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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 02.05.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19120502022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1912050202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1912050202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1912
- Monat1912-05
- Tag1912-05-02
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Li.l„ »t«U »K» »«, L, un» Umg«»un, «n La»» »««Ui «>, 56. Jahrgang, 126. Mn<l./l«gsbr mr Mich«»» »« »i« V«st-»bonn«g in «in« »«lamUut^abe « Donnerstag, 2. Mai 1612. Vez««»-Gebühr »IirtUithrl. fllr Dre». den bei ttlgltch ,«e^ dun» ait»wör«t,e A«n- n,iMon<r« bt»».L0 M. Bel einmaliger Zn- fteltung durch die Post ;< M. totzneBeftellgeidj. Die den Lesern von Dredben u. Umgebung am Tage vorher zu- geftellien Abend Au»- gaben erhallen die aus- wlniaen Bezieher mit der Morgen-Auogabe -usammen zuaestelli. Nachdruck nur mit deut licher Quellenangabe t^Vread. Nachr."> zu- lWg. — Unoerlangle Manuskripte werden nicht ausbewahrt. Telegramm-Adresse: Nachrichten Dresden. 1858 Druck und Verlag von Liepsch L Reichardt in Dresden. Hauptgeschäftsstelle: rNarienstvaste 58/40. Fernsprecher: u . 2«r»« -> 3«NI. Anjetgen-Tarif. Annahme von Ilntün digunge» dl» nachm !t Uhr, Lonnlag» nur Marlenstrahe W von I I bl- > -, Uhr, Die einspaltige «Nrundzeile lea. « Lilben» :>0 Ps, Familien Nachrichten au- rre.de» Lb Pf-, di» zweispaltige Heile ausTertseilc7t>Ps,die zweispaltige Reklame zeit, 1,50 M. — In Nummern nach Soun und Feiertagen die einspaltige thrundzeile Ni Di, Familien Nachrichten aus Dro ben die tbrundzelle »0 Ps, — Auswärtige Auströge nur gegen Vorausbezahlung. - Jedes Beiegblall kosie» 10 Pf. /^oöeTNS — > — V» <qt-.plsoensckesk'Lo7'L''"' X. ho IsftnL Zufrvgbao. Jür? eittgs Leser?, Die Große Kunstausstellung Dresden 1812 wurde heute vormittag 11 Uhr im Beisein des Königs, des Prinzen Johann Georg und der Prinzessin' Mathilde eröffnet. Heute sriili :) Uhr wurde ein Teil des neuen Leip ziger H a n p t b a h n h o s c s in Betrieb genommen. Die Wahlprüftingskvmmiisivn des Reichstages beschloß beute, die Wahl des R e i ch s t a g s v r ä s i d c n t c n D r. K a c m p s z u beanstanden. Am Streik der st! l> e iilschiffc r sind bereits über MV (— 80 Prozent) beteiligt. Einem Londoner Tiamantenhändlcr sind auf der Ueberfabrt von Boulogne nach Folkcstone Pretiosen im Werte von 2 0 ll 0 0 0 M k. g c st o b l c n worden. Neueste Drahtmeldungeu vom 1. Mai. Aus den Kommissionen. Berlin. lPriv.-Tel.) Der S e n i o r e n k o n v c n t des Reichstages beschloß, nm den Kolonialctat bis späte stens morgen zu beenden, heute eine A b c n d s i tz u n g alft zuhalten: erforderlichenfalls soll auch morgen eine solche stattfindcn. Am Freitag soll die Debatte über die Anträge auf Abänderung der Geschäftsordnung stattfindcn. Man hält »och immer an der Hoffnung fest, die Etakbcratung und die Wehrvorlagen vor den Pfingstfericn zu erledigen. Berlin. lPriv. Tel.) Die B u d.H e tk y m in t l > i o n dcsReichStages setzte heute die allgemeine Nkstzrechung über die M i l i t ä r v o r l a g r fori. Von konservativer Leite wurde der Grundsatz ausgestellt, daß alle wehrpflich tigen Leute möglichst ansgebildet werden sollen, und zwar aus erzieherischen Gründen. Deshalb sei eine verstärkte Ausbildung der Ersatzrescrve wünschenswert, was ourch Erhöhung der Jriedcnspräsenz auch teilweise erreicht werde. Ferner wurden Kavalleriedivisionen schon im Frieden gewünscht. Dies gab dem KricgSminister Anlaß zu vertraulichen Ausführungen über die Bcrivendung uiiscrer Kavallerie nach der Mobilmachung. Ein Zen- trumömitglied wandte sich gegen den Grundsatz der Rüstungsbeschränkung, weil wir mit einem Kriege nach drei Fronte» zu rechnen hätten. Die Rentralität von Bel gien und Holland sei eben nicht mehr garantiert. Beide Länder bildeten ein Einsallötor nach Dcnlschland. Der Staatssekretär gab hierzu vertrauliche Aufklärungen. Von sozialdemokratischer Leite wurde die Frage der Rentralität überhaupt behandelt und eine Verständigung mit England befürwortet. Deutschland müsse mit der RüstungSbegren- znng vorangehen. Ans der bayrische« Kammer. München. lPriv.-Tel.) In der bayrischen Kam in c r begründete Ab-g. Dr. Dirr die nationalltbcrale Inter pellation betreffend die Interpretation des Jesuiten- g e s e tz e s. Tic Interpellation wird damit begründet, daß die Nciiaus-lcgung des Icsiiitenge'ctzes im Widerspruch stehe nicht nur zn früheren Versü-gnngen, sondern auch zu der bisherigen einheitlichen Auslassung der einzelnen Bundesregierungen und somit als eine Umgehung des s "Hi" ll l -l i i ll E, ReichsgeietzeS erscheine. Ministerpräsident v. Hcrtling verlas eine Erklärung, der bayrische Erlast sei das End glied bereits von früheren Ministerien cingeleiteter Per- hondiiingen. Der Zweck der Entschließung der bayrischen Regierung war, die Krcisrcgiernngen auszukläre», wie sie künstig das Ieinitengesetz handhaben sollen. Ans Grund von Erwägungen glaubte der frühere Minister die Ordens- rätigtcit der Jesuiten, dir sogenannten Konferenzen, nicht ciiischränkc» zn sollen. Freiherr n. -Hertling und die neuen Minister trügen die volle Verantwortung für den Erlaß. Die Auslegung, die die bayrische Regierung dem Je nicken gesetz gebe, sei vereinbart mit dem Wortlaut der reichs- rechtlichen Vorschriften. Es sei nicht zu leugnen, daß im Reiche ein großer Umschwung zugunsten der Jesuiten ein getreten sei. fLachen links, Beifall im Zentrum.) Der 1. Mai. Berlin. Anläßlich der heutigen Maifeier fanden in Großbcrlin gegen 80 Gewerkschaftsversammlungen statt: davon in Berlin selbst 40. Die Mehrzahl der ans den Bauten beschäftigten Maurer war erschienen. Zn den großen Metallsabrikcn arbeitete fast die ganze Arbeiter schaft nicht. Berlin. lPri-v.-Tel.) Der l. Mai wurde hier i» der üblichen Weise gefeiert. In der neunten Morgenstunde versammelten sich die Mitglieder der einzelnen Gewerk schaften in ihren Berkehrslolalen zum gemeinsamen Ab marsch nach den großen BersammlungSsälcn. Zunächst zogen sie in kleinen Trupps von 20 bis 00 Personen durcn die Ltraße». Schließlich vereinigten sich aber die Trupps zu Massenzügen. Tie Ordnung wurde jedoch nirgends ge stört. Die Polizei hielt sich gänzlich fern. In den Ver sammlungen wurden Resolutionen für den Achtstnnüen- Arbcitstag nnd den Ausbau der sozialen Gesetzgebung an genommen und gegen den Militarismus protestiert. In den großen Betrieben der Metallindustrie wuroe Übeiall gearbeitet. Auch aus den Bauten in der Stadt fehlte kaum die -Hälfte der Arbeiter. Halle. -Hier st r c i k c n heute die Zimmerer, Maurer, Bauarbeiter, Steinsetzer, sowie die Heimarbeiter, beson- ,^rs Schneider und Schuhmacher. In dem Umzüge her ^»tzzialdemokratcn marschierten etwa 5000 -Männer und :t0«0 Frauen. Für morgen stehen umfangreiche Aus sperrungen bevor. Petersburg. In den Putilvwwcrkcn sind gegen 1 0 000 Arbeiter ausständig. In den Obuchvivwcrken, so- 'Iviö in den Fabriken hinter dem RewSki-Lchlagbaume sind die Arbeiter nur teilweise im Ansstande. Dagegen streiten im Wanili-O-strow-Stadtteile alle, die gestern noch arbeite ten. In allen Pulverfabriken hinter dem Moskauer Lchlag- baumc, sowie in vielen Druckereien der Innenstadt rußt die Arbeit vollständig. Der Streik der Rheiuschissc». Esten lRustr.) lPriv.-Tel.) Der Streik der R h c i n - schiffcr ist allgemein: cS sind bereits über MIO «gleich 80 Prozent) im Allsstand. Auch Nichtorganisierte schließen sich zahlreich an. Der ganze Riedcrrhcin ist mit fcstlicgendcn Lchleppzügcn bedeckt. Zum Expos« des Grasen Berchtold Rom. Die Blätter bringen günstige Kommen tare zur Rede dcS Ministers Grafe» Berchtold. „Popolo Romano" hebt hervor, die Rede sei eine ausdrückliche Be stätigung dafür, daß die österreichisch-ungarische Politik' in der vom Grase» Achrcnthal ererbten Richtung wcitcr- gcsü'hrt werde. Italien könne mit den Erklärungen des Grasen Berchtold durchaus zufrieden und Staatsmännern. wie Appouni nnd Tisca, für ihre herzlichen Reden Italien gegenüber dankbar sein. Auch „Bita" ist von der Rede des Gra,e» Berchtold, deren Bedeuiung sie hervvrhebt, besrie öigl. „Messagcrv" betont, daß Gral Berchtold von den oste, reichlich italienischen Beziehungen mit Freimiir und A>n- richtigkcii gesprochen habe. Pariser Avachengrcuel. Paris. Tic Polizei verhastcie den Geliebten der Schwester Earvnns, einen Hingen Mann, der sich Eal- b o r ü i n nennt. Es heißt, Earouns sei von einem Manne verraten worden, aus den vor einige» Tagen ein Attental verübt wurde und der de» Banditen unter der Maske eines Freundes beherberg! hat. Großer Pretioscndiebstahl. London. Einem Londoner Diainantenhändlcr namens Max Rosenthal sind bei der Ilebcrfahrt von Boulogne nach Folkestvne Diamanten. PcrlenkollierS nnd Banknoten im Gesamtwerte von 200 000 Mark ge stohlen worden. Die Diebe sind Roicntl>al augenschein lich von Paris ans gefolgt. Tie Dardanellenfrage. Konstautiuopel. Die Pforte sagt in ihrer Ant wortnote, die gestern ans der russischen Botschaft ab gegeben wurde: Kein Vertrag hindere die Türkei, in Kriegszciten die Dardanellen zu schließen. Nichtsdesto weniger sei die Pforte geneigt, die Dardanellen wieder zn ösfncii, sobald die Umstände es gestatten würden. Man versichert, daß der russische Botschafter von Giers gestern in einer Unterredung mit dem türkischen Minister des Aeußc- rcn AEim Bei von neuem die Notwendigkeit der Oefsnung der Dardanellen betonte. Die Verlängerung der Schließung würde die Türkei um die Sympathien der öffentlichen Meinung Europas bringen. Odessa. Tie Gctrcidecxportcure beschlossen, wegen FrachtcnmangelS die auf den April abgeschlossenen Kontratte für ungültig zn erklären. Odessa. Eine Versammlung von Vertretern des B ö r l e n k v m i t e c S, Gctrcidccxportcuren und Impor teuren beschloß im Hinblick auf die durch die Schließung der Dardanllen geschussene Lage, unverzüglich den Minister Präsidenten, die Minister des Aenßcren nnd des Inner» und den Handclsminister telegraphisch davon zu benach richtigen. daß die noch andauernde Schließung der Tarda nellen Handel und Industrie i» eine schwierige Lage vcr setze. Es drohten die schlimmsten Folgen. In einem großen Gebiete herrsche illiter den Hasen- nnd anderen Arbeitern nnd bei den SchifiskommandoS Arbeitslosigkeit. Viele Fabriken und Dainvfcrgcsellichaften ständen vor der Ge fahr, ihre Tätigtest entstelle» zu müssen. Rostow a. Don. Die B v r s e n t a u s nr a n n i cha s t hat eine Kommission damit betraut, mit dem Börsenkomitce die durch die Schließung der Dardanellen dem Getreide Handel und der Schiffahrt zngcfügten Verluste fcstznstcllrn und innerhalb von drei Tagen anznmelden. Rooscvelt und Tost. Boston. Um :i Uhr morgens war ans 707 von 1080 Wahlen von Massachnisctts das Ergebnis der Vor wählen für die Präsidentschaft hckannt. Danach ent sielen ans Taft Ü2 618, ans Rvoievclt 7>1 400 Stimmen. Boston. In den P r i m ä rwahlcn in M a sfa ch » i e t t s hat nach den bisherigen Resultaten in 100 von 207 städtische» Wahlbezirke» von Boston Rooscvelt 0222 Stimmen und Präsident Taft M t22 Stimmen erhalten. Nach den wenigen bisher cingelaufencii Wahlergebnissen Konst Md Mffeoschast. kentral-Theater. l>. Gastspiel des Lessiug-Theaters zn Berlin.) Die Gastspiele, die vv» dem Berliner Ensemble des L e s s i n g - T h e a t c r s beziehungsweise des Deutschen Theaters von Zeit zu Zeit mit hervorragenden Ausfüh rungen in einem der Dresdner Privatthcatcr veranstaltet werden, sind als künstlerische Erscheinungen von Rang durchaus mit Lnmpathie zu begrüßen --- um so mehr, als ja ein Theater «das Königl. LchauspielhaitS) in einer Stadt wie Dresden bei der Fülle von Erscheinungen außer stände ist, allen Anforderungen gereckt zu werden. Eine Ucbcr- spannuug der Arbeitsleistung kann ja auch im Interesse gedeihlicher Entwicklung niemals gewünscht werden. In dem Zusammenspiel des Berliner L c s s i n g - T h e a t c r S verehren die Freunde vereinfachter, kultivierter Bühnen- lnnst seit Jahren eine der feinsten Blüten. Von diesem Theater mit seinem Strebe» nach Geistigen!, nach tiefster Menschlichkeit und Wahrheit sind ohne Aufdringlichkeit und übles Tamtam leise Segnungen auf die deutsche Schau spielkunst gegangen, deren Wirkungen der am besten be urteilen kan», dem VergleichSmöglichkeiten von früher zu Gebote stehen. — Tic Berliner Gäste brachten gestern an ihrem ersten Abend eine der Erstlingstragödien von Ger- hart Hau pt man ii, „Das Friedcnasest". Gerade vor fünf Jahren hat das Dresdner Publikum diese von Schreck uisscn durchzittcrte Familicnkatastrophe mit dem Reinhardt- Ensemble im Rcsidcnzthcatcr in erschütternder Darstellung gesehen. Das Werk gehört wohl zn denen, dle bei der Be urteilung des literarischen Gesamtbildes von Hauptmann sehr nötig sind, nicht aber zu den Werken, die sich dauernd in einem von Rücksichten irgendwie beherrschten Spielplan behaupten könnten. Es ist ans den literarischen Strömungen seiner Entstchungozeit zu beurteilen. Um die ganze Schärfe der jung-literarischen Opposition in den achtziger Jahren voll verstehen zu können, muß man sich die Spiel plänc der Theater von ehedem vergegenwärtigen: auf klassischem Gebiet wirkten ivohl die Taten der Meininger bedeutsam und anregend, aber das moderne Repertoire wurde von Milchsuvpcn beherrscht, von denen selbst die Familicnmagcn nichts mehr wissen wollten. „Vor Sonnen aufgang", „Fricdensfcst" bedeuteten im gewissen Sinne Kampsstückc gegen die Familienstücke mit dem wenn auch traurigen, so doch vcrsölmlichen Ausgang. Hauptmann zahlte wieder z» den deutschen Poeten, die das Leben nicht in den Verklärungen des Abend- respektive Morgenrots zeigten, sonder» in der harten unerbittlichen Beleucht»»«! des Tages. Und daß er in seinen Erstlingstragödien nicktj an ein durch Zufälligkeiten bestimmtes, mehr oder weniger- heldenhaftes Geschehnis anknüpstc. sondern den ganzen dramatischen Vorgang in die Eharaktcrc hincinlegte, gibt diesen Werken erhöhte Bedeutung in der Lebensarbeit des Dichters. Und die Ideen, die einmal, als das IahrhniiderE zur Neige ging, so neu und wunderbar und bewegend er ! schienen, hüben in Haiiptmanns Dichtungen einen deutlich erkennbaren Niederschlag gesunden. Man sieht natürlich heute nach bald zwanzig Jahren schärfer und ruhiger, als mit von Kampfeslcidenschast getrübten Augen. Deutlicher spürt man als damals, daß die Komposition der Bühnen dichtung „Das Fricdensfcst" durchaus nicht einwandfrei ist. daß Absicht oft das feinere Gefühl verletzt. Und Zweifel Haft bleibt cs zum mindeste», ob Persönlichkeiten, deren Willensfreiheit durch vinrliische Belastung beeinträchtigt ist, als vollwertige dramatische Charaktere anaesehen werden könne». Aber mit welcher Schürfe sind alle diese Eharaktcrc mit ihren seelischen Defekten hcranSgearbcitct. Wer aller dings auf dem Standpunkt steht, daß düstere Ereignisse von ncrvenauswühlendcr Wucht nur dann aus der Bühne Be rechtigung haben, wenn sic ein paar Jahrhunderte alt sind und im Kostüm vonstatkcn gehen können, muß freilich „Das F-ricdenSsest" als Stofs für die Bühne verwerfen. Ein seelisches Ergnickungsbad vermittelt das Genießen dieser Familicnkatastrophe keineswegs, aber die Teilnahme wird immer wieder mächtig angeregt. Und der, der einst mit jungen und hoffenden Angen ans die Stürmer und Dränger schaute, kan» das Urteil von ehedem getrost nach- prüfcn. Hauptmann steht echt da mit dem Reichtum seiner künstlerischen Instinkte und den starken Mitteln zu ihrcr Bcrwirklichung. Er ist ein Meister in der Klciiimalcrei, kräftg in seiner Empfindung und überzeugend durch die Logik seiner Schlüsse. In der Wiedergabe solcher Werke leistete das künst lerische Ensemble von Dr. Otto Brahm von ichcr Bedeut samrS — für den Poeten von überragender Bedeutung finden sich eben zn rechter Zeit in schauspielerischen Kräften geeignete Heiser. Die gestrige Ausführung wies Nuancen und Farben ans, die ganz unvergleichlich wirkten, aus der liesen, in die düsteren Gründe ziehenden Tragik stieg infolge dieser in vielen Zügen außerordentlichen Inter pretation doch etwas Erhebendes IieranS. Eine hcrrliche Bcreichernng für das Enicmble ist Ilka Grüning. eine Darstellerin älterer Franencharaktere, wie sie Berlin seit Luise von Poellwitz nnd Hedwig Wangel nicht hatte. Sic war gestern die geistig einfache, vom Leben zermürbte Flau, in deren Adern der Tropfen AriniitSblut bei allen Situationen deutlich pulsierte. In ilircr Zersabrenhcit, dcr Unmöglichkcit, sich dem inneren Leben ihrer Angelrörigen sich irgendwie anznpasscn, cntsprgch sie jeder Intention des Dichters. Else Lehmann vermeidet als Fra» Büchner alles sentimental Färbende, ihre Güte ist von einer soliden, selbstverständlichen Herzhastiakcit, ohne jedes Oelige, das Gifte io oft verdächtig macht. Ihre Güte ist nicht wie Rosenivvlken über dem Grau der Scholziichc» Familien- atmoftihäre, sonder» wie heiterer Inlitag. Dazu E m a n ii e l Reiche r s unübcrtrcfslich feine Studie über zeugender Menichendarstellunaskiinst. von jenem Takt be herrscht, der für die Wirkung einer schauspielerischen Leistung so viel bedeutet. B r n n o Z icncrs Hausknecht Friede stebt als lebensechte Gestalt den grvtzen Leistungen des Abends nahe. Die Darsteller der jüngeren Familien mitglieder Lckiolz erreichten nicht völlig das 'Niveau der alt bewährten Kräfte. Es fehlte ihnen die letzte unerbittliche Schürfe, etwas versöhnlich FamilienhafteS waltete vor.
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