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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.10.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101028021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910102802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910102802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
- Monat1910-10
- Tag1910-10-28
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BezuqS-Prei- cn >rctS Nir L«ch,ia Uiu> lüororli durch »H« Träger und Spediteure 2»«l »tglich «« Hau« gebracht: VO nduatl., L.70 gK «ierteljtbri Bet unter» stUtalen ». »a. nahslebrllen adgeh-ln 7V s»«tl- L.LS vterreliLhrt. Durch die Poft: innerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien dierteliLhrl. USV monatl. l.r» autjchl. Postbeslellaeld. sseruer >n Belgien, Dänemark, den Donauslaatru, Italien, Luxemburg, Niederlande, Nor» wegen, Oesterreich Ungarn, Ruhland, «chweden, Schwelg u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch dir »eschattistell« bet Blatte« erhttUich. Da« ileipjiger Daaedlatt erschein« 2 »al täglich, Sonn- u. Feiertag« nur morgen», lilbonn« »ent-llliinahme: Augustusplatz 8, d«, unteren DrLgern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. St»,«l»erkaus«preir der Mo^en- M»gLb« der iilbeudtutgabe S Mbend-Ausgabe. KMgerTllgMM Handelszeitung. Amtsvlatt des Rates und des Rolizeiamtcs der Stadt Leipzig. sllr Inserate au» rcwug an ilmgedunq di« stgewa'ten« hl) «am breite Petitzeile 2ü ch, di« 7« Urin breite Reklamejeil« I doa auäwärrs L» Lz, tsteNamen l.2ll Inserat« van Bebbrden m amtlichen Peil die 7« mw lrcit« Petiigeile «n ch. Sselcha iranieiaen mit P atzvorlchristea und in der At>endau«gabe >»> L-r«»« erhäpl. Rabatt nach Laris. Beilagegeduhr o p. Lausend exkl. Postgebühr. Fester!eilte Äuiträge kännen nicht gurück- gezogen werden, ssür da« rrscheineu an bestimmten Lagen unb Plätzen wird leine Garantie übernommen Anzeigen-Annahme: Augustusplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen tllnnoiiceu« iärpedinonen des In- and Auslände«. Siedaktton unb Gelchästtstell«: Iovannlsgasse o. Feristprecher: I48U2. I48M, I46N4. Haupl-Ftliale Lre-beil: Eeestrahe 4,1 (Telephon 462t). M. 298. - . 7^ /retmy, üen 28. Oktober 1910. lS4. ssahrgsng. Zur Nuklülung -er griechllchen Nstionaloerlsmmlung. Die mit so vielen Erwartungen einberufene Nationalversammlung des Hellenenreichs hat ein ziemlich unrühmliches Ende gefunden, denn ehe sie noch irgendwelche ersprießliche Tätigkeit entfalten konnte, ist sie aufgelöst worden, weil die Aussichten, die Regierung werde sich aus eine nur einigermaßen sichere Mehrheit stützen können, gar zu gering waren. Das Ergebnis der im August vorgenommenen Wahlen erregte von vornherein manche Bedenken, da man vermuten mußte, daß die für absehbare Zeil noch unerreichbaren nationalen Forderungen in den Vordergrund treten und die Versammlung sich nicht darauf beschränken würde, lediglich die nicht grund legenden Bestimmungen der Verfassung einer Re vision zu unterziehen. Am 14. September wurde dann das Parlament vom König mit einer Thron rede eröffnet, aber schon am 1k. kam es zu heftigen Auseinandersetzungen und Skandalszenen mit Hand gemenge, weil ein großer Teil der Abgeordneten den Eid nicht leisten wollte. Militär mußte den Sitzungssaal räumen, was nicht gerade glückver heißend für die Wirksamkeit der neugewählten Kör perschaft war. Man hatte auf das Eingreifen Venize- los in die Verhandlungen gewisse Hoffnungen ge setzt, weil dieser sich eines großen Einflusses erfreute. Als Venizelos am 18. September in Athen eintraf, wurde er von der Volksmenge stürmisch begrüßt, und vom Balkon seines Hotels entwickelte er in großen Zügen sein Programm, beteuerte seine Ergebenheit für das Königshaus und forderte zur Einigkeit und Ruhe auf. Seinem Anträge entsprechend, schob die Nationalversammlung am folgenden Tage die Ent scheidung über ihre gesetzgeberischen Befugnisse hinaus und erledigte die Frage der Vereidigung provisorisch. Es handelte sich hauptsächlich darum, ob die Nationalversammlung den Charakter einer revidierenden Kammer, die die grundlegenden Bestimmungen der Verfassung nicht antasten durfte, behalten, oder den Charakter einer konstitu ierenden Kammer annehmen und sich von jener Einschränkung nicht binden sollte. Zunächst trat eine mehrwöchige Vertagung der Beratungen bis zum 10. Oktober ein. worauf die Präsidentenwahl stattfand, die auf Konstan tin v. Hößlin fiel: den Kandidaten der Rhallis-und Theotokis-Parteien. Alsbald trat das Kabinett Dragumis zurück, und Venizelos wurde mit der Kabinettsbildung beauftragt, die er auch durchführte. Trotzdem Venizelos von der öffent lichen Meinung sehr gut ausgenommen worden war, entstanden ihm im Parlament derartige Schwierig keiten, daß er seine Entlassung anbot, die aber von der Krone nicht genehmigt wurde. Da Venizelos einsah, er werde auf die Dauer mit diesem Parlamente nicht auskommen, machte er kurz ent schlossen von der ihm durch den König erteilten Er mächtigung Gebrauch und löste die National versammlung auf. So verworren die Lage in Griechenland auch heute ist, so hat Venizelos doch dank der Sympathie, die er im Volke genießt, einige Aussicht, bei den Wahlen eine festere Mehrheit zu erhalten. Daß dem Lande Tage der Kämpfe bevor stehen, ist sicher. Ueber die Wahlbewegung liegen folgende Nach richten vor: Athen, 28. Oktober. (Tel.) Theotokis und der größte Teil seiner Partei, etwa 60 Depu tierte der aufgelösten Kammer, beschlossen, sich bei den Wahlen vollständig fern vom Wahl kampfe zu halten. Athen, 28. Oktober. (Tel.) Die Rhallisten und Mavromichalisten haben gleichfalls ein Protokoll unterzeichnet, in dem sie sich verpflichten, bei den bevorstehenden Wahlen nicht zukandi- vieren. p Milche Nachrichten. Das amtliche Wahlergebnis für Leipzig V. Die heute vormittag durch den Wahlkommijsar Stadtrat Dr. Barthol bewirkte amtliche Fest stellung des Ergebnisses der am Dienstag voll zogenen Stichwahl ergab 14 442 Stimmen für Rechts anwalt Dr. Zöphel (Natl.) und 7790 Stimmen für Lagerhalter Adolf Bammes (Soz.). Abgegeben wurden insgesamt 22 421 Stimmen, von denen 189 ungültig waren. Dr. Zöphel ist also gewählt. Die Rückreise des Kaiserpaares. Köln, 28. Oktober. (Tel.) Der kaiserliche Sonder zug ist heute vormittag 7 Uhr hier «ingetroffen. Nach Besichtigung des Domes setzte das Kaiserpaar und Prinzessin Viktoria Luise um 8 Uhr die Reise nach Wildpark fort. Für die neuen 25-Pf.-Stücke. Der preußische Minister für Handel und Gewerbe hat wegen der 25-Pf.-Stücke den dem Ministerium unterstellten Behörden folgenden Erlaß »ugestellt: Das 25-Pf.-Stück hat sich bis jetzt beim Publikum nicht in genügendem Maße einzubürgern vermocht. Don den geprägten Stücken (rund 3 Millionen Mark) befindet sich ungefähr ein Drittel bei der Reichsbank. Für die Entschließung des Neichsschatzamtes über die zu künftigen Prägungen in dieser Münzgattung ist es notwendig, daß dieöffentlichenKassenfort- an die 25-Pf. -Stücke in möglich st großem Umfange bei ihren Zahlungen verwenden, damit beobachtet werden kann, ob die so verausgabten Stücke vom Verkehr ausgenommen werden oder wieder zur Reichsbank zurückfließen. Der französische Eiscnbahnerstreik vor der Deputiertenkammer. Die Situation in der französischen Kammer ist noch nicht geklärt. Wie wir schon im Depeschenteil der heutigen Morgennummer meldeten, nahmen am Don nerstag die lebhaften Debatten über den Streik in der Kammer ihren Fortgang. Man vermutet, daß sich der Wortkampf noch bis zur Mitte der nächsten Woche hinziehen wird. Erst dann wird die Regie rung ihre endgültigen Maßregeln treffen. — Ueber den Schluß der gestrigen Sitzung wird noch berichtet Paris, 28. Oktober. (Tel.) Bouveri (unifi zierter Sozialist) griff Briand heftig an. Driand erklärte, er habe das Bewußtsein, immer der Republik und den Arbeitern gedient zu haben. Bouverr deutete darauf hin, daß die Bomben auch auf Briands Befehl gelegt worden sein könnten. Vincent (radikaler Sozialist) legte Verwahrung gegen die Entlassungen ein. Die Debatte wird Frei tag fortgesetzt. Paris, 28. Oktober. (Tel.) Wahrscheinlich wird die Besprechung der Interpellationen bis gegen Mitte der nächsten Woche dauern. Die Re gierung zählt auf eine Mehrheit von 450 A b - geordneten. Sie wird erst nach der Abstimmung darüber beraten, welche Maßregeln zu treffen sind. Bis dahin findet die Zusammensetzung des Ka binetts keine Aenderung. Eine französische Militärmission in Griechenland. Paris, 28. Oktober. (Tel.) Dem „Matin" wird aus Athen gemeldet, daß die Verhandlungen über die Entsendung einer französischen Militär mission nach Griechenland nunmehr abgeschlossen worden sind. Die durchweg aus höheren Offizieren bestehende Mission, an deren Spitze ein General stehen wird, soll bereits im Laufe des Dezembers in Athen eintreffen. Allen diesen Offizieren würde durch ein besonderes Gesetz die griechische Nationa lität verliehen werden, damit sie erforderlichenfalls ein tatsächliches Kommando übernehmen könnten. Di« antiklerikale Gesetzgebung Spaniens. Madrid, 28. Oktober. (Tel.) In der gestrigen Sitzung des Senats bekämpfte der Bischof von Zaca das Gesetz Cadenas und erklärte, daß die Anzahl der geistlichen Orden in Spanien anderen Ländern gegenüber keineswegs sehr groß sei. Er beklagte sich darüber, daß die Re gierung die Ordensgerstlichen gegen die An griffe aller Art ohne Schutz lasse, und bezeichnete die Vorlage als eine antikonstitutionelle Maßnahme. Im Namen der Kommission erklärte demgegenüber Senator Roßle, das Gesetz stelle nur eine notwendige Maßnahme dar und bedeute keinen Angriff auf den katholischen Glauben. Der Bischof von Guadix wies auf die Konflikte hin, die aus der Anwendung des Gesetzes entstehen könnten, und erklärte, daß Ordensgeistliche, die mit Ablegung des Gelübdes die Eigenschaft als spanische Bürger ver lieren, Untertanen der Kirche würden. Wenn die Zioilgewalt aber Gesetze erlasse in bezug auf Per sonen, die lediglich der Kirche untertan seien, so gehe sie über den ihr zustehenden Wirkungskreis hinaus. Chinesisch-amerikanische Anleiheoerhandlungen. London, 28. Oktober. (Tel.) Aus Peking wird gemeldet, daß die Finanzgruppe Morgan- Loeb sich bei der chinesischen Regierung um Ueber- nahme einer Anleihe von 250 Millionen Franken bemüht. Es heißt, die amerikanische Regierung unterstütze die Gruppe. Kus Leipzig uns Umgegenü. Leipzig, 28. Oktober. Wetterbericht der Königl. Sächs. Landes-Wetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 29. Oktober 1910. Lebhafte südöstliche Winde, Zunahme der Bewöl kung, etwas wärmer, vorwiegend trocken. Pöhlberg: Glänzender Sonnenuntergang, Himmelsfärbung orange. Fichtelberg: Ununterbrochen starker Nebel, starker anhaltender Tau. * Bezirksausschuß. In der heute vormittag ab gehaltenen Sitzung des Bezirksausschusses gedachte der Vorsitzende Amtshauptmann o. Nostitz - Wall - witz vor Eintritt in die Tagesordnung mit ehren den Worten der verstorbenen Mitglieder Hauptmann a D. Breiting und Buchhändler Dürr. Der erstere habe über 20 Jahre dem Bezirksausschüsse an gehört und habe die vielfachen Erfahrungen, die er bei der Entwickelung Paunsdorfs von einer Dorf gemeinde bis zum Vororte der Großstadt machte, dem Bezirksausschuss« zur Verfügung gestellt. Dürr war nur reichlich zwei Jahre Mitglied des Bezirksaus schußes gewesen, aber mehr als einmal habe er schätzenswerte Anregungen gegeben. Mögen sie beide in Frieden ruhen. Die Anwesenden ehrten das An denken der Verstorbenen durch Erheben von ihren Plätzen. — Genehmigung bzw. Befürwortung fanden daraus der 3. Nachtrag zu den Satzungen der Spar kaste Knauthain-Knautkleeberg, die Ein- quartierungoordnungen für Quasnitz und Zuckelhausen, die Pensionsordnung für die Ge- meindebeamten in S t a h m e l n, der 2. Nachtrag zur Besitzwechselabgabenordnung für Lindenthal, die Besitzwelyselabgabenordnung für Knauthain, die Nachträge zu den Ortsstatuten der Gemeinden Eroß- miltitz, Kleindalzig und Lindennaun- dorf (in letzterem Orte sollen künftig 40 Proz. des Gemeindebedarfs vom Grundbesitz und 60 Proz. vom Einkommen aufgebracht werden, gegen jetzt vom Grundbesitz und von den Köpfen), die Festsetzung der Gehälter der Eemeindevorstände von Groß miltitz und Dechwitz (in letzterem Orte Erhöhung von 150 .4t auf 200 -4t, das Gesuch der Ge meinde Böhlitz-Ehrenbcrg um Festsetzung der Polizeistunde auf nachts 2 Uhr, das Ortsgeietz für die Gemeinde Engelsdorf, ein Erundstücksaus- tausch zwischen der politischen Gemeinde Groß- Späte Gerechtigkeit. 1) Roman von Wilhelm Schwedler. (Nachdruck verdaten.) Erstes Kapitel. „Du willst also, daß dies unser letztes Zusammen treffen ist?" „Ja." In dem ärmlichen Raume der Schifferwohnung herrschte für eine Weile tiefe Stille, die nur durch das Knistern des Kaminfeuers und die schweren Atemzüge des im Nebenzimmer schlafenden alten Mannes unterbrochen wurde. Dann erhob sich das junge Mädchen, stellte sich mit verschränkten Armen vor ihren ehemaligen Liebhaber und begann ein regelrechtes Verhör. „Habe ich dir einen Grund zu diesem nichts würdigen Verhalten gegeben?" „Das gerade nicht, aber " „Aber?" James Bartlett räusperte sich verletzen, ehe er fort fuhr: „Ich habe es dir ja lang und breit auseinander gesetzt. Wir pasten eben nicht mehr zueinander." „Wir paßten aber sehr gut zueinander, als du noch bei Carrs für vierzehn Schillinge die Woche Adressen schriebst." „Ja, damals", versuchte der junge Mann sich zu verteidigen. „Seitdem sind doch große Veränderungen eingetreten." „Nicht bei mir." „Aber in meinen Verhältnissen." „Das ist nicht meine Schuld", beharrte das Mädchen, den Kopf trotzig in den Nacken werfend. Sie sah wirklich verführerisch schön aus, wie sie so vor ihm stand im Schein des Feuers, das ihre prachtvollen Locken goldig erglänzen ließ, und James Bartlett konnte nicht umhin, zu finden, daß er seinen ehrgeizigen Plänen doch ein großes Opfer zu bringen habe. Aber es mußte einmal sein, wenn er nicht seine mühsam errungenen Vorteile ausgeben, seine ganze Zukunft ruinieren wollte, und deshalb fuhr er scheinbar gleichgültia fort: „Du weißt doch selbst, daß nichts mehr daran zu ändern ist. Ich kann doch nicht meine Stellung auf geben, um wieder für ein paar armselige Schillinge Adressen zu schreiben oder Zigarren einzupacken." „Nein, das kannst du nicht. — Das heißt", setzte sie nicht ohne Bitterkeit hinzu, „du willst es nicht." „Und in meiner jetzigen Lage paßt du eben nicht zu mir", fuhr er fort zu argumentieren. „Das mutzt du doch selbst einsehen." Aber er kam damit nicht weit, denn das Mädchen antwortete mit großer Bestimmtheit: „Selbstverständ lich sehe ich es nicht ein. Welches Mädchen «. meiner Lage würde das emsehen? Was hat überhaupt deine Frau mit deiner Stellung zu tun?" ,L), sehr viel", erwiderte er zögernd. „Ich ver kehre häufig in der Familie meines Chefs, und das Vertrauen, das ich bei ihm genieße, berechtigt mich zu der Hoffnung, einmal sein Kompagnon zu werden." „Und sein Schwiegersohn", vollendete Jane ruhig. „Wer sagt das?" fuhr der junge Mann auf, als er plötzlich seine Karten aufgcdeckt sah. „Hast du spioniert?" „Das ist ganz gleichgültig", gab sie zurück. „Die Hauptsache bleibt, daß es wahr ist. Warum wirst du jo rot deswegen? Ich gratuliere dir zu der Er oberung. Sic ist deiner Vergangenheit würdig. — Frau Romneys Wiege hat ja auch in Whitechapel gestanden." James Bartlett stand ärgerlich auf. „Du brauchst Frau Nomney nicht zu beleidigen, sie ist eine Dame." „Gerade so, wie ich es sein würde, wenn ich zwanzig Jahre hindurch die Frau eines reichen Mannes gewesen wäre." Der junge Mann begann ungeduldig zu werden. „Was soll das lange Hin- und Herreden , rief er un mutig aus. „Wir müssen einmal zum Schluß kommen. Ich bin nicht hergekommen, um die alten Beziehungen wieder aufzufrischen, sondern um die Sache aus der Welt zu schaffen." „So — das wolltest du?" „Und ich will es noch." „Das ist aber unmöglich. Du hast dich eben ver rechnet. Uebrigens war ich es ia, die diese Zu sammenkunft herbeiaeführl hat. Was glaubst du denn, daß ich von dir wollte?" „Ich glaubte", sagte er zögernd, in der Furcht, sie zu beleidigen, „du wolltest irgendeine Abfindung von mir, — eine Entschädigung sozusagen." „Ich will dein Geld oder vielmehr Fräulein Romneys Geld nicht", versetzte sie bitter. „Was ich brauche, verdiene ich mit meiner Hände Arbeit." „Was für ein« Absicht hattest du also?" fragte er mißtrauisch. Jane Dixon sah einen Augenblick zum Fenster hinaus, an dem der Wind rüttelte. Es erschien ihr zwecklos und erniedrigend, jetzt noch die Wahrheit zu be kennen. aber dann wandte sie sich doch wieder zu ibm, sah ihm voll ins Gesicht und sagte leiser und ohne den höhnischen Klang in der Stimme: „Ich wollte es noch einmal aus deinem eigenen Munde hören, daß alles vorüber ist. Ich konnte es immer nicht glauben, obwohl sie es mir alle sagten. Aber nun weiß ich es, und" — hier veränderte sich ihre Stimme wieder — „ich weiß auch, was ich zu tun habe. Du verschmähst meine Liebe, nun, so fürchte meine Rache. Von dieser Stunde an wird es mein heißes tägliches Gebet sein, daß der Himmel dich wieder erniedrigen möge, so tief, daß du in deinem Elend dich wieder zurücksehnst in diese Hütte, wo zwar Armut und Unordnung, aber auch die Ehr lichkeit zu Hause ist. Und damit der Himmel mein Gebet desto eher erhört, will ich ihm dabei helfen und nicht eher ruhen, als bis meine Rache ge sättigt ist." Sie hatte sich selbst mehr, als sie wollte, in die Aufregung hineingeredet, aber trotz ihres Zornes und der Verachtung, mit dem sie ihren ehemaligen Ge liebten betrachtete, konnte sie nicht verhindern, daß ihr eine Träne in die Augen trat. Sie drehte sich wieder um und sah zum Fenster hinaus, um ihren Schmerz vor ihm zu verbergen. Der junge Mann schien ihren Drohungen nicht viel Bedeutung bcizumessen, denn er kräuselte verächtlich die Lippen, aber so recht behaglich war ihm doch nicht dabei zumute. Er ergriff seinen Hut und wandte sich langsam zum Gehen. An der Tür sah er noch einmal zurück und wartete einen Augenblick. „Jane!" Keine Antwort kam vom Fenster her. „Wollen wir nicht im Guten auseinandergehen, Jane?" Das junge Mädchen drehte sich nicht zu ihm um, aber sie antwortete mit scharfer Betonung: „Wir scheiden überhaupt nicht." Im nächsten Augenblick fiel die Tür hinter ihm ins Schloß. Zweites Kapitel. Als er auf die Straße trat, wußte er anfangs nicht, wohin er sich wenden sollte, um aus dem un sicheren, düsteren Straßengewirr hinaus zur nächsten Bahnstation zu gelangen, und er blieb deshalb einige Sekunden stehen. Die Gegend, wo er vor Jahren jeden Schlupfwinkel, jedes dunkle Gäßchen gekannt hatte, war ihm fremd geworden, und die hohen, eng aneinander stoßenden Häuser benahmen ihm fast den Atem, so daß er froh war, als die kräftige Gestalt eines Schifscrknechtes in der Dunkelheit vor ihm auf tauchte. Er bat den Mann höflich, ihm den nächsten Weg nach der Station Wapping zu zeigen. Der Knecht musterte ihn ungeniert von Kops bis zu Fuß und fragte dann: „Sie haben sich wohl hier her verirrt?" „Das gerade nicht", antwortete James Bartlett. „Ich war in Geschäften hier. Aber ich kann mich wahryaftig nicht mehr besinnen, welchen Weg ich gekommen bin." „In Geschäften hier?" fragte der Schisser miß trauisch zurück. ,.So, so, — um diese Tageszeit pflegen feine Leute hier eigentlich keine Geschäfte zu machen. Das ist aber meine Sache nicht", fügte er wie entschuldi gend hinzu, „kommen Sie mit mir, ich werde Sie wenigstens aus dieser Straße hinausführen, damit Ihnen nichts Unangenehmes zustößt. Die jungen Leute in Wapping lieben es nicht. Fremde zu si'-.her späten Stunde in ihrem Revier zu sehen." James Bartlett kannte die „jungen Leute" von Wapping von früher her und wußte, daß der Schiffer recht hatte. Er hielt es daher für geraten, nichts zu erwidern, und die beiden Männer gingen schweigend nebeneinander her, bis sie an die Haupt straße kamen, wo man den Bahnhof nicht mehr ver fehlen tonnte. Unter der flackernden Easlampe standen mehrere junge Burschen, rauchend und schwatzend. Als James an ihnen vorbei an den Billcttschalter schritt, steckten sie die Köpfe zusammen und flüsterten sich einige Bemerkungen zu, aus denen er den Namen „Jane" heraushörte. „Sie kennen sie also", dachte er bei sich selbst, als er in ein Loupö zweiter Klasse der Untergrundbahn als einziger Passa gier auf der Station einstieg. „Das wäre ja ein netter Freundeskreis gewesen." Und während er seine Zigarre anzündete und es sich in einer Ecke bequem machte, eilten seine Ge danken aus der unfreundlichen ärmlichen Umgebung, die er eben verlassen hatte, weit hinweg, in ein ele gantes, luxuriös ausgestattetes Frauengemach in einer Villa im Norden Londons, wo eine zarte Mädchengestalt am Fenster lehnte, von dem aus sie ihm oft einen Abschiedsgruß zugewinkt. Als der Zug in die nächste Station einfuhr, sah er auf die Bahnhofsuhr: Elf vorüber! Das war die Zeit, zu der er sonst das Haus seines Chefs und zukünftigen Schwiegervaters zu verlassen pflegte. Sicher würde Lilly jetzt an ihn denken, sie liebte ihn ja so innig. Und selbstverständlich liebte er sie wieder. — warum auch nicht? Sie war so herzlich freundlich, so an mutig und so vorzüglich erzogen, — eine so feurige Schönheit wie Jane war sie freilich nicht, aber schließ lich nach wenigen Jahren sieht man weder die Schön, beit noch die Häßlichkeit der eigenen Frau, tröstete sich James. Es ist nur Gewohnheitssache, und das Geld des Vaters gleicht manches aus. „Wer hätte sich das wohl vor drei oder vier Jahren träumen lassen!" dachte er weiter. „Ich nicht und die arme Jane auch nicht. Es ist aber für uns beide besser so, wir passen eben nicht mehr zueinander, und sie wird sich mit einem andern trösten — viel leicht mit einem der Burschen, die vorhin zusammen unter der Laterne standen. Wird sie sich in das Unvermeidliche fügen, oder wird sie versuchen, ihre Drohung wahr zu machen? — Bah, was könnte sie wohl tun?" (Fortsetzung folgt.)
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