Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.06.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020614017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902061401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902061401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-14
- Monat1902-06
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug--Preis t» de, Hauptexpeditiou oder de» tm Stadt- bezirk and dea Bororten errichtete» An» gabestelleu abgeholtr vierteljährlich 4.50, — zweimalt-e, täglicher Lustellung tu« Hau» S.S0. Lurch di» Post bezogen für Deutschland «. Österreich vierteljährlich ^ss«, für di« übrige» Länder lant Zeit»»giprri»ltp» tzedactioa und Erpeditio«: IohanntSgasse 8. Fernsprecher ISS u»d SSL Filialevpeditt»«»« » Alfred Hahn, Buchhaudlg„ Uaiv«rsitLt-str.S, L. Lösche, Katharinenstr. 14, ». KünigSpl. 7. Haupt-Filiale Vre-Len: Strehlenerstrab« 8. Fernsprecher Amt I Nr. 171«. Haupt-Filiale Serli«: Königgrätzerstraße IIS. Fernsprecher «ml VI Nr. SÜSS. Morgen-Ausgabe. WpMrr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes im- N-lizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Stnzeigen Preis die 6gespaltene Petitzeile 2S H. Rerlamea unter demRedactionSstrich (4 gespalten) 75 vor de« Famlltenumtz- richteu (S gespalten) SV H. Tabellarischer und Zifferusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertrnannayme LS (excl. Porto). «rtra-veilagea (gesalzt), »»r mit der Morgea-Au-aab«, oh»e Popbefürderung vv,-> mit Postbesördrrnug 7V.—» Ännahmrschluß fSr Ä,uzeizeu: Abend-Ausgabe: Vormittags iS Uhr. Marge».Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Aazeigm sind stet« a» die Expedition zu richte». Di« Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh S bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von S. Pol» in Leipzig. Nr. 297. Sonnabend den 14. Juni 1902. 98. Jahrgang. Kündigungsfristen. vr. L. Diejenigen Verträge, welche bezwecken. Jemand die Benutzung einer fremden Sache, fremden Geldes, fremder Wvhnräume oder Grundstücke oder fremder Arbeitskraft zu verschaffen, pflegen nicht für die Lebens dauer des Berechtigten oder Verpflichteten abgeschlossen zu werden, sondern nur sür eine gewisse Zeit fest. Nach deren Ablauf dauert da» Verhültnttz nur fort, wenn nicht von der einen oder anderen «eite eine Aufkündigung erfolgt. Oft wird der Vertrag von vornherein nur auf Kündigung abgeschlossen, so baß letztere sofort nach, ja sogar schon vor Beginn des Mieth- oder Dienstverhält nisses zulässig ist. Habe ich z. B. eine Wohnung^ge- mtethet und ist nur der Tag meines Einzuges in die Woh nung vereinbart, mit keiner Silbe aber die Rede gewesen von der Dauer der Mtethszeit, so hat der Vermtether die gesetzliche vierteljährliche Kündigung. Er kann mich also spätestens am dritten Werktage jedes Viertel- jahreS, also z. B. am 8. Juli 1902, 8. October 1902, 5. Januar 1908 (der 1. Januar ist ein Festtag, der 4. Januar ein Sonntag), kündigen, ebenso wie ich ihm kündigen kann. Handelt es sich nicht um eine größere Wohnung, für die bas Mtethsgeld im Jahres- oder auch Vierteljahrcsbetrage vereinbart ist, sondern ist ver- einbart, wie viel ich Miethe monatlich zu zahlen habe, ein Kall, -er nicht nur bet möblirten Zimmern, sondern auch bet kleinen Wohnungen vielfach üblich ist, so hat das zur Folge, daß, wenn nichts Anderes vereinbart ist, die Kündigung jeden Monat zum letzten Tage desselben er folgen kann. Sie hat spätestens am 15. des Monats zu ge schehen. Ist der Mtethzins gar nach Wochen bemessen, so ist die Kündigung für -en Schluß der Woche, b. h. für jeden Sonnabend, zulässig. Sie muß spätestens am Montag erfolgen. Ist ein Grundstück oder ein Wohnraum gor tageweise gemtethet, so kann die Kündigung an jedem Tage für den folgenden Tag erfolgen. Bei der Miethe beweglicher Sachen, z. B. eines Ptaninos, eines Fahrrades, von Möbeln und sonstigen Wohnungs ausstattungen, Locomobilen, Motoren, muß die Kün digung gesetzlich spätestens am dritten Tage vor dem Tage erfolgen, an dem das Miethsvcrhältniß endigen soll. Für die Kündigung ist eine Form im Gesetz nicht vor. geschrieben, sie kann also mündlich wie schriftlich erfolgen. Da an die Kündigung Rechtswirkungen geknüpft werden, fo muß allerdings Derjenige, welcher kündigt, darauf bc- -acht sein, daß er die geschehene Kündigung, falls sie von der anderen Seite bestritten werden sollte, auch beweisen kann. Deshalb empfiehlt es sich, wenn man ein Ab leugnen zu befürchten hat, eine mündliche Kündigung nur im Beisein von Zeugen auszusprechen oder die schriftliche Kündigung durch eingeschriebenen Brief zu machen. Die erwähnte gesetzliche Kündigung kommt nach dem Willen des Gesetzgebers auch in einigen Fällen zur An wendung entgegen der Vereinbarung der Parteien. Stirbt ein Mtclher, so ist sowohl sein Erbe, als auch der Bcrmiether berechtigt, ohne Rücksicht auf die noch laufende Dauer der Micthszeit die Miethe unter Ein haltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Desgleichen kann ein Beamter, Geistlicher, Staats- oder Gemeinde lehrer, eine Militärpcrson im Falle der Versetzung, die Miethe unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. In beiden Fällen muß die Kündigung aber gleich sür den ersten Termin erfolgen, für den sic zulässig ist. Eine zweite Gruppe von Verträgen, in welchen die Frist der Kündigung eine sehr bedeutsame Rolle spielt und oft die einzige Vorschrift des Gesetzes ist, für welche sich die Bethciligtcn interessircn, sind die Dienstverträge sowohl der geistigen, als auch der körperlichen Arbeiter. Das Bürgerliche Gesetzbuch macht zwischen beiden Gruppen keinen grundsätzlichen Unterschied, mit -er einzigen Aus nahme, daß das Dienstverhältnis, -er mit festen Bezügen zur Leistung von „Diensten höherer Art" Angestellten, deren Erwerbsthätigkeit durch das Dicnstverhältniß voll ständig oder hauptsächlich in Anspruch genommen wird, nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrcs und nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen (daS sind nicht l!4 Monat, sondern genau zurückzuzählende 42 Tage) gekündigt werden kann, einerlei, ob die Ver- gütung jährlich, vierteljährlich oder gar nur monatlich fest gesetzt sein sollte. Als Beispiel für solche Angestellte führt das Gesetz an: Lehrer, Erzieher, Privatbeamte, Gesell, schafterinnen. Von diesen höheren Angestellten abgesehen, gilt die Regel, daß die Kündigungsfrist sich danach richtet, für welche Zeit das Gehalt oder der Lohn vereinbart ist. Ist er nach Tagen bemessen, so ist die Kündigung an jedem Tage zu dem folgenden Tage zulässig. Ist ein Wochenlohn vereinbart, so kann die Kündigung an jedem Montag spätestens zum Sonnabend erfolgen. Ist er monatlich festgesetzt, so ist die Kündigung nur für das Ende eines Kalendcrmonats, spätestens am 15. des Monats, zulässig. Ist die Vergütung nach Vierteljahren oder längeren Ab schnitten bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrcs und nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zulässig. Ist ein dauerndes Dicnstverhältniß mit festen Bezügen nicht ver- einbart und handelt es sich um Dienste „höherer Art", die auf Grund „besonderen Vertrauens" übertragen zu werden pflegen — z. B. einen Arzt, Rechtsanwalt, Künstler, Lehrer —, so kann die Kündigung täglich ohne Angabe des Grundes beiderseits erfolgen, jedoch darf der Verpflichtete ohne wichtigen Grund nur in der Art kündigen, daß der Berechtigte sich die Dienste anderweit beschaffen kann. Neben diesen Vorschriften deS Bürgerlichen Gesetz buches sind aber in Kraft geblieben die Vorschriften -er Sondergesetze für einzelne Bcrufsgruvpen. So bleibt e» bei der Vorschrift des Handelsgesetzbuches, wonach Hand lungsgehilfen gesetzlich nur zum Schlüsse deS Kalendervierteljahrcs nach vorhergegangener sechs- wöchiger Kündigung gekündigt werden können. Wirb durch Vertrag eine kürzere ober längere Kündigungsfrist bedungen, so muß sie für beide Theile gleich sein; sie darf nicht weniger als einen Monat betragen; die Kündigung kann auch nur für den Schluß eine- Kalendermonat- zu gelassen werden. Eine gleiche gesetzliche Kündigungsfrist haben die in gewerblichen Betrieben angestellten Be- amten, also nicht nur die Directoren und Ingenieure, sondern auch die Maschinen- und Bautcchniker, die Chemiker, Zeichner und dergleichen, die Werkmeister un ähnliche Angestellte. Die im Handwerk augestellteu Ge sellen haben ebenso wie die Arbeiter in Fabriken gesetzlich vierzehntägige Kündigung, welche täglich von beiden Thcilen ausgesprochen werden kann, also z. B. jeden Dienstag, Mittwoch, zu dem zweiten folgenden Dienstag oder Mittwoch. Abgesehen von diesen reichs rechtlichen Sondcrvorschrtften enthalten die Gesetze der einzelnen Bundesstaaten noch Tonder'vvrschriften, ins besondere für die Staats- und Gemeindebcamten, die in der Regel nicht gekündigt werden, aber ihrerseits jederzeit kündigen können, sowie für die Bergarbeiter. Für alle Personen, für welche besondere Vorschriften nicht bestehen, also in der Regel für die nur dtatarisch von den Behörden beschäftigten Personen, für die zahlreichen in Privatbetrieben angestellten Bureaubeamtcn, für die landwirthschaftlichcn Arbeiter gelten, wenn nicht ander- weite Vereinbarungen erfolgt sind, die oben mitgctheiltcn Vorschriften deS Bürgerlichen Gesetzbuches. Es ist sehr dankenSwerth, daß das Bürgerliche Gesetzbuch die außer ordentlich häufigen Zweifel über die Kündigungsfristen bei Arveitsverträgcn durch die obigen Vorschriften größtentheils beseitigt hat. Zum Schluß ist noch eine fernere neue Vorschrift zu er wähnen, nämlich die Einführung einer gesetzlichen Kün digungsfrist bet Darlehen. Diese werden nicht selten ohne Vereinbarung einer Rückzahlungsfrist gegeben. ES wird nun bestimmt, daß in solchen Fällen die gesetzliche Kündigungsfrist bet Darlehen von mehr als MO drei Monate, bei geringeren Darlehen einen Monat be tragen soll. Der Friedensschluß. Zur bevorstehenden Amncstirung erklärt „Daily Expreß", es sei kein Grund zu der An nahme vorhanden, daß anläßlich der Krönungsfeier eine allgemeine Amncstirung der Boeren erfolgen werde. Lord Kitchcncr und Str Milner seien beauftragt worden, eine größere Anzahl von früher Verurtheiltcn der königlichen Gnade zu empfehlen; aber immerhin könne dies nur ein kleiner Theil der früher Verurtheiltcn sein, und noch weniger sei an eine Amncstirung der noch nicht Abgcurthciltcn zu denken. Dies schließe jedoch nicht aus, daß späterhin einer größeren Anzahl der Rebellen die Strafe theilweisc nachgelassen werde. Die Frage des boercnstaatlichen Bürgerrechtes. Unterrichtete Personen in London versichern, daß die jenigen in Gefangenschaft befindlichen Burghers, welche nach dem Friedcnsprotokoll Anspruch auf freie Rückbeför derung nach Südafrika erheben, das Bürgerrecht in einem der beiden Boercnstaatcn mindestens fünf Jahre vor Ausbruch des Krieges erworben haben müssen. Set das Bürgerrecht erst später erworben, so solle von Fall zu Fall entschieden werden; im Allgemeinen werde je doch die Rückbeförderung abgelehnt werden. In keinem Falle aber dürfe eine Bürgerrechtsvcrleihung, die nach dem Beginn des Krieges erfolgt sei, anerkannt werden. Die Ausländer bei der Wasfeustreckung. Aus gleicher Quelle erfahren mir, daß bet der jetzigen Waffcnstreckung der noch im Felde stehenden Boeren sämmtltche Ausländer den Ausweisungsbefehl er halten werden. Man wird diesen Personen eine gewisse Frist setzen, binnen welcher sie entweder auf eigene Kosten ober mit Unterstützung ihrer Consuln Südafrika verlassen müssen. Geschieht dies nicht, so sollen die Betreffenden nach einer außerafrikanischen Colo nie Eng lands gebracht werden. Eine Rückbeförderung dieser Ausländer nach ihrem Heimathslande auf Kosten Eng lands werde nicht stattfindcn. Unterstützungsfonds sür die vormaligen englische« Flüchtlinge. Die Regierungen der Capcolonie und Natals haben in London dringliche Vorstellungen dahingehend erhoben, daß die bei Beginn des Krieges aus Transvaal geflüchteten „Uitlanders" entweder aus dem für Wiedererrichtung der Heimstätten bewilligten Fonds ebenfalls unterstützt wür den, oder daß für diese ein besonderer Fonds geschaffen werbe. Sollten die Gclduntcrstützungen nur den Feinden zu gute kommen, während die loyalen, von den Boeren ver folgten Engländer leer ausgingen, so werde die Stimmung der britischen Bevölkerung in ganz Südafrika eine sehr erbitterte werden, die sich auch in entsprechen den Thaten kundgeben wer Le. * Pret»ria, 11. Juni. Bis heute ergaben sich 11022 Mann. Deutsches Reich. ID Berlin, 13. Joni. (Der Pudel des Reichs kanzlers) De« Reichskanzlers Pudel ist jüngst von einem Pfälzer „Krischer", dem Bauer Groß, auf einer Versamm lung der südwestdeutschen Abtheilunzen deS Bundes der Land- wirthe zum Gegenstand politischer Betrachtung gemacht worden. »Den Unnerschied zwischen Bismarck und Bülow", so sprach Bauer Groß, „sieht mer schon am Hund. Den Bismarck sei Hund, des ischt «deutsche Dogg gewese, die ischt gestand« wir a deutsche Eich... der annere isckt ä englischer Pudel, der werd geschore, wie wir von dene Englänner. DaS läßt tief blicke." — Diese» Keulenschlages gegen die „Eng- ländern" de» Reichskanzler» hat kurz vor dem Reichstags- schluß ein Parlamentarier in einer Unterhaltung mit dem Grafen Bülow gedacht. Wie wir authentisch erfahren, hat Gras Bülow hierauf sehr vergnügt erwidert: „Unsinn! r» ist ein ehrlicher deutscher Pudel. Geschoren muß er allerdings werden!" — Die nationale Voraus setzung kür die Aussöhnung de» Bauer» Groß mit dem Pudel des Reich«kanzler» ist also vorhanden. Bermuthlich aber kommt e» dazu nicht: eineStheil» vielleicht deswegen, weil Bauer Groß ein geschworener Feind alles „Geschorenen" ist; anderentheilS sicherlich so lange nicht, als der Herr deS Pudels — den 7,50-Mark-Zoll verwirft. --- Berlin, 13. Juni. (Zur Reichstagsersatzwahl in Bayreuth.) Da es dem Bunde der Lanowirthe ge glückt ist, bei der LandtagSwahl in Bayreuth zu siegen, wenn auch freilich erst nach sünf Wahlgängen in der Stich wahl, so muß man eS wohl als gewiß ansehen, daß sie an der bereits von ihnen ausgestellten Candidalur Fcustel für die ReichötagSersatzwahl sesthalten werden. Freilich sollte sich der Bund darüber klar sein, daß seine Aussichten bei der Reichstagsersatzwahl sehr viel ge ringer sind, da die ländliche Wählerschaft dabei nicht derselben Controle unterworfen ist, wie bei der Land- tagSwahl. Die letzten Wablen haben aber den Beweis ge liefert, daß ein stattlicher Theil der ländlichen Wählerschaft den radicalcn Parteien angehört, denn in den kleinen Orten von weniger als 2000 Einwohnern wurden nahezu 4000 socialistische und fortschrittliche Stimmen abgegeben. Ge lingt es der freisinnigen Volkspartei, daS bei den letzten allgemeinen Wablen verloren gegangene Terrain auch nur einigermaßen zurückzuerobern, so könnte die Wahl einen sehr merkwürdigen und dem Bunde der Lanvwirthe höchst fatalen AuSzang nehmen. Wenn nämlich die bei den vorigen allgemeinen Wahlen auf den nationalliberalen Caubidalen gefallenen Stimmen sich zu gleiche» Theilen zwischen den Nationalliberalen und den Bund vertheilen würden, so würde jede dieser Parteien nur etwa 3200 Stimmen erhalten und eS wäre dann möglich, daß die Frei sinnigen, die 1893 noch 3700 Stimmen erlangten, mit dem Socialkemokraten, der 1898 auf Uber 4000 Stimmen kam, in die Stichwahl gelangten. Nun ist ja gerade dieses Er- gebniß nicht sehr wahrscheinlich, aber ob nun auch der uationalliberale oder der bündlerische Bewerber mit dem Socialdemokraten zur Stichwahl kommt, so sind die Aus sichten des letzteren durch die Zersplitterung der rechtsstehenden Parteien zweifellos gebessert. * Berlin, 18. Juni. (DerAblaufderjetzigen Legislaturperide desReichstages.) Mehrere Blätter drucken die Mttthetlung eines parlamentarischen Korrespondenten ab, „die weit verbreitete Meinung, daß die Legislaturperiode des jetzigen Reichstages am 14. Juni abläuft, weil die Wahlen am 15. Juni 1898 ftattgesunden haben", sei streitig, und geben auch der weiteren Aus- sührung desselben Berichterstatters Raum: Unter dieser Voraussetzung (nämlich der angeblich „strei tigen") ist an einer Fertigstellung des Zoll tarif c s in der laufenden Legislaturperiode vielfach gezweifelt worden. Auch in Rcichstagskrcisen ist diese Frage natürlich be sonders in den letzten Tagen lebhaft erörtert worden. Wie wir hören, ist nun von sehrmatzgebcnderSeite erklärt worden, daß die Regierung die Meinung vertrete, die Legis laturperiode gehe nicht mit dem Tage vor den Hauptwahlen, sondern erst mit dem Tage vor der Einberufung desReichstages zu Ende. Einberufcn ist dieser Reichs tag am 6. Dccembcr 1898 worden. Die Legislaturperiode würde nach dieser Auffassung erst mit dem 5. Dcccmber 1903 zu Ende gehen. Für die Verabschiedung des Zoll- tarifcs wären damit Monate gewonnen und darin liegt die praktische Seite der ganzen, im Ucbrigcn noch recht streitigen staatsrechtlichen Frage. Mit Recht bemerkt hierzu die „Nat.-Ztg.": Die Frage ist im Reiche durchaus nicht streitig. In Preußen ist sie es allerdings dadurch geworden, daß die Regierung in früherer Zeit mehrmals nach der Auffassung gehandelt hat, der Beginn der Legislaturperiode sei von der Eröffnung der ersten Session an zu rechnen, und daß der Landtag dies ohne rechtzeitigen Einspruch hingehcn ließ. Doch auch das ist lange her. Im Reiche dagegen hat niemals eine andere Auffassung gegolten, als daß die Legislaturperiode vom Tage der allgemeinen Wahlen an zu rechnen ist. Laband, der in seinem Staatsrecht des deutschen Reiches alle Controvcrsen erörtert, weiß von einer „strei tigen" Frage betreffs der Legislaturperiode so gar nichts, daß er in einer Anmerkung lediglich sagt: „Die Frist (nämlich für den Ablauf der Legislaturperiode) beginnt mit dem Tage der allgemeinen Wahlen." Wir können nicht glauben, daß man auf irgend einer „maßgebenden Seite" an den Versuch denkt, durch eine Interpretation, wie die er wähnte, die Legislaturperiode im Hinblick auf die Durch- berathung des Zolltarifs um ein halbes Jahr zu ver längern. Es wäre eine Bcrfafsungsverlctzung, auf die ohne Zweifel ein großer Theil der Neichstagsmitglieder durch die Erklärung, daß ihr Mandat erloschen sei, antworten würde, eine Verfassungsverletzung, welche alle aus Grund derselben gefaßten Beschlüsse ungiltig machen würde. Der Erfinder der „streitigen" Frage wird wohl an einer nichts weniger als „maßgebenden" Stelle zu suchen sein. (-) Berlin, 13. Juni. (Telegramm.) Der Kaiser hörte gestern Nachmittag den Vortrag deS General-Intendanten der Schauspiele, Grasen von Hochberg, und unternahm später mit der Kaiserin eine Ausfahrt. Zur Abendtafel bei dem Kaiserpaar um 8 Uhr waren geladen der kurz vorher eingetroffene Prinz Leopold von Bayern mit seinem Adjutanten Oberleutnant Fabre du Faure, der bayerische Gesandte Graf Lerchenfeld, der bayerische Generalmajor Frhr. von Endreß, Major Gramer, die Herren der öster reichischen Deputation, Major Graf Stürgkh, Major von Boni» vom Kaiser Franz-Regiment, ferner Reichskanzler Graf von Bülow und die Chefs deS Civil- und Militär- cabinet», sowie Generaladjutant General der Infanterie von Plefsen. Prinz Leopold von Bayern reiste nach der Tafel wieder ab. Heute Morgen unternahm der Kaiser einen Spazierritt und hörte die Vorträge deS LandwirthschastS- Minister« von PodbielSki, deS KriegSminiflerS General von Goßler und de» Chefs de- MilitärcabinetS Generaladjutant Generalleutnants Graf von Hülsen-Häseler. Um 12 Uhr empfing der Kaiser den argentinischen Gesandten vr. Vincente G. Ouesata und um 1 Uhr den japanischen Grafen MatSuckata. D Berlin» 13. Juni. (Telegramm.) DerAbgv.Salisch (consi) hat im Reichstage einen Gesetzentwurf ein gebracht, die Entschädigung von Personen bezweckend, die det Rettung-Werken verunglücken. Der Antrag enthält fol gende Grundsätze: Wenn Personen bei Hilfeleistungen in folge polizeilicher Aufforderung oder sonst beim Retten und Bergen von Personen oder Sachen im Deutschen Reiche oder auf deutschen Schiffen einen Unfall erleiden, so ist für die Folgen eia Schadenersatz zu leisten. Die Höhe des letzteren ist bei Versicherten nach der Unfallversicherung und bei nicht Versicherten nach dem wirklichen Arbeits einkommen zu bemessen, wobei mindestens das Dreihundert fache deS ordentlichen TageSlohnS von gewöhnlichen Taaes- arbeitern, höchstens jedoch 6000 zu gewähren sind. Die Entschädigung soll durch die Unfallcassen des Bundes staates, in welchem sich der Unfall ereignet hat, geschehen. — Am hochgelegenen Ufer de» WannserS ist gestern da» von Bega» geschaffene BiSmarck-Denkmal ausgestellt worden, das auch vom Wasser aus schön zur Geltung kommt. Die Enthüllung ist nicht vor dem Juli zu erwarten. O Pose«, 18. Juni. (Telegramm.) Hier sind 2000 Maurergesellen wegen verweigerter Lohnerhöhung in den Ausstand getreten. * Arolsen, 12. Juni. Der Fürst von Waldeck- Pyrmont hat sich zur Begrüßung der Königin von Holland (seiner Nichte) und der Königin-Mutter von Holland (seiner Schwester) nach Schloß Schaumburg bei Balduinstein an der Lahn begeben. * Bonn, 12. Juni. DaS Kaiser paar trifft am 17. Juni, Morgens 8 Uhr, von Nürnberg kommend, hier ein. * Eulmbach, 12. Juni. Durch den Tob des Centrums- abgeordneten Rechtsanwalt Bayerin Donauwörth wird eine Reichstags-Ersatzwahl in Forchhetm-Culmbach erfor derlich. Der Wahlkreis wird seit 1884 von Centrumsmit- aliedern vertreten. Von 1868—1881 war fein Vertreter Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der spätere Reichs kanzler. Im Jahre 1881 wurde der freisinnige Land gerichtsrath Herz gewählt, und als dieser 1883 sein Mandat nicderlegte, folgte ihm der freiconservative Ober-Regie- rungsrath Frhr. von und zu Aufsetz. Dessen Nachfrager wurde 1884 der dem Centrum nngchörende Landwirth Pezold, und auf diesen folgte 1898 Bayer. Seit 1884 wurde über den Besitz des Mandats stets erst in engerer Wahl entschieden, bei der 1887 ein nationalliberaler, 1890 ein frciconscrvativcr, 1893 ein freisinniger und 1898 wieder ein natioualltbcraler Kandidat Gegner des Eentrums war. Im Jahre 1898 erhielt der nationalltberale Gutsbesitzer Lochner, der gleichzeitig Kandidat des Bundes der Landwirthe war, im ersten Wahlgange 6045 SUmmcn, während auf Bayer nur 5218, auf den freisinnigen Kandi daten 3228 und auf den socialdemokratischcn 1493 Stimmen fielen. In der engeren Wahl siegte dann der Kandidat des Kentrums mit 8490 Stimmen über den Nationalliberalcn, der 8262 Stimmen erhielt. >V. Stuttgart, 12. Juni. Der Gemeinderath empfängt für seine unvorsichtige Parteinahme für die Streikenden in dem Straßenbahnenstreik jetzt eine empfindliche Lection. ES liegt nämlich jetzt die Begründung der abweisenden Entscheidung des königlichen Amtsgericht» gegenüber dem Antrag der Stadwerwallung vor, der dahin zielte, den Betrieb der Straßenbahngesellschaft abzunehmen und in eigene Regie zu bekommen. Die bemerkenSwerthesten Stellen der umfangreichen UrtheilSbegründung kauten: „... Mit ihrem Vorgehen haben die Angestellten einen un gesetzlichen Weg beschritten. Sie haben nicht versucht, durch wiederholte Vorstellungen oder durch Kündigung auf den ordentlichen Termin auf die Direction einen erlaubten Druck zur Besserung ihrer Lage auSzuüben, sondern sie haben ihreVerträge gebrochen und daher durch Gewalt und die Ausnützung der durch ihren plötz- lichen Ausstand für den Unternehmer entstandenen Zwangslage ihre Besserstellung zu bewirken gesucht. Von diesem Augenblick an war die Direction der Straßenbahn berechtigt, die Beziehungen zwischen ihr und dea Vertragsbrüchigen als endgiltig gelöst zu betrachten und zur Erfüllung der von ihr gegenüber der Stadt übernommenen Pflichten neue Kräfte heranzuziehen. Dadurch, daß die Leitung des Streiks von dem Verband der Handels-, Transport- und Verkehrs arbeiter, dem die Angestellten nach einem seit geraumer Zeit be stehenden, den Angestellten ohne Zweifel bekannten Dienstbefehl nicht angehören dursten, in die Hand genommen wurde, konnte die Direction nur in ihrer Haltung bestärkt werden, und damit, daß sie dennoch in Vergleich-Verhandlungen eingetreten ist, that sie mehr, als sie vom RechtSstandpuncte aus hätte thun müssen. Nicht also die Direction der Straßenbahn, sondern der rechtswidrige Streik hat die gegenwärtige Lage und die durch sie bewirkte Belästigung de» Publicum» herbeigeführt . . Ferner der- kennt di« Antragstellerin vollständig, daß, wenn sie vielleicht zu anderer Zeit ein Entgegegenkommen der Direction kn der Frage der CoalitionSfreiheit in Aussicht nehmen dürfte, ein derartiges Zugeständniß an die Angestellten im jetzigen Zeitpunkt zugleich einen Erfolg de» Verbands bedeutete, in dessen Thätigkett die Direction mit Recht den Ursprung der mißlichen Lag», in die sie versetzt worden war, erblickte. Endlich ist auch noch darauf hinzuweisen, daß da» seit geraumer Zeit bestehende Verbot de» Anschlusses an den Verband weder die Angestellten zur ordnungsmäßigen Kün digung noch die Stadtgemeinde zu Vorstellungen gegenüber der Straßenbahn veranlaßt hat. DaS Verhalten der Straßenbahn ist daher weder an sich, noch gegenüber der Stadtgemeind« unberechtigt. An der Betriebseinstellung trägt nicht sie, sondern trogen die Streikenden die Schuld. D München, 13. Juni. (Telegramm.) Nach lebhafter Debatte nahm die Kammer der Abgeordneten den be- souderS umstrittenen sogenannten Simultanschul-Para graphen deS Schulbedarfgesetzes in der Fassung deS Beschlusses der Kammer der ReichSrätbe an. Dafür stimmten da- Centrum und die meisten Mitglieder der freien Ver einigung, dagegen stimmten die Liberalen und die Social demokraten. (Wiederh.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite