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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991104018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-04
- Monat1899-11
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuag ./L 00.—, mit Postbrsörderung 70.—. Annahmeschlnß fir Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Exp»ditia» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 582. Sonnabend den 4. November 1899. 93. Jahrgang. Der Entwurf eines Wassergesehes für das Königreich Sachsen. ii. Für tue ,n rrnem Industriestaat wie Sachsen besonders wichtige Materie der Wasserverunreinigung glaubt hie Begründung dcö Entwurfs eine allgemeine gesetzliche Formel ablehnen zu sollen, weil hierdurch das gerade auf diesem Gebiete beionders notbwcndige individuelle Ermessen der Behörden in allzu enge Schranken gebannt werden würde. Der Entwurf begnügt sich daher, die bereits bestehenden Neckte zur Einführung sckädlicher Stoffe in öffentliche Gewässer von willkürlichem Widerruf der Behörden abhängig zu machen, und die Motive stellen für neu zu gestaltende Abwässerzuleitungen denselben Grundsatz auf. Jede unbefugte Wasserveruureiuigung aber wird unter Strafe gestellt. Um die Offenkundigkeit und Sicherstellung der an den Gewässern bestehenden Reckte zn ermöglichen, sieht der Entwurf die Einrichtung von Wasserbüchern vor, welche nach dem Muster der Grundbücher zu führen wären, und deren Inhalt eine durch den Beweis des Gegcntbeils zu entkräftende thatsächlicke Bermulhung der Nichtigkeit besäße, während ihm eine recktserzeugende Kraft nickt beigelegt zu werden brauchte. Die Unterhaltung der fließenden Gewässer und der Hock wasser schütz sind von unserem Entwürfe wesentlich nach dem Muster dcS badischen und hessischen Rechtes geordnet. So weit die Unterhalts» und Hochwasserschutzarbeilen nicht von Berichtiguugsgenossenschaften und Damuigemeinden vorzu nehmen sind, müssen dieselben von der politischen Gemeinde auögeführt werden, jedoch so, daß die Kosten auf Diejenigen umgelegt werden, denen die Arbeiten zum Bortbeil gereichen. Ueberlastung der kostenpflichtigen Anlieger wird durch cvent. zu gewährende Gemeindebeiträge, Bezirksunterstützung und Staatshilsen vermieden. Abweichend vom badischen und Hessischen Neckte ist die Verpflichtung der Gemeinden nicht aus das im öffentlichen Interesse Nothwendige beschränkt, sondern ersteckl sich darüber soweit hinaus, als die Grundsätze einer rationellen Wafferwirthfchast auch die gewöhnliche Unterhaltung des Wasserlaufs fordern. Gegen allzugroße Ansprüche der Anlieger an die unter- hallungSpslichlige Gemeinde wird dieselbe durch die Verwaltungsbehörde geschützt. Unterhaltungsarbeiten von geringerer Bedeutung können ortsstatutarisch den Anliegern überlassen werden, die Erlaubniß zur Bildung von Unter- baltungsgenossenschaften mit BeitritlSzwang ermöglicht außer dem eine von der Gemeind« unabhängige Selbstverwaltung. Hinsichtlich der Elbe bleibt eö bei dem bisherigen Rechte. Die Vorschriften über den Hochwasserschutz werden durch den Entwurf auch auf die kleinen Wasserläufe erstreckt, und in der Thal hat ja gerade die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, wie gefährlich selbst so kleine Rinnsale wie etwa die Weiseritz unter Umständen werden können. Die wasserrcchtliche Enteignung wird im Anschluß an die bisherige sächsische Wassergesetzgebung von dem Entwürfe für eine Reihe von ausdrücklich benannten Zwecken zugelassen, deren Erfüllung entweder einem öffentlichen Bedürfnisse ent spricht oder einen überwiegenden Nutzen für die Landescultur oder die Volkswirthfchaft überhaupt oder für die öffentliche Gesundheitspflege erwarten läßt, falls das betreffende Unter nehmen in anderer als der beabsichtigten Weise ohne Eingriff in private Berechtigungen und ohne unverhältnißmäßigen Aufwand nicht oder nicht zweckentsprechend durchgeführt werden kann. Außerdem aber werden, wie auch sonst in der deutschen Wassergesetzgebung, für gewisse Gruppen von Thatbeständen ZwangSrechte in Form von öffentlich rechtlicken Eigenthumsbeschränkungen anerkannt, die unter bestimmten Voraussetzungen ohne Weiteres Platzgreifen. Demgemäß schreibt der Entwurf vor, daß jedes Wasser- benutzungsrkckt durch dreijährigen Nichtzebrauch von selbst erlischt und daß solche Nutzungsrechte, die durch zweckent sprechende Abänderung einer WasscrbenutzungSanlage ohne wesentliche Beeinträchtigung der von dem Berechtigten tbat- sächlich auSgeübten Nutzung verfügbar zu machen sind, anderweit verliehen werden dürfen. Diese Verleidung kann bei Ent- und Bewässerungsanlagen, sowie bei Stauanlagen für gewerbliche Zwecke auch daS Recht der Mitbenutzung einer fremden Wasserbenutzungsanlage gegen Entschädigung umfassen. Selbst Beeinträchtigungen des bisherigen Betriebes gegen entsprechende Entsckädigung sind zu gestatten, wenn dieselben so geringfügig sind, daß sie die bisherige Ausübung des Rechtes nn Wesentlichen bestehen lassen. Steht der Ver leihung von Wassernutzungsrechten eine Fischereiberechtigung oder ein Vorflulhrecht gegenüber, so soll die entscheidende Verwaltungsbehörde die Verleihung vornehmen können, wenn der aus dem Unternehmen zu erwartende Vortbeil den für daS bestehende Recht zu befürchtenden Nachtbeil er heblich überwiegt. Allgemein wird eine Verpflichtung zum Dulden von Vorarbeiten für wasserwirthschaftliche Unternehmungen und von Arbeiten, sowie einstweiligen Bodenablagerungen für die ordentlich« WasserlausSunter- baltung statuirl. Zudem ist eine Reihe von polizeilichen Beschränkungen deS freien GebahrcnS mit dem Grundcigen- tbnm vorgesehen, und endlich ist der Verwaltung daS Neckt zur Untersagung oder Besckränkung bez. zur Beseitigung oder Abänderung einer WasserbonutzunHSanlage wegen Ge fährdung des Gemeinwohles gegen Entschädigung zugesprochen worden. Wichtige Aufgaben werden den Wassergenossensckasten, deren Neubildung und Weiterbildung der Entwurf sich an gelegen sein läßt, zugewiesen. Hierbei werden jedoch die privatrechtlichen Genossenschaften nickt mit berücksichtigt, nur daS Recht der öffentlichen Genossensckaften wird geregelt. Zugelassen sind, wie schon bisher, Wassergenossenschaften zur Berichtigung von Wasserläufen und zum Hochwasserschutz, außerdem aber fernerhin solche zur Uferuntrrhaltung, zur Herstellung und Unterhaltung von Ent- und Bewässerungs anlagen, sowie zur Herstellung und Unterhaltung größerer Sammelbecken (Thalsperren). Dagegen sind öffentliche Wasser- genossensckaften zur anderweitigen Benutzung von Wasser läufen und zur Herstellung von Wasserstraßen nicht vorgesehen. Alle öffentlichen Wasscrgenossenschaften sind als Nealgcnossen- schaften gedacht, Mitglieder sind also die jeweiligen Eigenthümer der betheiligten Grundstücke. Es herrscht BeitritlSzwang, und zwar gilt die zur Bildung der Zwangsgenossenschaft erforderliche Majorität als hergestcllt, wenn diejenigen Be- tbeiligten, die sich für daS Unternehmen erklärt haben, eine Mehrheit deS durch bas Unternehmen zu erzielenden Vor- theileS vertreten. Ebenso ist auch das Derhältniß zu be stimmen, wonach die einzelnen Mitglieder zu den Genossen schaftölasten beizutragen haben. Als Behörden für die wasserwirthschaftliche Verwaltung endlich sollen in erster Instanz die AmlShauptmannschaften mit ihren Bezirksaus'chüssen fungiren, und zwar soll in Zu kunft auch die bisher in den Städten mit revidirter Städte ordnung den Magistraten zuständige gewerbepolizeiliche Ent schließung bezüglich der Genehmigung von Stauanlagen für Wassrrtriebwerke den staatlichen Verwaltungsbehörden über tragen werden. In zweiter Instanz würden Spruchsachen zum Theil dem VerwaltungSgerichtSverfabren zu überweisen sein, im Uebrigen wird zur zweitinstanzlichen Entscheidung in allen Angelegenheiten der wasserwirthschaftlichen Ver waltung die Schaffung eines „LandesculturaniteS" vorgcschlagen, welches durch Ausbildung der bisherigen Generalcommission für Ablösungen und GemeinhritStheilungen zu entstehen hätte und dem ein Gewerbeaufsichtsbeamter und rin Wasserbau techniker beizugeben wären. H. Geffcken (Rostock). Deutsches Reich. Berlin, 3. November. (Die „Norddeutsche All- gcmrine Zeitung" und der UltramontanismuS.) Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" zum Kampf wider den UltramontanismuS aufrnfen zn hören — es klingt wie ein Sang auS längst ver schwundenen Tagen! Aber eS ist wirklich und wahrhaftig in Nummer 258 vom 2. November d. I. also geschehen. Ein Häkchen freilick, vielmehr einen ganz gehörigen Haken, hat die Sache trotzdem. Denn nicht im politischen Theil, sondern in der wissenschaftlich-belletristischen Beilage findet der überraschte Leser jenen Aufruf. Und zwar ist eS daS Erscheinen der 18. Auflage deS die Reformation dar stellenden Bandes aus der „Gcsckichte des deutschen Volkes" von Joh. Janssen, das Karl Trost veranlaßt, an genannter Stelle u. A. zu schreiben: „WaS de» Partisan deutscher GeisieSfreiheit immer wieder mit Bangen erfüllt um die Zukunft unsere» Volkes, das ist die Wahrnehmung, mit welcher Sicherheit Les Herrfchaftsinstinktes, mit welcher untrüglichen Witterung sür das praktisch Wirksame die römische Kirche es versteht, jeweils aus den Strömungen des öffentlichen Lebens für sich Nutzen zu ziehen." Wie das Werkzeug der römischen Kirche, der päpstliche Hausprälat und apostolische Protonotar Joh. Janssen, die Begeisterung deS deutschen Volkes für das bobenzollernsche Kaiserthum bei seiner Darstellung der Reformation gemiß- braucht bat, darüber schreibt Trost: „Durch die ganze Erzählung klingt als Grundgedanke und End absicht die Behauptung hindurch, die sogenannte Kirchenresorm sei, beim Lichte betrachtet, nichts Andere» gewesen, als eine Rebellion des nach Anarchie gelüstenden deutschen hohen Adels gegen Kaiser und Reich, rin Versuch, die kaiserliche Ober- Herrschaft durch einen mächtigen revolutionären Schlag ins Herz zu treffen. Lutber's kirchenfeindliche Erhebung sei, wenn auch nicht angestistet, so doch benutzt und ausgebeutct worden von den kaiserseindlichen Fürsten, welche sich des Mönchs als eines Handlangers bedienten, um durch Zerstörung jeder geistlichen Autorität sich die Möglichkeit zu schassen, sich selbst in den Besitz sowohl der Macht der Kirche, als ihre sür charitative Zwecke be- stimmten Güter zu setzen. Kein Wort vom Zorn des deutschen Gewissens, kein Wort von dem gewaltigen sittlichen Aufschwung, von dem die Predigt des Evangeliums in den ersten Jahren der von Luther angefochten Bewegung begleitet war." Deshalb schließt Trost seinen Aufsatz folgendermaßen: „Wie der SocialismuS seine radikale Agitation auf eine neue Auffassung der wirthschaftlichen und socialen Entwicklungsgeschichte begründet, so bemüht sich der UltramontanismuS mit einer Be triebsamkeit sondergleichen, aus der Geschichte der geistigen Be wegung, welche den Grund bereitete für unsere nationalstaatliche Entwickelung, Anklagen zu schmieden gegen den modernen Staat und gegen die von ihm bisher geschützte deutsche Geistesfreiheit. Als wirksamste Angriffswaffe auf Alles, was wir unter dem Namen Protestantismus begreifen, hat sich der jetzt in 18. Auslage vorliegende dritte Band de» Janssen'schea Geschichts werke» erwiesen. Und wie lahm ist bi» auf den heutigen Tag die Gegenwehr!" Janssen'S Buch ist nur eine Angriffswaffe deS Ultra- montaniSmu». WaS hilft unS selbst Vie lebhafteste Gegenwehr wider sie, wenn die übrigen, im politischen Leben verwandten Angrisfswaffen deS UltramontanismuS gerade da die lahmste Gegenwehr finden, wo die Gegenwehr vorbildlich sein sollte: bei der Regierung und in den Parlamenten? In einer Zeit, wo, um nur zwei Beispiele herauSzugreifen, der preußische Eultusminister die Vertbeidiger seiner eigenen EbarfreitagSvorlage hart anläßt und der deutsche Reickslag die Aufhebung des Jesuitengesetze» be schließt, würde auch die lebhafteste Gegenwehr wider Janssen nur tauben Ohren predigen. An welcher Stelle aber ist die Gegenwehr gegen die politischen Angriffswaffen deS Ultra- tuontaniömus lahmer, als im politischen Theile der „Nord deutschen Allgemeinen Zeitung"?! A Berlin, 3. November. (Die süddeutsche Volks partei und die Stichwahl in Eßlingen.) Die Social- dcmokraten sind voller Hoffnung, den Wahlkreis Eßlingen bei der am 7. d. M. slatlfindenden Stichwahl zu erobern. Sie rechnen darauf, daß die süddeutsche Volkspartei für sie stimmen oder zum mindesten Wahlentbaltung üben werde. Auch in dem letzteren Falle sind die Aussichten für die Socialdemo kraten noch immer günstig, da ibr Kandidat dem national liberalen Bewerber um rund 1900 Stimmen voraus ist; freilich ist zu erwarten, daß die deutsche Partei, die sich bei der Hauptwabl nicht übermäßig angestrengt hat, bei der Stichwahl noch erhebliche Reserven in» Gefecht führen wird, so daß die Differenz zwischen der socialistischc» und der nationalliberalen Stimmenzahl ausgeglichen werden könnte. Uebt also die Volkspartei stricte Wahlentbaltung, so ist die Möglichkeit der Wahl deS Herrn von Gcß noch lange nicht ausgeschlossen. Nun wird von radikaler Seit« aber ganz besonders mit Rücksicht auf die neue Flottenvorlage darauf gedrängt, daß die süddeutsche Bclkspartei dem Gegner des Flottenentwurfs die Stimme gebe. Daß eine erhebliche Zahl volksparteilicher Wähler ganz und gar keine Bedenken trägt, in der Stichwahl die Sache deS Socialvemokraten zu fördern, hat sich bei den allgemeinen Wahlen von 1898 in den drei Wahlkreisen, in denen die Socialdemokratie zur Stichwahl kam, gezeigt. In Eannstavt stiegen die Socialdemokraten in der Stichwahl von 7239 Stimmen auf 10 147, in Heilbronn nahmen sic sogar um nahezu 4000 Stimmen zu und in Gmünd- Göppingen erhielten sie sogar einen Zuwachs von mehr al» 4000 Stimmen. Wenn trotzdem in diesen drei Wahlkreisen der nationale Bewerber siegte, so geschah cs einmal, weil er noch erhebliche Reserven aufzubringen vermochte, zweitens weil in Heilbronn sowohl, als in Gmünd Göppingen das Centrum eS dann doch nicht über sich gewann, dem Social demokraten zum Siege zu verhelfen, und drittens, weil ein Bruchthcil der VolkSpartei wenigstens die nationalen Be werber unterstützte. Die Mehrheit der in der Hauptwahl für die süddeutsche Volkspartei abgegebenen Stimmen muß aber der Socialdemokratie in der Stichwahl zu Gute gekommen sein, sonst hätte diese nicht eine» so enormen Zuwachs, der in Gmünd-Göppingen nahezu eine Verdoppelung bedeutet«, erhalten können. Von diesem Slandpuncte auS betrachtet wären also die Aussichten für Herrn von Geß sehr trübe, insonderheit da von den bürgerlichen Parteien nur di» süd deutsche Volkspartei in Frage kommt. Ein Moment aber läßt die Sachlage denn doch anders erscheinen, al» bei den Wahlen von 1898. Herr Brinzinger, der ausgefallene Can- didat der süddeutschen Volkspartei, hatte sich — «in weißer Feuilleton. Luther und die Pest. Trotz alter Vorsichtsmaßregeln ist es nicht gelungen, die in Indien ausgebrochene Pest auf dieses Land zn beschränken. Die scheußliche Krankheit schreitet weiter und ist bereits nach Europa gelangt, wo sie aber wohl nicht mehr zu fürchten ist. Vielleicht ist es angebracht, daran zu erinnern, wie mannhaft sich unser allzeit unerschrockener Reformator Luther der Pest gegenüber verhalten hat. Wittenberg wurde zu Luthers Zeit wiederholt von der Pest heimgesucht. Mit besonderer Wucht brach daselbst die Pest aus im August 1527. Die Universität siedelte sogleich nach Jena über, viele Studircnde folgten. Nur Luther wollte allem nicht wegziohen, obwohl er gerade damals durch schwere Seelenqualen und körperliche Leiden angefochten war. Der Kurfürst Johann der Beständig« vernahm von seinem Widerstreben und richtete selbst in einem Brief vom 10. August daS Begehren an ihn, mtt Weib und Kind gleichfalls nach Jena zu ziehen. Er unterstützte seine Bitte damit, daß man ihn um deswillen, was täglich des göttlichen Wortes und der Sacramente halber Vorfälle, bei der Universität nicht entbehren könne. Aber Luther schwankte keinen Augenblick in seinem Entschluß: er blieb als der Einzige unter den Universität-genoffen in Wittenberg neben seinem Freunde Bugenhagen, der al» Stadtpfarrer auS- harrte und dem er treulich zur Seite stand. Der große Refor mator fand die Pest nicht so arg, als die Angst der Leute vor ihr. Bis zum 19. August zählte er erst 18 Todesfälle. Die Frau de» Bürgermeisters Tilo Den« verschied beinah« in seinen eigenen Armen. An den Prediger Nikolaus Hausmann in Zwickau meldete er: „Ich und Bugenhagen sind allein noch hier, und wir sind nicht allein, sondern Christus ist mkt uns, der trium- phiren und uns in sich gegen den Satan beschützen wird, wie wir glauben und hoffen." Ueber die Pflichten eine» Christen bei einer solchen Heimsuchung erklärte sich Luther in seiner Schrift an einen anderen Freund, Johanne» Heß in Breslau. Prediger und Seelsorger, sagt er darin, seien schuldig zu stehen und zu bleiben in Dterbensnöthen nach dem öffentlichen Befehl Christi: „Ein guter Hirte läßt sein Leben für die Schafe, aber ein Mtethling läßt den Wolf kommen und fleucht." Be dürft man ja doch eben dann des geistlichen Amte» am aller höchsten, um dir Gewissen zu stärken und zu trösten und den Tod im Glauben zu überwinden. Weiter seien Alle zum Glauben verbunden, die in weltlichen Aemtern stünden; denn es sei große Sünde, eine Gemeinde in irgend einer Gefahr ohne Haupt und Regiment sitzen zu kaffen. Das Gleiche gelte endlich von allen Personen, die mit Dienst und Pflicht aneinander verbunden seien. So dürften auch Knechte und Mägde von ihren Herrschaften nicht fliehen, ohne deren Urlaub, noch diese von jenen, ohne sie irgendwie genügsam versorgt zu haben — ja auch kein Nachbar vom andern, wofern nicht sonst Leute zur Wartung der Kranken daseien. Nach diesen Grundsätzen harrte Luth«r, der unentwegte Gottesmann, bei seinen Wittenbergern aus. Das Bedürfniß geistlicher Hilfe und mancher leiblicher Hilfeleistungen und Rath schläge hielt ihn fest auf dem Posten eines einfachen Predigers und Seelsorgers, auch auf die Gefahr hin, in solchem Dienste zn fallen. Mochten die Aufgaben, die sein Leben zu gefährden schienen, groß oder unscheinbar sein, immer stellte er Gott mit gleicher Ruh« anheim, ob er ihn noch ferner auf Erden brauchen wolle. Uebrrall griff «r helfend «In. Er tröstete die Erkrankten und munterte die Leute auf, denen ein Grauen vor den Kranken ankam. Ein Jeder soll« die Krankheit für eine Wirkung und Versuchung de» bitterbösen Teufels ansehen und hiergegen der starken Verheißungen Gottes sich getrösten. Er hielt den Ver zagten Erfahrungen vor, wonach Leute, die den Kranken mit Liebe, Ernst und Andacht dienten, selbst vor der Krankheit be hütet blieben, und vrrwies sie, falls sie auch angesteckt würden, auf Gott als den besten Wärter und Arzt. Andererseits warnte er vor der Keckheit und Bermeffenheit, womit Manche die natür lichen Mittel gegen die Krankheit versäumten und verachteten und der Ansteckung spotteten; da» heiße nicht Gott trauen, son dern Gott versuchen. Denn Gott habe die Arznei geschaffen und die Vernunft gegeben, den Leib zu pflegen, daß er gesund bleibe. Ueierdies versündige man sich mit solchem Leichtsinn an den andern, indem man di« Pest sich unter ihnen weiter verbreiten kaffe. Es sei, wie wenn man einer Feuersbrunst nicht wehr«n wollte, weil Gott sie auch ohne Wasser werd« löschen können. „Nicht also!" sagt, Luther, „sondern brauche der Arznei, nimm zu dir, wa» dir helfen kann, räuchere Hau», Hof und Gaff«, meid« auch Personen und Stätten, da d«in Nächster nicht» von dir bedarf, und Kelle dich al» einer, drr »in gemein Feuer g«rn wollt» dämpfrn Hilfen." EI gab sogar Leute, die, wenn sie ohne Wissen der Anderen von der Pest be fallen waren, geflissentlich unter den Anderen sich Umtrieben, in dem Aberglauben, daß sie selber davon loswürden, wenn sie Andere anstcckten. Ja, Luther hörte von Kranken, die in reiner Bosheit unter ihre Nächsten und in die Häuser liefen, weil es ihnen leid sei, daß da nicht auch die Pestilenz sei. Er wisse nicht, sagte er, ob er das glauben solle; wenn es wahr sei, sc wisse er nicht, ob die Deutschen Menschen oder Teufel seien, rathe aber, daß der Richter jene beim Kopf nehme und sie dem Meister Hansen, d. h. dem Henker, überantworte. Als Mittel gegen die Verbreitung der Seuchen empfahl Luther end lich auch die Verlegung der Begräbnißstätten aus den Ortschaften hinaus, wenn anders die Annahme richtig sei, daß aus den Gräbern Dünste ausgingen, die die Luft verdürben. lieber die Pestgcfahr, in der er sich bewegte, gab Luther den Freunden draußen fortwährend beruhigende Nachrichten: Die Zahl der Sterbenden bleibe beschränkt, der Herr sei in mitten des Todes als Retter und Helfer da. Aber jetzt drang die Seuche selbst bis in Luther'» eigenes Haus. Eine Haus genossin von ihm, Margarethe von Mochau, eine Schwester von Carlstadt's Frau, bekam, wie er Genossen Amsdorf am 1. No vember 1527, dem Allerheiligentage, m«ld«te, «in verdächtiges Geschwür und lag dann wirklich lange Zeit schwer trank. Schon vorher war die Frau des Arztes Schürf, der in demselben Ge bäude wohnte, von der Pest befallen worden und erholte sich erst allmählich. Besonders fürchtete Luther für sein« eigene Frau, die Ihrer Niederkunft (mit dem Töchterlein Elisabeth) entgegensah, während die gleichfalls in gesegneten Umständen sich befindende Frau de» Kaplans oder Diakonus G. Rörer pestkrank mit dem Tode rang. Ferner aß und trank sein Söhnchen Han» seit drei Tagen nicht» mehr und erregt« große Sorge, wenn man'» auch nur vom Zahnen hrrleiteke. Im nämlichen Brief an Ams- dcrf (vom 1. November), in dem Luther dies berichtete, rief «r in Brtuff seiner selbst wieder dir Fürbitte der Freunde für die Noch seiner S«ele an: „um da» Eine", sagt er, „bittet mrt mir, daß Christus nach seinem Wohlgefallen mit mir thu« und nur davor mich bewahren möge, daß ich nicht undankbar und fein Feind werde." Am folgenden Tage, den 2. November, starb jene Frau d«S Kaplan». Luther fühlte sich jetzt, wie er an Jona» schrieb, durch alle» Unglück beinah vernichtet und konnte vor innerem Sturm und Druck fast nicht m«hr athmen. Aus d«m Haufe der städtischen Geistlichen, wo dieser Todesfall großen Schrecken hervorriif, zog Bugrnhagrn mit seiner Familie jetzt in die Wohnung Luthrr's, der in ihm zugleich einen Trost für sich zu haben wünschte. Doch dem Unglück ist die Hoffnung zugesendet. Allmählich klärte sich der schwer bedrohte Himmel auf. Am 10. Decembec genas Luther's Käthe ihres ersten Töchterleins, während Häns chen wieder gesund und munter, das Fräulein von Mochau der Todesgefahr entrissen, Schürf'» Frau genesen war. Luther meldete all dies dem Jonas und fügte seinem Schreiben bei: „Wir haben für diese Kranken fünf Schweine hingegeben, die wir verloren haben. Christus, unser Trost, mache, daß die Pest mit dieser Steuer sich begnüge." Die Seuche war endlich im Erlöschen begriffen und allmählich fanden sich die weggegangenen Studenten wieder ein. Zu End« des Jahres erklärte Luther dem Jonas, daß die Pest jetzt gestorben und begraben sei. Aber auch im Unglück reifen herrlich« Früchte. In jener schwersten Zeit, die Luther bis Ende des Jahres 1527 durchzumachen hatte, entstand das gewaltigste seiner Lieder, das Schutz- und Trutz lied der evangelischen Kirche: „Ein feste Burg ist unser Gott". Seine große Ruhe unter den Schrecknissen und theils ein gebildeten, theil» wirklich«» Gefahren einer Seuche bewährte Luther auch wieder zwei Jahre später, 1529, als der „englische Schweiß" einen großen Theil von Deutschland in Angst der setzte. Es war eine gefährliche, rasch tödtende, mit erschöpfend«,» Schweiß und großer Angst verbunden« Fieberkrankheit. Luther erwähnt seit Anfang August schreckhafte Gerüchte vom Ausbruch dieser Epidemie. Ab«r er ließ sich von d«r Seuche nicht an fechten. Schon meinten auch viel« Wittenberger, von ihr befallen zu sein. Er dagegen warnte sehr, daß man nicht auS Ein bildung und Angst wirklich krank werde. Mehrere seiner Be kannten, darunter hochgest«lltr Männer, wie die Kanzler Drück und Beier, die schon schwitzend darnied«rlagen, trieb er gemeinsam mit anderen Freunden fast gewaltsam wieder heraus und sie lachten dann selbst über sich. Dem Hausmann erzählte er, wie er auch von einem nächtlichen Schweiß mit Beklemmungen be fallen worden sei und sich in ihm quälend« Gedanken erhoben hätten, die, wenn er ihmn nachgegeben hätte, wohl im Stande gewesen wären, ihn aufs Krankenlager zu werfen. „Im Unglück erst bewährt sich Männerkraft", und von w«m gälte die» mehr, als von unserem felsenfesten Reformator Luther. vr. v.
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