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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020902021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902090202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902090202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
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Alljährlich besucht der Kaiser anläßlich der großen Manöver die Hauptstadt eines der verbündeten Staaten oder die Hauptstadt einer seiner preußischen Provinzen, und wenn dieser Besuch auch immer freudig begrüßt wird und wenn er auch dazu dient, die Bande, die die Bundesstaaten mit Preußen verknüpfen, oder die Zu neigung seiner preußischen Unterthanen zu festigen, so wohnt diesem Besuche doch im Allgemeinen niemals eine politische Bedeutung bei. Ganz anders ist dies bei dem unmittelbar bevorstehenden Besuche in Posen. Tie Anwesenheit des Monarchen in der Hauptstadt der Provinz, die die größte Zahl polnisch spre chender Unterthanen aufweist, ist von großer po litischer Bedeutung. Der Klamps zwischen vor dringendem Polenthum und germanischer Abwehr ist seit dem letzten Winter besonders heftig und weit über die Grenzen Preußens und Deutschlands hinaus bemerkbar geworden. Die Polen haben die Wrcschcner Vorgänge und daS Urtheil des Gnesener Gerichts in einer geradezu schamlosen Weise für ihre landeSverrütherische Agitation ausgcnutzt und ihre Stammesgcnvsien in Oesterreich und Rußland haben sie dabei nach Leibeskräften unterstützt. Diese immer bedrohlicher werdende Aktion der Polen hat den Staat zu einer Erweiterung der gesetzgeberischen Maßnahmen zum Schutze des Deutschthums gcnöthigt und den Kaiser gezwungen, in der Marienburg ein ernstes Wort der Abwehr gegen die Polen zu sprechen und den Kampf zum Schutze des Deutschthums zu prvelamiren. Man konnte den Polen nicht wohlwollender entgegen kommen, als es Wilhelm II. in der ersten Zeit seiner Negierung gcthan hat. Er verkehrte persönlich mit dem polnischen Adel und gewährte den Polen manche Ver günstigung. Der Dank bestand darin, daß die deutsch feindliche Agitation derart nach Schlesien Übergriff, daß selbst ein Centrnmsabgcvrdnctcr zu der Erklärung gc- nöthigt war, die großpolnischen Agitatoren müßten ge hörig auf den Mund geklopft werden. So sah sich der Kaiser bereits im Herbst 1894 bei einem Besuche in West preußen gcnöthigt, mahnende Worte an die Polen zu richten, und die seitdem immer mehr verschärfte polnische Agitation hat ihn, wie erwähnt, veranlaßt, diese Mahnung in viel schärferer Form zu wiederholen. Das beschlossene Fernbleiben der Pokert von Festlichkeiten in Posen führt ihm nun aufs Nachdrücklichste vor Augen, daß eine Freundschaft zwischen der polnischen Aristokratie und dem deutschen Kaiserthume ein einseitiges Geschenk des letzteren ist. Schon hat der Kaiser erfahren müssen, daß es etwas Bedenkliches hat, wenn die Polen Flotten forderungen bewilligen und Ehrcnbccher zu wasscrsport- lichcn Veranstaltungen schenken,' er hat erkennen müssen, daß die offene Feindschaft der polnischen Aristokratie besser ist als ihre hinterhältige Freundschaft. Er wird nun in Posen sehen, daß er sich in der Ostmark n u r auf das Deutschthum stützen kann und daß diesös um so treuer an dem Hohenzollcruhausc hängt, je mehr es in diesem den kräftigsten Schutz der deutschen Cultur er blicken kann. Der Kaiser wird in Posen aber auch sehen, daß das kulturelle Werk für diese Gegenden noch lange nicht abgeschlossen und daß es leider nicht immer mit der Energie fortgcführt worden ist, mit der sein großer Ahn herr an diese Aufgabe herangegangen war. Diese w i r t h s ch a f t l i ch e Förderung des Deutschthums aber ist das allererste Erforderniß, um den Deutschen den Klamps gegen das Polenthum möglich zu machen. Die Einrichtung von Bibliotheken, Museen n. s. w. ist sehr lvbenswerth, aber die Bauten von Bahnen und Chausseen sind wichtiger. Wir begrüßen die Neise des Kaisers nach Posen, weil eS für das Deutschthum stärkend, für das Polenthum eine Mahnung ist, wenn die Macht und der Glanz deutschen Kaiserthums in der Hauptstadt der Pro vinz sichtbarlich in die Erscheinung tritt,- denn auch den Polen wird dieser Glanz vor Augen treten, wenn sie sich auch davor zurückzuziehcn suchen. Ein dauernder Erfolg aber kann dem Kaiserbesuche nur dann beschieden sein, wenn der Monarch sich das Gelöbniß ablegt, der so lange vernachlässigten Ostmark seine ganz besondere Fürsorge ««gedeihen zu lassen. In Straßburg i. E. wird von einem vorläufigen Ausschüsse ein Aufruf verbreitet, der zur Bildung einer „elsaß-lothringischen Rcichspartei" auffordert. Nach dem Ausrufe soll die neue Partei für den Rcichsgedanteu wer ben und Diejenigen, „die noch grollend bei Seite stehen", und „die geschworenen Feinde des Reichs" bekämpfen. Es kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß dieser Plan in einem inneren Zusammenhänge mit der in der letzten Zeit angeregten Verschmelzung 'der elsaß-lothringi schen Klerikalen mit der Eentrumspartei steht. Dies? Ver schmelzung, auch wenn sie keine vollkommene sein und nur einen Bruchtheil der reichslänoischen Klerikalen dem Cen- trum zuführen wird, wird zweifellos nicht eine Ab schwächung, sondern eine Verschärfung der franzosen freundlichen Gesinnungen innerhalb dieses Bruchtheiles zur Folge haben. Zudem dürfte ihr Zusammenschluß mit dem Eentrum zur Folge haben, daß Wahlkreise, die zur Zeit vou nationalen Abgeordneten vertreten sind, von den Klerikalen berannt werden. Man muß nur bedenken, daß der gegenwärtig nativnalliberal vertretene Wahlkreis Mülhausen 83 Proecnt, der freisinnig vertretene Wahl kreis Straßburg 50 Prvcent, die konservativ vertretenen Kreise Hagenau und Saargcmünd 02 beziv. 90 Prvcent Katholiken zählen. Sind erst zahlreiche elsaß-lothringische Klerikale Glieder der Ccntrinnspartci, so wird cs diese natürlich als „Ehrenpflicht" ansehcn, diese Wahlkreise für sich zu erobern. Um so gebotener erscheint es, daß die nationalen Elemente sich zusammenschließen. Seine Er folge im übrigen Reiche hat ja das Eentrum iu erster Reihe dem Umstande zu verdanken, daß cs als confessio- ncll-katholische Partei eine feste Elientel besitzt, während die evangelische Bevölkerung sich — von der Svcialdemo- kratie ganz abgesehen — in zwei, drei, ja manchmal in vier einander bekämpfende Parteien zersplittert. In Elsaß- Lothringen wird man sich vor dieser Zerspliterung in Acht zu nehmen haben, wenn man nicht das ganze Land dem Klcrikalismus ausliefern will. Ein Verband also, der die rcichötrcucn Elemente umschließt, ist sicherlich zu wünschen, nur sollte nicht eine neue Partei gegründet werden, sondern der Verband sollte nur die Aufgabe haben, zwischen den rcichstrcnen Parteien zu vermitteln, was wohl am besten in der Weise geschähe, daß diese Parteien die Mandate, die sie gegenwärtig im Besitze haben, sich gegenseitig garantiren und daß sic sich über die etwaige Vcrtheilung neu zu erobernder Kreise von vornherein freundschaftlich verständigen. Der starke Rückgang -er Arbeitslöhne in England, dessen Gesannntergebniß aus den Veröffentlichungen deS Boavd vf Trade bereits bekannt geworden ist, muß um so merkwürdiger und bedeutsamer erscheinen, als im letzten Jahre zum ersten Ria le seit 1895 eine so empfindliche Ab nahme der Lohnbeträge zu verzeichnen ist. Die mit dem genannten Jahre einsetzende Anfwürtsbewegung hielt bis zum Jahre 1900 an, und es wurden in dieser Periode Durchschnittslöhne erzielt, wie bisher in keinem Jahre, über dessen Arbeits- und Lohuvcrhältnisse statistische Er mittelungen vorliegen. Die rückläufige Entwickelung im Jahre 1901 ist nicht auf allen Gebieten in gleicher Weise hervvrgetreten. Immerhin steigerten 430 000 Arbeiter ihre Löhne um 820 000 .L. pro Woche oder um annähernd 2 pro Kopf, dagegen verringerte sich für 493 000 Arbeiter der Verdienst um 2 3M 000 .L, pro Woche oder um fast 5 pro Kopf. Somit betrug der wöchentliche Ausfall des letz ten Jahres an Löhnen ca. 1540 000 ./iß während 4,28 Mil lionen Mark im Jahre 1900, 2,28 Millionen Mark im Jahre 1899, in den nächsten Jahren rückwärts 1,9 uüd 0,9 Millionen Mark gegen das jedesmalige Vorjahr mehr erzielt wurden. Von dem jetzt eingetretencn Rückgang der Löhne wurden, was den finanziellen Gesammtausfall betrifft, am schärfsten die Berg- und Hütten arbeiter betroffen, die über 80 Prvcent des im Vor jahre erzielten Betrages an Löhnen einbüßten. So be- klagenswerth demnach die Lage dieser Arbeiter erscheint, so wird man sich doch bewußt bleiben müssen, daß die zahl reichen und lang anhaltenden Ausstände, deren Bei legung von gewissenlosen Führern immer wieder ver eitelt wurde, dieses Ergebniß verschuldet haben. Tie oft angewandte Kraftprobe der Sveialdemvtratie hat hier wieder einmal gründlich Fiasco gemacht, und statt der er warteten und verkündeten Besserung ihrer Lage war das Faeit der Kämpfe eine finanzielle Einbuße von 80 Prv cent des bisherigen Verdienstes! Auch in der Metall- sabrikation sind beträchtliche Lohnausfülle cingc- trctcn, während, wie erwähnt, einzelne Industrien gün stige Ergebnisse erzielt haben. Stellt man Gewinn und Verlust gegenüber, so ergicbt sich ein Gcsammtver- l u st der englischen Arbeiterschaft von 31,08 M i l! i o n c n M a r k L o h n i m I a h r e 1901 imBer gt e i ch z u m V vrja h r c ,' in diesem war dagegen eine sehr bedeutende Lohnstcigernng eingetrcten, die sür die Arbeiter derselben Industrien, Werkstätten n s. w. über 120 Millionen Mark ausmachtc. Die Million englischer Arbeiter, über deren Lohn- und Arbeitsverhältnisse der amtlich statistische Bericht Mittheilung siebt, hat also nicht nur die Errungenschaften des Vorjahres entbehren müssen, sondern noch nahezu 32 Millionen Mark dazu ver loren, so daß der d n r ch s ch n i t t l i ch e I a h r e s v c r - lust des einzelnen Arbeiters auf ruud 150 M ark zu veranschlagen ist. Uebrigens hat in der Bcrg- und Hüttenindustrie der Rückgang der Lohnbczüge auch in der ersten Hälfte des laufenden Jahres ungehalten und den Verdienst von 025 000 Arbeitern weiter geschmälert, dagegen ist in der Metallindustrie eine leichte Hebung der Lohnverhältnisse eingetrcten. Nvch ungünstiger als für die Arbeiter in Bergwerken, Stcinbrüchen n. s. w. ge staltete sich die Lohnbewegung, wenn man den Verlust des einzelnen Arbeiters in Rücksicht nimmt, in der Mctall- i! n d in der T ch i f f s b a u i n d n st ri c: die 103 200 Arbeiter dieser Betriebe verloren je 4 ihres vorjährigen Wochenlohns, erlitten also durchschnittlich eine Jahres einbuße von über 200 pro Kopf. Es braucht nicht be tont zu werden, daß die Lohnausfälle der englischen Ar beiter indeß noch verhültnißmäßig gering sind im Ver gleich zu den ungeheueren, zanlenmüßig kaum annähernd bestimmbaren Verlusten, welche das gesammte englische Wirthschaftsleben erlitten hat. Für das erste Halbjahr 1902 ist, wie gesagt, eine Besserung nvch keineswegs be merkbar gewesen: nnr 32 MO Arbeiter erwarben höheren Verdienst, dagegen sind die Lohnbezüge von 094 MO Ar beitern weiter zurückgcgangcn, und zwar ebenfalls vor wiegend in der Montan- und theilweise auch in der Metall industrie. Jedenfalls ist das Ergebniß der amtlichen Er hebungen geeignet, das Märchen von der beneidenS- werthen Lage des englischen Arbeiters, auf welche die Svcialdemokratie so gern zur Kennzeichnung der angeb lichen Mist-re des deutschen Arbeiters verweist, endgiltig zu zerstören. Deutsches Reich. fff- Berlin, 1. September. (Die Schuld an dcnin den Fabriken vorkommenden Unfällen.! Während die amtliche Statistik nachweist, daß die Schuld an den in den Fabriken vorkvmmenden Unfällen zu einem großen Theile den Arbeitern selbst zufällt und dem gemäß alle diejenigen Organe, die den Arbeitern Leben nnd Gesundheit erhalten wollen, diese immer von Neuem zur ausgedehntesten Beachtung der Betriebsgefahrcn nnd zur Aufwendung der größtmöglichen Aufmerksamkeit bei der Ausführung der Arbeit ermahnen, ist die social demokratische Presse bestrebt, die Unfälle als lediglich dem Evntv der Arbeitgeber zufallend darzustellen und so den Arbeiter von der Beachtung der Betriebsgefahren ab- zuhalteu. Daß sie leider damit Erfolg hat, beweisen die Berichte der berufsgenvssenschaftlichen Beauftragten. In dem neuesten Berichte der Rheinisch-Westfälischen Hüttcn- nnd Walzwerks-Berufsgcnosscnschaft heißt cs z. B.: „Die Betriebsinhaber nnd Leiter sind, wie seither, entgegen kommend und ich habe keinen einzigen Fall zu verzeichnen, in welchem meinen Anordnungen irgend welcher Wider stand entgegengesetzt oder gar der Eintritt in die Betriebe verweigert worden wäre. Die versicherten Personen sind nach ivie vor unvorsichtig. Wenn auch die Unsallver- hütungsvvrrichtiingen jetzt mehr beachtet werden und ich über absichtliche oder unabsichtliche Zerstörung oder Nicht benutzung derselben weniger zu klagen habe, so werden doch die Betriebsvorschriften nicht ausreichend beachtet nnd dadurch mancher Unfall veranlaßt." Dadurch ist wiederum von autoritativer Seite festgcitellt, daß der durch die Svcialdemokratie geschürte Leichtsinn der Arbeiter immer noch zu Unfällen Veranlassung giebt. Den Arbeitern sind sicherlich Leben und Gesundheit ebenso lieb wie anderen Menschen. Deshalb werden sie aber gut thun, nichts auf das socialdemokratische Gerede zu geben, sondern in erster Reihe selbst dafür zu sorgen, daß sic nicht von Unfällen betroffen werden. Daß sie hierzu sehr wohl und reichlich im Stande sind, zeigt die amtliche Un fallstatistik stetv von Neuem. * Berlin, 1. September. Zum Geschäftsgänge bei der A n s i e d e l n n g s c o m m i s s i o n schreibt die „Köln. Ztg.": Zum großen Leidwesen der Deutschen ist die Besitzung des Rittergutsbesitzers Höpfner im Pvsen- schen in polnische Hände übcrgegangcn. Herr- Höpfner I hat nun dem „Posener Tagblatt" eine Erklärung ringe» ! sandt, in der er sagt, er habe zuerst wegen des Verkaufes I mit der königlichen Annedelnngsbank verhandelt, nnd cs Feuillrtsn. y Der Liebeshandel. Roman von Rudolf Hirschbcrg-Jura. Nachdruck verboten. Zwei Jahre lang hatten sic die Eltern von der Bühne fcrngehalten, um ihr eine sorgfältigere Erziehung zu geben. Dann aber war sie aus dem feinen Institut zum Theater zurückgckchrt, nicht aus dem leidenschaftlichen Drange, aber mit der ruhigen Selbstverständlichkeit, mit der ein dem Netz entsprungener Fisch seinem vertrauten Elemente wieder znstrcbt. Da gab der rasche Tod ihrer Eltern ihrem sorglosen Dasein einen ernsteren Charakter. Sie war jetzt auf sich allein angewiesen, und ihre Schönheit, sowie der ein schmeichelnde Wohllaut ihrer Stimme machten sic zn einer sehr brauchbaren und erfolgreichen Schauspielerin, obwohl die Gefühle und Leidenschaften, die sie darstcllte, ihrem Herzen meist noch fremd waren. Die ahnungsvolle Nach- ahmungs- und Nachcmpsindungskunst des WZbeS mußte die Erfahrung und das Wissen ersetzen. Denn, weil ihr nie ein Geheimnis; vorgchaltcn worden war, hatte sich keine vorzeitige Neugier in ihr geregt, und cs war gerade zu erstaunlich, wie harmlos sie in manchen Dingen ge blieben war. Man hätte meinen können, sie sei statt bei einem Theater in einem Kloster erzogen worden. In ihrem Berufe fühlte sie sich wohl, ohne von der verzehren den Begeisterung erfüllt zn sein, wie sic in den Nachrufen berühmter Biihncngrößcn so überzeugend geschildert wird, und mit ihren Evllcginncn lebte sie, soweit das möglich ist, in gutem Einvernehmen. Mit der Opernsvnbrctte Lotte Sarden hatte sie sogar eine innige Freundschaft geschlossen und manch harmlose Freude mit ihr getheilt. Lachend erzählte sie, wie sie bis weilen an freien Vormittagen auf dem rußenden Petro leumkocher ihr Mittagsmahl selbst gekocht, oder an freien Abenden allerhand scherzhafte Kleidungsstücke für Lotte s leider zu früh aus seinem Hundcdascin abbcrnfenen kleinen weißen Flock genäht hatte. „Nun hat sich die Lotte rücksichtsloser Weise vcr» hcirathct", sagte sie. „Aber ich halte cs in meiner Einsam keit natürlich nicht aus." „Selbstverständlich", pflichtete Ernst eifrig bei. „Sic müssen sich muntere Gesellschaft suchen, irgend eine neue Bekanntschaft, mit der Sie einmal Nachmittags eine hübsche Wagenfahrt veranstalten können oder des Abends ein gcmüthlichcs, schleckerhastcs Abendessen, recht ver schwiegen zu Zweien!" Sie schüttelte den Kopf. „Warum denn etwas Neues? Lotte ist auch als Frau noch ein ganz vernünftiges Mädel geblieben, und so habe ich mich seit einigen Tagen bei HomannS als stündige Hausfreundin eingerichtet." „Um Gvttcswillen, mein liebes Fräulein, das hätten Sic nicht thun sollen. Das ist geradezu ein Frevel!". „Wieso?". „Entweder sind Sie bei dem jungen Ehepaar über flüssig. Das wäre doch beschämend für Sie, weil eS andere Plätze giebt, wo ihre Vorzüge vollständig zur Geltung kommen und gewürdigt würden. Oder Sic sind nicht überflüssig. Dann ist cs noch schlimmer. Denn wo der Dritte in einer Ehe nicht überflüssig ist, da wird er gefährlich! Also verschonen Sie das Glück dieser jungen Ehe mit Ihrer bezaubernden Hausfreundschaft, und wenden Sic Ihre gefährliche Kameradschaft lieber Jemandem zu, dem cs noch erlaubt ist, sich in so holde Gefahren zu begeben." Die Leidenschaft hatte seinen Worten einen wärmeren Klang gegeben. Stürmisch griff er nach ihrer Hand und führte sie langsam an seine Lippen. Sic ließ cs geschehen und erwiderte mit einem zitternden Lächeln: „Gefahren? Ich wüßte Niemanden, dem ich gefährlich wäre!" „Niemanden?" flüsterte er. „Wissen Sie denn nicht und ahnen Sie nicht, was in mir vorgegangen ist in diesen Tagen, seit ich das schmerzliche Glück empfinde. Sic kennen gelernt zu haben? Wissen Sic nicht, welche Wünsche in mir erwacht sind, und waS meine Seele mit aller Macht ersehnt?" Der Wagen machte eine scharfe Wendung. Ein vollerer Lichtschein siel ancr herein und beleuchtete ihr zurück geneigtes Gesicht. Es hatte sich mit einem feinen Roth überzogen, und unter den langen schwarzen Wimpern schlossen sich halb ihre Augen. „Was ersehnt sie denn?" hauchte sie. „Das!" antwortete er mit bebender Stimme und zog die Widerstrebende in seine Arme. „Dich ersehne ich, Dich will ich haben!" Willenlos sank ihr Kops au seine Schulter: aber als sie seine Lippen aus den ihren spürte, wich sie scheu zurück. Beide schraken bei dem plötzlichen Halten des Wagens empor. Sic waren vor Käthe s Wohnung angckommen. „Schon?" rief er bedauernd. „Wann sehen wir uns wieder? Darf ich Dich besuchen?" „Wir sehen uns ja zum Kaffee beim Homanns", ant wortete sie ängstlich und öffnete die Wagenthür. Er hob sie aus dem Wagen. Er trug sie mit zärtlichen Armen die drei Schritte bis zur Hausthür. Er fühlte, wie sie ihren linken Arm fest um seinen Nacken schlang, und ließ die süße Last nur langsam zu Boden gleiten. „Fürchtest Du Dich nicht, die finsteren Treppen allein hinaufzugchcn?" fragte er leise. „Nein, nein!" antwortete sie eifrig. „Ich habe immer Streichhölzchen bei mir." Hastig entzog sie sich seiner Umarmung und war in der Thür verschwunden, die sich schnell wieder schloß. Nicht einmal einen flüchtigen Kuß hatte er noch gewonnen. Ohne ein Streichholz zu benutzen, stieg sic langsam die wohlvertranten Stufen empor. Auf jedem Treppenabsatz hielt sic inne, lehnte sich mit der Rechten auf das Ge länder und preßte die Linke auf ihr klopfendes Herz. Wie von einem Traum befangen betrat sie ihr Zimmer. Fremd und verändert kam es ihr vor. Gleich als läge ein seiner silberner Schimmer über dem alten wohlbekannten Raume und machte ihn schöner. Diesen Zauber mochte sie nicht brechen, ttnangczündct ließ sie die Lampe auf dem schmalen Spiegeltisch stehen. Das matte Dämmerlicht, das Mond und Sterne von dem klaren Nachlhimmcl hercinstrciltcn in das stille Gemach der jungen Künstlerin, war ihr hell genug für die Betrachtung ihres heimlichen Glückes. Eine süße Müdigkeit fühlte sic in ihren Gliedern, aber sic sehnte sich nicht nach dem Schlafe. Lange saß sie am Fenster, ohne daran zu denken, sich ausznkleidcn. Der schwere rvthc Mantel fiel ihr von den Schultern, in den Händen hielt sic den großen, halbverwelktcn Flieder strauß, und ihre wcitgcöffneten Augen blickten glänzend hinaus aus die schneebedeckten Dächer und nach der fun kelnden Pracht der fernen Sterne. Tic kam sich wie cingcschlosscn und gefangen vor in dem überwältigenden Gefühl, zu lieben und geliebt zu werden. Zu rasch war diese erschreckende selige Wandlung über ihr Herz gekommen! Derselbe Mann, bei dessen Liebenswürdigkeiten sic vor wenigen Stunden noch nur eine Befriedigung ihrer Eitelkeit zu empfinden geglaubt hatte, derselbe Mann füllte jetzt ihr ganzes Fühlen und Denken widerstands los aus. Aber doch war es nicht eigentlich der Gedanke an Ernst Simrock, der sic so selig machte. Es war die Entdeckung einer bisher schlummernden Kraft ihres Herzens, es war die plötzlich erwachte Fähigkeit» Liebe zu empfinden und Liebe zu genießen, die ihre bebende Seele mit ungeahnten Schauern stolzen Selbstbewusstseins durchströmte. Ihr glühendes Herz und die kindliche Dankbarkeit der ersten Liebe schrieben all den Rcichthum ihres Glückes einzig dem geliebten Manne zu. Er hatte ihr das ge geben! Er hatte sie durch seine leidenschaftlichen, kecken Worte zum Bewusstsein ihrer selbst erweckt. Ein staunendes und überlegenes Mitleid mit ihrem eigenen Herzen wollte sie überkommen, wenn sic an die Armuth ihrer früheren Tage zurückdachte. Wie oft hatte sic auf der Bühne die Liebe im Munde geführt, die Liebe darzustellen sich unterfangen, und hatte nicht gewußt, was sie that. Jetzt wußte sie eS, jetzt hatte sic gelernt, was dieses Zauberwort bedeutete, jetzt waren ihr die Schuppen von den Augen gefallen und ihr inneres Sehen aufgcthan. Sic schaute zum ersten Male in ihr Herz und gewahrte Schätze von Seligkeit darinnen, von denen sic sich nie hatte träumen lassen. Wie eine Königin erschien sie sich, da sie so Köstliches besaß. Und er war cs, der sic auf den Königsthron er hoben hatte. Er war ihr König! Ein grauer Flor erstickte allmählich die glühenden Funken am Himmel, und schon versank die bleiche Mon- dcsscheibe im Westen, als Käthe endlich ihr Lager auf» suchte und in wachem Schlummer weitcrträumte von dem liebsten Manne und dem neuen Glücke ihres jungen Herzens. Hi-. Ernst Simrock hatte den Rückweg von ihrem Hause zu Fuß augetretcu und freute sich der frischen Nachtlnft. Bei der angenehmen Unterhaltung war ihm warm gc» worden. Im Vorbeigehen begab er sich noch für ein paar Minuten ins Kaffeehaus, trank eine Schale Schwarzen nnd einen Cognac, besah sich die Bilder in den Wiener Witzblättern nnd ging dann befriedigt nach Hause. Zweites Eapitel. Mit dem erwachenden Tage war Käthc's Glücksgcfühl einer etwas bangeren Empfindung gewichen. Nvch immer fühlte sic den berauschenden Kuß der Liebe auf ihren Lippen) aber wenn sie jetzt Alles überdachte, so vermißte
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