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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000203028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900020302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900020302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Reklamen unter demRedactionSstrich (4ge- spalten) 50A, vor den Familiennachrichten (6gespalten) 40-^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-Veilagc» (gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung .^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: BormittagS 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag; 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. St. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Februar. Ein noch unbekannter und wahrscheinlich unbekannt bleibender Jemand bat sich bekanntlich in dem auf Bundes- ratbsbeschluß abgelaufenen 19. Jahrhundert erlaubt, eine sehr wesentliche Äendcrung in dem Berichte vorznnehmen, den die Stenographen des Reichstags über eine Äcußerung deS Präsidenten ausgenommen hatten. Aber daS mar im vorigen Jahrhundert; im neuen wird etwas Der artiges wohl nicht mehr Vorkommen. Und wenn auch wirklich der Jemand, der dem Paderborner „West fälischen Bolksblatte" den „Wortlaut" der von dem neuen Erzbischof von Köln am Geburtstage deS Kaisers gehaltenen Tafelrede übermittelt hat, sich erlaubt haben sollte, in dem Stenogramm dieser Rede nach bewährtem Muster eine recht bedeutende Äendcrung vorznnebmeu, so würde eS dennoch undenkbar sein, daß das ursprüngliche Stenogramm dem vorgestern von uns mitgetheiltcn Berichte der „Rhein.- Westf. Zig." ähnlicher wäre, als dem in unserem heutigen Morgenblatte wiedergegebenen Berichte des klerikalen Paderborner Blattes. Letzterer Bericht ist der ge nauere. Jedenfalls hat der Gewährsmann des Essener Blattes die ihm von einem schlechten Hörer gemachte Mil- tbeilung nach seinen eignen Wünschen ausgestaltet und bat Erzbischof Or. Simar die Flottenvvrlage in seiner Rede nicht berührt und sich mit der Andeutung begnügt, er schließe sich für seine Person dem Streite der Meinungen darüber, ob die politischen Pläne des Kaisers zu hoch gesteckt seien und dem Volke zu weittragende Aufgaben stellen, nicht an. Der Stein, der beim Bekanntwerden de-Z „Berichtes" der „Nhein.- Westf. Ztg." den klerikalen Blättern schwer aufs Herz ge fallen war, ist nun auf das des Gewährsmannes des Essener- Blattes gewälzt, dem der Vorwurf nicht erspart werden wird, er habe imZnteresse der Flotteuverstärkung eine regelrechte Fälschung begangen. — Wie die Rede deS Kölner Erzbischofs mit der Flottenverstärkung nichts zu thun bat, so hat, wie mau beute ans der „Kreuzztg." erfährt, daS Verhalten deS Evangelische» LbcrkirchcnrathS in Berlin gegenüber der deutschen evan gelischen Gemeinde in Nom mit der Haltung der klerikalen Blätter überhaupt oder gar mit der Stellung dieser Blätter zur Flottensrage nichts zu thun. Ja nicht einmal die Behauptung der „Tägl. Rund sch.", Pastor Brüssau sei vor die Wahl gestellt worden, entweder die Gemeinde zu verlassen, oder als Geistlicher einer „Seele" aus dem kirch lichen Verbände auszuscheiden, ist richtig. Die „Kreuzztg." erklärt nämlich: „Auf Grund wiederholt von uns eingezogencr eingehender Er kundigungen können wir nunmehr mitthcilen, daß diese Meldung der „Täglichen Rundschau" unzutreffend ist. Weder ist Pastor Brüssau vom Evangelischen Ober-Kirchenrath vor die Wahl gestellt lvorden: „entweder die Gemeinde zu verlassen, oder als Geistlicher einer „Secte" aus dem kirchlichen Verbände auszuscheiden", noch hat der Evangelische Ober-Kirchenrath überhaupt das Wort „Secte" ge braucht; je nach Lage der Dinge hat er cs rechtlich überhaupt nicht brauchen können. Die Bildung einer eigenen deutschen evangelischen Gemeinde in Rom, wie der Fortgang der ganzen Angelegenheit stand vor einer ersprießlichen Erledigung, als durch augenscheinlich überhasteten Ankauf deS betreffenden Grundstückes für einen Kirchenbau ein der Sache nicht dienlicher Zwiespalt unter die evangelischen Deutschen in Rom getragen worden. Im Hinblick auf diese Thatsache und auS der genauesten Kenniniß der Dinge heraus hat der Evangelische Ober-Kirchenrath an das Gewissen des Pastors Brüssau appellirt durch die Ucbernahme Les Pfarramts, seine Kräfte nicht einem Vorhaben zu widmen, „das in eine separatistische Bewegung auS münd en müsse". Wir sind ferner in dec Lage, erklären zu können, Laß für das Verhalten deS Evangelischen Ober» KircheuratheS irgendwelche politische Rücksichten — ganz besonders nicht solche auf die Ceutrumpartei — nicht mitgesprochen haben, vielmehr für ihn lediglich der Gesichtspunkt maßgebend gewesen ist, im Sinne des einstimmigen Beschlusses der GeneralsynoLe von 1897 die Bildung einer deutschen evangelischen Gemeinde in Rom thnulichst bald zu fördern. Aller dings war dabei die Richtschnur: erst die Gemeinde, dann der Kirchbau. Endlich können wir noch mittheilen, daß Pfarrer Brüssau gestern in Berlin war und mit tem Vice-PräsiLeuten des Evangelischen Lber-KirchcnrathcS, Propst v. Frhrn. v. d. Goltz, eine Unter- re-ung gehabt hat. Tas Ergcbniß können wir nicht mittheilen; Loch wollen wir der Hoffnung Raum geben, daß die ganze Ange legenheit zu einem AuSgange gelangen möge, der einem Streite im eigenen Lager die Spitze abbricht, an dem Niemand mehr Freude hat als die Gegner der evangelischen Kirche." Nun also! Der Evangelische Kirchenrath in Berlin hat ebensowenig wic der Erzbischof Vv. Simar an die Beein flussung der Stimmung ter EentruinSpartei gedacht. Und sind auch die evangelischen Deutschen in Nom keine Seetircr, so sind sie an einem Vorhaben betheiligt, das in eine „separatistische Bewegung ausmünden müßte", und deshalb ist es ganz in der Ordnung, und wird cs den Feinden der evangelischen Kirche sicherlich keine Freude machen, daß dem Pastor Brüssau die Gewisseuspflicht klar gemacht worden ist, einem so gefährlichen Vorhaben feine Kräfte nicht zu widmen. Dir Organe deS Bundes der Lanöwirtlw, die „Bnndes- correspondenz" und die „Deutsche TagcSztg.", versichern, daß die „deutschen Landwirthe" — bescheidener thun sie es ja niemals — gegen die Flottcnverstärknng seien; es wird zu verstehen gegeben. Laß die Staatsmänner des Bundes gegenüber dieser Strömung ihren mächtigen Einfluß nur dann für die Flvttenvorlage werden einsctzen können, wenn die Ne gierung den Bundesforderungen Zugeständnisse mache. Die „BundeScorrespondenz" theilt aus einer Zuschrift eines nn- gcnannten rheinischen Landwirths folgende Sätze mit: Er verlangt entschiedenes Auftreten gegen die Flottenvorlage, bis die Regierung gezeigt habe, daß sie etwas für die LanLwirthschast nicht nur zu thun beabsichtige, sondern auch wirklich thue. „Wenn wir zu jeder Flottenvvrlage Ja und Amen agen auslauter.Patriotisinus, dann habe» wir daSHest aus Ler Handgegebe ».dann ist Tentschland mit einem Mal ein Industriestaat. Tie ganze Industrie geht brillant. Arbeiter sür die Landwirthschast giebt es dann keine mehr und Ausländer will die Negierung keine zur Genüge zulasscn. Wo ist dann nach 16 Jahren der königstreue Bauer, der die Flotte bewilligt hat?" Wenn unsere Reichsregierung sich immer dahinter verschanze, daß sie die abgeschlossenen Handels verträge nicht brechen könne, so läge die Sache doch so, daß wir Amerika gegenüber nicht gebunden wären, weil dieses seinerseits den Vertrag gebrochen. Ten Bereinigten Staaten gegenüber hätte die Regierung durch erhöhte Getreide-, Pferde- nnd Fleischconserven- zölle der deutschen Landwirthschast praktisch zu Hilfe kommen können Hier habe cs am guten Willen gefehlt. Und die „Deutsche TagcSztg." druckt an der Spitze des Blattes, wenn auch nicht als eigene Meinungsäußerung, so Loch als angebliches „Stimmungsbild" einen Artikel „Flotte oder (!) Landwirthschast" eines Herrn H. E. Bock zu Gr.-Brutz in Mecklenburg-Schwerin ab, worin cS heißt: „Dadurch, daß die deutsche Reichsregierung beabsichtigt, die Ernährung deS deutschen Volkes durch die vergrößerte Flotte sicher zu stellen, hat sie die Flvttenvorlage ihres nationalen Charakters entkleidet und sie zur wirthschaftS- politischcn Streitfrage von größter Bedeutung gemacht. Mit einer derartigen Begründung der Flottenvorlage hat die deutsche Reichs regierung de» nationalen Boden verlassen und sich zu einer gründ- und uferlosen Weltpolitik bekannt .... Die Be gründung der Flottenvvrlage läßt mit Sicherheit darauf schließen, daß die deutsche Reichsregierung nicht beabsichtigt, durch wirlhschastlichcn Schutz unserer landwirthschaftlichen Production eine derartige Preislage unserer landwirthschaftlichen Erzeugnisse hcrbcizusühren, die allein cZ ermöglichen kann, die deutsche Land wirthschast wiederum zur alleinigen Ernährerin dcs deutschen Volkes zu machen. Aufgabe der deutschen Reichsregierung wäre eZ gewesen, in der Begründung der Flottenvorlage in scharfer Weise gegen die von ihr ausgesprochene Ansicht, die Flotte solle die deutsche VolkScrnährnng sichern, Stellung zu nehmen. Hätte sie weiter durch Thalen bewiesen, daß sie die deutsche Landwirthschast zur alleinigen Ernährerin des deutschen Volkes wiederum zu machen gedenke, wozu ihr der Fleischbeschau-Gesetzentwurf Gelegenheit bot, so hätte sich mit ihr über die Bewilligung der Flottenvorlage verhandeln lassen; heute erscheint die Ablehnung geboten .. . Es handelt sich heute nicht mehr nm Flotte und Landwirthschast, sondern nur Flotte oder La ndwirthschast. Unseren Reichs boten aber rufe ich ein Vickcaut eoiisulos zu." Mau wird ja sehen, wie die Eonsuln v. Wangerrheiin und Iw. Nösicke sammt ihrem kleinen Gefolge im Reichstage sich verhalten werden. In einer gestern in Brünn abgehaltenen Versammlung der öentschen Vertrauensmänner Mährens erstattete der Abg. Groß den Bericht über die politische Lage, in welchem er nach einem Rückblick auf die Thätigkcit der vergangenen Ministerien ausführte, daß die Deutschen dem Ministerium Körber mit kühler Reserve gegenübcrstehen. Dasselbe könne auf die Unterstützung der Deutschen nur rechnen, wenn sie ans seinen Thaten erkannt hätten, daß cö wirklich nicht deutschfeindlich und nicht reichsfeindlich sei. Zweifellos sei die Verständigung zwischen Len Deutschen und den Tschechen, welche die Re gierung als erste Ausgabe sich gestellt habe, eine vitale Notl, Wendigkeit sür Oesterreich. Die Deutschen Oester reichs seien weit davon entfernt, die Unterdrückung des tschechischen Volkes und der tschechischen Sprache für Wünschens werth oder gar nothwendig zu halten, müßten aber ver langen, daß die Tschechen sich in LaS Gefüge des Gesammt- staateS cinpassen, die staatsrechtlichen Schwärmereien nnd nationalen Eroberungögelüste aufgeben und den Besitz stand der Deutschen achten, wie die Deutschen den ihrigen rcspectire n. Unter diesen Voraussetzungen könne an die Möglichkeit einer Verständigung gedacht werden. Zn formeller Beziehung sei die Betheiligung aller Parteien an der Verstand igungsconserenz wünschenswcrth und die Deutschen be dauerten auf daS Entschiedenste die ablehnende Haltung der Radikalen. Die bevorstehenden Verhandlungen müßten mit Offenheit und Aufrichtigkeit geführt werden und di Deutschen verhehlten sich nickt, daß die Aussichten au' ein günstiges Resultat für Mähren vielleicht noch ge ringer als für Böhmen seien, aber sie werden gewiß bemüli sein, dis Neckte des Volkes mit Festigkeit und Besonnenhc i zu wahren und Alles dazu beizutragen, um zu dem für d wirtbschaftliche Entwickelung des Vaterlandes so dringen« nothwendigen Frieden zu gelangen. Die Versammlung b: schloß nach dem mit Beifall ausgenommen«!! Referate ein: im Sinne dieser Ausführungen gehaltene Resolution. Der Krieg in Südafrika. —? Sir Nedvers Buller, der Oberstcommandirende in Natal, wellte nach seiner „siegreichen Flucht" über dcn Tugela den Schlüssel;nr Voercnstcllnng gefunden haben. Erschlossen hat er sie noch nicht. ES muß also etwas nickt in Ordnung sein, entweder am Schlüssel oder am Schlüsselloch. Augenscheinlich bezieht sich daS Wori Schlüssel auf die südlich vom Tugela liegende, von schwerem englischen Geschütz besetzte Höhenstellung Mount Alice, untre deren Schutz Buller östlich von PotgieterS Drift den Fluz: überschritten haben wird, um auf kürzerem Wege rascher in offenes Gelände zu gelangen und die feindliche Stellung im Rücken zu fassen hofft. AuS London, 1. Februar, wird unS über die geheimniß volle Schlüsselgeschichte geschrieben: Wieder schwirren heute Abend die uncontrolirbarstcn Gerüchte durch die Straßen, ohne daß eS möglich wäre, deren Ouelle festzustellen. Alle laufen darauf hinaus, daß General Buller den Tugela von Neuem überschritten habe und seit heute früh mit seinen ge lammten Truppen in einem verzweifelten Kampfe gegen fast unein nehmbare Stellungen der Boeren sick befände, während General White seinerseits einen äußersten Versuch mache, mit allen seinen leichten Truppen durchzubrechen und General Buller die Hand zu reichen. Es heißt sogar, White habe dabei fast seine gesammte Eavallerie opfern müssen, und selbstverständlich vorher seine schweren Geschütze zerstört und alle seine Vor- räthe vernichtet. Der einzige positive Anhalt, der für alle diese Angaben vorliegt, besteht in der Extraausgabe der „St. James Gazette". Offenbar stammt diese Nachricht aus einer Privatquelle, d. h. aus der Umgebung der Minister, des Kriegsamtes, oder sie basirt auf der Privatdepcsche eines bohen Osficiers an seine Angehörigen. Das wäre kein Grund an der Wahrheit der Nachricht zu zweifeln, ganz im Gegentheil! Tenn thatsächlich sind seit längerer Zeit bereits alle zuverlässigen Informationen auf einem dieser drei Wege erlangt worden mit Ausnahme jener beschränkten Hahl von Kabeln, welche unter dem Deckmantel einer kaufmännischen Adresse in verabredeter Sprache eingingeu. Aber eS ist auch möglich, daß alle diese Gerüchte lediglich der Reflex der erregten öffentlichen Meinung einerseits und der daS Datum des letzten Sonntags tragenden Depeschen der „Morniug Post" und des „Manchester Gnardianö" sind. Ersterer kabelte Churchill: „Man braucht um Ladysmith keine directen Sorgen zu haben? Obwohl die Cavallerie- pferde voraussichtlich leiden werden, Männer wie White, Hunter und Hamilton werden niemals capituliren. General Buller setzt seine Anstrengungen fort. Alles wird schließlich gut ausgeheu, Niemand ist niedergeschlagen, da alle darüber »8s Die ganze Hand. Roman von Hans Hopfen. Nachdruck vkrLctru. War's denn möglich, daß solche Leidenschaft sterben konnte, so lange die Beiden, die sic einander nährten, «och athmeten? War'S möglich, daß solch' eine Zuneigung, solch' ein Zusammen gehören plötzlich ausgelöscht sein sollt«, wie ein unbegreiflicher Jrrthum zweier Thoren? Konnten sie Beide die acht glücklichsten Jahre ihres Daseins wegwischen, wie man mit einem Schwamm über brüchig« Kreidestrichc fährt, mit denen ein Kind eine falsche Rechnung an die Tafel gemalt hat? Da, da ist sie wieder rein und leer und nüchtern und schwarz die Tafel, und so nichtssagend, daß es Einen erbarmen könnte. Aber es ist so, es muß so sein. Das Licht malte die weißen Vorhänge von Nanda's Fenstern so grell und gleißend, so frech und höhnisch in die Nacht hinaus, daß ihm übel ward. Wie lange stand er denn schon hier und paßte, ob der Andere ging? Wie lange will der Mir denn noch bleiben? Wie lange will der Junge denn noch warten? Was hat er denn noch zu warten? Geh' doch? Er versuchte es. Er vermochte es nicht. Noch nicht. Aber zum ersten Male in allen seinen Tagen malte er sich ein Leben ohne Nanda aus. Ganz ohne sie. War das möglich? Es mußte möglich sein. Alles war möglich. Und Alles war er träglicher, als dies Gefühl der Erbärmlichkeit weiter, denn die Straße war, zu tragen, das Gefühl, das ihn von allen Gipfeln stürzen wollte, darauf er in ernster, innerer Arbeit den Menschen Immanuel gehoben hatte. Sich sewst verlieren, um ein Weib zu behalten, das nicht mehr ihm allein gehörte? Nein? Das war bas Urteil, ein Tovesuriheil! X. „Was nur das Fräulein von Wesselbrunu heute hat?" sagte die Wartefrau zur Schwimmlehrerin im Mmiralsgartenbade, wo auch im Winter ein breites Bassin Freunden des Schwimm sports zur Verfügung steht und dcn Damen von elf bis ein Uhr vovbehalten bleibt. „Sie kann sich heute gar nicht reine genug kriegen. Sie pritschelt nun schon über eine Stunde im Wasser herum und macht den Kopfsprung zum zwanzigsten Mal. Das müßte ja einen Packknecht ruiniren." Und zu der Schwimm- lchrerin gewandt, rief sie: „Gnäd'jes Fräulein, es muß Allens 'n Ende haben. Doch die Damenstunde. Sie haben nur mehr knapp Zeit, sich umzukleiden."' Das schöne Weib stieg triefend und zähneklappernd aus dem Bassin und ließ sich in den wolligen Bademantel einhüllen. Es zitterte am ganzen Leib und war blaß bis in die Lippen. „Wenn Sie sich nur nicht erkältet haben. Wer wird aber auch so lange im Wasser bleiben."- „Jch wollt', ich könnte mich in Feuer baden", sagte Nanda schlotternd für sich hin. „Det können nur die armen Seelen im Fegefeuer!" rief lachend und frottirend die Badefrau. „Det haben gnäd'jes Fräulein nich nothwendig. Und Sie haben ja ooch so Ville Feuer in sich." Die Masseuse glaubte einen Witz gemacht zu haben und be lohnte sich init Gelächter. Dann war sie emsig beflissen, dem freundlichen Badegast ein Kleidungsstück nach dem anderen zu reichen, denn es war in der Thai höchste Zeit. Die auf ihre Stunde vor der Thüre wartenden Herren forderten Einlaß, und Nanda kam allein mit den klammen Fingern nicht rasch genug zu Stande. Mit dem Glockenschlag Eins war sie nun doch fertig und trat, wenn auch als lange die Letzte, auf den Gang hinaus. Und die Ungeduldigsten des stärkeren Geschlechts hatten nur freudige Blicke für die schöne Erscheinung. Sie machten ohne Eoin- mando Spalier, als sie vorüberging. Nanda sah in den Micken der Männer, daß sie gefiel nnd mehr als Andere gefiel. Vielleicht wär' ihr's ein andermal dreist und lästig erschienen. Heute freute sie's, heute war ihr diese Beobachtung wie ein Trost. Sie hätte heute an jedem Menschen die Macht ihrer Schönheit erproben mögen. Gefiel sie Allen, so gefiel sie doch auch ihm — dem heißgeliebten Narren, der ihr gestern, dem sie gestern so weh gethan hatte. Ach was, so lange es Liebesleute auf der Welt giebt, haben diese sich auch gezankt und gekabbelt. Ist doch nichts Süßeres, als nach solch' luftreinigendem Donnerwetter sich wieder versöhnt in die Arme gu fallen, als wäre man einander von Neuem ge schenkt worden, und Leidenschaft und Wonne schmecken noch einmal so schön. Auch er, der wilde Narr, sollte ihr von Neuem geschenkt werden. Doch es war ja gar nicht denkbar, daß er ihr überhaupt auch nur einen Tag verloren gewesen sein sollte. Unsinn. Man bricht doch nicht nach acht Jahren, nach solchen acht Jahren. Man bricht überhaupt nicht mit Nanda von Wcsselbrunn. Man ist heilfroh und lobt Gott den Herrn, wenn sie nicht mit Einem bricht. Und ihr Immanuel, ihr Eins und Alles, ihr Schatz, ihr Mann, ihr Gott, er ihr verloren sein und bleiben? Das ist ein fach unmöglich. Sie wird ihm Kopf und Herz schon zurechtsetzen. Sie muß und sie wird's. Sie hat ihm heute in aller Frühe schon einen Rohrpostbrief geschickt, ganz kurz und bündig, ohne Klagen, ohne Liebes erklärung, nichts, als daß er sie heute Nachmittag um 2 Uhr bei sich erwarte, da sie mit ihm nothwendiger Weise sprechen müsse. Nun fuhr sie heim, um sich zu stärken nach dem anstrengenden Bad«, um sich zu schmücken, um sich schön zu machen. Wenn sie's drauf anlegte, Einem sehr zu ge fallen, wenn sie's mit festem Willen darauf anlcgte, Einen toll zu machen, müßt' es doch merkwürdig zugehen, wenn der widerstehen sollte, und gerade der widerstchen, auf welchen ihre Reize mit vollem Siege und Segen zu wirken gewohnt waren. „Vorwärts, Kutscher, nicht so träge!" Ach, die Zeit ward ihr laug, bis sie sich wieder in die Arme schmiegen durfte, an dcn Hals, an die Brust, wo sie allein daheim und glücklich geborgen war. Aber sie übereilte nichts und stand vor ihrem Spiegel wie ein Feldherr über dem Aufmarsch seiner Truppen vor der Schlacht. Sie hatte doch einen Verbündeten uns Berräther im jenseitigen Lager? Ach, und was für «inen süßen Spion: ihres Jmmanucl's Herz. Der Sieg mußte ihr werden. Sie wußte, wie er sie gerne sah, wie sie das Haar aufstecken und den Hals umrahmen, was sie für Farben wählen und wic sie das Hütchen aufsetzen mußte, um ihm zu gefallen. Ei, das sollt« Augen machen, das widerborstige Männchen, der gelehrte Principienreiter, das grübelnde Genie, der dumme, liebe Junge, der —! Nicht immer, aber heule war sie mit ihrer Leistung zu frieden, und also trat sie vom Spiegel zurück. Oft, wenn er sie betrachtet hatte, wie sic aus alten Fähnchen sich, wer weist zum wievielten Male, ein Gesellschaftskleid mit Mühe und Noty zusammengebastelt und in dieser anmuthigen Armseligkeit mehr gefallen hatte, als die Anderen mit ihren theuren Roben von modischen Schneiderinnen aus Frankfurt oder Wien, oft hatte Winkler bewundert) zu ihr gesagt: .Tu bist eben auch darin eine Künstlerin und stellst Dich hin wie ein Bild, wie ein voll endens Kunstwerk." Nun, beute galt es, ihre Kunst auszu- pcotxn. heute galt es ihr Meisterstück: dar Glück ihres aanien Lebens. . . Denn ohne ihn gaü's für sie kein Glück. Das hatte sie klar erkannt in dieser Nacht der Thränen .... Immanuel Winkler war wie zerschlagen von der heftigen Gemüth-bewegung des letzten Abends und von dem Bewußtsein, daß das wunderbare Weib, das er über Alles geliebt, daß das hohe, heimliche Glück, das seinem mühevollen und bis heute dock so erfolglosen armseligen Leben Glanz und Freude die Fülle ge geben hatte, für ihn unwiederbringlich verloren war. Er konnte sich kaum von einem Ende seines Stübchens zum anderen schleppen und wäre am liebsten, ohne sich zu regen, ohne zu denken, dumpf hinbrütend in seinem Bette liegen geblieben, wenn der Brief Nanda's ihn nicht genöthigt hätte, auf ihren Besuch gefaßt zu sein. Und nicht nur von der Einstgeliebten drohte die erneut« An fechtung; in seinem eigensten Wesen erstand ihm ein böser Dränger. Dir Erinnerung an alle Freuden dieser Jahre und sein begehrliches Blut bestürmten ihn unter dem Scheine über legener Klugheit. Warum willst Du ein Narr sein und weg- werfen, was Dir doch unentbehrlich ist, wegwerfen, weil sein ad- solutrr Werth in Deiner Idee etwas gemindert ist? Wenn sie Dir morgen so, wie sie nun einmal ist, als die Freundin Don Peoro's zum ersten Male im Leben begegnete, würdest du nicht Kopf und Kragen daran setzen, dem Ulten das reizende Weib ab- gujagen und dich beglückt preisen? Weil du nickt mehr so reich bist an Liebe, wie zuvor, willst du dein ganzes Besitzthum dem Verluste nachwerfen? Sie bat in den langen Jahren doch Dank barkeit verdient; willst du sie nun elend und ganz unglücklich machen, indem du sie schnöde von dir weisest, die Arme, die doch nur aus Kindespflickt sich in den wahrbaft tragischen Conflict begtbeii hat? Aber Immanuel bändigte die Vevsuchung. Nein, was die Begierde rieth, war nicht möglich. Bei jeder Anderen, ja, bet Dieser nichl. Sic war ihm, seit er über Mann und Weib nach- dachte, das Höchste, das Vollkommene, daS Vollendete, das Weib, sein Weib gewesen. Nun ein kaum sichtbares Fleckchen den De manten entstellte, mochte der für Tausende noch kostbar und üe- gehrenswerth scheinen, sein Kronjuwel war er nicht mehr. So hatte Winkler den Ansturm in Gedanken bereits abge^ schlagen, als Nansa, strahlend in Schönheit, über seine Schwelle trat. Der Anblick des sieghaften, streitgerüsteten Weibes er bitterte ibn mebr, als daß es seinen Entschluß sänftizte. Sie saß vor ihm und küßte die harte Faust, die zwischen streu kosenden Händen auf dem Schreibtische lag, auch Tbränen fielen zwischen die Küsse auf die Faust hinab. „Warum quälst Tn mich?" sprach er. „Du glaubst, daß eS
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