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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.10.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071015027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907101502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907101502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-15
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BrzugK-Prett Kr Leipzig »»d B»ror«e durch unter« träger und Spediteure in« Hau« gebracht: Sutgade 4 (nur morgen«) vierteljährlich 3 M. mouoLb 1 Ausgabe lt (morgen« und abend«) viertel jährlich 4.50 M., monatlich 1.50 W. (2 mal täglich) innerhalb^Unttjchland« und der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,L M., monatlich 1,75 M autichl. Poi^ destellgcld iür Oesterreich V N 66 k, Ungarn S L vierteljährlich. Abonnement-Anuabme: Au-nstuävlatz 8, bei unseren trägern, Filialen, Spediteure» und Annahmeftellrn, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Stummer kostet ji) Pßg. birdaktion und «rpedttivn: Johann itgasse 8. lelevbon Nr. I46S2, Nr. 1468» Nr. t4SS4. Berliner -tebaktiou« Bureau: Berlin 7. Prinz Louis Aerdinand- Strage 1. Telephon I, Nr. 8275. Abend-Ausgabe S. Mjp.ngcr TagMat Handelszeitung. Ämlsvlatt des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeige« Preis sür Internte au» Leipzig und Umgeduug d« Sqespaltene Petitjeilc 25 Pi., iwanziell« Anzeigen 30 Pf., «cklamen 1 M.; »an aufwärts 30 Ps., Reklamen 1.20 M. vowAu»land5OPi-, ftnan«. Anzcigen75Ps. Reklamen 1^0 M. Fnftrate o. Behörden im amtliche» Teil 40 Pf. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. (üei<däft«a»zeigeii an devorniglcr Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Festerteilte Aufträge können nicht zurmt- gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme-. stUigustubplatz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Anslande«. Haupt Filiale Berlin Earl Lunlt Herzog!. Bahr. Hosbuch- handlung, Lutzowstratze 10. tTelephon VI. Nr. 4603). Nr. 288. Dienstag 15. Oktober 1907. 101. ZahMNsi. Dar wichtigste vorn Tage. * Tas Befinden Kaiser Franz Josefs soll Henle morgen erheblich gebessert sein. sS. Ausl.) * Zwischen Türken und Bulgaren soll ein Gefecht statt gefunden haben, infolge einer türkischen Grenzverletzung. (S. Ausl.) * Die Belagerung Mogadors durch die Mahalla Muley Hafids steht angeblich bevor. sS. Ausl.) * Die Stellung des Botschafters Sinowjew wird als er schüttert bezeichnet wegen seiner Schlappheit in der türkisch persische» Frage. Juni Ninzrrg -es Landtags. Heute lTienstags abend tritt der sächsische Landtag wieder zusammen. Der 32. feit Erlaß der Verfassung von 1831, der erste im neuen, von Wallot erbauten Ständehause. Tie Uebersiedelung des Bureaus, des Kgl. stenographischen Landesamts, der Staatsschuldenverwaltung usw., die auch im neuen Hause ihr Heim haben, ist bereits in den letzten Wochen erfolgt, und gestern. Montag, ist das Gebäude den Präsidenten der beiden Kammern übergeben worden, worauf auch der König das neue Heim der Landesvertretung besichtigt hat. Die Uebergabe ist ganz still erfolgt, ohne jede äußere Feierlichkeit, selbst von einer Abschicdssitzung in dem alten Barockbau, der seit 1775 die Heimstätte des sächsischen Par lamentes gewesen ist, hat man Abstand genommen. Wohl weniger des halb, weil eine solche Feier nach gutem deutschen Brauch nicht ohne „Zwcckessen" abgegangen wäre und demgemäß Geld gekostet Hütte — das Hütte man schließlich auf Grund von 8 38 der Landtagsordnung noch den beiden Präsidenten „ausdividieren" können — sondern mehr deshalb, weil die alten Räume nach achtzehnmonatigcr Verlassenschast wirklich nicht gerade einladend aussahen und ihre Herrichtung einen Neinigungsauf- wand erfordert hätte, der außer allem Verhältnis zu der kurzen Be- nutzungsdauer gestanden hätte. So wird es den beiden Präsidenten über lassen sein, den gewiß geschichtlich bedeutungsvollen „Umzug" in der ersten Präliminarsitzung zu würdigen. Wenn wir selbst unserer sächsischen Volksvertretung zu der Uebersiedelung ins neue Heim einen Wunsch ausiprechen, so sei es der, möge in dem neuen Hause der alte Geist, der die Verfassung von 1831 hat erstehen lassen, der aber in der letzten Zeit in sanftem Schlummer ruhte, neu erwachen zu altem, kraftvollem Leben. Möge im neuen Hause allezeit der Ruf einen kräftigen Widerhall finden, mit dem der Präsident der Zweiten Kammer am 7. April die letzte Sitzung im alten Hause schloß: Der König, das Vaterland und die Ver fassung. Am 15 Oktober tritt der neue Landtag zusammen, und am 15. Ok tober vor 132 Jahren fand auch im alten .Hause die erste Sitzung der da mals neu zusammengetretenen „Stände" statt. Obcrlandbaumeister Friedrich Krubsacius hatte seine Sache billig gemacht. Denn das ganze aus Mitteln der Steuerkasse errichtete Gebäude kostete einschließlich der inneren Einrichtung nur 87 730 Taler. Das Gebäude, in das schon un September 1775 das Oberstcuerkollegium eingezogen war, wurde er richtet auf dem Gelände an der „Pirnaische» Gasse", der jetzigen Land- hausstraßc, auf dem 1761 s13. Juni bis 31. Julil, also im Siebenjährigen Kriege, während des Bombardements durch Friedrich den Grotzen 22 Häuser niedergelegt und 29 so beschädigt wurden, daß sic abgebrochen werden mußten. Im ganzen wurden bei diesem Bombardement 416 Häuser in Asche gelegt und 115 beschädigt, darunter das Kgl Prinzen haus und das Kgl. Steuerhaus. Auf dem Areal des Hinterhauses zum Kgl. Prinzenbaus steht das bis jetzt benutzte Landtagsgebäude. Bis da hin hatten die Stände, die schon seit 1631 in Dresden tagten, kein eigent liches Heim gehabt, sondern ihre einzelnen Ausschüsse hatten bald hier, bald dort getagt, so der engere und weitere Ausschuß beim Traiteur Müller in der Schloßgasse und manchmal auch im Reustädter Rathauje. Das neue „Landhaus", in dem auch die Landessynodc und der Landes kulturrat wiederholt getagt haben, hat nur zweimal einen größeren Um bau erfahren: 1831 nach Einführung der Verfassung, wo das zweite und dritte Stockwerk zusammengezogen, die Tribünen eingezogen und auch die Deputationszimmer eingerichtet wurden, und zuletzt 1875. Dieser Umbau betraf aber mehr Einzelheiten, ohne den Gcsamtcharakter zu ver ändern. So blieb das alte Haus mit seinen engen Korridoren und hohen Flügeltüren, sowie den nüchtern-kahl gehaltenen Wänden vas typische Beispiel eines Varvckbaues aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Im April 1901 begann der Bau des neuen, jetzt bezogenen Stände hauses auf dem Platze des alten Brühlschen Palais. Ein Jahr dauerten die Fundamentierungsarbeiten, und 1906 war der Bau im Aeußeren fertig, worauf man sich der Ausgestaltung der Inneneinrichtung zu wandte. Der Bau, der unter den verschiedensten Schwierigkeiten sz. B. Einstellung der Schiffahrt im Sommer 1904 wegen niedrigen Wasser- standess ausgeführt wurde, erforderte 4500 Kubikmeter Sandstein, 430 Kubikmeter Granit, 8^ Millionen Ziegelsteine, 7000 Kubikmeter Sand, 9000 Hektoliter Kalk und reichlich 800 000 Kilogramm Eisen. Der Kosten anschlag für das Gebäude belief sich auf 3 782 962,28 .tl. für das Gebäude und 246 412,12 .<l für die Nebenanlagen, wovon die Stadt Dresden 200 000 trug. Für die innere Einrichtung sind 500 000 ausgesetzt. Das vom Geh. Baurat Wal lot entworfene und unter feiner Leitung ausgeführte Gebäude zeigt im Grundriß die Form eines Tra pezes, dessen lange Seiten 83 und 79, dessen kurze Seiten dagegen 45 und 72 Meter messen. Das Hauptgeschoß, das die Sitzungssäle der Ersten und Zweiten Kammer, sowie den nach der Elbe zu gelegenen Erfrischungsraum der Abgeordneten lLeitmonv: Jetzt gang i ans Brünnelef enthält, ist das zweite Geschoß. Hier liegen auch das von dem stets liebenswürdigen und entgegenkommenden Bureaudirektor Kraus verwaltete ständische Archiv, die Bibliothek, zu deren Verwalter Dr. Armin Tille aus Leipzig be rufen worden ist, die Lesezimmer, die Boten- und Anmcloezimmcr, sowie das Post- und Telegraphenamt, das auf energisches Drängen der Preß vertreter eingerichtet worden ist, obwohl es merkwürdigerweise erst nicht vorgesehen war. Außerdem sind zahlreiche Deputations-Sitzungszimmer, Arbeits zimmer für die Staatsminister und Regierungskommissare, für die Präsidenten beider Kammern und die Referenten der Deputationen vor handen. Die Presse ist. das inz man anerkenne«, gut versorgt, vorsusgcsctzt, daß das Parlamentspostamt direkte Verbindung mit den Bahn höfen erhält. An Bcrichtcrstattersitzen sind vorhanden 21 in der Zweiten und 11 in der Ersten Kammer, ferner ist da ein besonderes Schreibzimmer mi 30 Sitzplätzen, Telephonkabinen, ein Diktierraum für Maschinenschreiber, ein Garderoberaum und schließlich ein Erfrischungs raum. Dsrrtsche» Reich. Leipzig, 15. Oktober. Kaiskrtclcgrnmmc. Die „N. L. K." schreibt: „Aus der Tatsache daß das Begrüßuugslclegrainm, das die Wiesbadener Verlreleroersamm- lung an den Kaiser sandte, blöder ohne Antwort geblieben ist, schließt die „Germania": die RaNonalliberateu seien „schwer getränkt". Das Berliner Zentrumsorgan irrt sich. Auf Stimmung uno Haltung dec nationalliberalen Partei sind derlei Gunstbezeigungen ohne Einfluß. Die Rationalliberaleu bemühen, sich nach bestem Wissen und Gewissen ihre vaterländische Pflicht zu tun. Darm schon uno darm allein pflegen sie ihr Genügen zn finden." Englische Spionage. Wie die „Rhein-Ems-Zeitung" aus Borkum meldet, wurde dort eine spionierende Jacht mit englischen Marine- oisiziereu durch zwei Wilhelmshavener Torpedoboote beschlagnahmt. Die englischen Offiziere wurden wegen Verdachts des Landesverrats verhaftet. * Regierung unv städtische Lclbstvcrwattung in Preussen. Tas Stadtverorduetentollegiurtt in Hagen lehnte den Antrag des Piovinzial- schulkollegiums und des Kultusministers auf dauernde Beibedaltung des im vorigen Jahre am städtischen Gymnasium eingerichteten pädagogischen Seminars für Kandidaten des höheren Lehramtes einstimnvg ab. Grund zu dieser Ablehnung gab der Umstand, daß die Einrichtung getroffen wurde, ohne daß die Stadtverwaltung davon vorher vernänvigt worden war. Der Oberbürgermeister Enno erhob schaden Einspruch gegen die Mißachtung der Selbstverwaltung durch die Regierung und ihre Organe. * Die Koblenzer Lanvcsvcrratsafsärc. Zur Landesverratsaffäre Schiwara meldet die „Koblenzer Volkszeitung", daß die Unterfucbung noch lang-nicht abgeschlossen ist, vielmehr noch weitere Kreise ziehen Werve. Schiwara wurde nach Koblenz transportiert, wo gleichzeitig auch der die Untersuchung in Köln führende KriegSgenchtsrat Kloß mit dem Reichöjzerichlürat Haase einlraf. Auf dem Geschäftszimmer der zweiten Ballene des FeldariillerieregiinentS 23 wurde Schiwara dem dort in Untersuchungshaft sitzenden Bizewachlmeister Gienstem gegenübergeslellt. Em einstündiges eingehendes Verhör toll für Gienstem geradezu ver nichtend gewesen sein. Schiwara hat sein früheres Verhalten geändert und erklärt nunmehr, daß er nicht Gebeimichriften gestohlen habe, daß ihm vielmehr mehr Material angeboten worden sei, als er verwerten tonnte. Die Affäre «pielt jetzt auch nach Jüterbog hinüber. * Bebels AmerUarcise. Der „Vorwärts" übe,nimmt die Meldung Les Chicagoer „Daily Socialist", wonach der Abgeordnete Bebel die ihm m Stuttgart mündlich unterbreitete Einladung der amerikanischen Sozialvcmo'.ralen angenommen bat, nach den Bereinigten Staaten zn kommen. Bebel wird sich im Frühjahr n. I. dorthin begeben und etwa 6—7 Versammlungen abhalten, vorausgesetzt, daß ihn nicht wichtige Umstande an der Reise hindern. * Ans örm Gebiete der Wohlfahrtspflege hat der Verband mitt lerer Reichs-Post- und Telegraphenbeaniten bemerkenswerte Erfolge zu verzeichnen. So sind von den Mitgliedern auö Anlaß der Teuerungs- zulagen-Bertcilung gegen 28 000 freiwillige Spenden au die Für- sorgekasse des Verbandes abgeführt worden, wobei die bedeutenden Zuwendungen an die Wohlfabrtskassen der Bezirlüoereine nicht nut gerechnet sind. Ein einziger Bezirk, der neugegründele Bezirlsverem Deuttch-Südwestasrila, überwies die stattliche Summe von 820 zur weiteren Speisung der Fürsorgekasse, damit der bedürftigen Witlwcn uno Waisen auch bei dieser Gelegenheit gedacht würde. Ansland. * Kaiser Franz Josef. Die Nachrichten über das Befinden des Kaisers widersprechen sich. Die Korrespondenz Wilhelm meldet: Im Laufe des Tages war das Befinden des Kaisers ausge sprochen günstig) mittags trat eine leichte Temperaturerhöhung ein, sank jedoch nachmittags auf die Normaltempcratur ohne Anwendung - medikamentöser Mittel. Der Kaiser nahm das Tiner, welches reichhal tiger war als an den Vortagen, mit Appetit ein. Dementsprechend war die Stimmung des Monarchen am Nachmittag sehr gut. Ter Kaiser fühlte sich andauernd frisch und empfing den Obersthosmeister Fürsten von Montenuovo zu längerem Vorträge. Bei der Abendvisite um 7 Uhr stellten die Aerzte vollständige F l e b e r s r e i h e i t, lo- wie vollkommen zufriedenstellenden Kräftezustand und vollkommen zu friedenstellende Herztätigkeit fest. Ter Katarrh blieb allerdings nocy immer stationär, ohne sich aber weiter auszubrciten. Auch der Husten trat nachmittags weniger heftig und weniger häufig auf. Der sub jektive und objektive Zustand ist somit ungemein befriedigend. Feuilleton. Dec Schein dec Konsequenz ist das unsterbliche Ver dienst dec Beschränktheit. Treitschke. Han» Lonon von -er Gabelentz. Nordöstlich von Altenburg erhebt sich ein Höhenzug, auf dessen jen seitigem, in dar P.tißelal sich neigendem Abhang ein Turm und Dach giebel aus umgebendem Gehölz hervorragcn, deren altertümlicher Bau- ftil schon den Rittersitz anzeigl. Das ist das seit fünf Jahrhunderten im ununterbrochenen Besitz derer von der Gabeieny befindlich gewesene Familiengut Poschwitz. Dasselbe war wahrend der mittleren Jahr zehnte des vorigen Jahrhunderts ein Sitz edelster Geselligkeit und Gast freundschaft. Gelehrte, Reitende, Missionare, Musiker, Militärs stell ten oft sich ein, alle Weltteile waren zeitweilig dort vertreten. Den Mittelpunkt dieses geselligen Kreises bildete Hans Conon von der Gabelentz, dessen hundertster Geburtstag die Erinnerung an diesen außerordentlichen Sprachgelehrten, der sich eines europäischen Rufes erfreute, in unseren Tagen wieder wachruft. Die Neigung, sich fremde Sprachen airzueignen, ist von jeher ein besonderer Charakterzug der Deutschen gewefen. Im Gegensatz zu den Franzosen, die im allgemeinen weniger Lust dazu verspüren, sind wir bestrebt, womöglich mehrere Sprachen zu erlernen, und folgen dabei einem Grundsätze, der schon in der altgermanischen Edda ausgesprochen wird. Denn dort prophezeit man dem Herrscher den Besitz höchster Glückseligkeit mit den Worten: „Sie werden dich Runen lehren, die sämtliche Menschen besitzen möchten, dazu auch fremder Völker Sprachen und die Gabe der Heilkunst — sei glücklich, Herrscher!" Gabelentz war aber nicht ein Sprachenkundiger in dem landläufigen Sinne, sondern ein Sprachforscher, wenn mau mit diesem Wort weniger eine eingehende Beschäftigung mit den bekannten, mehr oder weniger verbreiteten Weltsprachen, die ihm selbstverständlich auch ge läufig waren, als vielmehr eine durchforschende Behandlung solcher Sprachen verficht, die bisher außerhalb des wissenschaftlichen Verkehrs gelegen hatten und des Lichtes noch warteten, das über sie verbreitet wenden sollte. Wie ein Weltumsegler die Wissenschaft mit der Kunde von neuentdeckten Jnieln und Ländern bereichert, so ging Gabelentz auf die Entdeckung und Durchforschung neuer Sprachgebiete und Sprach- stämme aus, und seine unvergleichliche Meisterschaft war es, solche dunkle Gebiete, oft mit nur geringen Hilfsmitteln, die ihm zu Gebote standen, wissenschaftlich zu durchleuchten und denen, die zu ähnlichen Studien sich gezogen fühlten, in bafnibrechender und fördernder Weile voran- zugehvn. Adelung in seinem „Mithridates" zählt über 3000 lebcnoc Sprachen auf;, dagegen veranschlagen andere Sprachforscher^ wie Balbi und Polt, sie nur auf 860, Max Müller auf 900, welche Ziffern jedoch wahrschein lich zu niedrig gegriffen sind, so daß sie Gesamtzahl der lebender Sprachen in runder Summe etwa 1000 betragen mag. Bon allen neueren Sprachforschern hat Gabelentz sicher die umfassendste Sprach, kenntuis besessen, sind doch in seiner Schrift über das Passivum 204 Sprachen, also ein Fünftel der Gcsamtsprachen überhaupt, herangezogen worden, und betrug doch die Zahl der Sprachen, die Gabelentz mehr oder weniger gründlich erforscht, und von denen er einen großen Teil zuerst wissenschaftlich bearbeitet hat, über 80. Sein außerordentliches Talent zum Auciguen von Sprachen, die er, wo es irgend möglich war, nicht aus Grammatiken, sondern aus der lebendigen Rede von Texten zu lernen suchte, war mir der weit höheren Besäbigung verbunden zu scharfsinniger Durchdringung und strenger wissenschaftlicver Erkenutins des Baues der Sprachen. Mit beiden ausgerüstet, konnte sich daher Gabelentz das Kobe Ziel stecken, sprachliche Erscheinungen womöglich durch das Gcsamtgcbiet menschlicher Sprache zu verfolgen und so allge meine Normen für die Beurteilung derselben und die menschliche Sprachentwickelung überhaupt zu erreichen. Nach ihm ist es nötig, daß man das ganze Gebiet der Sprachen in allen ihren Teilen übersieht, um die Grundlage zu einer allgemeinen Sprachlehre im wahren Sinne des Wortes zu gewinnen, zu einem Werke, „das dereinst die Krone uns den Schlußstein der gesamten Sprachwissenschaft bilden wird". In dieser Richtung setzte Gabelentz die ihm als Beispiel vorscbwebendc Tätigkeit W. von Humboldts fort, und sein Streben mußte es ihm uechc. legen, weniger die viel bearbeiteten indogermanischen und semitischen Sprachen, als vielmehr fernliegcndc, in ihrem Baue von diesen beiden ganz abweichende und von den Sprachforschern oft wenig beachtete Sprachtypen ins Ange zu fassen. Nach den Sprachstämmcn oder -grup pen geordnet, betreffen seine Arbeiten mongolische, malaiische, melane sische, finnische, afrikanische und amerikanische Sprachen. Die Sprach forschung, die speziell in Deutschland immer hervorragende Vertreter gehabt hat, hat cs dargetan, daß der Grad, bis zu dem sich Laute, Wörter und Satzformen verändern können, an und für sich ein völlig unbegrenzter ist und oft die scheinbar unähnlichsten Sprachen durch eine Reihe von Mittelgliedern hindurch auf eine und dieselbe Grundsprache zurückgeführt werden können. Denkt man sich nun die Entwickelung sämtlicher geschichtlich nachweisbarer Grundsprachen in einer vor- geschichtlichen Periode bis an ihren Ausgangspunkt sortgesetzt, so liegt es nahe, die Frage auszuwerscn, ob nicht dieser Ausgangspunkt der gleiche, alle Grundsprachen in letzter Linie ans der nämlichen Ursprache entsprungen seien. Diese Frage, die man früher, teilweise aus reli giösen Vorurteilen, voreilig zu bejahen Pflegte, muß nach dem heutigen Stande der Wi"cnichast entschieden verneint werden. Das erste Erzeugnis seiner Studien, mit dem Gabelentz als noch junger Manu vor die Oefsentlichkeit trat, war eine „Grammatik der Mandschu-Svrache". die derartiges Aussehen erregte, daß der kunst sinnige spätere König, damalige Prinz Johann von Sachsen, sowie Wilhelm von Humboldt seine persönliche Bekanntschaft zu machen wünschten. In (eine Jugendzeit siel auch der Anfang feiner eingehenden Beschäftigung mit der chinesischen Sprache, als ob er ein Vorgefühl gehabt hatte von der wachsenden Bedeutung, die Ehina für die neuere Zeit erlangen würde. Das wissenschaftliche Verdienst, welches sich Gabelentz um die Sprachforschung erworben, ist um so höher anzufchlagen, als er seine Sprachstudien neben seiner amtlichen Tätigkeit als hoher Staatsbeamter nur so nebenbei betrieb. Nachdem er den gewöhnlichen Bildungsweg durch Gymnasium und Universität (Leipzig und Göttingens zurückgeleg:, war er in den Staatsdienst getreten, in dem er bis zu seinem reiferen Manncsalter als Altenburger Kammer, und Rcgicruugsrat tätig war, um später als Mitglied der Landschaften des Großherzoglums Sachsen- Weimar und des .Herzogtums Sachscu-Altcuburg, dort einige Jahre das Amt des Landesuiarschalls, hier eine längere Reihe von Jahren hin durch das des Laiidschafispräsidcntcn vcrwaltcnü, seine Dienste dem öffentlichen Wohl zu widmen. Im Jahre 1818 wurde er Ministerpräsi dent in Altenburg, und erst im Jahre 1870 zog er sich von den öffent lichen Geschäften ganz zurück, um sich lediglich feinen Studien hingeben zu können, aber schon am 3. September 1874 starb er. Gabelentz war aber nicht nur ein ganz hervorragender Sprach forscher, sondern auch ein ausgezeichneter Htsloriler, insbesondere auf dem Gebiete der sächsischen Geschichte. Auf das intensive Studium der vaterländischen Geschichte, sowie der benachbarten Länder wurde er hauptsächlich feit der Gründung der GcschichtS- und Allerumsforschen- dcn Gesellschaft des OsterlandeS iu Altenburg im Jahre 1838 geleitet, deren Mitstister und langjähriger Präsident er gewesen. In der Bear beitung der Genealogie der alten Geschlechter und der dunklen Partien des Ostcrlandes, speziell des Herzogtums Altenburg uns der benach barten Staaten leistete er sehr Bedeutendes, io baß er als Mitglied der plsilologisch-historischen Klasse der König!. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig seine Stelle rühmlichst auSgenillt hat. Von allgemeinerem Interesse war seine Abhandlung „Ucbcr die Ent stehung der Familiennamen, init besonderer Rücksicht aus Sachsen und Thüringen". Danach finden sich in Deutschland bis in das 10. Jahrhundert keine Spuren fester Familiennamen, sondern die Per sonen werden mit ihren Taufnamen unter Beifügung ihres Amtes be zeichnet, z. B. Aönig Ludwig, Graf Burchard. 'Notar Ldalfricd, Erz- bisclw' Hatto, Priester Friedrich usw., Laien ohne Amt nur mit ihrem Tau'namen; eine Angabe des Vaters oder anderer Verhältnisse finden sich höchstens da, wo sic ans den Aussteller oder aus den Inhalt der Urkunde Bezug Haden. Allgemeiner kamen Familiennamen erst seit dem Ankang des >2. Jahrhunderts vor, und zwar zunächst veim hohen, später auch beim niederen Adel. .Hcrgcnvmmen sind sie von den Gütern, weiche die Führer der Namen belaßen, zuweilen sind es auch Beinamen, wie Stange, Knuth usw., deren Deutung meist unbekannt ist. Seit dem Anfänge des 13. Jahrhunderts fingen auch Bürger in Städten an, Bei-
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