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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.09.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030928024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903092802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903092802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-28
- Monat1903-09
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Die bereits von uns besprochene Resolution des Berliner „jungliberalen Vereins", in der die Erwartung ausgesprochen wird, „daß angesichts der Gefahr der erneuten Bildung einer klerikal - konservativen Majorität bei den nächsten preußischen Landtagswahlen die national liberalen Wahlmänner sich bei etwa nötig werdenden Stichwahlen mit den Freisinnigen und den sozial demokratischen Wahlmännern über eine gegenseitige Unterstützung verständigen", gibt klerikalen und konser vativen Blättern anscheinend willkommene Gelegenheit, die nationalliberale Partei der Sympathie für die Umstürzler zu verdächtigen. Was die klerikalen Verdächtiger betrisst, so genügt eS, darauf hinzuweisen, daß der Berliner „jungliberale Verern", wie schon sein Name beweist, kein rein national liberaler Verein ist, sondern ein solcher ist, in dem jugendliche Liberale verschiedener Art sich zusammen gesunden haben. Er spielt also den Nationalliberalen gegenüber keineswegs die Rolle, die der geiststliche Rat Wacker in Baden der badischen Zentrumspartei gegenüber spielt. Diese tanzt, wie Herr Wacker pfeift, und springt wie ein Mann für sozialdemokratische Kandidaten ein, wenn Herr Wacker es verlangt. Der Berliner „jungliberale Verein" kann lange warten, bi« die nationalliberale Partei in Preußen seiner „Erwartung" entspricht. Dasselbe mögen die Konservativen beherzigen, die überdies noch folgendes bedenken mögen: In klerikalen Kreisen sowohl, wie in bündlerischen Versammlungen werden nicht selten Wünsche ausgesprochen, deren Erfüllung von den Kon servativen erwartet wird, und zwar erwartet infolge der Unterstützung, die von den konservativen Fraktionen des Reichstags wie des preußischen Abgeordnetenhauses so wohl klerikalen wie bündlerischen Forderungen recht häufig gewährt wird. Was würde nun z. B. die „Kreuzztg." sagen, wenn man die konservative Partei verantwortlich machen wollte für jede „Erwartung", die ein klerikaler oder bündlerischer Heißsporn bezüglich der Haltung der Konservativen hegt oder auöspricht? Sie würde sich auf das entschiedenste gegen solche Verdächtigung ver wahren und wahrscheinlich nicht nur von Verdächtigung, sondern von böswilliger, bewußter Verleumdung reden. Jedenfalls hat nun aber die nationalliberale Partei bisher noch nicht die geringste Veranlassung dazu^gegeben, sie für eine verkappte Freundin und Förderin der Sozialdemokratie zu halten. Kaum eine andere der bürgerlichen Parteien hat sich so sehr wie die nationalliberale den Haß der sozialdemokratischen zugezogen. Nun ist allerdings — leider — zuzugeben, daß einige nationalliberale Blätter die auf eine Verständigung zwischen nationallibcralen und sozialdemokratischen Wahlmännern bei den Stichwahlen abzielende Resolution des Berliner „jungliberalen Vereins" nicht mit der Schärfe zurückweisen, mit der sie zurück gewiesen werden müHte. Diese Blätter stehen aber, wie man auf konservativer Veite recht wohl weiß, entweder nur noch mit einer Fußspitze auf nationalliberalem Boden, oder haben aus örtlichen Verhältnissen einen besonders schweren Kampf gegen Konservative und Klerikale nebst ihrem Feuilleton. 22i Inyeborgs Kinder. Roman von Margarete Böhme. Nschtnick verboten Plömbeck polierte seine Brillengläser weiter. „Hm. sehr schön. Ich kannte vor Jahren so einen philosophischen Kraftmeier, der auch immer die erhabenen Worte von dem Liecht des Starken und der Souveränität des starken Willens im Munde führte. Da brach das Unglück über ihn herein — nebenbei bemerkt, ein ganz simples Alltags- nngemach: pekuniärer Ruin — und der Athlet im Geiste knickte zusammen, wie ein Frauenzimmer und griff zum — Revolver. Das Ende der Schwachen, der Feigen. Thyra und Fabriani brachen ans. Im Vordergründe des Saales entspann sich eine Diskussion über Theater angelegenheiten, die nur für Bühnendichter Interesse hatte. Plömbeck und Ouesdü folgten ihnen. Thyra hörte, daß sie das begonnene Gespräch fortsctzten. „Mitleiden mit allen — wäre Härte und Tyrannei mit dir, Herr Nachbar." „ Sie haben Ihren Nietzsche aut im Kopfe, das mich man Ihnen lassen. Also das Recht des Starken. In einer abgelegenen Gasse fällt ein Kerl über Sic her und schlägt Sie zu Boden, um Ihre Barschaft zu stehlen. Ter Mann ist im Recht. Er ist der Starke, der Große " „Lächerlich. Wir reden nicht von Körperkraft, sondern von der Stärke im Geist." „Das kommt alle» auf eins heraus. Diese Ideen sind nnfrnchtbar. Schlimmer als das: sie sind giftig, unter Umständen tödlich, sie vergiften. Werden Sie vernünftig, junger Mann. Ich habe Sie gekannt, als Sie noch Kleidchen trugen. Damals hießen Sie freilich nur Hans Die Ueberhänse nennen sich Hanns, aber das tut nichts zur Sache. . . . Damals hatten Sie dicke, rote Backen und fröhliche Jungenaugen. Die Bakterien der neuen Lehre entzünden Ihnen das Blut und treiben Ge schwüre." Der Dichter lachte. „Wollen Sie mich bekehren? Da beißen Sie aus Granit. Ucbrigens verstehe ich's, daß Sie sich nicht für diese Art Philosophie erwärmen. Ter Herr Doktor wirb eher unserer Theorie -ustimmcn." welfischen Anhänge ru kämpfen, einen Kampf, der ihnen früher erspart blieb, als das Verhältnis der Konser vativen zu den Ultramontanen noch nicht das innige geworden war, das es heute ist. Wenn nun solche national liberale Blätter in dem ihnen aufgezwungenen Kampfe sich fragen, ob sie bei der Wahl von Bundesgenossen ebenso wenig wählerisch sein sollen, wie die konservativen Gegner, so sollte man sich gerade in konservativen Kreisen nicht dar über wundern. Tie Frage wird ja doch am Ende gegen die Erwartung der „Jungliberalen" in Berlin gelöst wer den. Denn darüber mag sich dieser Verein und mögen sich auch jene nationalliberaleu Blätter, die ihm nicht mit der genügenden Schärfe entgegcntreten, nickt täuschen, daß die erdrückende Mehrheit der deutschen Nationallibcralen von einer Verständigung mit den Sozialdemokraten schlechter dings nichts wissen will, nicht einmal bann, wenn ein Häuflein, das bis jetzt zu der Partei sich zählte, eine solche Verständigung befürwortete. Mit der Partei, die ibren wahren Charakter soeben wieder auf dem Dresdner Tage in der drastischsten Weise enthüllt hat, kann und darf die nationallibcrale einiger preußischer Landtagsinandate halber nicht paktieren, wenn nicht gerade ihre treuesten Anhänger an ihr irre werben sollen. Lieber ein Riß zwischen den Koin promißlustigen und der Parteimehrheit, als ein Wahlkompromiß zwischen dieser und den Bebelkuechten, mögen sie nun dem Herrn, dem sie in Dresden aufs neue Treue gelobt, diese Treue halten, oder trotz ihres Gelöbnisses weiter gegen seine Taktik revoltieren. Eine warmherzige patriotische Ansprache bat in der verflossenen Wocke ter frühere bayerische Ministcrpäsident Graf Crailsheim auf einem FestkommerS ehemaliger Schüler des Ansbacher Gymnasinms gehalten. Wie die „Franks. Ztg." berichtet, führte Graf Crails heim u. a. aus: In neuerer Zeit werde das humanistische Studium vielfach angefochten. Er verkenne nicht den Wert der neueren Sprachen und Naturwissenschaften und sei gern damit einverstanden, wenn den selben ein breiterer Raum als früher eingeräumt werde. Allein es dürfe dies nicht in dem Maße jener Bestrebungen geschehen, die dem humanistischen Studium nur ein bescheidenes Plätzchen ein räumen, es nur dulden wollen. Er halte eS für bedenklich, an dieser Grundlage rütteln zu wollen, auf welcher ein großer Teil unseres ganzen Kulturlebens beruhe. Gerade in unserer Zeit, in welcher die Ideale immer mehr verblassen, sollte man dies unterlassen. Wie sei es aber gekommen, daß die tapferen Griechen an die Römer, die ihnen an Kultur nicht gewachsen waren, die Weltmacht abtrctcn mußten? Doch nur aus dem Grunde, weil sie untereinander uneinig waren und sich gegenseitig be kriegten, statt ihre Weltmacht zu befestigen. Auch das alte Deutsche Reich sei nur ein Konglomerat von Staaten gewesen, die uneinig waren und sich befehdeten. Daher kam es, daß das Deutsche Reich eigentlich nur ein qcographischer Begriff ge wesen sei, während andere Staaten zu einer Machtstellung ge langen konnten. Nachdem nun aber ein großer Kaiser und Kanzler, unterstützt von einer großen Armee, das einige Deutsche Reich geschaffen hätten, sei es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, daß es vor Uneinigkeit und Ueberwucherung des PartikulariSmus bewahrt bleibe. Wir sollten stets es mit den Worten vivis x^rmanus 8 um halten und uns jederzeit Fabriani wandte das Gesicht zn dem Sprechenden. „Ich? O nein, Vcrehrtcster. Was mich anbelangt, ich muß offen gestehen, daß ich trotz reicher Erfahrungen und langjährigem, philosophischem Studium noch nicht mit dem schlichten Mcnschtum fertig geworden bin, — ich fand immer noch interessante Probleme, ungelöste Rätsel — die ttebermcnschcn sind eine Spezies, die mich nichts angchcn und auch nicht interessieren, ich lasse sic gern ungeschoren." „In Ihrem Beruf als Verteidiger werden Sie öfters eine Umwertung des Begriffes von Gut und Böse vor nehmen müssen." „Mit Wissen und Willen niemals!" „Sie sind notorisch verrückt, Oucsdo!" „Was Sie sagen, Herr Plumpudding! paräon: Plömbeck!" „Nichts für ungut, mein lieber Quasteldorf. Gehen Sie nach Hause und veranstalten Sie ein amüsantes Auto dafe mit Zarathustra und Jenseits, und dann laßen Sie sich von Ihrer Wirtin Baldrianthce kochen und einen Eisbeutel ans deu Kopf legen. Die ungesunden Ideen aus dem Gehirn geschafft, dann mit klarem Verstand und frischem Mut an die Arbeit. Vielleicht wird noch ein Schiller aus Ihnen oder ein Uebcrschillcr. Sic machen Fortschritte. Denn Ihre heutige Novelle — das darf ich als Kenner behaupten — war im Saybau tadellos." Das war zuviel. Ohne Gruß schlug sich der Ueber- mcnsch seitwärts in eine Gaffe und verschwand. Der Redakteur ging mit den anderen Beiden in einer Reihe weiter. Ter junge Mensch, dieser OueSdö, inter essierte ihn. Er kannte die Mutter, eine wenig bemittelte Witwe, die eS sich jahrelang bitter-sauer hatte werden lassen, um ihrem Sohn das medizinische Studium zu er möglichen. Vier Semester hatte er studiert, dann war er abgeschwenkt, um sich dem „Ausbau seiner schriftstelle rischen Ideen" zn widmen. „Vielleicht steckt wirklich ein großer Mensch in dem Burschen. Ich wage sogar, es zu glauben. Wenn er nur an der Leine bliebe! Aber da gerät er in eine von der Hundöwnt dieser verrückten Zcttideen infizierte Ge sellschaft, und mit einem Male ist cs alle mit ihm; bevor er mit dem Wust dieser hirnverbrannten Ansichten nicht aufgeräumt hat und sich wieder auf sich selbst besinnt, wird nichts Gescheites ans ihm gewonnen." „Ueberl>anpt diese Schriftstcllcrei. Er hätte bester erst feinen Doktor gemacht. Ich muh lacken, wenn ich die Leute ihr« Reden schwingen höre. Nein, meine Herr- nm die schwarz-weiß-rote Fahne scharen. In diesem Sinne erhebe er sein Glas und trinke auf das große deutsche Vaterland I Graf Crailsheim erntete mit seinem Appell bei der Versammlung vielen Beifall. Nm so größeres AergerniS hat er den klerikalen bayerischen „Patrioten" be reitet. Ihnen genügt eS nicht, daß sie den Grafen Crails heim los sind, sie möchten ihm auch den Mund verboten sehen. Man kann hieraus schließen, was die „Stützen des bayerischen Thrones" von dem Nachfolger des Grafen hoffen und zu erzwingen suchen werden. Wird cs in Ungarn zur Revolution komme«? In Erinnerung früherer Vorgänge unid angesichts der unglaublichen Hetzereien fast aller magyarischen Blätter gegen Oesterreich und das Kaiserhaus läßt sich diese Frage nicht von der Hand weisen, wird aber schließlich von guten Kennern des Landes mit aller Entschiedenheit verneint. Ein politischer Veteran, Ivan von Simvnyi, ehemaliger Reichstagsabgeordneter, der das Jahr 1848, di« Reaktion unter Bach und das sogenannte Provisorium von 1861 bis 1867 miterlebt hat, versichert in seinem „Westungarischen Grenzboten", daß keine Revolution zu befürchten ist. Zwar werden die großen Redner und Schreier im Parla ment ihre Hetzereien weiter fortsctzcn, man wird auch demonstrieren, man wird schwarze Traucrbänder am Arm oder sonstwo tragen, die Blätter werden Skandale er finden, aber es wird nach Simonyis Meinung zu keiner Revolution und zu keiner Steucrverweigerung kommen. Der Bauer denke nicht daran, Revolution zu machen, weil der Hauptmann seinen Sohn auf deutsch und nicht auf magyarisch in den Arrest schickt. Die Hetze werde sich dieses Mal an der größeren Not und Sorge brechen. „Das Ende vom Liede wird doch sein", so sagt sich der Bauer, „daß mir und unsere Söhne uns stellen und unsere Stenern zahlen müssen. Tun wir es also lieber freiwillig." Simvnyi macht sich lustig über die Parlamentsgrößcn, die nur so lange Heven, schreien und glänzende Reden lmlten, so lange sie cs ohne Risiko ihres werten ,^Jch" tun können. Das wissen die Bauern, und deshalb werden sie ihnen nicht folgen. Simonyi beklagt schließlich die mangelnde Ein sicht und die politische Unfähigkeit der Parlamentarier und die Impotenz der vaviernen Berfassungsschablone. Da bei ist er im Innersten seines Herzens liberal und konsti tutionell,' denn von dem drohenden Absolutismus fürchtet er, daß er unabsehbare Gefahren für Ungarn bringen werde. Die serbischen Wahlen. Das Ereignis des TageS sind dieWaölcn für die Sknvschtina, die selbst, wenigstens für den Moment, die famose Nischer Verschwörung und ihre Begleiterschei nungen in den Hintergrund drängten. Man hatte er wartet, daß die gemäßigtradikale Partei eine starke Mehr heit erhalte. Indes ist es anders gekommen. Die Ge- mähigtradikalen und die Extremradi kal c n sind in nahezu g l e i ch c r S l ä r k e aus den Wahlen hervvrgegangcn. Die Liberalen und Fortschrittler kamen überhaupt nicht in Betracht; sie haben schon lange abgewirtschaftet. Im ersten Moment nach dem Bekannt- werdcm der Wahlresultate dachte man an eine Vereinigung der beiden radikalen Gruppen. Es sind sogar in dieser Hinsicht von Seite der maßgebenden Faktoren Schritte bereits unternommen worden. Doch haben sich die zwei schäften, nicht an den Verlegern, Redakteuren und Theatcrdircktoren liegt die Schuld, an Ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage, sondern an Ihnen selber, an dein überwuchernden Dilettantismus unter Ihnen, meine Ver ehrten! Es ist ein Unfug, versichere ich Sie, ein reiner Unfug. Die Behörden sollten sich hineinmischen. Quack salber und Winkeladvokaten werden bestraft, wenn sie thre Patienten und Klienten schädigen; ich sehe nicht ein, weshalb man mit diesen Rittern von der Feder Aus nahmen macht. Jedem dieser OkisteShelden müßte erst von Staatswcgen eine Prüfung anferlegt werden, ehe er cs wagen dürfte, seine Arbeiten anznbieten. . . ." Thyra wandte ein, daß doch wohl jede Anfänger arbeit — auch die von hochbegabten Autoren — ihre Mängel habe und an Unreife leide. „Unreife! Das ist etwas Anderes! Auch in der un reifen Arbeit eines wirklichen Schriftstellers bekundet sich das-Talent. Aber dieser Schund, der da zusammenge- schmiert wird, es ist nicht zu glauben! Was schriftstellert heute nicht?! Alle Berussarten: Aerzte, Juristen, Lehrer, Beamte, kurz, jeder glaubt, neben seiner Berufsarbeit auch noch schriftstellerische Ergüsse verbrechen zu müssen, gar nicht zu reden von den holden Frauen! Du lieber Himmel! Da glaubt so ziemlich jede, die einen hübschen Brief zu stände bringt, nun auch das Zeug zu einer Schriftstellerin zn haben. Und wir — wir Redakteure und Verleger — wir sollen verurteilt sein, Zeit, Augen uud Geld an diesen blödsinnigen Quatsch zu verwenden; denn einmal erfreut sich das vermeintliche Genie meistens einer unleserlichen Handschrift, nnd zweitens treibt man selten die Höflichkeit des Herzens so weit, das Rückporto beizu schließen. Schickt mir da beispielsweise kürzlich so ein verrücktes Frauenzimmer — eine Lentnantsgattin aus Ulm — dreihundert Manuskriptseitcn Gedichte. Zurück geschickt. Nach drei Tagen liegt das Monstrum von Manuskript wieder ans meinem Schreibpnlt und daneben ein Schreiben von der Gnädigen: „Wie können Sie meine Gedichte ablclmenN Ick habe sie mit meinem Herzblut ge schrieben." Und ich Esel hatte eS für ganz ordinäre Gall- äpfeltinte gehalten. Ich versichere Ihnen, ich könnte auch Vorträge halten, über die Leiden des Redakteurs! Die Verleger sind nickt bester dran. Wenn die Herrschaften nur wüßten, welch' ein Aufwand von Zeit, Arbeit und Mitteln der Verkauf eines Buches erfordert, uud weich' ein Risiko der Verleger mit der Herausgabe eines Werkes von unbekanntem Verfasser übernimmt. DeSgletchen die Gruppen bisher so heftig befehdet, die Kluft zwischen ihnen ist so groß, daß eine Verwirklichung des Gedankens der Bereinigung sehr zweifelhaft ist. Es gibt, wie der „Voss. Ztg." aus Belgrad geschrieben wird, keine grundsätzliche Gegnerschaft zwischen Extremen und Gemäßigten, die Gegensätze sind vielmehr persönlicher Natur, nicht Gruppen oder Parteien, sondern Persvinen bekämpfen einander, und deshalb eben ist eine Einigung schwer zu erzielen. Die Extremen können es den Führern der Ge- müßigten nicht verzeihen, daß sie vor drei Jahren die Fusion mit den Fortschrittlern eingcgangen sind und so die radikale Partei „bloßgestellt" haben. Es ist schwer denkbar, daß die Extremen in ein Kabinett eintreten, in welchem Männer wie Paschitsch und Vuitzsch sitzen, während anderseits nicht zu erwarten ist, daß die Ge mäßigten einer Vereinigung mit der anderen Gruppe zu liebe die Vesten ihrer Partei opfern. Unter solchen Um ständen wären die Verhandlungen eigentlich Zeitvergeu- tung. Doch wir sind im Orient, wo die Logik oft auf den Kopf gestellt wird. Was tut man nicht alles, um zur Macht zu gelangen, um zu regieren! Der Machthunger der Poli tiker kann vielleicht doch über die Gegensätze hinweahelfen. Mit der Kabinettsbildung wird voraussichtlich General Sava Gruitsch betraut werden, und dieser ist bei beiden Gruppen gern gesehen. Es ist also trotz alledem und alledem möglich, daß er die Vereinigung zu stände bringt. Wie lange sie dauern wird, ist freilich eine andere Frage. Ei« neues Kabinett in Australien. Sir Edmund Barton, Premierminister deS Austra lischen Bundes, hat sein Amt niedergelegt und eine Richterstelle an dem neu errichteten Bundes-Obergerichte angenommen, dessen Vorsitz er bescheiden dem älteren Sir Samuel Griffith überlasten hat. Die Leitung des Kabinetts hat Alfred Deakin übernommen, zugleich mit den Auswärtigen Angelegenheiten. Die übrigen Aemter sttzd wie folgt verteilt worden: Handel und Zoll wesen Sir I. W. Lyne, Finanzen Sir George Turner, Inneres Sir John Forrest, Justiz Drake, Postwesen Sir Philip Flysh, Landesverteidigung Chapman, Vizepräsi dentschaft im Ministerrate Playford. In England sieht man Sir E. Barton mit Bedauern aus der Politik scheiden, nachdem er den Bund, um besten Gründung er sich hohe Berdicnste erworben hatte, sozusagen „in den Sattel gehoben" hatte. Sein Nachfolger Deakin, der während Bartons Abwesenheit in England die Führung des Kabinetts übernommen hatte, gilt als ein erfahrener und gewandter Politiker, -em neben ausgedehnten Nechtskenntnifsen eine für Australien besonders wichtige Vertrautheit mit Bcwäfferungsarbeiten nachgesagt wird. Ueber letztere hat er sich durch Reisen in Aegypten, Italien und Kalifornien unterrichtet. Der Kabinettswechsel ist persönlicher, nicht politischer Art. Der zweite in der Reihenfolge der australischen Premiers gehört derselbe» Richtung wie der erste an, arbeiterfreundlich, aber nicht im Banne der Arbeiterpartei! Deakin hat seine Arbeiter freundlichkeit schon vor 20 Jahren durch ein gut aus gearbeitetes Arbeiterschutzgesetz des Staates Victoria be kundet. Er und Barton haben namentlich während der heurigen Tagung dem Anstürme der Arbeiterpartei widerstanden, namentlich bei den radikalen Forderungen zu dem Gesetzentwürfe über die Errichtung eines Bundes- gerichtes für Arbeitsangelegenheiten, der zum Austritt des Handels- uud Zollministers Kingston, des Vertreters Theater. Ich kenne genug Direktoren, die wie die Blut hunde nach guten Kasteustücken fahnden. Etwas Brauch bares ist leider Gottes schwer zu finden. So geht es mit der gesamten Literatur; an wirklich guten Werken ist noch immer keine Ueberproduktion, aber es kann Vorkommen, daß die guten Sachen bisweilen von der wuchernden Fülle der Dilettantcnarbciten erdrückt werden und nicht znr Geltung kommen. Es ist ein Elend, versichere ich Ihnen, ein Elend Verzeihen Sie meine lange Rede, aber wenn ich von solchem Abend komme, bin ich wie ge spickt mit Einsprüchen und Entgegnungen. Hier mutz ich mich verabschieden. Empfehle mich Ihnen, meine Herr schaften. Es war mir ein Vergnügen " Doktor Fabriani begleitete Tbyra bis an ihre Woh- nung. Nach seiner Versicherung hatte er sich sehr gut unterhalten. Auch Thyra fand, daß der Abend »nterhaltend und lehrreich gewesen war. Und am meisten beschäftigte sie Fabriasiis Ausspruch von dem „schlichten Menscktum", mit dem er bisher noch nicht fertig geworden war, das ibm immer eine Fülle deS Interessanten bot. Kam das nickt ungefähr auf Pastor Mertens' Bebauvtung hinaus, daß eben in dem Normalmenschen mit gesundem Verstand, warmem Herzen und klarem Blick für alle Mängel und Vorzüge des Wesens der Typus des Jdcalwesens zu suchen sei? Sind das die wahren Uebermenscken? Doch wohl. Wer seine Pflicht voll nnd ganz erfüllt, der allein steht auf der Höhe. « . Bisher hatte sie immer an Fritz gedacht, wenn sie sich das Bild eines Menschen, der der angestrebten Vervoll- kommnung möglichst nahe gerückt ist, vor Augen stellte. Heute nicht. - Heute standen zwei andere Menschen vor ihr; Tante Jngcborg und Fabriani. Seltsam! Elfte- Kapitel. Die Balkontüren zu dem Zimmer des Rusten Kusekosf standen weit offen und ließen die laue, samtweiche, von dem Duft des frisch ausgelockerten Erdreich- und der ersten Frühlingsblumen durchleuchte Luft hineinftrömcn. ES war mit verschwenderischem LuruS eingerichtet, dieses Rauchzimmer, sybarkisch weichlich, wie das Boudoir einer verwöhnten Lebedame, «tla-glänzendc, färben- prangende Persrrteppick«, echte Vorhänge des Orients, tiefe, behagliche Ruhesitze von goldbraunem Samt, am
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