Klinische Bedeutung von Geschmacks- und Geruchsstörungen nach myeloablativer oder dosisreduzierter Chemotherapie mit Stammzelltransplantation

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/86517
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-865171
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-27905
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2019-02-21
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Mayer, Frank (Prof. Dr. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2018-11-21
DDC-Klassifikation: 610 - Medizin, Gesundheit
Schlagworte: Onkologie , Hämatologie , Geschmackssinn , Geruchssinn , Chemotherapie
Freie Schlagwörter: Stammzelltransplantation
Geruchssinnesänderung
Geschmackssinnesänderung
Geschmacksstörung
Geruchsstörung
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Die allogene oder autologe Stammzelltransplantation mit vorangehender Hochdosischemotherapie bzw. Konditionierung stellt eine etablierte und erfolgreiche Behandlungsoption bei einem Teil maligner hämatologischer Erkrankungen dar. Im Rahmen der Behandlung tritt jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Nebenwirkungen und Komplikationen auf. Obwohl eine große Anzahl von Patienten über Geschmacks- und Geruchssinnesveränderungen berichtet, ist diese Symptomatik bislang in nur wenigen klinischen Arbeiten untersucht worden. Wir führten daher eine Studie am Universitätsklinikum Tübingen durch, welche zum Ziel hatte, die Häufigkeit von Geschmacks- und Geruchssinnesveränderungen aufzuzeigen, aber auch mögliche Einflussfaktoren und Folgen zu eruieren und somit die klinische Bedeutung darzulegen. Die anonymisierte Datenerfassung dieser Querschnittsstudie erfolgte mittels Fragebogen mit 61 Fragen, welcher an die Patienten der Ambulanz und Tagesklinik der Medizinischen Klinik für Onkologie, Hämatologie, Immunologie, Rheumatologie und Pulmologie verteilt wurde. Weitere Informationen wurden den entsprechenden Krankenakten entnommen. Erfasst wurden neben dem Vorhandensein und der Stärke der Ausprägung von akuten TSC während der Therapiephase sowie anhaltenden TSC zum Zeitpunkt der Befragung auch allgemeine und soziodemographische Angaben, Therapienebenwirkungen, Folgekomplikationen, Therapieeigenschaften und das Körpergewicht zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor, unter und nach der Therapie. Mit Unterstützung durch das Institut für Epidemiologie und angewandte Biometrie in Tübingen erfolgte eine Datenerfassung und –auswertung. Es nahmen 181 Patienten (110 Männer, 71 Frauen) an der Studie teil, das Alter lag zwischen 20 und 79 Jahren und die Befragung erfolgte im Median 25 Monate nach der Stammzelltransplantation. Leukämien (n=72), Lymphome (n=29) und CMPN (n=32) waren die häufigsten Grunderkrankungen. Darüber hinaus wurden 10 Patienten mit MDS und 38 Patienten mit anderen Hämoblastosen eingeschlossen. Akute Geschmackssinnesveränderungen unter der Therapie gaben 81% der Patienten an, davon waren bei 67% die Veränderungen schwergradig ausgeprägt und 56% der Patienten beschrieben eine anhaltende Einschränkung bis zum Zeitpunkt der Befragung. Akute TC zeigten eine signifikante Korrelation mit gastrointestinalen Nebenwirkungen unter der Therapie wie höhergradiger Übelkeit (p=.004), Xerostomie (p=.02) und Mukositis (p<.0001) und Folgen der Therapie wie Fatigue (p=.0008), Anorexie (p=.003), und Übelkeit (p<.0001) in jeweils intensiverer Ausprägung. Auch die anhaltenden TC zeigten einen signifikanten Zusammenhang zu Therapiefolgen, darüber hinaus aber auch zur Applikation von Immunsuppressiva (p=.04), hierunter v.a. Steroide (p=.02) und Tacrolimus (p=.001), nicht jedoch zum Auftreten einer GVHD (akute GVHD: p=.18; chronische GVHD: p=.31). Hinsichtlich der Remission von Geschmackssinnesveränderungen zeigte sich bei autolog transplantierten Patienten eine schnellere und v.a. komplette Besserung bis maximal ein Jahr nach PBSCT. Nach allogener Transplantation waren die TC langsamer rückläufig und persistierten bei einem Teil der Patienten noch über Jahre hinweg (p=.005). Geruchssinnesveränderungen während der akuten Therapiephase lagen bei 54% der Patienten vor (hiervon 43% mit schwergradiger Ausprägung). Etwa ein Drittel (36%) schilderte anhaltende Störungen der Geruchsempfindung. Auch akute SC gingen signifikant mit stärker ausgeprägten Therapienebenwirkungen (Übelkeit: p=.02; Erbrechen: p=.02; Xerostomie: p=.002) und Therapiefolgen (Fatigue: p=.003; Übelkeit: p=.004; Erbrechen: p=.02) einher. Anhaltende SC zeigten nur wenige signifikante Korrelationen wie mit höhergradig ausgeprägter Xerostomie unter Therapie (p=.007) und fehlender Remission der Xerostomie nach Therapieende (p=.03). Ein besonderes Augenmerk wurde auch auf die Veränderungen des Körpergewichts unter der Therapie und nach dem Therapieende gelegt. Der stärkste Gewichtsverlust trat im Zeitraum zwischen 50 und 100 Tagen nach PBSCT auf. Eine signifikante Korrelation konnte sowohl zwischen akuten als auch anhaltenden TC und dem Verlust von Körpergewicht aufgezeigt werden. Stärker ausgeprägte akute TC gingen mit einem größeren Gewichtsverlust einher. Gewichtsverlust unter ausgebliebenen oder leichtgradigen TC zeigte eine bessere Remissionstendenz als unter mittel- bis hochgradigen TC (p allerdings nicht signifikant). Andere Studien belegen ebenfalls den Zusammenhang von TSC mit oralen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Mukositis oder Anorexie. Allerdings erfolgte in anderen Studien meist nur der Einschluss von Patienten nach Behandlung mit konventioneller Chemotherapie, während in unserer Studie speziell das Kollektiv nach Hochdosis-Chemotherapie und PBSCT untersucht worden war. So ließe sich auch erklären, dass anders als in früheren Arbeiten in unserem Kollektiv keine vollständige Remission der TC verzeichnet werden konnte. Es müssen jedoch auch Einschränkungen unserer Arbeit genannt werden: So war der Rücklauf der Fragebögen mit 62% deutlich eingeschränkt, Fragen zu Geschmacks- oder Geruchssinnesänderungen bezogen sich nicht auf einen zuvor genau definierten Zeitpunkt und einige mögliche Einflussfaktoren wie Depression und Infektion/Sepsis hinsichtlich TSC oder hochkalorische Kost und parenterale Ernährung hinsichtlich Gewichtsverlust wurden nicht oder nur unzureichend erfasst. Ein longitudinales Studiendesign hätte hier ggf. bessere Daten liefern können. Dennoch konnte dargelegt werden, in welchem hohen Ausmaß TSC unter und nach der Therapie mit HD-Chemotherapie und PBSCT auftreten. Eine dosisreduzierte Konditionierung kann diese Nebenwirkung kaum mildern. Nach alloPBSCT ist das Risiko erhöht an bleibender Einschränkung der Geschmackswahrnehmung zu leiden. Eine Anpassung der Immunsuppression könnte unter Umständen das Auftreten von TSC mildern, wobei die Behandlung der Grunderkrankung stets im Vordergrund steht. Weiterführende Untersuchungen könnten Ergebnisse liefern, durch welche die Therapie der Grunderkrankung und der unerwünschten Nebenwirkungen bzw. Komplikationen ggf. angepasst werden könnte.

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