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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.09.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070918020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907091802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907091802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-18
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Abend-Ausgabe 8. Bezugs-Prei» lüe Lntp^ia und Vororte durch »<drr Lräger und Speditrurr in« Hou« gebracht: Aufgabe ä («er morgen«) vtertelMrüch 3 Pl., monatlich 1 w. Lu »gäbe v (morgen« und abend«) viertel» Ehrlich 4.S0 «. mouailich l.SD M. Durch di« »oft bejdneu (2 mal täglich) innerhalb Drutichlank« und der deutlichen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1.75 M autjchl. Post» destellgeld iüc Oesterreich 8 L S6 o, Ungar» 8 L vierteljährlich. Lbonnemenl-Lnnabme i Uugustusplatz 8H bei unseren Trägern, Filialen. Spediteur«» und Annahmestellen, sowie Postümtrrn u»d üriesrrägern. Die eiujetnr Nummer kostet u> biedakti ou »nd irrped ttion! Johann Nigafie 8. Televbon «r. I«0S2. Nr. iE,, «r. Ich»«. v«rlt»«r stlrdaUton« lvurr«: Berlin ktgV 7 Prin, Louis gerdinand- Straste 1. Telephon I, Nr. 8275. eiMger.TagMM Handelszeitung. ILmtsvlatt -es Males und des Molizeiamles der Lladl Leipzig. Lnzeigen-Preis sstr Inserate au« Lmpzig und Umgebung dt» kqespaltene Pclitgeile 25 Pt., sinauzielle Dvieigeu 80 Ps., «ieklamen l M.; von auiwLrU 80 Ps.. ReNamen 1.20 M pomlstuSland 50Ps., finan,. Anzeigen75Ps. «eklamcn lL0 M Inserate d. vehirden >m amtlichen Teil 40 P« Bmlagegebükr 5 M. p. Tausend cxkl. Poft- -edüh:. oieichastdangeigen an betoriUiU.r Stelle im Preise erhbht. Rabatt nach Taris. Fcftcrteilt« Austräge können nicht znrüik- gezogcn werden. Für das Erscheinen an beuuuinlcn Tagen und Platzen wird keine iitarantie übernommen. Anzeigen - Annahme. AugustuSpla, 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonceu» LkpeLttroneu de« In- und AnSIande«. Haupt FiNale Berlin Earl Dunck: Herzogs. Bahr. Hosbuch- handlung Lützowstratze 10. «elephou VI, Nr. «M3). Nr. 259 Mittwoch 18. September 1907. 191. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Die preußische Regierung wird dem Landtage einen Gesetz, entwurf über das staatliche Schlcppmonopol auf den Kanä- len vorlegen. lS. Dtschs. R.) * Das Kapp arlam ent ist aufgelöst. Man erwartet die Berufung Merrimans zum Premierminister, nachdem Malan abgelehnt hat. * Die Nachricht, daß der Besuch des serbischen P r i u z e n A l e r a n- der in Petersburg mit der Absicht zusammenhängt, ihn an Stelle des Kronprinzen zum Thronfolger zu macyen, wird amt- licherfeits in Belgrad kategorisch dementiert. * Der 97. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Me xikos wurde gestern in der ganzen Republik durch besondere Ver anstaltungen gefeiert. * Columbien verhandelt über den Handels- und Grenz vertrag mit Venezuela, der die Einleitung für die Wiederauf nahme diplomatischer Beziehungen mit Venezuela bilden soll. Tagesschau. Enteiguungsrccht. Gegeu die möglicherweise geplante Verleihung des Enteignungs rechtes an die Ansiedclungskommission wendet sich eine in der „Kr^uz- zcilung" abgedruckte Zuschrift aus deutschen Kreisen der Provinz Posen mit der Begründung, daß möglicherweise das Enteignungsrecht auch deutschen Bessern gegenüber angewendet werden tönne. Wir halten diese Besürchtuilg für übertrieben, da es sich dabei höchstens um einen ganz extremen Ausnahmesall handeln könnte, falls nämlich die Ansiedc- tungskoinmission ein in deutschen Händen befindliches Gut dringend zur Vervollständigung ihrer Kckloniscttionspläne gebraucht. Diesem Opfer aber lönnten sich die deutschen Besitzer in der Provinz Posen doch wahr- lich im Interesse der nationalen Sache unterziehen. Bisher haben sich ja leider die Dinge gewöhnlich im entgegengesetzten Sinne abgespielt, dass nämiich die Ansiedelnngskommisi'wn sich des Angebots aus deutschen Kreisen, die die durch die nationale Konkurrenz hervorgerufcne Konjunkt ir nach Möglichkeit ausnuhcn wollten, kaum erwehren konnte. Ist doch heutigentags infolge der hoben Gütcrpreise fast der gesamte deutsche Besitz mobil geworden. Gewiß gibt es auch hier Ausnahmen, daß eine Familie ihren altererbten Besitz um keinen Preis aufgcben möchte, und zweifellos würde eine solche Familie durch die zwangsweise Enteignung 'chwcr getroffen werden. Doch dars man wohl von der Ansiedelung^» lommission erwarten, daß sie gerade diesen alteingesessenen, treu am Deutschtum hängenden Familien gegenüber mit besonderem Takte ver- fahren wird. Mag man über die Ansiedelungskommission Vorwürfe irgend welcher Art erheben, den einen wird man icdenfalls nicht gegen sie erheben können, daß sie nicht der nationalen Sache stets nach bestem Wisse'- gedient hat. Praktisch erscheint also ein derartiger Fall io gut wie ausgeschlossen. Sollte sich jedoch durch eine Verkettung von Umständen trotzdem d-c Notwendigkeit der Enteignung ergeben, so wird man von der Opserwilligkeit derartiger deutscher Familien auch erwarten können, daß sic es iw Juteresse der nationalen Lache nicht erst bis zur Ent eignung kommen lassen, sondern einem freihändigen Verkauf zu einem angemessenen Preise zuslimmen werden. Sollie sich aber in einem solchen Falle die Enteignung als unumgänglich erweisen, so wäre wenigsten die Garantie gegeben, daß ihr Besitz ihnen zu vollem Preise unter Berück sichtigung der Konjunktur bezahlt wird. Es ist ja eine altbekannte Sache, daß durchgehends im Enteignung-verfahren sehr hohe, oft zu Hobe Preise bezahlt werden. Die Frage der Erteilung des Enteignuvgsrcchts an die Ansiedlungs kommission und des Einspruchsrechts an den Staat zum Zweck wirk samerer Durchführung der preußischen Ostmarkenpolitik wird auch von Justizrat Tr. Stranz in der „Deutschen Juristenzoitung" besprochen. Feuilleton. Kenntnis der Welt gibt dem Schriftsteller in jeder »Klasse Ueberlegenheit. Lichtenberg. * Heimkehr. Don Karl Fr. Nowak (Berlin). Unten in den Talgeländcn dehnte sich die große Stadt, nicht mehr ganz deutlich in den zarten Linien, die die ersten Stunden der Abcndllar- heit gezeigt hatten. Die Nebel sanken schon. Tas Häuserheer sammelic sich zur Einheit, wurde ein Nicienschatten, der immer tiefer dunkelte und heilig gegen den Horizont andrängte. Eilig hoben sich die Kirchtürme in den Himmel und liefen voraus, manchmal war cs ein Spitzturm, eine seine, schlanke Nadel, manchmal eine Kuppel. Der Strom floß breit und ruhig, viele Brücken überspannten ihn. Alle glichen dünnen Fäden und cs war wunderlich, wenn an dem einen Ende eines Fadens ein kleiner, weißer Nauchball cmporstieß, schnurgerade durch die Luft sorttanzte, ictundenlang über dem andern Ende schwebte, bis er dann draußen in der Ebene plötzlich stillczustcheu schien, kleiner und immer kleiner wurde und verschwand. Schnellzüge brausten der Fremde zu. Auch Schiffe glitten vorbei, die sich langiam treiben ließen und selten einen Pstff zur Höhe sandten, auf den keiner achtete. Die Luft trug den >>auch von weißen Blüten, der Wind bewegte die Baumkronen unmerl- lich, aber er kühlte nicht. Man war im späten Juni. Die Gäste saßen an runden kleinen Tischen und die Worte flogen hin und her, ein Lachen klang auf und beides vermischte sich mit der leichten Musik, die aus dem >)olzvavillon hcrübcrdrang. Immer waren es Walzer, die man dort spielte, schwärmerische, melancholische, übermütige Walzer, der Kapell meister tanzte auf dem kleinen Brettchen, das ihn vor den Musikern er höhte, die Musiker wippten auf den Stühlen. Im Garten summten die Leute mit. Viele Offiziere waren hierher gekommen, dicke Bürger, die Helles Bier tranken, wagemutige Studenten, heitere Nichtstuer. Tie Frauen trugen flatternde, frohe Gewänder, Blumenmädchen gingen vor- bci, alles schien mir ein Fest. Aber ich hatte das ost schon gesehen, hier draußen vor der Stadt, ost hatte ich es mir, da ich fern weilte, in der Erinnerung ausgemalt; nichts hatte sich, da ich es jetzt wiederfab, ver ändert. lind unten mußten jetzt bald die Lichter aufglimmcn, erst eine glitzernde lange Kette am Strom entlang, dann tausend blitzende Punkte über dem Dunkel der Stadt, dann die Lichter im Garten . . . Im Garten waren es buntschillernde Lampions. Sie schwebten an langen Drähten und schmiegten sich in die Rhnthmen der Musik, die ihre Träumerei verlor und zu prickeln begann. Tie summenden Stimmen wurden noch ausgeräumter, man begann zu singen. Tie jungen Herren standen von den Tischen ans und eröffneten einen Nundgang. Am Der hervorragende Jurist gelangt zu folgenden Ergebnissen: Die preußische Landcsgesetzgebung ist nicht in der Lage, ein Einspruchsrecht gegen den Bodenübergang in polnische Hände zu schaffen. Die reichs- gcsctzlichen Bestimmungen stehen im Wege, die eine solche Beschränkung des Grund.stückverkehrs weder kennen noch zulasten. In diesem Sinne fiel auch das Gutachten zuständiger preußischer Stellen aus. Dagegen steht von Reichs wegen der vielfach gewünschten Erweiterung der Ent eignung eine Schranke nicht entgegen. Aber vom juristischen Stand punkte aus — die politische Seite bleibt hier außer Betracht — mahnen ernste Bedenken von dem Vorhaben ab. Auch bei der Enteignung darf die Frage des Rechts oder Unrechts nicht beiseite geschoben werden. Das Eigentum ist unverletzlich (Art. 9 Verf.s. Freilich, wenn das öffentliche Wohl, die sslus publias, cs dringend erfordert, sind Ausnahmen zulässig. Nur dürfen sich die Ausnahmen nicht als „feindliche Taten" gegen be stimmte einzelne Volkskreise richten, dürfen die staatsbürgerliche Gleich berechtigung nicht gefährden. Warcnhaussteuer. Eine Interpellation über Fragen des Mittelstandes, insbesondere die Stellung der Regierung zur Warcnhaussteuer, will die konservative Fraktion gleich nach Zusammentritt des Landtages in der II. Kammer einbringen. Dagegen läßt sich nichts cinwenden, denn das Recht dazu ist den Mitgliedern der Ständcversammlung durch tz 31 der Landtags ordnung ausdrücklich verbürgt. Bedenklich ist dagegen, daß die Oertel- sche „Dtschc. Tgsztg." auch hier wieder sich iu die Pose des hofmcisternden Zensors wirst und der Regierung vorzuschreibeu versucht, in welchem Sinne sie den Interpellanten antworten soll. Tenn anders ist cs doch nicht zu verstehen, wenn das Bündlerblatt darauf bindeutet, die Antwort der Regierung werde diesmal, entsprechend verschiedenen Aeußerungcn ihrer Vertreter, wohl etwas anders ausfallen, als im letzten Landtage. Die „Dtsche. Tgsztg." denkt offenbar dabei an den Gang der vier Männer zu Hoheuthal Anfang März d. I., wo Graf Hohenthal sich über die Umsatzsteuer in dem Sinne äußerte, daß er sie indirekt den ein zelnen Gemeinden zur Einführung empfahl. Ter Minister sagte da mals u. a.: eine allgemeine Umsatzsteuer auf Grund eines Landcsgesctzes lwbe das Ministerium nicht für zweckmäßig erachtet. Daß aber die l^lc- mcinden schon jetzt nicht daran gehindert seien, unter Beobachtung der für Gemeindesteuern geltenden Grundsätze eine solche Steuer bei sich ciuzusühreu, zeige der Vorgang verschiedener Gemeinden, insbesondere die neue Chemnitzer Gemeindesteuerordnuug. die mit dem 1. Januar 1lxi7 iu Kraft getreten sei und Kleinhandels-Großbetriebe besonders besteuere. Der Minister bat bei diesen Ausführungen wohl nicht bedacht, daß er selbst dem nächsten Landtage eine neue Gemcindesteucrordnung vor- zulcgeu hat, und daß deren hauptsächlichstes Kennzeichen die Einlieitlich- keit im Stcnerweseu sein soll. Wenn er bei jener Gelegenheit aber selbst empfahl, die einzelnen Gemeinden möchten selbständig in dieser Frage Vorgehen, so gefähldcte er damit zu einem bedeutenden Teile sein eignes Werk. Zudem hatte er sieb wohl über die ganze Sache selbst noch nicht gründlich genug unterrichtet. Wie schon »rüber bei Beratung des Antrags Spieß im Landtcwc lWintcr 1905/Nlsi bcrvorgchobeu wurde, ist die Warenhaussteuer auf alle Fälle ein Schlag ins Wasser. Sie kann nur Zweck naben, wenn sie so hoch ist, daß sie tatsächlich den Großbetrieben das Geschäft zugunsten der Kleinbetriebe erschwert. Eine geringe Steuer würde von den Waren- Hausbesitzern stillschweigend bezahlt werden, hätte aber den Nachteil, daß sic wegen der nickt unbedeutenden Erbcoungskosten usiv. „nicht ordentlich zu Buch schlagen" würde. Eine hohe Steuer würde aber von den Warenhausbcsitzern keineswegs selbst getragen, sondern einfach auf die Lieferanten abgcwälzt werden. Diese würden den Nachlaß übernehmen müssen, da sie sonst große, bar bezahlte und infolgedessen lohnende Auf träge verlieren würden, sic würden sich aber gleichzeitig durch Herab drücken der Löhne schadlos zu halten jucken, und der schließliche Effekt der Steuer würde der sein, daß die Steuer gerade von den Leuten ge tragen würde, denen man dadurch helfen wollte. Dieser Standpunkt ist auch bci Beratung des erwähnten Antrags Spieß im Landtage von der Regierung mit gutem Grunde vertreten worden, und wir glauben nicht, daß sich darin irgend etwas geändert hat. Die Konservativen dürsten also mit ihrer Jntcrvellation, in der wir übrigens nur ein in letzter Stunde unternommenes Wahlmanöver sehen, einfach abblitzen. Garteneingang in zwei großen Kiosken kauften sie breite Papiertiiicn. Unzählige tlcine Papierschnitzel wurden hervorgehvlt, man warf sie durch die Luit, die Frauen bogen lachend aus, aber die roten, gelben und blauen Dinger nisteten sich in den Haaren »est, bedeckten die Weißen, schimmernden Nacken, die üppigen, weißen Arme. Es war ein Spiel, kind lich und immer ausgelassener, immer erhitzter kam der Rundgang an meinem Tische vorbei. Obwohl mir all das fast schmerzhaft allmählich vor den Blick.« ' schwirrte, obwohl cs eigentlich stets dasselbe schien, blieb ich doch sitze« ! und sah stets von neuem zu. Einen Tay nur war ich in dieser Stadt, d c ich nicht liebte, die ick nur von fern liebte, wenn ein Flor der Stimmung die Wirklichkeit entrückte, — so früh ich konnte, war ich hinausgcsahren, bierher in die nahen Berge, die abends im Blick aufs Dal das Bilden jener Stiniinnna so sehr begünstigten. Unten zwischen den Häuserzeilen hatte ich keinen Bekannten getroffen. Aber jetzt schien es mir, als ob ich viele bekannte Gesichter jähe, es schien nur so, aber schließlich war ich mit allen Gesichtern vertraut. Erinnerungen stiegen auf, die Jahre hin durch vergeßen waren, verschiedene Schicksale, die ich verscholl.» nannte, durchlebte ich neu. Und eine junge Frau fiel mir auf. Sie glich der jungen Dame, die ich als Student ans meine stille, alberne Art geliebt batle, — vielleicht war sie cs. Sic entglitt mir sofort im Trubel der Vorbci- slntcnden und ich suchte sie nicht weiter. Mir fiel ein, daß ich ihr zwei- oder dreimal die töand geküßt hatte, einmal auch das dunkle, schwere, braune Haar. lieber meine Bescheidenheit hatte ich dann daheim ge- lächelt und sie hatte sich bald darauf einem Maler geschenkt. Mein Schmerz war damals groß, jetzt begriff ich ibn nicht mehr, ich lächelte über ihn, wie einst dabeim über die Bescheidenheit. Der Nundgang ging weiter an meinem Tische vorbei. Die Stunden hotten hier einen langsameren Schritt. Tie Zeit war lässig, lau wie die Lust, die das Fest uin'piclte. Immer noch tanzte der Kapellmeister auf dem kleinen Brettchen, unaufhörlich warfen die Leine ihre Papierschnitzel. Ich sah sie in allen Farben auf dem Boden liegen und rechnete ans, wie groß der Pcipicrbogen wäre, den alle aneinander- acrciht ergäben. Man hätte die Erde umspannen können. Aber plötzUcy brach die Musik ab. Der Zug staute sich und viele, die bisher an ihren Tischen sitzen geblieben waren, standen auf. Tic Musiker packten ihre Instrumente ein und ocrließcn den Pavillon. Ein Surren nnd Frage« von vielen Stiinmen drang an mein Ohr. Es mußte etwas geschehen sein. Einer — ein Eisersüchtiger oder ein Vabaiique-Spieler, der den .Kredit erschöpft sah — batte sich erschossen oder eine Traucrnachrlcht war ans der Stadt heraufgekommcn Aber die Lust Hieb lau, sckmcick- Icrisch strich sic durch den Garten und binderte, über das Ereignis nack- zndenken. Es galt mir gleich, was geschehen war, ob auch die Leute aus den- Garten strömten und stiller talwärts gingen. Bald brannten die Lampions im leeren Park. Man wußte nickt, wie sie einsam durch d-e Zweige leuchteten, ob ein Fest in Erwartung iei I oder ob eines vor vielen Jahren stattgesundcn hatte, das versteinert war. I Sic schwebten als Zeugen dcr Heiterkeit, des vergnügten GlanzeK, allein Vatikanische Toleranz? lVon unserem römischen !>.-Korrespondenten.) Aus Anlaß der Restitution des Benefizes dcr Messe an den ans dem Jesuitenorden vertriebenen englischen Pater Tyrrcl, dessen „Vertrau» licher Brief an einen Professor der Anthropologie" auf den Index der verbotenen Schriften gesetzt worden ist, hat „man" auf den Beginn einer Aera der Toleranz gehofft. „Man" irrt sich und urteilt recht oberfläch lich. Der Pater Tyrrel bat durch ein erhebliche Weile andauerndes materielles Elend seine Strafe erhalten; er hat ferner schriftlich erklärt, daß er nichts mehr ohne präventive Autorisation der kirchlichen Obrig keit veröffentlichen werde; er bat sodann in seinem jüngsten Buche „Zwischen Scylla und Charybdis" gezeigt, daß er sich rückwärts zu ent wickeln vermag, und daß seine intellektuelle Potenz nahe Grenzen Hot. 'And warum sollte einem solchen Manne, der ihr gute Dienste leisten kann, die Kirche kein Amt geben? Hat sie doch von jedem „Sünder" nur verlangt, daß er sich „bessere" und zur Tradition zurückkehre, um ibm dann nicht bloß zu verzeihen, sondern ihn sogar noch im geistlichen Range zu erhöhen! Der gute Tyrrel kann gut und gern in den Jesuiten orden wieder ausgenommen werden, er kann sogar Bischo» und — wie einst Newmann, den zum Kardinal gemacht zu haben Leo XILl. sich zu rühmen pflegte — selbst Kardinal werden, ohne daß von dcr Toleranz der Kirche gesprochen werden dürfte; im Gegenteil. Und ebenso würde man irren, wenn man von der jüngsten Tatsache, daß sich „unter der hohen Protektion und der wohlwollenden Beaufsichtigung" der Kordinäle Mariano Rampollo, Mercier und Masst eine in Rom zentralisierte „Internationale Gesellschaft für den Fortschritt der katholischen Studicn" gebildet hat, eine kirchliche Begünstigung der Wissenschaft und der auf- richtigen Bildung ableiten wollte. Allerdings ist das leitende Komitee der neuen Gesellschaft von Universitätsprofessoren für Pbilosophie, für Recht, Medizin, Volkswirtschaft usw. gebildet, aber doch auch zugleich von einem Monsignore und von dem Vorsitzenden des Verbandes der katho lischen Studenten. Daß diese Leute in ihrer geistigen Betätigung einen Schritt tun würden, der von ihren selbst bestellten Aufsichtsräten nicht gebilligt wäre, oder der auch nur den Schein eines Gegensatzes zu der dogmatischen Tradition der Kirche zeitigen könnte, ist absolut ausge schlossen; und was die wissenschaftliche Aufrichtigkeit betrifft, die ein Universitätsprofessor durch diese seine Qualität oder durch den Namen seines Faches verbürgt, — o du lieber Gott! oxernpls ckooent. In dem Zirkular, in dem. die Gesellschaft Mitglieder wirbt, heißt es auch, daß sic abzielt „auf den Fortschritt der Wissenschaft unter den Katholiken (also nickt an sich), in jedem Zweige des Erkennbaren swo das Erkenn bare anfängt und das Unerkennbare aufhört, bestimmt die Tradition dcr Kirche und der unfehlbare Papst für den treuen Katholiken), mit dem sickeren Bewußtsein, etwas der Ehre der Religion und dem Berufe vuicreS Zeitalters Gemäßes zu leisten". Ja, Kompromiß-Wissenschaft duldet und fördert die Kirche, aber wahre Wissenschaft schließt Kom promisse aus! Deutscher Reich. Leipzig. 18. September. * Tic Manövcrkritik VeS KaisrrS. In französischen Geueralüal'S- kreiicn wird die strenge uuv zum Teil abfällige Krink des Kaiiers über Vie Tätigkeit der Kavallerie bei den westsäli'chen Manöver« sihr leb haft besprochen. Der Umstand, daß der Kaiser mit der Kavallerie- Division 8, die in Erkeln vollständig untätig blieb, und die lllD-vsion in große Verlegenheit brachte, sehr unzufrieden war, wird von fran zösischen Fachleuten für den Fall eines Krieges als besonders wichtig und beachtenswert bcrvoraeboben. Im Gegensatz ru der deutschen, soll sich die sranwsische Kavallerie und Artillerie bei den großen Manövern in Frankreich vorzüglich bewährt haben. Gan; besonders aber war in siauzösiiche« GeneralstabSkreijen die Tatsache bervorgcboben. daß Kai'er Wilhelm II. große Umsicht nnd Selbständigkeit bei der Beobachtung der Bewegung der einzelnen Truppenteile bewiesen habe. So soll der Kaiser ganz allein die Konfusion dec 41. Division bei der bekannten Nackt. im Wind, der abgetönt und fernher jetzt Klänge aus einer tieferen Wirt schaft hcrausbrachte. Man hörte einen Ländler und das dumpfe Au-- dröhnen der Schritte. Und iu der tieferen Stille börre man auch die Dampspseiscn jetzt deutlicher, schriller, wenn unten ein Schiff vorüber zog. Die Stadt war völlig schwarz geworden, sie gab eine scharfe Silhouette, denn die Lust war gänzlich wieder klar geworden. Unruhig gingen die Lichter hin und her, unendliche Lickter, lockend, vergleitend. verlöschend, ausblitzend, wie über nächtlichem Moor. Im Hintergründe schaukelte, am Ende der Stadt, ein riesiges Rad und schwenkte feurige Wägelchen. Die Stadt ^ah aus wie ein Wald oder ein Park, in dem man buntsckimmernde Lampions angezündct hatte. Auch das iah ick ost schon, nichts batte sich verändert, »nd auch hier konnte man denken, daß ein Fcft erwartet oder eines stchen geblieben war, seit Stunden oder Jahren uuv hundert Jahren . . . Nur dcr Strom floß breit und ruhig weiter. Alle Lieder »nmntte icn. die mir über ibn cinfielcn. Lieder, die ich schon als Kind gehört und ec- summt hatte, aber keines paßte recht aus ihn. Er batte nichts träume- risches, keine Schwermut. Er kümmerte sich um nichts, er wich der Stadt im Bogen aus und floß weiter. Sein. Ziel sah man nicht, aber wie er vorwärts strömt', »ab man, daß er fein Ziel wobl wußte. Viele Brücken überspannten ibn. Sie waren dünne, scharfe Fäden und an mehrere« zugleich fließen, in der Mondluft deutlich wahrnehmbar, kleine, weiße Ränckbällc empor . . . Schnellzüge brausten der Ferne zu. * * Tic Festspiele im Prinz-^eicuten-Thcater ui München Tenn, abend, den 11. Leptember, wuiden die diesjährigen Feüspielc iin Biinl-Ne-.cnleu- Tbeater mit dcr dritten glnfsübrnn» ven Wanners „Götterdämmerung F Pe schlossen. Ter tritt« ZvNnS entbirlt „Tannhäuser". , Ti« Memening-r', ,,r rinan und Iwlde" nnv den „Aibelungennng", also wieder sieben Poritellnngen. die all«, bis ans den letzten Platz an verkamt waren. Cs ist wirklich erirenlicb, dnrjeTat- acke zu tonüatieien. denn sic aibt den besten Beweis vau ber kolossalen Anziebnngs- trait, wel I c die Festspiele in München aus das Nei'cnLen-'tzubliwm ausimeu Die ehte „Tannb,inser"-Poruellung braute uns außer den bereits genannten Künstlern nach eine jür die Festspiele der diesjäbrigen Saison neu« Kraft, die den Münchnern wohlbekannte Bertka Marena, die mit der siegreich,-» Krait ibres wieder kräftig und geinnd klingenden Materiais und durch die j«,ale glusiasiuna alte Iu! örer begeisterte und lauteste Anerkennnn« sand. Die Varstellung wurde vom Wiener Hoskapellmeiuer Schalk sicher und ,;e>pandt aelei'et. Der Äusjübrung eine veijöntichr Note ,« geben, iü wobl Schalk nicht gegeben deshalb können wir auch seine Beru'uug zu den Festspielen nickt reckt begreifen In der .Meistersinger'-Aussührung aastierte <>err Leo Slozak von der Wiener .öwiover. Er ließ auck bier die Borzüae seines stimmlichen Material» und ieiner Darstellung im besten Glanze leuckte i und trug zu dem Gelingen der Boriiellung, die tzostapellmeister Fiicker leitete, viel bei. Aickt ganz ebenbürtig war Frl. Fay al» Cvcken Tie Münck«»r töosopernleiiung stellte Liese junge Dame, deren ehrliche» und anerkennenswertes Wollen mit dem Können leider nickt ganz im
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