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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.03.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050325024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905032502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905032502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-03
- Tag1905-03-25
- Monat1905-03
- Jahr1905
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Aus aller Welt.) veulrcbe lntrretten in Marokko. Mehr als je wird es heute interessieren, was für Interessen Deutschland denn in Marokko zu wahren hat. An der Zahl unserer in Marokko ansässigen Landsleute gemessen., scheinen diese Interessen weniger bedeutend, als sie es sind. Nach einer Untersuchung von Professor Fischer betrug die Zahl der Deutschen in Marokko im Jahre 1901 nur 190. Das scheint sehr wenig für ein großes Land, das unmittelbar vor den Toren Europas liegt. Aber Marokko ist trotz dieser Lage eines der un- zugänglichsten Länder. Der erste Deutsche kam vor wenig mehr als 30 Jahren dorthin, im Jahre 1873. Den rich tigen Maßstab für die Schätzung des deutschen Inter esses an Marokko gibt daher nicht ein einfacher Blick auf den heutigen Stand der Dinge, sondern eine Ueber- schlagung der Entwicklung, aus der ein Bild von den Möglichkeiten für die Zukunft gewonnen wird. Rascher als deutsche Einwanderung, — wenn man von einer solchen sprechen will, — haben die wirtschaftlichen deut- scheu Interessen sich auf vielfache Weise entwickelt. Unsere Landsleute haben, so schreiben darüber die Mitteilungen des Allgemeinen Deutschen Schulvereins, das Land mit hundert Fäden an den deutschen Handel geknüpft. Die Engländer sind uns hier zwar noch weit voraus. Den französischen Handel aber, der ja gerade herrschend sein und werden soll, ist der deutsche im Be griff, einzuholen und zu übertreffen. Natürlich sieht mgn das in Frankreich mit Betrübnis. Die französische Gesellschaft für Hattdclsgcographie veröffentlichte einen Bericht von einem marokkanisch-französischen Kaufmann, in dem es darüber heißt: „Die Zahlen unseres Handels sind noch ziemlich hoch, aber Deutschland folgt uns auf dem Fuß. Die Anzahl unserer Kaufleute hat sich stark vermindert. Dagegen hat sich die der deutschen Häuser stark vermehrt) sie sind jetzt stärker vertreten als die unserigen . . . Zwei deutsche Dampfergenossenschaften besuchen die Küste, aber nur eine französische . . . Kurz, wir sind Zuschauer einer Uoberflutung, die der wirtschaftlichen Eroberung Marokkos gleichkommt ... In einiger Zeit wird nicht mehr England unser Hauptgegner sein, sondern das viel gefährlichere Deutschland . . ." Man könnte denken, der Mann übertreibt. Ver wunderlicherweife aber bleiben die zahlenmäßigen An gaben, mit »denen er seine Ausführungen belegt, hinter der Wirklichkeit noch zurück. Er gibt die Zahl der deutschen Häuser geringer an, als sie in der Tat ist. Am stärksten ist Deutschland natürlich, wie alle fremden Nationen, in Tanger vertreten. Dort wird die deutsche Kolonie, die etwa 100 Köpfe stark ist, gebildet von den Mitgliedern der Gesandtschaft, den Beamten der deut schen Post, einer Anzahl Offiziere und Ingenieure der marokkanischen Negierungsdainpser und der ansässigen deutschen Geschäftsleute. Es bestehen hier acht selbstän dige deutsche Geschäfte und drei Zweigniederlassungen. In Fez und Marrakesch gibt es je drei, in Saffi fünf, in Mogador vier deutsche Handelshäuser. Eine Halbwegs zuverlässige Statistik über den deutschen Handel mit Marokko ist unmöglich, weil z. B. der Bedarf der Re gierung an Kriegsmaterial, Geschützen und Munition, der größtenteils aus Deutschland gedeckt wird, nicht mit gezählt wird, und weil vor allem nur der Handel der 8 geöffneten Häfen geschätzt werden kann. Ferner rechnet die Statistik mit den Groß-Preisen im Hafen, die dem wirklichen Wert nicht entsprechen, auch entzieht der sehr ausgedehnte Schleichhandel eine Menge der eingeführten Waren jeder Kontrolle. Die Schätzungen des deutschen Handelswertes durch Kenner der Verhältnisse schwanken daher zwischen 8 und 14 Millionen, das zeigt am besten die Unzuverlässigkeit aller Quellen. Vielleicht'entspricht eine Schätzung auf 10 bis 12 Millionen Mark dem tat sächlichen Werte. Das sind wirtschaftliche Beziehungen von einer Stärke und einem Tempo der Entwickelung, die für die Zukunft treffliche Aussichten eröffnen. Der Rulrtarui in Ziiamrtattika. wie steht es in Aamernn? Eine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage fehlt auch heute noch. Auf die Anfrage einer Hamburger Firma hat Kolonialdirektor Stübel am Freitag nach den „H. N." telegraphisch erwidert: „Hier liegen keinerlei Nachrichten über Ausbruch von Unruhen in Südkamerun vor." Wunderbar muß es erscheinen, daß das Kolonial amt nicht mitteilt, was Gouverneur v. Puttkamer auf das doch gewiß sofort an ihn von Berlin aus gerichtete Telegramm geantwortet hat. Durch die „Deutsche Ztg." wird die folgende Version verbreitet: Die Aufstandsnachrichten aus Kamerun werden auch uns heute aus kolonialen Kreisen bestätigt. Es handelt sich vor allem um die Stämme derBulis und Iaun - des. Hier ist bekanntlich Hauptmann Dominik Be- zirkshauptmann. Aber leider — und damit wird wieder an grundsätzlichen Fragen unserer kolonialen Verwal tung gerührt — leider besteht seine Polizeitruppe aus Eingeborenen eben des Iaunde-Stammes, der jetzt als aufständisch gemeldet wird. Der Gouverneur hatte be kanntlich vor kurzem — sozusagen pränumerando — ge- meldet, es läge keine Gefahr vor und alle Vorkehrungen seien getroffen. Man wird jetzt seine neue Antwort auf die drahtliche Anfrage unseres Kolomalamts abzuwarten haben. Aaxitän Zacharias als Ariegsgesangensr. Ueber die Einbringung des Hererokapitäns Zacha rias schreibt ein Schutztruppler aus Otjimbingwe: Vor einigen Tagen kam der Hererokapitän Zacharias mit un gefähr 500 Mann als Kriegsgefangener hier durch. Die sen Einzug hättest du mal sehen müssen. Als erster kam Kapitän Zacharias mit seinen Großleuten in ziemlich guter Garderobe. Alle hatten ein Kirri in der Hand: dies ist eine Art Wurzel mit einem Knopf, ziemlich leicht, und eignet sich sehr gut als Spazierstock, aber schon ein leichter Schlag genügt, um einem Menschen den Schädel einzuschlagen. Wie ich dieses Mordinstrument sah, hätte ich am liebsten mein Gewehr genommen und jeden niedergeschossen. Hinter dem Kapitän und den Groß leuten kamen ihre Bambusen (dies sind Sklaven) und schleppten die Habseligkeiten nach, die sie noch hatten. Zacharias Frau ritt auf einem Ochsen, vier andere Weiber ebenfalls. Dies war der Einzug." Vie vririr in Kurrlanü. rLswalensk?. Die signalisierte Ernennung des Staatsrates Kowa - lensky zum Chef des Polizeidepartements in Petersburg wird amtlich bestätigt. Der Nachfolger Lopuchins aus dem wichtigen Posten des Direktors des Polizeidepartements, Staatsrat S. G. Kowalensky, ist ein Zögling der Peters burger Rechtsschule, welche er mit Auszeichnung absolvierte. Seine Laufbahn begann Kowalensky im Justizministerium, um jedoch alsbald der Staatsanwaltschaft zugeteilt zu werden. Als im Jahre 1898 die Gerichtsinstitutionen Alexanders II. inSibirien eingefübrt wurden, ernannte man Kowalensky zum Prokurator der Gerichtskammer von Irkutsk. Ein Jahr später ging er in derselben Eigenschaft nach Tiflis. Im Jahre 1903 wurde Kowalensky zum Oberprokurator der Warschauer Gerichtskammer unter gleichzeitiger Beförderung zum Wirklichen Staatsrate ernannt. Während seiner zwei jährigen Amtstätigkeit in Warschau nahm die Zahl der ad - ministrativen Verbannungen von politisch ver dächtigen Personen bedeutend ab. Der neue warschauer Generalgouverueur, Maxim owitsch, ist bereits in Warschau eingetroffen und hat, nachdem er mit dem bisherigen Generalgouverneur konferierte, dem Erzbischof einen langen Besuch gemacht, was die polnische Presse sehr befriedigt hat. V»n den Unruhen. Wie heute aus Petersburg gemeldet wird, zerbrachen in den einer englischen Gesellschaft gehörenden Baumwollspinnereien und Webereien Spaßki und Petrow die Arbeiter wegen Nichterfüllung ihrer Lohnforderungen die Webstühle und schnitten die Treibriemen entzwei. Um der Zerstörung des Fabrikeigentums Einkalt zu tun, mußten Truppen herbeigeholt und die Fabriken geschlossen werden. Auch die Alexandrowsche mechanische Fabrik ist gestern geschlossen werden. — Aus Helsingfors, vom 21. März, wird der „Köln. Ztg." geschrieben: Matti Reinikka, der gestern den Mordanfall auf den Gouver neur von Wiborg, Staatsrat Mjassoiedow, verübte, gab bei seinem Verhör die Erklärung ab, er sei Anarchi st und habe die Tat aus politischen Gründen vollbracht. Er ging dabei mit außerordentlicher Dreistigkeit zu Werke, indem er sich eine ganze Weile auf dem Korridor des Lehnsgebäudes aufhielt und sich dann unbemerkt ins Zimmer des Gouver neurs schlich, wo er auf Mjassojedow drei Schüsse abgab, von denen zwei trafen. Die Verletzungen sind jedoch ungefährlich. Unter Bobrikow war dieser Gouverneur, ein Russe, einer der eifrigsten Förderer der Russifizierung. Er besetzte nicht bloß die staatlichen, sondern auch die Gemeindeämter mit Russen und übte noch nach Bobrikows Ermordung seine Macht mit ungeschwächter Härte aus, während die übrigen Gouver neure wenigstens einigermaßen gemäßigter auftraten. Jeden falls ist auch dieses Attentat wieder als ein Ausfluß des Hasses eines groben Teiles der Bevölkerung gegen das herrschende System zu betrachten. Der tu;;i5cd-Iapanircbe Krieg. Der russische Arregsmtnister w. w. Sacharow, der nicht zu verwechseln ist mit dem Generalstabschef des Generals Kuropatkin, wurde, als dieser zum Oberkom mandierenden der Truppen auf dem ostasiatischen Kriegs- schauvlatz ernannt wurde, zunächst mit der Leitung des Kriegs- Ministeriums beauftragt und im März des Jahres 1904 zum Kriegsminister ernannt. Er zählt zu den k r ie g s e r f a h r c- nen Generalen Rußlands und hat sich auch auf administra tivem Gebiete betätigt. Geboren im Jahre 1848, erhielt er nach der „Boss. Ztg." seine Ausbildung an der Alexander- Militärschule und vollendete sie in der Generalstabsakademie im Jahre 1876. Als der Krieg gegen die Türkei ausbrach, wurde Sacharow dem Stabschef der aktiven Armee zu Spezialausträgen zur Verfügung gestellt und dann zum Adjutanten des Feldstabes ernannt. Der Krieg brachte ihm zahlreiche Auszeichnungen und Beförderungen. Als Haupt- mann war er in den Krieg gezogen, als Oberstleutnant kehrte er in die Heimat zurück, wo er zu besonderen Aufträgen dem Stabe des Gardekorps zugezählt wurde. Im Jahre 1880 erhielt er den Rang eines Obersten und den Posten eines Stabschefs der 2. Gardekavalleriedivission. Im Jahre 1889 leitete er die Mobilisationsabteilung der Hauptverwaltung der Kofakentruppen. Im Laufe seiner weiteren Laufbahn war General Sacharow Generalquartiermeister des Stabes des Warschauer Militärbezirks (1892 bis 1894), hier auf Stabschef des OdessaerMilitärbezirks und im Jahre 1897 Chef des Generalstabes. Auf diesem Posten verblieb er bis zu seiner Ernennung zum Kriegs minister. Zur Frievenslegende. Die Londoner Morgenblätter veröffentlichen eine Mel dung, nach welcher während der letzten, vielleicht auch vor letzten Woche nichtoffizielle Friedensverhand- lunaen im Gange gewesen sein sollen. Japan hatte nach der Schlacht bei Mukden die Hauptgesichtspunkte zu erkennen gegeben. Diese seien Petersburg übermittelt worden, wo die Minister Japan die Eröffnung der Verhandlunaen empfohlen hätten. Der Kaiser hätte die Entscheidung «och nicht getroffen. — Ueber den Versuch, eine Besprechung Müschen dem japanischen Gesandten Hayashi und dem Präsidenten des russischen Ministerkomitees Witte während des letzten Sommers berbeizuführen, erhält das Reutersche Bureau von Hayashi folgende Darstellung: „Eine Mittels person, deren Namen ich nicht nennen will, fragte mich, ob ich irgend wo mit Witte zusammentreffen wollte, um mit ihm über eine eventuelle Basis für den Frieden zu verhandeln. Ich willigte ein, hörte jedoch über die Angelegenheit nichts mehr, bis ich die Meldung eines französischen Blat tes sah, die angeblich von Witte selbst herrühren soll. Es ist sehr wohl möglich, daß auch Witte getäuscht worden ist: eine Anregung dazu ist icdoch von Witte oder wenigstens von seinem Vertreter oder einer anderen Mittelsperson ausge- gangen." — Aus einer anderen Quelle erhält das Reutersche Bureau eine Mitteilung, aus der hervorgeh-t, daß die erste Anregung zu einer Zusammenkunft von gewissen Pariser Finanziers gegeben worden sei. Die Angelegenheit sei sodann gewissen Persönlichkeiten in England mitgeteilt und Hayashi gefragt worden, ob er gewillt sei, mit Witte in privater Eigenschaft zusammen zu kommen. Nachdem Hayashi seine Regierung davon in Kenntnis gesetzt hatte, sagt die Mit teilung weiter, erklärte er sich bereit. Der russische Finanz agent in London Rutkowski teilte dies Witte mit, der, nachdem er dem Kaiser Bericht erstattet unb auf Annahme des Vorschlages gedrungen hatte, sich nickt in der Lage sah, mit Hayashi zusammen zu kommen. Rutkowski teilt bem Bureau mit, daß die erste Andeutung, die Witte in dieser An- Feuilleton. Die Wehrlosen. Von Charlotte Eilersgaard. 16) Autorisierte Uebersetzung von Wilhelm Thal. Nachdruck vervoten. (Schluß.) XXVI. Es war Geld von Kaj gekommen, für Eriks Reise. Fast mit Ehrfurcht nahm Helwig diese Scheine in die Hand. Es war so merkwürdig, daß anderes Geld ins Haus kam, als das, was er verdiente. Und daß es von einem der Kinder kam, denen er zu geben sonst nur gewohnt lvar, erschien ihm fast am sonderbarsten. Und von dem Tage an machte sich bei Helwig ein stiller Respekt für Kaj geltend. Erik saß in seinen: Krankenwagen in den Anlagen. Er saß an einer Stelle, wo die Sonne ihn recht warm bescheinen konnte. Auch er hatte diese fremden Scheine in den Händen und ließ sie einen nach dem andern durch die Finger gleiten. Die Mutter stcmd dabei. Seit seiner .Krankheit war sie nicht von ihm gewichen. — Und es waren viele Wochen. Jetzt glaubte, durfte sie hoffen. Aber es war ein l>arter Kampf, den sie durchgemacht. Sie hatte mit den: Tode gekämpft. Sie hatte ja ihrem Sonne Sonne, Blumen und grüne Bäume versprochen. Eine Zeitlang hatte sie gefürchtet, er würde dies alles nur über seinem Grabe bekommen. Aber sie wollte es anders. — Und Zoll für Zoll gewann sie Erik das Leben zurück. Sie gewann es durch ihre Hingebung und Liebe. Erik betrachtete seine durchsichtigen Hände, von denen die eine aus dem Krankenwagen ruhte, mit der andern umschloß er fest das Geld, das er Plötzlich der Mutter hinschob: „Gib es Karen!" „Aber Erik!" „Ja, Mutter, sieh mich einmal richtig an. Glaubst du, ich sehe so aus, um mir in fremden Ländern meinen Weg zu bahnen? Ich habe jetzt in >der letzten Zeit so viel darüber nachgedacht. Aber ich habe es so gern ab-' wälzen und mich selbst belügen wollen. Es wird einem so schwer, zu erkennen, daß man gebrochen ist, wenn man erst vierundzwanzig Jahre zählt." Frau Helwig legte die Hand auf seinen Arm. „Aber, Erik, du hast dich doch in der letzten Zeit so schön erholt . . . und du brauchst doch auch nicht heute oder morgen reisen." „Erholt", sagte er langsam. „Ach ja, anscheinend ist es jetzt wohl etwas besser. Aber es ist doch etwas in mir entzwei, und das kann nicht geheilt werden, Mutter. Ich glaube, mein Wille und mein Mut ist geknickt. Die sind nach und nach gebeugt worden. Vielleicht kann noch einmal etwas daraus aufflammen, aber das hat keinen Wert. . . . .' Als ich so kräftig wurde, daß ich wieder denken konnte, habe ich es mir überlegt. Ich habe Angst vor dem fremden Lande und sehne mich doch so sehr danach. Und ich habe solche Angst, daß ich nicht genug da drüben tauge und Kaj nur zur Last falle." „Kaj wird sich nur über dich freuen, Erik Und du sollst sehen, er macht auch noch etwas aus dir", sagte Frau Helwig aufmunternd. „Kaj macht noch etwas aus mir", sagte Erik mit mattem Lächeln. „War ich es nicht, auf den sich die Familie verließ? Ich sollte sie vorwärts bringen Und nun ist es Kaj. — Ach, ja, nun seid Ihr auf der richtigen Seite. — Aber ick) habe auch gar keinen Mut. Das bißchen, das doch da war, hat mir die Krankheit genommen. Jetzt habe ich nicht einmal den Mut, etwas von Kaj anzunehmen." „Du siehst alles so krankhaft feinfühlend an, Erik. Wenn du wieder ganz gesund bist, wird es anders." „Das glaube ich nicht, Mutter, und es wird wohl noch eine Weils dauern, ehe ich so ein richtiger Kraftkerl werde." Er sah hernieder auf die Decke, die die Beine ver hüllte. „Jetzt haben wir beide uns ja recht gut zusammen eingelebt, Mütterchen. Wenn ich das jetzt überstanden habe, bekomme ich wohl eine Assistenten- oder Schreiber stelle in einer Bank oder bei einem Rechtsanwalt hiev in der Stadt. Und dann bekommst du deinen alten Jungen in Kost. Du sehnst dich wohl nicht allzu heftig danach, mich loszuwerden?" Frau Helwig betrachtete Erik. Und wieder hatte sie Mühe, die Tränen zu untsvdrücken. Ja, mit jedem Tag, den sie ihn pflegte, war er ihr wohl noch lieber und schmerzlich teurer geworden. „Ob ich dich gern behalten will, Erik: ja, könnte all meine Liebe dich glücklich machen, dann wollte ich dich gern behalten. Aber ich weiß, du kannst dich nicht damit begnügen. — Und ich will mich auch zwingen, dich zufrieden zu stellen." „Ach, ich werde mich schon begütigen. Aber wollen wir nun nicht Karen herholen und ihr eine Freude machen?" Karen saß in einiger Entfernung auf einer Bank und las. Als sie den Ruf der Mutter vernahm, war sie gleich bei ihr. Verwundert sah sie auf den Bruder, als er ihr das Geld in den Schoß legte. „Mache du etwas daraus", sagte er. „Ja, es ist doch aber dein Geld, Erik, ich kann nicht verantworten, es aufzubrauchen." „Rede nur keinen Unstnn", sagte Erik fast bart, „sehe ich aus, wie einer, der eine lange Reise macht? Wenn ich reisen kann, dann bekomme ich wohl auch noch das Geld dazu." Karen sah auf die Mutter und sie konnte ihr an sehen, es lvar ernst. Nur fand Karen, daß sie sich nicht so recht freuen konnte. Es war auch merkwürdig, daß, kam das einmal, was man sich am meisten gewünscht hatte, es auf eine so eigentümliche Weise geschah, daß man sich nicht darüber freuen konnte. Aber etwas daraus machen, das wollte sie. Karen hatte das Gefühl, sie hätte mächtige Kräfte. Es gab nichts, was sie hindern konnte. Sie drückte Eriks Hand. Gern hätte sie sie geküßt, aber sie wagte es nicht: dann eilte sie fort, damit er nicht sehen sollte, wie bewegt sie war. „Wollen wir nun noch Hause, Mutter? Ich finde, es wird hier draußen so kalt. Es ist ja nur sine Herbst- sonne, die wir jetzt haben, und die ist nicht besonders warm." Erik rieb sich die Hände, als friere er. „Ja, wenn du meinst", sagte Frau HÄwig leise. Dann nahm sie den Griff des Krankenwagens und fuhr nach Hause. XXVII. Zwischen den vielen Dillen der Straße hatte ein kleines Haus sich eingeschobcn. Es hatte eine Glas tür mit Veranda und einen eleganten Giebel. Wenn man auf dem Wege bauen wollte, so wurde verlangt, daß im Villenstil gebaut wurde. Gegen Abend sah man oft Frau Helwig im Garten auf- und niedergehen und die Blumen und Pflanzen begießen, die bereits grünten. Helwig saß auf der Veranda und genoß nach des Tages Arbeit die schöne Luft. Und er dachte daran, daß der Gerberlebrling den Grund zu dem Heim gelegt hatte, das ihm als das Schönste erschien, das er je be sessen. Kaj hatte das Geld gesandt, um den Grund und Boden zu kaufen, und dann hatte sich Helwig mit einem Darlehn die Mittel verschafft, um darauf zu bauen. Und nun saß er in seinem eigenen Haus und wohnte doch kaum so teuer, als zur Zeit, da er noch Mieter lvar. So oft hatte er zu Ellen gesagt: „Wir haben also dock) noch das Lustschloß bekommen." Und ebenso oit hatte sie darauf geantwortet: „Ja, aber erst, als ich so müde, so müde geworden war."
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