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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 03.05.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19120503024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1912050302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1912050302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1912
- Monat1912-05
- Tag1912-05-03
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Diese» «all »Kd d«, M, Dr»»d«« uird Umgebung am Lag« vorher bered» al» Me«<lsMrg-dr«? »thmvd «» dt« Hjkft-Ldonnentei, am in einer Gesamtausgabe erhalte». 86. Jahrgang, 1S1. vrjns«-Gebühr »lertelilhrl. lür Dree- »n bei täglich zw«' mallger Zulr,oun»(»n Sonn, und Monlagkn nur «tnmoy ü.»0 M , dnrch au.wörügeilom. mlslionllr« bl» 8^0 M. »ei einmaliger Zu- stevuno dnrch dl« Polt -1 M.todne»«It«II,el»>. Pi« den Lesern von Dretben u. Umgebung »m Loge oorher zu- g,Hellen «Lend-ltlu». gaben erhallen bleau»- wirllgen vezleher mll der Dtokgen Aurgabc julaniinen juaeltelll. Nachdmcknurmit deut licher Quellenangabe <,,t>re»b. Rache s ,u- Mg. — Unverlangt« Manuikrtpte werden nicht ausbewahrt. Telegramm-Adresse: Nachrichten Dresden. Druck und Verlag von Liepsch 6c Reichardt in Dresden. Hauptgeschäftsstelle: Marienstvasre 58/4sO. Freitag, 3. Mai I!»2. Anretgen-Darts. Annahme von Ankün. digungen dt» nachn>. ü Uhr, Sonntags nur Marienltratz» 88 von 11 bis > -l Uhr. Pie einspaltige SrunbMtle ira. 8 Silben) 80 Ps, FamlUen-Slachiichien au, Drr»d«n 8ö Pt. die zweispaltige Zeile ausIeitleite7NPs.,die zweispallige Reklame ^il» l.iU) M. - Zn Nummern nach Sonn und Aelerlag«, die einlposiige a-öindzelle in Pf, Familien Rachrichren au» I re den die «brundzeile 80 Pt. — Auswtlrtige Autiräge nur gegen Vorausbezahlung. Jedes Belegäiatt kosie» lv PI. D^esclnes kank ^.klienkspLlsI und ire8erven 261 IViLilc. Oresäen-L., ti.öllig-4c>t>snn-r»trsL8e 3 „ „ ?rsger Rrnsse 42 :: :: „ „ 8triesener Ltrnsse 44 vresäeo-dl., lZaulrner Ztrasse I :: Llaaervitr, Lurorl Wr-isser lkirseb, dteisscv unä ^ötrscker.broäs. Daremraxen, Lirvirüms rur Vvr^wsuvx. Lctieck-Verkedr, kroÜuuii!> von ÄobvoicilOlltsu. Wertpapiere, Ln urul Veriunrk. Leleilrunx. DoupOllS, büniösliNL unci Ver^'örtunk. Depots, Lnttzvwusirnn^ olloner u. v6rsolriie--sbLrsi. Kreckitbriete uut uiig liuuptplLtss äer Welt. Zlrri? ertrge Lefo^ Ter Reichstag begann heute die Beratung des Etats sür S ü d w c st a f r i k a. Der Gesamtvorstand der f r e i k o n s e r v a t t v e n Partei ist zu einer Tagung für den II. und 12. Mai cinberufen worden. In Johannisthal stürzte der Flieger Hösli mit seinem Eindecker ab und erlitt tödliche Verletzungen. In England steht ein abermaliger Eisenbahner- aus stand bevor. Infolge der Schließung der Dardanellen l-aben mehrere Schiffahrtsgesellschaften die Einstellung dcS Lcvantedienstes beschlossen. Der türkische Schlepper ,/Semendria" stieß in den Dardanellen auf eine Mine und flog in die Lust. Der Kapitän und 12 Matrosen sind ertrunken. Neueste Lrahtmeldungen vom 2. Mai. Südwestafrika im Reichstag. Berlin. sPriv.-Tel.) Der Reichstag begann heute die Beratung des Etats sür S ü d w e st a f r i k a, und zwar wurde zunächst die Dia m antcnsrage besprochen. Dazu liegt eine Resolution der Bndgetkommission vor, die eine Reform der Diamantenrcgie unter angemessener Beteili gung der Diamantförderer und verschärfter staatlicher Aus sicht fordert, so daß beim Verkauf der deutschen Diamanten ei« Wettbeweich-g»U«h«t wird. Tie Miiitütchvrlage iu der Kommission. Berlin. <PvivL»Ltt.s Die Budgetkommiisivii des Reichstages setzte die Beratung der Militärvorlagc bei 85 des R c t ch » m i l i t ä r g c s c tz c s fort, der in der neuen Fassung bestimmt: Das (Gebiet des Deutschen Reiches wird in militärischer Hinsicht in 25 Armeekorpsbczirkc cin- getcilt. Generalmajor Wandel teilte mit, daß das eine Armcctorps in Ostpreußen bis zur Weichsel, das andere die Gegend von Saarbrücken bis Mörchingen umfassen soll. Die Sozialdemokraten haben eine» Antrag cingcbracht aus Aufhebung des Einjährigen Instituts und Durchführung der zweijährigen Dienstzeit bei den berittenen Truppen, sowie der einjährigen Dienstzeit bei den anderen Waffen. Hieran knüpfte sich eine längere Debatte. Kriegsminister von Heers ng cn führte u. a. ans, daß nnr die ziffern mäßige Ucbcrlcgenhcit über Frankreich nicht mehr haben. 'Wir müßten das durch die Qualität der Ausbildung aus- gleichen. und das wird uns ermöglicht durch unser stärkeres Nntcrofsizierkvrps. Die Kavallerie müsse als Angrisfs- trnpve erhalten bleiben. Eine spätere Einstellung, die von einer Seite wieder empfohlen worden war. ist nicht zu empfehlen, weil man zu tief in den Winter hineinkomme. Darunter würde gerade die erste Ausbildung leiden. Eine Panse zwischen Entlassung und Einstellung ist jetzt schon vorhanden. In Wirklichkeit haben wir jetzt nur eine Dienst zeit von 23 oder 22 Monaten. Der Winterdienst ist durch aus nicht so minderwertig, wie er cs früher vielleicht war. Einjährige gibt cs in der Armee etwa 15 Mi. Der Zugang an Reserveoffizieren beträgt jährlich etwa 1000. Bei der Iitgcndausbildung ist früher gewiß manches versehen wor- 1 den und es muß dagegen etwas getan werden. Tic Früchie reifen aber langsam und sie müssen nicht ans körperlichem Gebiete liegen, sondern der vaterländische Geist müsse kräftig betont werden. Es werde alles geschclzcn, um die jetzigen Bestrebungen zu fördern. Ein ZentrniiiSmitglicd bat den Kriegsministcr, sür das nächste Jahr eine Bcrech nnng auszustellcn, was eine Herabsetzung der Dienstzeit bei der Kavallerie koste» würde. Dann könnte die Lache besser erwogen werden. Die Mitglieder der Bollspartei unter stützten den sozialdemokratischen Antrag ans Herab setzung der Dienstzeit bei der berittenen Truppe. Rur wollen sic an Stelle deS l. Oktober N>13 als Termin des Inkrafttretens den l. Oktober 1015 setzen. Dementsprechend änderten die Sozialdemokraten ihren An trag ab. Die Abstimmung ergab die Ablehnung des Antrages mit Stimmengleichheit mit 13 gegen 13 Stimmen. Die Konservativen, Nativiialliberalen und das Zentrum stimmten dagegen, die anderen Parteien sür den Antrag. Der sozialdemokratische Antrag über die einjährige Dienst zeit wurde von den anderen Parteien abgclchnt. Die For derung einer n e u e n A r m c e - I n s p c l, t i o n wurde von einem Zentrumsmitglted befürwortet. Ter Betreffende wünschte aber, dast die Inspettiv» nicht eine ehrenamtliche werde, sondern eine bezahlte, die mit einem wirklichen Armecführcr für den Kriegsfall besetzt werde. Der KricgS- minister gab die Zusicherung. Die Inspektion soll nach Saarbrücken kommen und da muß die Verwendung Kriege in erster Linie berücksichtigt werden. Die Forde rung wurde darauf angenommen, ebenso die geforderte Sanitätsinspektion, zwei Generalkommandos, zwei Divi- sivnsstäbe. zwei Feldartillcrie-Rrigadenstäbc wurden als Konsequenz der bewilligten zwei neuen Armeckorps gleich falls genehmigt. Bei der Forderung von 22 neuen Land- mchrinsvcktionen wurde die Weiterbcratung ans morgen vertagt. — Die Fvrtschrittlickrc Volkspartei hat eine R e - solution beantragt, in der der Reichskanzler ersucht wird, dahin zu wirken, daß bei der Besetzung militärischer Stelle» allein die persönliche' Tüchtigkeit cntsct>eide, und das; nach den alljährlichen Beschlüssen de« Reichstages die Re form des gesamten Militärstrasrcchts, des Beschwerderechts und des ehrengerichtlichen Verfahrens gegen Offiziere, sowie der Stellung der nicht dem aktiven MilitäTstaiidc an- gchörenöcn Personen in diesem Verfahren in die Wege ge leitet werde. Die ZcntrnmSsraktion wird heute einen An trag zum Militürgesch, nicht zur Wchrvorlage cinbringen. wonach kein Offizier wegen einer gesetzlichen Handlung, also auch nicht wegen Verweigerung des Duells, ans dem Dienste entfernt werden darf. Das Branntweinkoutingeut. Berlin. lPriu.-Tel.s TieBranntwcinloutin- g c n t s k o m in i s s i o n verhandelte heute ausschließlich über die süddeutsche Spannung. Die Regiernngsvorlagc hat verschiedene Lätze eingeführt für die landwirtschaft lichen und die gewerblichen Brennereien der südd.eiuschen Staaten und außerdem nach der Grüße der Brennereien gestaffelt. Eine Reihe von Anträge» der süddeutschen Mit glieder verlangt größere Spannungen, während Abg. Nebel skons.j einen Antrag in entgegengesetzter Richtung eingebracht hat. Der württemliergischc Vnnücsbevvll- müchttgtc nahm sür sich ausdrücklich das Recht und die Pflicht in Anspruch, auch in der Kommission noch die Be denken seiner Regierung gegen die Vorlage des Bundes rats zu betone». Die 'Abstimmung ergab die 'Annahme eines 'Antrages des württembergischen 'Abgeordneten Vogl llons.j. Danach wird die in der Vorlage ctngcfülirte Er- Mäßigung der Verbranchsabgabc für die süddeutschen land wirtschaftlichen Brennereien um 7/,l> Mark für den Hekto liter KontingcntSspiritns erweitert auf 12 Mark bei de» tieinc» Brennereien bis zu lM Hektoliter Iahrescrzcugung und ans lü Mark sür die Brennereien von IW bis 3W Hektoliter, soweit ne vor dem I. April Istt2 betriebsfähig hergcrichiet sind und das ihnen jeweilig zngcmieicne Kon tingent nicht überschreiten. Für die gewerblichen iüddcni scheu 'Brennereien bleibt die Spannung durchweg ans 5 Ml. wie in der 'Vorlage. Unfall des Siemens-Lchuckert-Ballons. Berlin. Ter S i c m c n s - L ch n ck e r t - B a l l o n . der heule vormittag vom Flugplätze in Biesdorf aufgestie gen war. begann über dem Orte K aulsdors plötzlich z u sinke n. Durch geschickte Lenkungsmanöver gelang cs aber schließlich, wenige Meter nordwestlich hinter den Gleisen auf freiem Felde niederzugehen. Zahlreiche dort tätige Felöarbeitcr sprangen hinzu, griffen tatkräftig in die Haltctane, so daß das Luftschiff vor einer Katastrophe bewahrt blieb. Der 'Anprall ans den Erdboden war ln dessen so heftig, daß das rechte Höhensleucr und die Pro peller der vorderen Mokorgondc! zertrümmert wurden. Es scheint, daß ein Motvrdcsclt das Schiff zur plötz lichen Landung gezwungen hat. Zugzusammcustoß. Wien. Ter Persoiicnzng V l ar apa ß — B rünn ist gestern abend bei der Einfahrt in die Station Gana infolge unrichtiger Stellung der Einsahrtsweiche auf einen Gütcr- zug aufgefahrcn, wobei kö Personen leicht vcr- l e tz t wurden. Wieder ein Dampfer durch eine Mine zerstört Konstantinopcl. Ter im Dienste der Admiralität stehende Schlepper „Seinendri a" st i e ß bei der Ver ankerung von Bojen in den Dardanellen auf eine Mine und flog in die Lust. Der Kapitän un d 12 Matrosen, darunter ein Armenier, sind ertrunken: einer ist ge rettet morden. Der Unfall hat bei der Bevölkerung große Erregung hervorgerufen. Berlin. Heute mittag wurde der Rechtsanwalt Tr. Fritz Ehrhardt, dessen Bureau und Wohnung sich in der Friedrichstraße llt befinden, unter dem Verdachte des Be trvgs »nd Meineids verhaftet. 'Berlin. iPriv.-Tel.i Auf dem Artillerieübnngsplatze in Iüterbogi kam gestern beim Scharfschießen eine Gra iintc vorzeitig zum Krepiere n. Hierbei wurde der K a -- ,i onie r K rüqcr aus 'Ren-Zittau, der in nächster Nähe stand, fast vollständig zerrissen, so daß der Tod auf der Stelle cintrat. Bremen. Ein Grvßfeucr zerstörte nachts das große Haus der F i r m a F. L. Eohn Soh n. Bedeutende Baum wvllvorrüte und ein großes Fcllager sind vernichtet worden. Mehrere Feuerwehrleute wurden verletzt, darunter einer schwer. Breslau. lPriv.-Tcl.s Unweit Merzdors im Kreise Großwardcnbcrg sind v e t r o l c u m h a l t i g e -Quellen entdeckt worden. Die voracsnndene Art dcS Petroleums soll in dieser Qualität nur noch in einem einzigen Orte Deutsch lauds Vorkommen. Brocken. lPriv.-Tcl.s Heute früh 8,40 Uhr ist die Brocke ii bahn zwischen Drctannen-Hosnc und Schierke entgleist. Personen wurden nicht verletzt. Der Zug er reichte den Brocken mit einstündiger Verspätung. Paris. Wie ans London gemeldet wird, hat der Her zog von O rlegns seine Be > i tz n n q Woodnvrtvn und dos Gut Bishgmptvn. die sich seit 1800 im Besitze seiner Familie befinden, an Sir Eharles Eadn verkauft. Kunst und Wissenschaft. „Die Ratten". Berliner Tragikoiiibdtc in fünf Akten von Gerhart Hauptman». iGesamt-Wisispiel des Berliner Lessing-Theaters im E e >r l r a l - T li c a t c r.s Ein Haus in einer endlos langen, ermüdenden Kasernciizeile der Weltstadt, vier Stock hoch mit Dachgeschoß. Ein pliristognomielvses Hans, häßlich nüchtern mit ab- vröckelndem Stuck, der enge gcvslasterte Hos unfreundlich, schmierig vom Niederschlag des Alltagslebens — ein Haus wie das andere. Eine Fülle kleiner und kleinster Woh nungen, Ausnützung des letzten Winkels —, ein bißchen großstädtischer, angcklcisterter Prunk macht die Ocdc des Hauses noch fühlbarer. So steht ein Haus neben dem ande ren - , cS ist lähmend, fast grauenhaft zu denken. Man eilt vorüber, heiteren, glücklicheren Eindrücken zu. Der Dich ter macht Halt, sein Blick gleitet die Stockwerke hinauf, bis m dem nüchternen alltäglichen Dach, und plötzlich fällt ein Ttück der Fassade: wunderliches, seltsames Leben enthüllt sich, an dem man sonst vvrbcihaste», seinen eigenen Zielen zu. Es rauscht in den Ticken von dumpfen, verworrenen Klängen, Seufzer, die iingehört verhallen, Schmerzen, die still verbluten, gequälte Notschreie der leidenden Kreatur. Dringt ein Klang scharf, schneidend, wehdnrchztttcrt a» der Menschen Ohr, so stehen sic still, einen Augenblick zu lauschen, und dann - vorüber, vorüber. Das ist das Leben. Das Auge der Gorgo aber ist immer geöffnet, und wen es trifft, der schaudert bis ins tiefste Mark. ES ist eigentümlich, wie wenig Menschen in nächster Nähe oft von einander missen. Man kennt sic nicht, nicht ihre Ideenwelt, nicht ihre Wünsche, nicht ihre Hoffnungen - jeder sür sich, jeder in seinem enge» Kreis —, bis der Zufall, bunt und lustig arbeitend, das Widerstrebende für eine kurze Zeitspanne ziisammenwlrst, um eS, vielleicht nach Katastrophen, bald darauf in alle vier Himmelsrichtun gen zu zerstreuen. Nimmt man am Morgen seine Zeitung zur Hand, überfliegt man fast gcwohnbeitsmäßig den lokalen Teil mit der Fülle von Mitteilungen: Unglück, Verbrechen, 'Neuigkeiten, die beute noch altern, Geburt und Grab, Schuld und Sühne. Wer hätte Zeit, zu fragen, wie das ward. Den Künstler kann cs wohl reizen, das Wechsel- volle fcstzuhalten, und das zu ergründen, was hinter den Dingen liegt. Zu diesen Künstlern zählte Gcrharl Ha »pt manu von sc. Er suchte und fand die Tragi komik des Lebens auf Höhen, »nd mehr noch in den Niede rungen, im breiten, schwer vorübcrivattcndcn Strom dcr ! Menschheit. Ihm verriet auch das nüchterne, kalte Hans in endloser Straße Stücke geheimste» Lebens. Er fand l für diese, durch ein lose geknüpftes Band znsammengchal- j tenc Stücke einen spmbolischcn Titel — er nannte es „Tie Ratten". Wie das Geziefer huscht und gleitet und nagt, ünrchcinaiiderqiiirlt, davonstiebt und in dunkeln Winkeln verschwindet. Der Dichter gibt eine künstlerisch wohlerwogene und durch dachte Schöpfung. Bor dem Vorwurf der Hintcrtrcppcn- dramatik sollte einen Poeten, der „Hanneleü Himmelfahrt", „'Versunkene Glocke", „Biberpelz, „Eollegc Erampton", „Florian Geyer" dem deutschen Schrifttum gegeben hat, sein Lebenswerk bewahren. Er mußte in den Ratten für die Umwelt »nd die Vorgänge innerhalb dieser Umwelt den Stil finden, der ihnen einzig angemessen war. Haupt mann hat ein höchst verfeinertes Gefühl für Stimmungen und Charaktere, das ihn niemals im Stiche läßt. Im Dachgeschoß des nüchternen Hauses in Berlin XO. hat der Theatcrdirektor a. D. Herr Hassciireutcr seinen vorübergehend zur Disposition gesetzten FnndnS nntcr- gcbrachl. Der Hauptraum dient zugleich allen möglichen privaten Zwecken: der Direktor kiälc hier dramatischen Un terricht, und gelegentlich Lchüfcistunden ab: das hübsche Tüchterchen hat hier mit ihrem Schatz in allen Ehren ge heime Zusammenkünfte. Es ist ein recht phantastischer Ort, voll sarbenbunten Fetzen, Kisten »nd Kasten —, voll Naabc- schcr Poesie. Die Frau des Maurerpoliers John sorgt sür die seltsame Behausung. Leise und sicher wird diese Frau in den Vordergrund geschoben. Sic ist ein tüchtiges, arbeit sames Weib, ordentlich, adrett, voll Liebe sür ihren Mann, der in einer Bauhütte zu Altona arbeitet. Sie ist praktisch, leiht aus Pfänder, wie Grctchcns Mutter, sorgt und hälr den Groschen zusammen. Sic leide« unter Kinderlosigkeit, ein Kleines ist ihr gestorben, der Kinderwagen steht leer, und der Mann fängt au, auf anderen Wegen zu gehen. Eine dumpfe dingst befällt die Frau vor droliendcm Verlust, vor Inhaltlosigkcit deS Lebens. Ihr triebhaftes, leiden schaftliches Mnttcrgekülil begehrt ungestüm »ach Betätigung. Und aus diesen Empsindiingcii heraus gibt sie das 'Neu geborene eines polnischen „Fräuleins" als ihr eigenes ans. Sic lebt sich so in den Gedanken ein, daß sic dem hilflos Nengeborenen gegenüber volles Muttcrglück empfindet , ihr ist cs, als sei das kleine verstorbene Adalbertchcn wiedcr- gckommen. Die 'Vorgänge in dieser Frau sind rätselbasi, wenn auch psychologisch nicht unücgreislich. Es gelingt ihr. de» Betrug durchznsührcn, aber sic hat nicht mit der eigentlichen Mutier des Kindes gerechnet. Diese macht ihre Ansprüche weniger ans Gefühl, als borniertem Eigensinn geltend und bringt Frau Iobn in eine fürchterliche Lage. Ihr Bruder, ein dumpf triebhafter Mensch, oknc jedes sin liche Gefühl, befreit die Schwester aus radikale Weise, indem er die Pauline Pivcrkarcka abwürgt. Zur Schuld gesellte sich daö Verbrechen. Frau John ist in Bcr zweislung, sic siebt nicht aus noch ein, und als das Ver hängnis hcieiiibricüi, ihr den Mann raubt und Schande bringi, springt sie ans dem Fenster des vierten Stockes. Mit voller Absicht um des Kontrastes willen ist die Tra gödie, die aus dem irregeleiteten Gefühl einer einfachen, im Grunde wackeren Frau herauswächst und vollende! wird, neben anscheinend gleichgültige Gestalten und all tägliche 'Nichtigkeiten gestellt. Wenn Direktor Hassenrcutcr in seinem seltsamen Studio dramatischen Unterricht gibt und den schönen Schein der Dinge lehrt, vollzieht sich ein paar Schritte weiter tragische Wirklichkeit. Die Forderung, die man an die Einheitlichkeit eines Kunstwerkes stellt, crsüllt den Dichter in den „Ratten" aller dings nicht. Die Konturen der Szenen zerfließen, nur die Tragödie der Frau John reckt sich stark mit ungebrochener Linie auf, von dem Beiwerk, könnte man wegnehmen und
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