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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.02.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070204019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907020401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907020401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-04
- Monat1907-02
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M. kielt Kolonial direktor Dernburg gestern au> Elsucheu der Handelskaininer einen Vortrag über „Koloniale Finanzpolitik". (S. d. des. Artikel u. Letzte Dep.) * Ein Artikel der „Nordd. Allgem. Z." warnt das bayerische Zentrum vor einer Unterstützung der Sobald em otratie der den Stichwahlen. (S. D. R.) * An maßgebender Londoner Stelle wird mit Entschiedenheit die Meldungdementiert, König Eduard wolle nut seiner Rerse nach Frankreich gegen die Politik des Deutschen Kaisers Einspruch erheben, von dem behauptet wird, daß er vor einiger Zeit versucht habe, sich in vie sranzöi ische Ki rchenpolittt ;u mischen, indem er den Papst oeraulaßle. Widerstand zu leisten gegen die antillerikale Politik Frankreichs. (S. a. Letzle Dep.) * AuS London wird gemeldet, die englische Regierung habe bereits vie Hoffnung ausgegeden, daß Vie Abrüstungs frage vem Programm der nächsten Haager Konferenz einverleibt würde. Im Zusammenhänge hiermit meldet eine weitere offiziöse Nachricht aus London, daß man in diplomatischen Kreisen glaubt, die Bemühungen des Friedensapostels Sleab, die Zustimmung anderer Nationen für seine AbrüstungSpläne zu gewinnen, würveu ergeb nislos bleiben. * AuS Koburg wird depeschiert: Die Großfürstin Kyrill von Rußland ist gestern von einer Prinzessin entbunden worven. * Die Wablmäuner für die spanischen Cortes werden am 3. März gewählt. Um skorabena Her knttcheiüung. Nur noch ein Tag trennt uns von der letzten Ent scheidung in der ReichStagSwahl. Der 5. Februar ist dazu bestimmt, daö Werk zu vollenden, das am 25. Januar be- gönnen hat, Len Wiederaufbau deS deutschen Reichstages nach seiner Auslösung am 13. Dezember. Noch einmal ringen die Geisler in dem Kampf, der seit Wochen Deutschland durch lobt — dann ist daS Schicksal des deutschen Parla ments für jmif lange Jahre besiegelt. Nur hier uns La wird eine Nachwahl oder eine Neuwahl revidieren und vielleicht reparieren, was morgen in letzter Vollendung aufgebaul wird. Die Grundfesten bleiben die- selben, der Stil, in dem daS neue Gebäude aufgefühn wird, ändert sich dann nicht mehr. Der Geist, den wir morgen dem neuen Reichstag aufzwingen, wird ihn beherrschen. In Erinnerung an den 25. Januar möchte uns da gar leicht freudige Siegeszuversicht erfüllen. Was uns in diesem Kampf der Geister hineintrieb, die Pflicht des Tages, dem deui'chen Volk eine parlamentarische Vertretung zu ver schaffen, die in ihrer Mehrheit des Vaterlandes Ehre, Macht und Ansehen über alle anderen politischen und wirtschaft lichen Interessen stellt, eine Mehrheit, die nicht in der EimchcivungSslunde zur Freude der Feinde deS Vater landes, zum Spott und Hohn des Auslandes versagt, — diese Pflicht ist zu einem großen Teile am 25. Januar er füllt woiden. Der Kampfruf, mit dem wir in die Wahl schlacht zogen .Deutschland über alles" wurde zum Siegesliev. Nicht zum wenigsten in Sachsen. DeS freuen wir uns. Darauf sind wir stolz. Aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Sieges gefühle sind leicht die sichersten Vorboten der Niederlage. Es liegt nur zu sehr in der menschlichen Natur begründet, daß auf eine große Anspannung eine um so größere Ermaitung folgt. Taufende, die begeistert am 25. Januar zur Wahl urne zogen, lönnen nur allzu leicht am 5. Februar vergessen, daß es an jedem einzelnen Teil dieser Masse liegt, ob das begonnene Siegeswerl nun auch vollendet, oder ob eS in letzter Skunde noch verdorben oder doch aufs härteste geschädigt wirb. Dazu kommt das andere, daß der Gegner wohl geschlagen, aber nicht vernichket ist. Er bat eS an sich selbst erfahren, wie bitter sich vorzeitige SiegeSfrcude rächt. Wie jubelie die Sozialdemokratie, alö die Reichstags auflösung kam! Die Regierung schien ihr mit Blindheit ge schlagen, daß sie eS wagte, das Volk an die Wahlurne zu rufen. Sie sah sich schon als stärkste Partei im Reichstag. Sie triumphierte schon über die „Hungerwahlen", die ihr die reiche Ernte bringen sollten. Sie glaubte schon der bürger lichen Gesellschaft den Frieden nach gewonnener Schlacht diktieren zu lönnen. Hüten wir uns, daß uns nicht morgen die gleiche Enttäuschung zuteil wird, die die Sozialdemo kratie am 25. Januar erfahren hat! Die So:ialvemokratie bat sich in den 10 Tagen, die seit ihrer ersten Niederlage verflossen sind, mit gewaltiger Energie ausgerafft. Sic siebt der Wirtlichkeit fest und zielbewußt ins Auge. Sie kämpft darum, ob sie im Reichstag noch zu den großen Parteien gehören kann oder ob sic auf die Mittlere FrakliouSstärke zurückflnkt. Und damit kämpft I sie zugleich um die Massen, die ihr bisher 1 gefolgt sind, weil sie eine an Einfluß wachsende Partei! schien. Sie weiß, daß die Massen rhr nur so lange- gehören, als dieser Glaube an die Zukunft der Sozial-! demokratie besteht. In demselben Maße, in dem dieser Glaube mit Abnahme der sozialdemokratischen Fraklionsstärke schwindet — gehl auch vie faszinierende Wirkung der roten Partei auf diese Massen verloren. Und darum ist cS nicht zu viel gesagt, wenn man in diesem Sinn von einem Kampf der Sozialdemokratie um ihre Existenz redet, der morgen ausgelochten wird. Wir stehen in Sachsen nirgends praktisch vor der Frage, ob die Sozialdemokratie oder ras Zentrum daS größere liebel für eine nationale Politik ist. Wir haben direkt nur mit der roten Gefahr zu tun. Sic bat uns im Jahre 1903 übermannt. Die Scharte ist ausgewetzt. Aber nur zu einem Teil. Noch kann in acht Wahlkreisen der Sieg an die rote Fahne geheftet werden. Stichwahlen sind so unsicher, daß auch der schein bar sicherste Wahlkreis verloren gehen kann, wenn man der Gefahr nicht voll ins Gesicht sieht und nicht mit Anspannung aller Kräfte bis zur letzten Stunde ringt. Wir haben es mit einem Gegner zu run, der weiß, um was es sich handelt, der mit dem Mut der Verzweiflung kämpft. Die Mittel der Verdächtigung, der Verleumdung, der Lüge und des Trugs hat er in viefen 10 Tagen seit der Hauptwahl reichlich genug angewendet, um die Gründe für seine Niederlage zu verdecken, um die ihm verloren ge gangenen Massen von neuem zu betören, um neue Hilfs- träfte herbeizuzieben. Dieser Gegner ist heute, wo er aus trügerischem Siegestaumel erwacht und in bitterer Er nüchterung zu neuer Kraft gekommen ist, viel gefährlicher als am 25. Januar, als er noch an seine Unbezwing lichkeit glaubte! Das ist die ernste Lage, vor der wir stehen. Da hilft nur eins — ein neuer Schlag mit gleicher. und des Reichsparteilers Nauck «gegen den Genossen Lüth) in Neustrelitz sind gesichert. Neue Vertreter werden von drei Wahlkrei se n in den neuen Reichstag gesandt. So wird der 1. Königs berger Kreis Memel-Hcydekrug in Zukunft nicht mehr durch den Konservativen, Gutsbesitzer Krause, son dern durch den Nationalliberalen, den Geh. Regierungsrat Schwabach aus Berlin, der in der Stichwahl von den Littauern energisch unterstützt wurde, vertreten sein. Im 1. mecklenburgischen Wahlkreise Hagenow-Greves- müblen hat der Konservative ebenfalls seinen Sitz ein- gebüßt; hier war es der wildliberale Graf Bothmer, der den früheren Vertreter, Domänenrat Rettich der- drängte, während im 2. mecklenburgischen Wahlkreise, Schwerin-Wismar, der konservative Negierungsrat Dr. Dröscher im Stichwahlkämpfe gegen den Sozial demokraten Starosson siegreich geblieben ist und den bisherigen nationalliberalen Geheimrat Büsing, der lei- der in der Hauptwahl weniger Stimmen als der Sozial demokrat erhalten hatte, in Zukunft ersetzen wird. Das Gesamtergebnis der 11 Stichwahlen vom Sonnabend zeigt also, daß gewählt wurden: 4 Kon- seroative, 2 Nationalliberale, 1 freisinnige Volkspartei, 1 frei- sinnige Vereinigung, 1 Wildliberaler, 1 Reichspartei, 1 Wirt schaftliche Vereinigung. Den augenblicklichen Besitzstand der an den vorgestrigen Wahlen beteiligten Parteien im neuen Reichs tage, wie er sich unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Hauptiwahlen vom 25. Januar und der vorgestrigen Stich wahlen darstellt, zeigt folgende Tabelle: Feste Mandate Verloren Gewonnen die Konservativen 48 5 6 „ Nationalliberalen 21 10 12 „ Freis. Volksp. 8 2 6 „ Freis. Vereinig«. 2 1 — „ Sozialdemokraten 29 25 1 „ Reichspartei 10 5 .) „ Wirtschaft!. Bgg. 5 — — „ Wildlideralen 1 — 1 nein, mit noch größerer Wucht als am 25. Januar. Da tut bitter not volle Nüchternheit in Beurteilung der vorhandenen Gefahr. Das Siegesgefühl von der Haupt wahl her darf uns nur anipornen. Nicht erlabmen lassen. Nicht meinen lassen, als dürste auch nur einer zurückbleiben, der damals an der Wahlurne feinen Mann gestanden hat. Es ist noch nlchis gewonnen, wenn morgen die Schlacht verloren wird. Eine Niederlage am Stichwahllage würde die Erfolge vom 25. Januar wie lebensunfähige Einiags- fliegen erscheinen lassen. Eine morgen siegreiche Sozial demokratie würde in Sachsen das stolze Gefühl wieder ver ringern, daß wir uns von dem Schmähwcrt des roten Königreichs befreit haben. Mag es den bei der Hauptwahl in den einzelnen Wahl kreisen unterlegenen Parteien schwer werden, jetzt dem damals besehreien Gegner Hilssdienste zu leisten — der nationale Sinn ist erst dann etwas wert, wenn er auch schwere Opfer bringt. Und erleichtert werden diese Opfer noch dadurch, daß alle bürgerlichen Parteien Sachsens, die morgen Hilfs dienste leisten sollen, zugleich doch in anderen Wahlkreisen ivlche von den bisherigen bürgerlichen Gegnern geleistet er halten. Dieser Ausgleich muß es auch dem eilige«chwvrenen Parteimann zur leichien Pflicht machen, den gemein samen Gegner niederzuzwingen. Und so foll eS ge- fchehcn. Hinein noch einmal in den großen Kampf. Mil frohem SiegeSmul. Mil voller Kraft. Dann vollendet der 5. Februar in Wahrheit, was in Sachsen der 25. Januar begonnen hat. Glück auf! — vie Zticbtvsdlen am r. frdtuar. Soweit sich aus den vorläufigen Meldungen über die Stichwahlergebnisse in den 11 Wahlkreisen Memel- Heydekrug, Ottensen-Binneberg, Randow Greifenhagen, Holzminden-Gandersherm, Neustrelitz, Hagenow-Grevesmühlen, Schwc- rrn-Wismar, Parchim-Ludwigslust, Mal- chin-Warcn, Rostock und G ü st r o w - R i b n i tz er sehen läßt, hat die nationale Lache neue Triumphe gefeiert, indem den Sozialdemokraten wiederum drei Sitze entrissen werden konnten. Es sind dies der 6. schleswig-hotsteinfche Wahlkreis Ottensen Pinne- berg, wo der bisherige Vertreter v. E l m dem Volks parteiler Carstens weichen mußte, ferner Randow- Greifenhagen <3. Kreis m Rcg.-Bez. Stettin), wo der Konservative Freiherr von Steinäcker den früheren Mandatsinhaber, Genossen Kör st en, herausgedrängl hat und Rostock 15. mecklenburgischer Kreis), in dem der sozia- listifche Rechtsanwalt D r. Herz selb, der bisherige Ver treter, seinen Sitz künftig an en Nationalliberalen, Rechts syndikus Linck, übergeben mußte. In fünf Wahlkreisen sind die bisherigen Vertreter wiedergewählt worden. So konnte im 3. braunschweigischen Kreise Holzminden-Ganders heim die wirtschaftliche Vereinigung ihrem früheren Kan- didaten v. Tamm, dem Führer der braunschweigisch-'n Wel- fenpartei, abermals zum Liege über den Soziald.mokraten Calwer verhelfen, ebenso konnten in Mecklenburg-Schwerin die Konservativen Freiherr von Maltzar. i» Malchin - Waren und v. Treuen fcls inGüstrom - Ribnitz obne große Mübe ihr Mandat gegen die Sozial demokraten Lorenz und Knappe verteidigen. Auch die Wahlen des freisinnigen Dr. Pach nicke «gegen den Kon servativen Dr. Dadc) in P a r ch i m - L u dw l gs l u fr verndurg in relnrr vatemaüt. Frankfurt a. M., 3. Februar. «Eigene Drahtmeldung.) Im Hippodrom hielt heute abend auf Ersuchen der Handelskammer Kolonialdirektor Dernburg einen Vortrag über „Koloniale Finanzpolitik", in welchem er sagte: Die vielfachen Beziehungen zur Finanz und die Tatsache, daß Frankfurt der zweitgrößte Börsenplatz des Deutschen Reiches ist, veranlassen mich, hier zu sprechen. Die Enl- wicklungder Kolonien i st ein kaufmännisches Geschäft, und ein vorsichtiger und vorausschauender Kaufmann will sietS wissen, wohin er geht, wenn er auch vielleicht eine oder die andere Ueberlegung umsonst und ver gebens anstellt. Nach der Erwerbung der Philippinen hatten auch die Amerikaner Veranlassung, sich mit den Fragen der kolonialen Politik zu beschäftigen. Dieser Aufgabe unterzog sich eine Vereinigung, welche die besten amerikanischen Fach gelehrten einschlicßt, die „American Oeeonomie Association", die zunächst die koloniale Finanzpolitik sämtlicher bis dahin kolonisatorisch tätiger Nationen einschließlich der deutschen untersuchen ließ, und diese Untersuchungen sind veröffenl- icht. Als Resultat seiner Studien glaubt das Komitee die olgenden allgemeinen Empfehlungen aus- prechen zu dürfen. 1) Die Finanzen jeder Kolonie sollen ausschließ lich im Interesse der Kolonie geleitet werden und nicht im Interesse des Mutterlandes. 2) Kein einheitliches System fiskalischer Wirtschaft kann für Kolonien in verschiedenen Teilen der Welt eingerichtet werden. 3) Jede Kolonie soll, soweit irgend möglich, auf ihre eigenen Einnahmen angewiesen werden, aber das Mutterland kann sehr wohl den Kredit der Kolonie unterstützen oder später rückzahlbare Vorschüsse ge währen. 4) Bei unentwickelten Kolonien, deren Ein wohner nicht geeignet sind, wichtige öffentliche Ein richtungen, wie Eisenbahnen, Kanäle, Telegraphen systeme zu leiten, ist es wohl richtig, daß diese Anlagen der Regierung gehören sollen und lieber durch Beamte als durch Privatgesellschaften zu verwal ten sind. . Ich schiebe hier ein, daß dieser Satz um so merkwür diger ist, als in Amerika irgendwelches Staatseigentum weder an Bahnen noch an Telegraphen noch an Telephonen besteht und bisher dort auch durchaus perhorresziert worden ist. 5) Die^Auswahl der Einnahmequellen soll in jedem Falle festgesetzt werden in Uebereinstimmung mit der ökonomischen und sozialen Lage der Kolonien. 6) Wo die Kolonie so gelegen ist, daß die Entwickelung des Handels mit fremden Ländern den wirtschaftlichen Haupt wert bildet, sollen Einfuhrzölle sehr niedrig sein bzw. Nicht erhoben werden. 7) In Kolonien mit unentwickelten Wirlschaftsquellen soll die Hauptstütze für die allgemeinen Regierungsein nahmen ein System indirekter Steuern bilden mit entsprechenden Zöllen auf importierte Artikel, wenn diese den von der indirekten Steuer betroffenen Gegen ständen ähnlich sind. Lizenzen sollten zunächst cingesührt werden aus einige Artikel allgemeinen Verbrauchs, wie Alkohol, Opium und Reis. Sofern irgend eine Kolonie aus gesprochene Vorteile in der Erzeugung besonderer Konium- artikel, wie Zucker, Tabak, Hans usw., besitzt kann es wün- schenswert erscheinen, auch hier Lizenzen oder ähnliche Pro duktionssteuern aufzuerlegen, es ,st selbst eine Frage, ob niedrige Exportzölle aus solche Verbranchsartikel nicht in Ausnahmesällen angewandt werden sollen. Hier schiebe ich ein, daß die Konstitution der Vereinigten Staaten 'olche Ausfuhrzölle ffir amerikanische Produkte noch anderen Bundesstaaten verbietet, und daß deshalb der Satz besonders bedeutsam ist, trotzdem er aus dem eben erwähnten Grunde mit einer gewissen Zaghaftigkeit vorgebracht wird. 8) Es ist nicht wünschenswert, eine Verzehrs steuer für lokale Zwecke auszuerlegen. Lazu zollen Grundbesitz, Lizenzen für Geschäfte und ähnliche Spezial steuern herangezogcn werden. 9) Wo immer möglich ist, sollten in der staatlichen Ver waltung Ansässige der Kolonie als Beamte gebraucht werden. Als letzte Instanz müssen die Wünsche des Mutterlandes ausschlaggebend sein. 10) Während der Uebergangszeit sind soweit als möglich die einheimischen Gebräuche beizube halten, z. B. das System der Verpachtung der Steuern an Unternehmer, insbesondere die Häupter der Einge borenen, unter den etwa erforderlichen Einschränkungen. 11) Ein Beamtenrecht muß über alle Zweifel hinaus die Tüchtigkeit und die Ehrlichkeit des Personals sicherstellen. Z2j Wo eine entsprechende Menge tüchtiger eingeborener Arbeiter nicht vorhanden ist, kann man die Zulassung fremder Arbeiter in Erwägung ziehen. Wenn auch vielleicht hinreichende Gründe vorliegen für den Ausschluß chinesischer Arbeiter aus den Vereinigten Staaten, folgt daraus durchaus noch nicht, daß sie von den Philippinen aus geschlossen bleiben müssen. Meine Herren, selbst dieser Satz hat für gewisse be schränkte Bezirke deutscher Kolonien seine Anwendung. Tie reichhaltigen Phosphate, die sich z. B. in den Karolinen auf der Insel Nauru vorfinden, können mit den dort an sässigen wenigen eingeborenen Arbeitern nicht gefördert werden, und es ist, da das tropische Klima für europäische Arbeiter nicht geeignet ist, vor wenigen Tagen ein erster Transport von 500 chinesischen Arbeitern dorthin abgegangen. Die obig^.. Leitsätze enthalten die Quintessenz der kolonialen Jinanzwissenschaft des henttgea Tages. Zunächst ist hier zu erwägen: Welches ist denn der gegenwärtige Stand der Einnahmen und Ausgaben unserer verschiedenen Kolonien, und wie weit kann man überhaupt von einer selbständigen Finanzwirtschaft sprechen. Hierbei muß zunächst von Südwestafrika abgesehen werden, das nach zwei langen Kriegsjahren eine außerordentliche Zerstörung an Leben und Eigentum mit sich gebracht hat. Das Land ist, wenn mineralische Schätze nicht in erheblichem Umfange noch neu erschlossen werden, minder begünstigt. Ein Eden wird dieses Land vielleicht nie werden, aber ein Land, in dem tüchtige Deutsche ein erfreu liches Dasein in größerer Anzahl führen werden, als fetzt angenommen wird. Ich scheide aus den erwähnten Ur sachen deshalb Südwestafrika zunächst aus. Dann aber stellt sich die Frage der eigenen Einnahmen unserer Schutzgebiete wie folgt: Ausschließlich Südwestafrika betragen nach dem Etat für das Jahr 1906 die eigenen Einnahmen 10 316000 Mark, für bas Jahr 1907 geschätzt 11340 000 ^l, die fort- muernden Ausgaben 19 326 F. An einmaligen Ausgaben ind 2887 000 .E vorgesehen. Die reine Verwaltung unserer amtlichen Kolonien, ausschließlich der militärischen Aus gaben, betrug im Jabre 1905 8 820 000 die reinen Vcr- waltungseinnahmen 10 920 000 ^tl, d. h. die reinen Ein nahmen überstiegen die Verwaltungsausgaben in diesem Jahre bereits um 2,10 Millionen Mark. Vergleicht man dagegen die Ausgaben, einschließlich derjenigen zur Förde rung oder Errichtung werbender Anlagen, mit den Gesamt- einnahmcn, so kommt man in den gleichen Jahren auf ein Defizit von rund 8,8 Millionen. Von unseren Kolonien ist ganz aktiv Togo, bis auf den Militäraufwand aktiv Kau. erun, nahezu aktiv Deutsch-Ostafrika. Wenn man die Formel der Eng länder anwenden würde, wonach Ausgaben für werbende Zwecke auf Anleihen der Schutz gebiete übernommen werden, die Militär lasten aber zum größten Teile auf dem Budget des Vaterlandes ruhen, würde ein großer Teil unserer Kolonien einen Neber schuß der Einnahmen über die Ausgaben zeigen, der zur Verzinsung mäßiger Anleiheschulden verwendbar wäre und eine Selbst verwaltung in beschränktem Umfange rechtfertigen könnte. Um Ihnen das englische Schema zu zeigen, möchte ich Sie auf die Verhältnisse der Kav - kolonie Hinweisen. Während die Kosten der Verteidi gung der Kolonie, welche derselben obliegen, 262 «100 Piund Sterling betrugen --- 5 300 000 .F, batte das Reichsbudget für Verteidigung zu tragen 506 000 Pfund Sterling — etwa 10«^ Millionen Mark. Ihre werbenden Anlagen deckt die Kapkolonie aus Anleihen, welche ohne Garantie der Hei matsregierung ausgegeben werden. Die Kolonie batte am 1 Januar 1905 eine öffentliche Schuld von 800 Millionen Mark, einschließlich 100 Millionen Mark Stadtanleiben. Nahezu der ganze Betrag der Anleibe ist für öffentliche Arbeiten ausgegeben, und zwar etwa fünf Achtel für Eisen- bahnen. Dieses Snstem angewandt ans Togo, Kamerun, Deutsch-Ostasrika würde eine gercaelte selbständige Entwick- luna dieser Kolonien ans sich selbst heraus bereits beute möglich machen Um nun aber die kolonialen Budgets sich selbständig entwickeln zu lassen, bat man in England zu dem System der Zuschüsse in runder Summe gegriffen, welche zum Teil rückzahlbar, zum Teil gescbenkweise den Kolonien übergeben werden. Etwas Aebnliche? bat die Dudaetkom- mission für die Strecke Lüderitzbucht—Keetmansboov in An regung gebracht, und es wird vermutlich danach versabren werden können. Es bandelt sich bierbei um ein rück;abl- bares Darlebn. Das System, aus Reichsmitteln Eisen bahnen zu bauen, bat Enaland nur in einem Falle, und zwar aus strateaischen Gründen, befolgt, nämlich bei der Ugandababn, welche nnter der enalischen Staatsschuld mit dem Betrage von 4 768 000 Pfund Sterling figuriert. Hier bei möchte ich uoch bemerken, daß auch die Ablösuna der Recht« der Royal Niger Company mit etwa 16 Millionen Mark von England aus Nvleiben übernommen ist, wäbrend die Zablung. die D e u t s cki l a n d an die Tentsch-Ostasrikanische Oti-sellschast und an die Reu-Guinea- K"mvagnie mit ae^enwärtta noch 1 Million Mark vro Jabr leistet, den Schutzaebieten direkt angelastet wird und von ibnen aufgebracht werden soll. Das französische Schema ist, wie folgt: Die Kolonien genießen eine mäßige Autonomie unter der Bedingung, daß sie für aewille Ausaaben einsteb-n. Tie Kosten der militärischen Verwaltung lieaen zum Teil aus dem Kriegsbudget «für Algier etwa 50 Millionen) od-r auf dem Kolonialbudaet. Dieses Budaet beträat etwa 70 Millio nen Mark. Davon trauen die Kolonien etwa 16 Millionen Francs, wovon 13 auS Tonking, die übrigen 3 aus dem west-
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