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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.08.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070822017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907082201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907082201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-22
- Monat1907-08
- Jahr1907
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BezugS-Preit Ar Leipzig und Vororte durch Misere Lrtger und Spediteure in» Hau» gebracht: Autgatx t (nur morgen«) viertelsthrltch 3 M, monatlich I M. Ausgabe L (morgen» und abend») viertel» jlhrlich 4.50 M., monatlich l.50 M. Durch die chdft brzvaen (2 mal täglich) innerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M auischl. Poft- destellgeld sür Oesterreich ö K66 d, Ungarn 8 lil vierteljährlich. Abonnement-Annabme: Auguftu-vlatz 8, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 18 Pfg. Nedaktton und Expedit ton: Johanniigasse 8. Delevdon Nr. I46S2, Nr. 148S8. Nr. I4SS4. Berliner «edaktlvn- Bureau: Berlin dNV. 7 Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Delephon I, Nr. V27L. Morgen-Ausgabe L. KiPMerTaMM Handelszeitung. Amtevlatt -es Rates und -es Volizeiamtes -er Lla-t Leipzig. 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Art.) * Der Kaiser besuchte gestern die Saal bürg und Hom burg v. d. H. IS. Dtschs. N.) * Staatssekretär Dernburg ist in Muania eingetrossen. lS. Dtsche. Kol.) * Nach den neuesten Meldungen soll Moren ga bei Gamsib. kluft, dicht an der Grenze, unbestimmt ob auf deutschem oder eng lischem Gebiete, sitzen. Zuverlässige Nachrichten über die Zahl seii.er Gefolgsleute liegen auch jetzt noch nicht vor. * Kommenden Sonnabend werden in I s ch l der i t a l i e n i s ch e und der österreichisch-ungarische Minister des Aeußern Zu sammentreffen. sS. Letzte Dep.j * Pariser Blätter melden den Anzug einer neuen Mahalla von angeblich.7060 Mann, au deren Spitze der neue Sultan stehen soll. lS. 2. Art.) * Ministerpräsident Clemenceau ist von Karlsbad in Marienbad eingetrossen. Er begab sich in das Hotel „Weimar", wo er von König Eduard auf das herzlichste begrüßt wurde. * Der böhmische Landesausschuß beschloß mit drei gegen zwei Stimmen, der Negierung die Einberufung des Land tages vorzuschlagen. * In Lissabon ist ein Komplott gegen das Leben des Königs von Portugal entdeckt worden. lS. Ausl.) Bebel, -er Evolutionist. Auf dem Stuttgarter internationalen Sozialistenkongreß ist bisher nur die Diskussion einer Frage weit aus dem Nahmen der Simpclei herausgetreten, des Militarismus. Ueber ihn wird in der ersten Kom mission des Kongresses zu Gericht gesessen, unv alles, waö die rote Internationale an Persönlichkeiten auizubieten hat, ist in ihr vertreten. Und ganz naturgemäß hat sich die Debatte über den MiliiariSinnS zu einem Streit um die Bedeutung des Vaterlandes und der Nation sür den Sozialismus erweitert. Schon vor dem Beginn der Verhandlungen war es klar geworden, daß zwei Richtungen einander gegenüber standen, eine gemäßigt antimilitaristische und eine revolutionäre, zwilchen denen freilich manche Abstufungen ihre Verächter hatten. Die für uns wichtigste unv immerhin auslälligc Tatsache' dabei ist nun, daß die deutschen Genossen, geführt von Bebel, im äußersten rechten Lager stehen, alle revolutionäre Romantik verwerfen, von Kaseruenputschen und anderer Insurrektion auch im Falle eines Krieges nichts wissen wollen, und daß die Revolutionäre ihren ersten Vertreter in dem Franzosen Hervö sehen, der zwar von Jaurös mit beißender Ironie behandelt, in der Sache aber, uneingestanren, großenteils unterstützt wird. »Bebel schätzt Hervc fast so hoch, wie Hervü sich selbst. DaS ist eine Ueberfchätzung", sagt JauräS. Aber er schließt mit dem Ausfall gegen Bebel: „Die bürgerliche Welt erzittert (stimmt übrigens, wie der Göttinger Seismograph anzeigt), und in diesem Augenblick wollen Sie selbst sich unfähig bckenMo, wollen Sie selbst den Bankrott der Sozialdemokratie erklären?" Nun darf man nicht glauben, daß Bebel etwa in Patriotismus ge schwelgt habe. So weit hat er sich leider nicht „vergessen". Es ist soiar deutlich zu bemerken gewesen, raß ein gut Teil der Bebelschen Mäßig- keit weniger auf prinzipielle Abneigung gegen ein bißchen Revolution als auf die klare Erkenntnis ihrer Aussichtslosigkeit bei unserem leidlich festen Staatsgefüge zurückgesübrt werden muß. Schon auf dem letzten deutschen Sozialistenkongreß meinte Bebel, das Deutsche Reich sei ein Gebilde, wie es die Welt nicht mehr auf zuweisen habe. Und jetzt in Stuttgart sagte er: „Wir in Deutschland bekämpfen den Militarismus in jeder Form, an jedem Tage und auf jede Weise. Aber wir werden uns nicht zu Schritten drängen lassen, die dem ganze» Parteileben, der ganzen Parteiexistenz im höchsten Maße gefährlich werden können." Das ist doch recht deutlich. Aber gleichviel auS welchen Gründen Bcbel die Schalmei bläst — sie klingt uns nicht Übel. UebrigenS soll auch nicht verschwiegen werden, daß Bebel daS natürliche Recht eines Volkes auf seine Nation anerkennt und auch den Begriff Vaterland nicht getilgt wissen will. Noch präziser drückte daS Vollmar aus, als er im Namen der deutschen Genossen sagte: „Es ist nicht wahr, daß der Sozialismus AntinatlonaiismuS ist. Es ist nicht wahr, daß wir kein Vaterland haben. Und ich sage das Wort „Vaterland", ohne irgend eine haarspalterische Deklaration über den Begriff hinzuzufügen... Als ob es wünschenswert wäre, die Nationen ausbören und einen unterschiedslosen Völkerbrei daraus zu machen I" Vollmar auch zitiert eine Aeußerung Liebknechts, des alten, über „kindische ReoolutionSspielereien in der Kaserne" und zeigte sich überhaupt als Debatter auf der Höhe seiner jüngeren Tage, der Zeilen, als er noch nicht in Dresden an dre Wand gedrückt worden war. Brillant war seine spontane Erwiderung auf einen Zwischenruf Iaurös': „Genosse Jauräs, wir sind hier nicht allein im Saale. So lange HervS noch in Ihrer Partei sitzt, sind Sie für ihn verantwortlich". Unv für seinen Scharfblick zeugt es, wie er daS Doppelspiel des Genoffen Iaurös erkannt hat. Dieser Herr IauröS, der zwar Nation und Vater land anerkennt, aber anscheinend nur für Franzosen, der Hervö ver spottet, wo er kann, möchte die deutschen Genossen scharf machen unv will von ihnen Taten sehen. Ganz wie der verspottete, im Grunde aber ehrlichere LervS. Ganz wie dieser operiert er auch mit dem alten Un sinn, Deutschland wolle der russischen Regierung gegen die Revolution zu Hilfe kommen. Kein ernsthafter Politiker hat an die Möglichkeit solchen Aberwitze» geglaubt. Die Zeiten solcher Einmischung wie der Russen in die ungarischen Händel sind längst vorüber. Zu allem Ueberfluß ist da« auch feierlich von amtlicher deutscher Stelle verkündet worden. Nutzt nichts. Herr HervS bereichert die Sammlung von Sprachdummheit durch „die preußischen Bajonette, die auf di« russischen Revolutionär« los- zu gehen drohten" und Herr Iaurös erörtert dieselbe Möglichkeit. Hier möge sich Bebel an seine Brust schlagen: Laa culpa, msa maxiwa culpa. Er und seine Trabanten habe« dieses Gerede aufgebracht und mit ernsthafter Gebärde erörtert. Nun mögen sie sich nicht wundern, wenn die döse Tat fortzeugend Böse» gebiert. Und noch in anderer Be ziehung haben sie gesündigt. Bebel halt noch heute an der Legende fest, Bi-marck hab« deu Krieg von 1870 provoziert und die Emser Depesche gefälscht. Immerhin hat er aber doch einiges aus der Geschichte gelernt: „Liebknecht und ich haben eS ja >870 erfahren, was es bedeutet, wenn man sich auch nur der Ab limmung über die Kriegsanleihe enthält." Und das scheint uns recht gute Dienste geleistet zu haben. Sonst wäre Bebel beute vielleicht nickt ter — Evolutionist (korridiks ckictu!), als der er in Stuttgart glänzt. Was die Bebelsche oder deutsche Resolution sür den Kriegsfall vor schlugt ist übrigens noch gerade dehnbar g:nug, um damit so ziemlich alles, auch die „kindische Revolutionsipielerei", zu verstehen. Der Schluß satz lautet, vorsichiig, aber vieldeutig: „Droht der Ausbruch eines Krieges, >o sind in den beteiligten Läutern die Arbeiter unv ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, all: ö aufzubieten, um durch Anwendung der ihnen am wirksamsten ei scheinenden Mittel den Ausbruch teö Krieges zu ver hindern oder, salls ein solcher dennoch ausbrechen sollte, sür seine rasche Beendigung einzutreten". Die Mehrheit der französischen Genossen, also Iauröö unv Konwricn, schlägt sür den Kriegsfall unter anderem „Massenstreik und Aufstand" vor. Und die Hcrvcscken Radikalen fordern alle Genossen auf, „jede Kriegserklärung, von welcher Seite sie auch kommen mag, mit dem Militärstreik und mit dem Ausstand zu beantworten". „Von weicher Seite sic auch kommen mag". Darin liegt der Unterschied der Auffassungen ausgcdrückt. Bcbel will immer unter scheiden zwischen einem gerechten (VerieidigungS-) Kriege und einem ungerechten (Angriffs-) Kriege. (Auch Jaurös will das.) Unv Bebel traut sich zu, den stets insallibeln Richter über die Schuidsragen bei den Wellereignisscn spielen zu können. WaS ist dieser alte Mann doch sür ein Kindölopf! „Uebeihaupt wird die Unierscheivung zwischen Angriffskrieg und Verteidigungskrieg den unterrichteten Poliulein stets leicht sein." Wirklich, Derr Bebel? Dann erlauben wir unS aber doch, unser Erstaunen darüber auszudrücken, daß die Sympathie der Genossen in dem japanischen Angriffskriege gegen Rußland so unlogisch auf Seiten der Japaner war. Mit Ver laub, Herr Bebel, Sie übernehmen sich. Wie soll man den praktischen Wert der Haltung der deutschen Ge nossen in Stuttgart schätzen? Wir meinen, nicht zu hoch. Denn sie ist noch sehr, sehr weit von rem Minvcstmaß entfernt, daSbiesozialvemokratische deutsche Partei als ein national zuverläffigeS Gebilde charakierisieren würde. Aber doch auch nicht zu nievriz, denn frivole Angrfffslriege sichren wir nicht. Und es ist zu boffen, daß die deutsche Sozialdemo kratie nach ihrem Programm handeln unv bei einer Mobilmachung (vor der unS die Götter behüten mögen) leine revolutionäre Dumm heiten masten wird. DaS ist immerhin eine wertvolle Bürgschaft und genügt vorläufig sür den Hausgebrauch. Auf das frühere Anerbieten Bebels, zur Verteidigung dc' Vaterland's t^hst die Knarre schultern zu wollen, lönnen wir dann zur Noi mit Dank verzichten. Aber auch sonst, ganz allgemein, ist die Haltung der deuischeu Genossen nicht unerfreulich. Nach dem deutlichen Schwanken der heimischen Sozial demokratie in den letzten Iabren zwischen revolutionären Geiüsten und EvolutionSoertrauen ist hier anscheinend ein zuverlässiges Zeichen sür den Sieg des totgesagien Revisionismus gegeben. Ob das gepriesene Ergebnis der Reichstagswahlen dazu beigetragcn hat? DaS soll unS gleich sein und das Vergnügen an Bebel in der pikanten Nolle des Evolutionisten nicht ververben. Ttvitifche tage in Marokko. Die Situation in Marokko wird immer bedenklicher. Ueberall weht jetzt die grüne Fahne des Propheten und eS gewinnt fast den Anschein, als ob General Drude mit seiner verzweifelten Schar balv den maurischen Krummsäbeln wird Weichen müssen. Momentan wird die internationale Lage durch dieses bedrohliche Intermezzo Wohl kaum eine ernstliche Verschiebung erleiden; aber man wird gut tun, die Ereig nisse doppelt aufmerksam zu ver;olgen. Im Pariser „Figaro" bemerkt Georges Bourdon zu den Vor fällen: Der neue Sultan Mulei-Hasid ist 30 Jahre alt und gilt als ein gutmütiger, friedliebender Prinz, aber seine Person bedeutet im Falle seiner Erwählung nichts gegenüber der Tatsache dieser Wahl an sich. Diese Wabl wäre nur zu erklären als ein Protest gegen die Schwäche des jetzigen Sultans, a!S eine Kriegserklärung gegen den europäischen Einfluß in Marokko. Wenn sie bestätigt wird, dürfen wir ein Aufslam men des Fanatismus in allen Städten erwarten, die ein europäischer Fuß betreten hat, und uns auf eine Maffenerbebung der Stämme im Inneren unter der grünen Fahne des Propheten gefaßt machen. Was vermögen in dieser Lage die dreitausend Mann des Generals Druve auSzurichten? Diese Frage Bourdons leitet zu der Forderung über, die heute mit dem „Figaro" auch andere Blätter erbeben: Die Regierung soll dem General genügende Verstärkung schicken, um ihm eine AngriffSaklion gegen die Stämme zu ermöglichen. Nicht Casablanca müsse für die Europäermorde gezüchtigt werden, sondern die Stämme der Schauja, die ohne Ausnahme aus Mördern, Dieben und Weiberichändern sich zusammensetzen. Eine Verteidigung gegen Angriffe, wie sie jetzt allein dem General Drude möglich sei, könne nicht als die Züchtigung betrachtet werben, die allein das Ansehen Frank reichs, vielleicht Europas, gegenüber den Marokkanern aufrecht er halten könne. Diese Ausführungen sind ein Extrakt aus den verschiedenen Tele grammen der Korrespondenten in Casablanca und deuten darauf hin, daß sie alle der gleichen Quelle entstammen, wahrscheinlich einer Aeußerung des Generals Drude, der gestern auch telegraphisch um Ver stärkung bei ver Negierung er>ucht haben soll. Freilich entspricht dies Ersuchen weder den Erklärungen des Generals, nock denen des Ministers Pichon, die von einer Erhöhung der Truppenmackt nichts wissen wollten. Aber die Umstände können die schönsten Vorsätze zunichte mach'». Und daß diese Umstände zurzeit nicht sehr gemütlicher Natur find, beweist eine Auslese der soeben eingelausenen Nachrichten, vorausgesetzt, daß diese Nachrichten nicht etwa« übertrieben wurden, um das erstrebte europäische Mandat zu kräftigem Vorgehe» in Marokko für Frankreich zu er langen. „Matin" und andere Zeitungen berichten vom Montag, daß der Kampf von neuem beginne. „Gloire" und „ConvS" beschießen den Hügelsaum, auf dem die ReitcrtruppS der Angreifer erscheinen. Die Batterie der 75 Millimeiergeschütze rückt vor. Der „Petit Parisien" erzählt, daß acht Breschen in die Mauern von Casablanca gebrochen seien, durch welche sowohl bewaffnete Einwohner der Stadt zu den Angreifern stoßen, wie auch unter Umständen Angreifer in» Stadtinnere dringen konnten. Die französischen Truppen kielten gute Wache, aber ihre Zabl reiche nicht aus, um alle bedrohten Punkte zu decken. Andere Zeitungen melden den Anzug einer neuen Mahalla von an geblich siebentausenv Mann, an deren Spitze nach einer unverbürgten Mitteilung der neue Sultan stehen soll. Die gestern erwähnte Friedensbotschaft des Maghze» an die An greifer vor Casablanca ist eingetroffen, aber wie vorauSzusehen war, ohne jeden Erfolg geblieben. Man erwartet in nächster Zeit neue ent scheidende Ereignisse. Ein weiterer Bericht aus Paris teilt mit: Unter dem Schutze der drei Kilometer bestreichenden 75-mm-Geschütze ließ General Drude vor gestern die von den Kabylen in die Stadtumsaffung Casablancas ge legten Breschen vermauern, die gefallenen Soldaten beerdigen und die Opfer der eisten Massakers aus ihren provisorischen Grabstätten nach dem emopäischen Friedhof bringen. Diese Arbeiten wurden durch das Fallen vereinzelter Schüsse unterbrochen, ein deutlicher Beweis, daß ein Teil der Kabylen in der Stadt und deren nächster Umgebung verborgen gehalten wird. Die Eingeborenen, dies weiß man in DrudeS Lager, stehen mit den Sen d lingen der Rehamma, des bedeutendsten Süd- maroklostammeS, im geheimen Verkehr. Die Rcbamma, welche die Stämme Segbarna, Zenizan und Dulkales zum Abfall vom Maghzen veranlaßten, machen >ür Mulay Hasid, welcher, wenngleich ohne En thusiasmus, sich von ihnen zum Sultan proklamieren ließ, in der Um gebung aller Küstenstävte wie im Inneren eifrigste Propaganda. Sie predigen die Vertreibung aller Europäer und rechnen mit voller Bestimmtheit auf Unterstützung durch den Ma el Amin, welcher jetzt Sasfi bedroht. Unter diesen Umständen wäre die Einkreisung des sranzösi chen Lagers um so mehr zu besorgen, als große Abteilungen dec marokkanitchen Regulären (die Ziffer von 6000 Mann, welche hierher gemelcet wird, dürste übertrieben sein) sich der Bewegung an schlossen. Drude rechnet auf seine vorzügliche Artillerie sowie auf die Verwegenheit seiner Spahis und Schützen. Die Lage in Tanger, dessen Besatzung durch 500 angeblich sultantreue Soldaten verstärkt wurde, ist unverändert. Die Hinrichtung eines Fanatikers, welcher von einem Tangerer Minarett aus die Absetzung deS Sultans ver kündete, gilt als Beweis der Energie, mit welcher GebbaS in Tanger wenigstens jeden Umsturzversuch Niederhalten will. Den aus Fez an geblich zur Beruhigung der Bevölkerung nach Tanger gesandten Ulemas traut man weniger. Deutsches Reich. Leipzig, 22. August. * Ter stak,'er besichtigte gestern in Begleitung de» Prinzen und der Prinzessin Friedrich Karl von Hessen daS Saalburg-Museum, sowie das neu hergenchtete Quästorium und die dort befindliche Biblio thek. Nach eingehender Besichtigung des Prastorium«, sowie der Um wallung deS Kastells und der neuerbauten Porta Praetoria und nack einem Betuch des MitraenmS, begab sich der Kaiser um 1>/< Uhr nach Schloß Homburg, woselbst er das Frühstück einnahm. Nach dem Frühstück wurde die neuerbaute Erlösertirche besichtigt. Hierauf begab sich der Kaiser zum Regierungspräsidenten v. Meister in dessen Hom burger Villa, wo er auch den Tee einnahm. Die Abreise von Homburg erfolgte um 6 Uhr. Ter Abschied ScS Nuntius. Der interimistische Leiter des Mi nisteriums des Aeußeren, Staatsrat v. Lösel, sprach beim Scheiden des Nuntius Caputo das ausrichtige Bedauern über seinen bevorstehenden Abgang und die Veranlassung desselben aus und überreichte ihm im Auftrage des Prinzregenten die Insignien deS Großkreuzes unv des KronenordcnS. * Tie Polcnsrage als Teeschlange. Unter dieser Spitzmarke schreibt die offiziöse „Süddeutsche Neichskorretpondenz": „Die polnischen Blätter halten natürlich an der falschen Behauptung fest, daß eS sich bei der Monarchenzusammcnkunft in Swinemünde hauptsächlich um die Polen srage gehandelt habe, und daß Deutschland aus Rußland einen Druck ausübe, damit gegen die russischen Polen die Zügel straffer angezogen würden. DaS ist der alte Schwindel, ohne den e« nun einmal die Polenpreffe nicht tut. Eö wäre darüber auch kein Wort zu verlieren, wenn nicht leider ein deutsches Blatt bei Wiedergabe solcher polnischen Tendenzlügen bemerlt hätte, eS glaube gut unterrichtet zu sein mit der Annahme, daß allerdings die Polenfrage einen nicht unerheblichen Raum in den Tagen von Swinemünde eingenommen habe. Dieser Annahme ist die bestimmte Erklärung entgegenzustellen, daß in Swinemünde von der sogenannten Polensrage mit keinem Wort die Rede gewesen ist. Und in WohelmShöhe auch nicht; und, wie wohl ohne Indiskretion hinzuge- sügt werden kann, in Ischl desgleichen." * Die deutsche Kulturarbeit im Osten. Die vor einiger Zeit dem preußischen Abgeordnetenhaus zugegangene Denkschrift über die Ansiedelungskommission und ihre wirtschaftlichen Erfolge ist jetzt unter dem Titel „Zwanzig Jahre deutscher Kulturarbeit" in Buchform erschienen. Im Schlußkapitel werden die Ergebnisse unv Ausgaben der BesiedelungStätigkeit zusammenfaffend charakterisiert. Es heißt da: „Die früher wirtschaftlich zurückgebliebenen AnsiebelungSprovinzen sind durch den Geldstrom, der ihnen durch die Siedelung unmittelbar oder mittelbar zufloß, befruchtet worden. In der Schnelligkeit ihrer Entwickelung haben sie die anderen Ostseeprovinzen übertroffen. Die Ernteerträgniffe haben sich immer mehr gesteigert, ganz außerordentlich ist der Aufschwung, den die Viehhaltung genommen hat, die Zahl der Pferde hat sich verdoppelt, die der Rinder fast verdreifacht, die der Schweine fast ver zehnfacht. Auch Geflügelzucht und Obstzucht zeigen gute Fortschritte. Eine mächtige Steigerung deS Verkehrs ist eingetreten, die Bevölkerung zeigt eine verhältnismäßig wett stärkere Zunahme, und noch schneller al- die Bevölkerung schritt der Wohlstand sort. Die BesiedelungStätigkeit hat, alles in allem ge- nommen, dem Staat große wirtschaftliche und nationale Erfolge gebracht; es ist aber auch nicht zu verkennen, daß sich in einer Richtung, der des Landerwerbs, schwere Uebelstände herausgebildet haben. Der Staat kann ihnen durch Ein stellung seiner Käufe nicht begegnen. Da» bisher Erreichte würde sonst preis- geben, u.id wie ein solcher Schritt politisch unmöglich wäre, so würde er wirtschaftlich mit dem Verschwinden deS kaufkräftigsten Bewerbes vom Grundstück»markt die Grundlagen des Kreditwesen« aufs äußerste erschüttern. Andererseits kann der große mit dem Ansiedlerstrom wachsende Bedarf an Land in der bisherigen Weif« künftig nicht mehr gedeckt werden. Die kaum noch erträgliche Lage aus dem Grundstück-markt würde sich in dem Maße verschlimmern, als das Güterangebot sich verringerte und im verschärften Wett bewerb die Preise stiegen. Hiermit ist dem Staate gebieterisch die Pflicl t auf erlegt, den Weg zu finden, einen planvollen, nach wirischastlich und politisch ge sunden Ansichten möglichen Landerwrrb für die AnsiedelungSkommission auch in Zukunft sicher zu stellen." * Die Schule im Kampfe mit »en ansteckenden Krankheiten. Der preußische Kultusminister hat an die Direktoren der Schulen der Monarchie einen Erlaß gerichtet, der eine Anweisung zur Verhütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch die Schule enthält. Der Erlaß enthält 18 Paragraphen und betrifft folgende Krank heiten: ») Aussatz (Lepra), Cholera (asiatische), Diphtherie (Rachen bräune), Fleckfieber (Flecktyphus), Gelbfieber, Genickstarre (über tragbare), Pest (orientalische Beulenpest), Pocken (Blattern), Rückfall sieber (kt-dris rscurrsn«), Ruhr (übertragbare Dysenterie), Scharlach
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