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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.07.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030707013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903070701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903070701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
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Ext»-Beilagen (gesalzt^ an» mU aer Morgev-Ausgabe, ohne Postbesördenm, ^ll SO.—, mit Postdesürderung 70^—» Amrahmeschluß fSr Anzeigen: Äbeud.Ausgabe: BormtttagS 10 Uhr. Morgeu-Ap-gab«: Nachmittags 4 Uhr. Anzeige« sind stets an di» Expedition ,» richten. Die Expedition ist wochentags nnunterbrochen geöffnet von früh S bis abends 7 Uh» Druck und Verlag von E. Polt st« Leipzig. Nr. 33S. Dienstag den 7. Juli 1903. 97. Jahrgang. Vie Reise -es Präsidenten Loubet nach England. Mß »or fünf Jahren der französische Hauptmann Marchand da- sieberdurstige Kascha da am weißen Nil erreicht«, glaubten die französischen Kolonialphantasten, nun wäre die Herrschaft Frankreichs vom Kap Verde bis Obak gesichert. In London aber behauptete man, Fa- schoda gehöre in das englisch-ägyptische Mqchtgebiet. Pie Pariser Boulevardpolstikor kochten vor Wut und be schlossen so bet ihrem gewöhnlichen Nachmittagsabsynth den Krieg mit dem Briten. Damals zog man die eng lischen Geschwader im Kanal zusammen, und dieser Wink suhr -en Herren an der Leine so in die Knochen, bah man Len im Kaffeehause schon eingehend überlegten Vor marsch aus London aufgab. Die Deputiertenkammer folgte -en vorsichtigen Ausführungen Delcassss; man gab zähneknirschend nach. Di« Trikolore wurde in Faschoda niedergeholt und Herr Marchand unter Geleit liebens würdiger englischer Kameraden aus dem Gebiete herauS- beförbert, in dem er nach Ansicht der Londoner Macht haber nichts zu suchen hatte, Marchand war kein zweiter Bonaparte geworden, sondern blieb nur der Liebling aller Nationalisten, die den kühnen Offizier allemal ausspielten, wenn sie den verhaßten Regierpngsmännern unan genehme Stunden bereiten wollten. In diesen letzten Jahren hat man nun in Frankreich mit Eifer gerüstet, um ein zweites Faschoda zu ver meiden. Ein -weites Mal würde man doch wohl nicht so bedingungslos vor dem englischen Stirnrynzeln zu- rückwetchen. Neben diesen kriegerischen Rüstungen lief aber die Arßvft dop Gtaat-Ulünner. Lae v»ne Richtung suchte eine BerstSnLigung mit England, da sie nur so eine ersprießliche Weiterentwtckelung der französischen Weltpolitik für möglich hielt. Der Hauptapostel dieser Richtung ist der gegenwärtig noch immer am Ruder be findliche Minister des Aeußern Delcass 6. Die Herren schwärmen von der alten enterns oorciiaiv der Westmächte nach dem Kchema Napoleons IH. Pix andere Rich tung verfolgt die entgegengesetzte Bahn und behauptet, England sei der Todfeind der belle Irans« und müsse vor allen anderen bekämpft werben; sie ist für die un bedingte Allianz mit Rußland. Heute bat einstweilen die Partei derer um Delcafss und De - chanel gesiegt, und wenn auch im Volke selbst noch immer der Groll über Faschoda und -en erbärmlichen Tran-vaalkrieg weiterlebt, fo läßt man sich doch ohne Widerspruch eine Politik gefallen, die eine intime An lehnung an Großbritannien erstrebt. In London arbeite ten an demselben Ziele die Staatsmänner, die auf den Trümmern des Deutschen Reiches eine Verständi gung mit Frankreich und auf diesem Umwege mitRußlanb suchen. Diese Hetzer gegen Deutschland suchen die Koalition Kaunitz wieder lebendig zu machen, die alle Mächte Euro pas gegen bas verhaßte Germanenreich Mitteleuropas «int. Wieder wie vor fünf Jahren sammeln sich heute in der Bucht von Dover die geschützstarrenden Schlacht panzer Britanniens, doch drohen sie heute nicht den Nach barn südlich des Kanals, sie rüsten sich, mit Ehrensalven -en Präsidenten der Republik zu begrüßen, der nach Lon don reist, um als Gast des Königs in St. James' Palace dem neuen Kreunüschaftsbunbe das Siegel aufzudrücken. Faschoda und Transvaal find vergessen und die wackeren Minierer gegen Deutschland scheinen am Ziele. Sp sieht das Bild der politischen Lage aus, das die phqntasievolle englische Presse sich ausgemalt und das auch in einer Reihe von französischen Blättern nachgezeichnet wirb. In der Begetsternngshitze der nächsten Tage werden wohl die Londoner und die Pariser Half Penny- und SouS-Blätter ihrem verehrlichen Publikum die englisch französische HerzenSfreunbfchaft noch mehr in veilchenblau und rosenrot malen und zum Schrecken aller großen un kleinen Kinder daneben den garstigen Drachen des „Pan germanismus" in schwefelgelbem Gedünst abkonterfeten. Wenn wir aber auch über diese schweißtreibenden Kraft kunststücke der politischen Reporter an d«r Seine und der Themse lachen: zur aufrichtigen Freude haben wir keinen Grund. Wir wollen dock den zur „traurigen Berühmtheit" gelangten „Mut brr Kaltblütigkeit" des seligen General- v. Caprivi nicht zur Nachahmung empfehlen; wir wollen nicht, wie der erste Nachfolger Bismarcks einen Lobgesang auf den Zweibumd, heute einen Hym nus auf die englisch-französische Freundschaft an stimmen. Wir vermögen mm einmal den ewig lächelnden Optimismus unserer Regierung nicht zu teilen. Unsere Offiziösen werden natürlich auch die Londoner Tage mit süßen Flötentönen begleiten. Und doch hätte man alle Ursache, heute darüber nach zudenken, wohin uns die Politik der Unterwürfigkeit gegen England gebracht hat. In der Stunde der Not waren wir Englands einziger Freund und deckten ihm bet seiner feigen Tat in Transvaal den Rücken gegen den Zorn der Völker Emopas. Und was erntet unsere er leuchtete Politik für Dank? Wir stehen am Vorabende des wirtschaftlichen Krieges mit Größer-Britannien, die viel gerühmte offene Tür in Südafrika hat man uns vor der Nase zugeschlagen, die tausendmal von unserem Kaiser freundlich über den Kanal ausgestreckte Hand stößt man zurück uud wirft sich in London in die Arme Frankreichs, dieses Frankreichs, vor dessen finsterer Macht unsere offi ziösen Preßdomestiken immer graulich machten, um uns die unbegreiflich weise Politik der Nachlauferei gegen Eng land mundgerecht zu machen. Paris und seine Regierung haben Ohm Paul offiziell und mit demonstrativem Jubel empfangen, wir sagten ibn von der Schwelle Deutsch lands, um eventuell herablassenden Dank für unsere eif rige Dienftberettschaft in London zu ernten. Heute em pfängt man mit allem erdenkbarem Pomp Loubet in London, .König Eduard aber „schnitt" Deutschland bet seiner Besuchsreise. Indes, wir legen dieser Politik des ewigen Reisens keinen allzugroßen realen Wert bei. Zwar Herr Delcasse begleitet Herrn Loubet, doch Herr Delcasso selbst erklärte einem englischen Pressevertreter gegenüber, daß der Besuch absolut keine politische Nebenbedeutung habe, sondern nur als ein Akt der Höflichkeit dis guten Beziehungen der beiden Nachbarn klar legen solle. Politisch oder nicht — ein Zeichen -er Zeit bleibt die Englandfahrt, ob nun die politisch« Verwertung dieses Höflichkeitsaktes gleich er folgt oder nicht. Die Folgen der englisch-französischen An- Näherung werben sich vielleicht im Mtttelmeere zeigen, wo man ebenso wie im dunklen Erdteil zu einer Verteilung der Interessensphären kommen möchte. Nur ist die Ver ständigung hier weit schwerer. Die Wünsche Frankreich» unö Englands stehen sich in der ganzen Kolonial- und Weltpolitik schroff gegenüber, und der lange Wunschzettel, den jüngst Herr Etienne, der Vizepräsident der Kammer und Vorsitzender der Kolonialgruppe, gegenüber Großbritannien zusammenstellte, ist so naiv, Laß er nir gends ernst genommen werden wird, am allerwenigsten in London. Soviel liegt den Engländern nicht an -er Freund- schäft der Republik, um ihr Marokko, Siam und wer weiß was noch sonst zu opfern, um dann „vielleicht" die Okku pation Aegyptens von der Pariser Regierung genehmigt zu erhalten, dieses Aegyptens, auS dem England doch auf keinen Fall herauSgeht. Mit der Kolonialentente hat'S also noch gute Wege. Und die englisch-französische Freundschaft in der inter nattonalen Weltpolitik? Daß man in gewissen Kreisen Englands und Frankreichs gerne Deutschland über den Haufen werfen möchte, ist nicht zu bezweifeln. Fragt sich nur: wie? — Wegen Elsaß-Lothringen fängt England keinen Krieg mit uns an, wenn ihm Frankreich nicht einen entsprechenden Lohn zahlt — und ein Krieg mit Deutsch land ist eine s o feuergefährliche Sache, daß auch der Lohn dafür s o hoch sein müßte, wie ihn Frankreich gar nicht zahlen kann. Die engltsa,en Deutschenhasser hoffen durch die Vermittelung Frankreichs auf einen Freundschafts bund mit Rußland. Uebflein englisch-russisches Bünd nis wirb seit einiger Zeit zentnerweise Papier und eimer- weise Tinte verschrieben. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß ein solches Bündnis nicht eine PhantaSmagorie sei. Für jeden nüchternen Staatsmann — und diese bilden in Rußland die erdrückende Mehrheit und sind auch an der Themse noch keineswegs ausgestorben — hört bei -en Phrasen von der Möglichkeit eines solchen Bündnisses die Politik auf. Mit -er Koalition Kau>ttz ist's also vor derhand auch nichts. Frankreich wird den Flirt mit dem Englishman nicht bis zum Bruche mitRußlanb treiben und jede Annäherung der Republik an England stärkt unsere guten Beziehungen zu Rußland. Wir haben also keine Veranlassung zur Freude und Genugtuung bet den Lon doner Festtagen, aber auch keinen Grund zu unmittel» baren Befürchtungen. Unsere Politik muß aber nach wie vor die bleiben: gerüstet sein zu Wasser und zu Lande — auf alle Fälle! I'. Die Erkrankung Leos XIII. Di« wid«rsland-fähige Natur d«S Papstes hat den TodeS- «ngel noch fernzehalten. Bis in die gestrigen Abend stunden war noch keine Nachricht von d«m Eintritt der Katastrophe einzetroffen, auch die Agonie war noch nicht eingetreten. Daß aber die Krankheit auch diesmal vorüberzehen werde, glaubt niemand in der Umgebung des Papstes. Die Aerzte haben sie als koxatisstio bezeichnet, zu deutsch: Verleberung. Das ist ein Zustand per Lunge oder einzelner Lungenabschnitie bei der kruppösen Lungenentzündung, bei dem die lufthaltigen LuugenblLscheu mit einem Exsudat angefüllt sind und vaS entzündete Gewebe Aussehen und Konsistenz deS LebergewebeS annimmt. Wir schließen noch folgende Meldungen an: * Nom, 6. Juli. Der Papst war vor einiger Zeit von einer Verdauungsstörung befallen worden, deren Nachwirkungen zu über winden er nicht mehr die Kraft besaß. Mit einer bewunderns werten Willenskraft hat er öffeuilich seinen Schwächezustand zu verdecken gewußt und sich den großen Anstrengungen der letzten Feierlichkeiten unterzogen, aber seiner nächsten Um gebung entging es nicht, daß er während der Zeremonien deS Frrrilletsn. Eine Komödie. Bon Axel Svendson. viachdruct verbalen Seit zwanzig Jahren war der alte Jens königlicher Aufsichtsbeamter im Schloßaarten. Nun, -tosen Ruhe posten hatte er verdient. Als damals an -er Küste die See jäh brandete, und als der Kutter „Heymdal" als ver loren galt, hatte der Lootse Jens das letzte Rettungsbot in den schäumenden Gischt aestoken und war mit noch drei waghalsigen Schiffern hinttbergeruidert nach dem ge fährdeten Kutter. Der kam heil in den Hafen, Jens aber nicht: den hatte das Wagnis das reckte Auge gekostet, ab gesehen von all den Schrammen, mit denen der Körper wie besät war. Jen- Heldentat wurde bald in weiteren Kreisen be kannt, die Zeitungen sangen das Lied vom braven Mann, und al- Jens wieder auf Deck war, erhielt er die Er nennung zum Aufseher im Sckloßgarten. Das war keine aufregende Beschäftigung. Nur selten konnte JenS kraft seines Amte- Ungehörigkeiten rügen oder Schulkinder hinausweisen. Und daS ärgerte ihn sehr, denn er erzählte so gern von seinen seltsamen Abenteuern, feinen Erleb nissen und Gesährnissen. Aber er brachte seine Er zählungen nur schwer an den Mann, und so setzte er sich während deS Tages mehrere Stunde auf eine der Bänke, die rings um den Teich aufgestellt waren, und hielt halb laute Selbstgespräche. Da, an einem Sommermoraen, änderte sich diese auf die Dauer sehr langweiliae «Lebensweise. SS bummelte ein junger Mann mit hübschem, offenem Gesicht, breitem Schlapphut und lang gewachsenen Haaren durch den Gar ten. Als er um den See geschritten war, erblickte er Jens, der sich eben ein frische» Pfeifchen stopfte und fragte: „Sie kennen diesen alten Park sicher ganz genau, wür de« Sie mir nicht sein« schönsten Partien zeigen? Ich bin der Landschaftsmaler Sörensen und wenn ich diese her- licht Natur im Bild« sestbalten könnte . . .* „Lehr angenehm, «ein Herr", verbeugt« sich Jens, »es waren zwar schon verschieden« Ihrer Kollegen hier, was die jedoch zusammengepinselt haben, weiß ich nicht, ich habe nie etwa» von ihren Bild«rn gesehen- Aber trotzdem will ich Ihnen gern bebülslick sein. Vorerst nehmen Sie aber wohl ein Btertelstündchen nevew mir Platz, ich muß Ihnen unbedingt erst die Rettung de» „Heymdal" er zählen.* Und nun ließ der Alte ein« weitschwetfige AuS- einandersetzung von Stapel, die schließlich der Maler mit -en Worten unterbrach: „Ich danke Ihnen lehr, mein Lieber. Morgen werde ich meine Utensilien hertranSportieren lassen, der Blick auf den kleinen Teich ist außerordentlich stimmungsvoll." Gs Wird «Ach sehr freuen, Sie wtedarzusehen; da ich Ihnen zudem noch eine wahrheitsgetreue Schilderung der Sturmflut vom Jahre 1880 geben will, muß ich Sie bitten, pünktlich zu erscheinen", nickte Jens würdevoll. Und wirklich: am nächsten Morgen wurde eine große Staffelet angeschleppt, Farben, Pinsel, Palette, und schließ lich kam auch der Maler. Er begrüßte Jens sehr kordial und machte sich erst an die Arbeit, als er das Wichtigste über die Sturmflut von 1860 erfahren hatte. Diese Er zählung mußte außerordentlich anregend auf ihn einge wirkt haben, denn sein Entwurf machte gute Fortschritte. Auch die nächsten Tage ging es noch ganz gut: JenS wechselte ab mit seinen Schilderungen vom Untergang des „Heymdal" und -er Sturmslut von anno 1860, — und der Maler hatte schon die Umrisse der Baumgruppen auf der Leinwand festgelegt. Da kam es eines Nachmittags, daß eine Dame im Schloßgarten promenierte. Sie machte einen sehr vor nehmen Eindruck und war sehr gut gekleidet. Eine ältere Dame, augenscheinlich ihre Gesellschafterin, begleitete sie zuerst, dann aber suchte die Aeltere ein Ruheplätzchen auf einer schattigen Bank. Hier pflegte sie gewöhnlich ein kleines Schläfchen zu macken. Und merkwürdig .. .sobald die junge Dame merkte, daß ihre Begleiterin eingentckt war, schlängelte sie sich nach der Staffelet hin. Herr Sörensen legte sofort Pinsel und Palette zur Seite, und nun begann ein Geflüster, ein Ge- tuschel, ein Händedrücken, ein . . . Der Gartenwächter Jens gedachte der Zetten, in denen er auch mal jung war. Das war »war schon sehr lange her, aber wenn er den Flirt der beiden da drüben sah, spitzte er auch die faltigen, runzligen Lippen. ES ist doch was Herrliche» um so ein« Jugendliebe ... Doch plötzlich schienen Mißhelligketten zwischen dem Ltebespärchen ausgrbrochen zu sein. Er wurde immer bleicher, auf ihrem Gesicht bemerkte man Tränenfpuren. Schließlich erschien sie gar nicht mehr, und er hockte auf seinem Malstuhl und starrte traumverloren auf den See. Diese Traurigkeit ging dem Alten zu Herzen und er redete den Maler an; „Mein lieber Herr Sörensen, ich sehe e» Ihnen an, Sie haben großen Kummer. Wollen Sie mir nicht den Grund angeden?" „Nein", rief der Maler verzweifelt, „das werde ich nicht tunl »b«r h«ut abend wird sich hier an dteser Stelle alles entscheiden — man wird unsere Leichen finden...", damit gab er dem Malgestcll «inen Fußtritt, daß e» samt der angefangenen Malerei in den See rollte. Alle Wetter, dachte Jens, da» ist eine tolle Sache, da mußt du aufpaffen, damit kein Unheil geschieht. Und gegen Abend postiert« er sich hinter einen Baum derart, -aß er sowohl den Eingang des Barke» wie auch den See über blicken konnte. Richtig — er brauchte gar nicht lange zu warten, da kam daS Pärchen: Arm in Arm, ohne Gesell schafterin. Der Maler hielt scharfe LuSfchau, dann richtet« das Pärchen seine Schritte gerade auf den Weg, der dem Lauscherposten de» alten Jens am nächsten gelegen war. Der hörte denn auch Wort für Wort folgend«« Dialog: „Liebste Gerta, wenn deine Eltern sich nur deshalb unserer Verbindung entgegensetzen, weil ich ein armer Teufel bin, so bleibt mir nichts anderes übrig, als zu sterben." „Dann sterben wir beide, mein einzig Geliebter!" „Nein.7 „Ja" „Aber bedenke doch, mein Herzchen, du bist noch so jung ... Du wirst mich bald vergessen und einen andern lieben." „Niemals, das schwöre ich dir zu." „Schwöre nicht — leb wohl für immer." Der Unglück liche riß sich gewaltsam los und stürzte sich mit einem kühnen Sprung in den See. „Ich halte mein Wort", kreischte das Mädchen, ,cher Tod soll uns beide vereinen", damit rannte sie auch in daS hoch auffprttzende Wasser. Jens war sprachlos vor Schreck. DaS Wasser hatte an dteser Stelle zwar kaum zwei Meter Tiefe, aber wenn man partout untergeben will, fo genügt auch schon die Hälfte. Also der Alte warf feine Jacke ab, klemmte die Pfeife fester zwischen die Zähne und sprang auch noch hinterher. Mit der einen Hand erwischte er das Plllschjacket des Malers, mit der andern nahm er das Mägdelein beim Schopf. Er schleppte beide auf den kühlen Nasen, und als sie sich erholt hatten, geleitete er sie nach seinem Gartenhäuschen. Dort gab's trockene Kleider! Inzwischen war die Dunkelheit heretngebrochen, sodaß die beiden unbemerkt hätten den Heimweg antreten kön nen. Statt dessen brach Fräulein Gerta in Tränen aus und lamentierte: „Ach, weshalb haben Sie uns nicht ster ben lassen? Der gemeinsame Tod ist das Einzige, waS uns »leist. Aber, noch ist nicht» verloren, was uns da erste Mal nicht gelungen ist, glückt uns sicher zum zweiten Male?" ,Was?" fuhr der alte JenS zornig auf, „Ihr wollt nochmal- ins Wasser geben?" Eine Komödie S „Jawohl", erklärten die beiden, wie auS einem Munde. „Dann muß ich Sie bitten, mir nach dem Poltzeibureau zu folgen", forderte Jens. Das Mädchen heulte noch toller. „Lieber Herr", bat sie, „lassen St« doch die Polizei au» dem Spiele. „Nun gut", ließ sich Jens erweichen, „dann aber geben Sie mir die Adresse Ihrer Eltern an, ich werde Sie nach Haufe geleiten." Nach einigem Zögern rückte Gerta mit der Adresse heran-. „Schön", sagte JenS, „ich komm« sofort mit. »her Sie, Herr Maler, können wir jetzt nicht mehr brauchen. Spazieren Sie gefälligst dorthin, wo der Pfeffer wächst. Lin« halb« Stund« später klingelt« JenS am Tor eine» großen Haufe», an welchem die Firma eines der reichsten Kaufleute der Stadt angebracht war. Die Mutter Gertas empfing die beiden. Eie erschrak nicht wenig, als sie ihre Tochter in den zerknüllten Kleidern sah. „Aber Kind", rief sie entsetzt, „wo hast du denn gesteckt? Die ganze Stadt haben wir nach dir absuchen lassen — ich war schon der Verzweiflung nahe." Als Gerta das Ztimner verlassen hatte, räusperte sich Jens und sagte: „Sie werden verzeihen, gnädige Frau, wenn ich Ihnen einen guten Rat erteile. Die dürfen Ihre Tochter nicht fo herzlos behandeln. Ich wenigstens muß Sie davor warnen, denn Fräulein Gerta hatte die be stimmte Absicht, sich das Leben zu nehmen. Mit Not und Mühe konnte ich sie davon zurückhalten — ein zweites Mal könnte es ihr aber gelingen. Sie müssen in die Heirat mit dem Maler emwilligen. Sehen Sie, die beiden lieben sich doch, und er ist ein guter, braver Kerl, der wohl wert ist, der Mann Ihrer Tochter zu werben." „Aber verehrter Herr", erklärte die Dame gerührt, „ich habe ja gar nichts dagegen, ich gebe sie ihm von Herzen gern." * * * Einige Monate später bummelte Jens wieder einmal durch die Obroe-Gade. Als er eben an einer schmucken Villa vorüberging, hörte er, wie jemand seinen Rainen rief. Erstaunt wandte er sich um. Ab, da stand ja sein Herr Maler und lud ihn dringend ein, zu einem Fliffckchen Aquavit. Einer solchen Einladung vermochte JenS aller dings nicht Widerstand zu leisten. Er kannte sich ganz genau nach dteser Richtung und hätte es selbst mit der größten Flasche dieses dänischen Nationalgetrünkcs aus genommen. Also er folgte der Einladung. Und da, als er ins Zinrmer trat — Hollah, das war dieselbe junge Dame, welche.... „Es freut nn» sehr, Herr JenS", begrüßte die ibn, „es ist uns lieb, Sie bei uns zu sehen. Sie sind in unser Retter gewesen. Erinnern Sie sich noch deS famosen Selbstmord versuchs tm Teich in Ihrem Park? Großartige Komödie, was?" Der alte Jens blickte verständnislos um sich. „Ja, mein Lieber", klärte ibn die junge Frau weiter auf, „'s war wirklich nur Komödie wir spielten diese guten Mutes, weil wir Sie als braven hülfsbereitcn Mann kannten. Daß Sic unS retten würden, war sonnen klar. Aber zudem hatten wir nn- eine Stelle ausgesucht, an der es so seicht war, daß keine Katze hätte ertrinken können, selbst wenn sie den festen Willen hierzu gehabt hätte. Geben Sie, lieber Herr Jen», diesen Selbmord- Kniff hatten wir uns auSgcsonncn, um die Einwilligung meiner Eltern zu unserer Verbindung zu erhalten. Und, Tie wissen s sa, er bat sich ausgezeichnet bewährt." „Eine Komödie", seufzte der alte JenS, „ein Kniff, eine Attacke ans meine Gutmütigkeit ... na, wa» hülft's, ich m»ß dazu Ja nnd Amen sagen. Aber ein Kummer bleibt mir: da» darf ich keinem Menschen weiter erzählen, wenn ich mich nicht blamieren will. Da muß ich eben wieder meine alten Nummern hervorsuchcn: „Die Strandung de» Kutter» „Heymdal" und die Sturmflut von 18007.7
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