckten. Und auf bloßen Verdacht hin konnte er auch Niemand wegjagen, denn der Zar wollt« ja Beweise haben. Es war in der That eine Fang kniffliche Geschichte. Der Diener trat herein und meldete den Oberst Baratow. „Ich will jetzt nicht gestört seid!" rief der Minister ärgerlich. Aber bann besann er sich einen Augenblick und sagte: „Führe den Herrn herein und bringe unS Portwein!" Baratow war ein jüngerer Vetter PrrowVy'S, mit dessen Lavfbahn «» wohl bald zu Ende ging, da er «in allzu lustiger Bursche war und der Flasche vor und nach dem Dienste und, wenn es ging, auch während dessen zusprach. Er wollte den Minister offenbar in seinem neuen Amte beglückwünschen und dabei möglichst ein Profitchw zu ziehen suchen, denn das Geld war ihm gewöhnlich knapp. Er machte bei seinem Eintritt eine tiefe Verbeugung. „So hab' Dich doch nicht, Wanka", lachte der Minister herab lassend, „thust ja, als wolltest Du Dir das Rückgrat verrenken. Nimm Platz uüd thu' mir Bescheid!" Der Oberst ließ sich in einen Sessel fallen, ergriff das Glas, das der Minister ihm vollgeschenkt hatte, und sagte mit einer gewissen Ehrerbietung: „Deine Gesundheit, Eronid Petrowitsch. Bist jetzt ein mäch tiger Mann und . . . ." „Und ich brauche Freunde, gute, zuverlässige Freunde, die mir helfen und mich unterstützen. Kann ich meine Augen überall haben? Nein. Ich hatte gerade an Dich gedacht, Wanka, ehe Du kamst. Bist ein Teufelskerl und könntest mir wohl einen Dienst leisten." Und der Minister erzählte seinem Vetter in vertraulichstem Tone, was ihm auf dem Herzen lag. Die Augen des Obersten fingen an zu glänzen. „Prächtig, prächtig!" rief er. „Der Polizei eine Mausefalle stellen, daS ist meine Sache. Soll noch heute Abend geschehen, verlaß Dich d'rauf! Morgen kannst Du ein halbes Dutzend fortjägen, so wahr ich Baratow heiße! Aber — höre: laß mir den Alten dabei aus dem Spiel, den Polizeimcistrr. Er ist ein verdammt jähzorniger Kerl und — na, Du weißt ja." Dann entwickelte er dem Minister seinen rasch entworfenen Plan, mit dem dieser vollkommen einverstanden war. Eine Stunde später erschien der herbeigerufene Polizeimeister bei Perowsky. „Ich habe Sie in einer eiligen und dringenden Sache bitten lassen", sagte der Minister. „ES ist mir auf das Bestimmteste mitgetheilt woöden, 'daß sich in dem und dem Hause auf dem Newsky-Prospect seit einigen Wochen an jedem Abeird ein Club von etwa zehn Personen versammelt, der um ungeheuere Summen Pharao spielt. Die Leute müssen noch heute aus gehoben und zur Wache gebracht werden." „Ich werde die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen, Excellenz, und bin überzeugt, daß der Fang gelingen wird." „Sie selbst? Nein, das wünsche ich nicht; das würde morgen in der Stadt unnöthiges Aufsehen erregen. Aber natürlich er warte ich, daß Sie Ihre tüchtigsten Beamten auSwählen . . ." „Ich werde meine sechs ersten Beamten damit betrauen, Excellenz." „Für die Sie unbedingt einstehen?" „Me für mich selbst, Excellenz." „Nun gut, ich wünsch« Ihnen Glück." „Ich werd« Ihnen morgen früh Bericht äbstatten, Excellenz." „Nein, ich bitte Sie, mir Ihre Beamten herzusenden, da ich aus ihrem eigenen Munde den Vorgang hören möchte." Darauf schiöd "der Polizeimeister und versammelte, in seinem Bureau angekommen, alsbald die „zuverlässigen Beamten" um sich, die er zur Ausführung der Befehle des Ministers ausersehen hatte. Er gab ihnen die strengsten und umfassendsten In structionen und ordnete an, daß das Haus von Geheimpolizisten sofort observirt wii?de. Um Mitternacht brachte ein Polizist die Nachricht, daß ein« Anzahl Herren in geschlossenen Wagen eingetroffen und in einer Wohnung des dritten Stockes verschwunden seien; der Haus knecht habe ihnen das Vorzimmer dazu geöffnet. Nach Verlauf einer halben Stunde machten sich die sechs Beamten auf den Weg. Es gelang ihnen, den Hausknecht fest zunehmen, der ihnen nach einigem Sträuben und unter großem Gejammer den verhängnitzvollen Schlüssel auslieferte. Geräusch los schlichen die Beamten in das Vorzimmer. Hier tönte ihnen aus einem anliegenden Raume ein erregtes Stimmengewirr ent gegen. Mit festem Griff wurde die Thür aufgerissen und mit dem Rufe: „Im Namen des Gesetzes! Niemand rühre sich von seinem Platz!" standen die Beamten mitten in einem hell er leuchteten Saale vor einem runden, grünen Tisch, auf dem ein Berg von Rubelscheinen und ausländischen Goldstücken lag. Die Spieler saßen um den Tisch herum und schienen vor Schreck wie angenagelt auf ihren Stühlen zu sein. Widerstandslos konnte ein Officier die Hand auf das Geld legen. „Ich bitte die Herren, ihre Paletots anzulegen und uns zur Wache zu be gleiten. Hier unsere Legitimation." Einen Augenblick herrschte tiefes Schweig«n unter den Spielern. Dann erhob sich Einer von ihnen, der die Ruhe wiedergewonnen zu haben schien, und sagte in höflichem Tone: „Herr Commissar, es muß hier ein Jrrthum obwalten. Wes halb stören Sie unseren Zirkel? Weshalb wollen Sie uns ver haften?" „Ich habe die Pflicht, Sie zu sistiren, weil Sie ein Glücks spiel, offenbar Pharao, gespielt haben!" „Ach", rief der Herr wie erleichtert, „das ist es! Aber das ist ja eine Lappalie! Ich fürchtete, ein Schurke hätte uns in politischen Verdacht gebracht! Wir sind natürlich bereit. Ihnen zu folgen! Mer gestatten Sie mir eine Frage: Ist Ecartö ein verbotenes Spiel?". „Ecartß?" sagte der Beamte langsam — „nein, Ecartö gehört allerdings nicht zu den verbotrnen Spielen. Aber Sie haben Pharao gespielt — oder spielt man Ecartß um solche Summen?" „Um solche Summen? Herr Commissar, e» find höchstens achthundert bis tausend Rubel, die Sie beschlagnahmt haben. Wir spielen die Partie um fünfzig Rubel, und da» entspricht durchaus unseren Verhältnissen. In unserem Moskauer Club, dem der Herr Generalgouvcrneur angehört, ist ein niedrigerer Satz ungebräuchlich." Er sah den Beamten mit einem verbindlichen Lächeln an. Diesem ging plötzlich ein Licht auf. Scheine und Goldstücke be trugen mindestens zwölftausrnd Rubel. Er kämpfte einen Augenblick mit sich, warf seinen Begleitern einen verständniß- vollen Blick zu und sagte dann zögernd: „Freilich, wenn die Summe nicht höher ist . . ." „Ich bitte Sie, Herr Commissar, das Geld nachzuzählen, uns aber zuvor zu entlassen, da uns der Schreck etwas in die Glieder gefahren ist. Um eine solche Kleinigkeit! Dürfen wir Ihnen unsere Pässe ausliefern? Sie geben Aufschluß über unsere Persönlichkeiten. Ich bin der Fürst WolkonÄy." Am anderen Morgen neun Uhr meldeten sich die Beamten beim Minister. Perowsky empfing sie sogleich. Der erste Commissar stattete einen äußerst umschweifenden Bericht ab. „Wie hoch war die Summ«, die in ihre Hände fiel?" fragte der Minister. „Achthundert und einige sechzig Rubel, Excellenz." Der Minister öffnet« schweigend eine Thür. „Zehntausend Rubel habt Ihr in die Tasche gesteckt, Ihr Hallunken! Da seht!" An einem Tische saßen die Spieler der vergangenen Nacht, unter ihnen Baratow, der den Fürsten Wolkonsky vorgestellt hatte. „Laß die Spitzbuben zur Wache bringen, Baratow!" Um zwölf Uhr hatte der Minister Empfang beim Zaren. „Nun, waS giebt's?" fragte Nikolaus. „Der Verdacht Ew. Majestät gegen die Polizei war nur allzu begründet. Ich bringe die Beweise." Und Perowsky be richtete. „Das hast Du gut gemacht", sagte der Zar. „Und der Oberst Baratow hat Dir dabei geholfen?" „Jawohl, Majestät." „Schön, so werden wir den Baratow zum Polizeichef machen." „Baratow?" fragte der Minister mit langem Gesicht. Nikolaus sah ihm fest ins Auge. „Ich merke, Du traust dem auch nicht. Gut, so wird es ein Anderer." Der Zar ging einige Male stumm im Zimmer auf und ab. Dann blieb er plötzlich vor dem Minister stehen. „Weißt Du, Perowsky", sagte er mit kalter Stimme, „ich glaube, es giedt nur einen einzigen ehrlichen Mann in ganz Petersburg." Der Minister verbeugte sich geschmeichelt. „Versteh' mich recht, Perowsky", sagte "d«! Zar — „da» bin ich nämlich s«Ib«r!"
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